Autor Thema: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?  (Gelesen 23341 mal)

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Wellentänzer

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #150 am: 20.10.2014 | 10:21 »
@ Rumpel:  Hm, bei laufenden Gruppen gibt es zudem noch das Riesenthema des Gruppendenkens sowie der Massenträgheit. Gruppendenken bewirkt, dass der einmal eingeschlagene Kurs einer Gruppe nur selten hinterfragt wird. Die Leute passen sich allesamt an die wahrgenommene Gruppenmeinung an. Gerade wenn man sich die Faktoren, die Gruppendenken begünstigen, anschaut, wird man in Rollenspielrunden schnell fündig. Hinzu kommt, dass ein Systemwechsel das Look  & Feel einer Runde fundamental verändert. Außerdem müssen sich alle inklusive SL mit dem neuen System anfreunden können und wohlfühlen. Und ein Systemwechsel bedeutet jede Menge Arbeit insbesondere für den SL. Also ich kann sehr gut nachvollziehen, weshalb man sich diesen Aufwand für einen als unwichtig wahrgenommenen Punkt nicht antun möchte.

Deine Anmerkung zum Regelfetischismus in Onlinediskussionen könnte es ganz gut treffen. Danke dafür. Ich erkläre mir in dem Zusammenhang übrigens die Meinung zu bestimmten Themen ebenfalls u.a. mit Gruppendenken: Früher sind alle dem Kiesowschen Paradigma des "besseren Spiels" gefolgt. Heute sind Würfeldrehen und Railroading auf einmal böse, böse, böse und werden mit heiligem Furor bis aufs Messer bekämpft. Da wird bisweilen gerne das Hirn ausgeschaltet und sich in Aussagen verstiegen wie: "Runden, welche die Regeln einhalten, sind besser als solche, die das nicht tun." Gibt noch viel mehr dazu zu sagen, aber das ist in diesem Thread nur tangential.

Ansonsten, um das Gruppendenken noch ein drittes mal prominent zu platzieren: Der Widerstand gegen Systemwechsel sowie das "Verteidigen bis aufs Blut" entstammt einerseits Prozessen des Gruppendenkens. Andererseits ist sowas auch aufgrund einer kognitiven Dissonanzreduktion möglich. Zusammen erzeugt das sehr viel Widerstand.

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #151 am: 20.10.2014 | 10:28 »
Da liegste daneben. Es sind schlicht ANDERE Dinge als die schnöden Spielregeln entscheidend. Hier im Tanelorn wird ebenso wie in der Forge und an vielen anderen Orten, wo sich Menschen über Rollenspiele austauschen, die Wichtigkeit der Spielregeln grotesk überbewertet. Es gibt eine Million Dinge, die wichtiger sind. Wer macht den SL? In welche inhaltliche Richtung soll es ganz grob gehen: Fantasy/SciFi/Horror/UrbanZeugs? Gritty, humoresk, dramatisch? Oneshot, Kurzkampagne oder episch? Ist Hubert nur alle zwei Wochen dabei? Und so weiter. Die Spielregeln sind den allerallerallermeisten Runden tatsächlich scheißegal.
Das stimmt natürlich. Andererseits ist sehr schwierig die Analysewerkzeuge, die für Betrachtungen in der Richtung vorhanden wären zu nutzen. Ansätze, Theorien, Werkzeuge die aus den Sozial- oder auch noch den Geisteswissenschaften stammen/abgeleitet werden, werden von vielen weder akzeptiert noch erkannt. Die Reaktionen sind i.d.R. immer die selben: Alltagswissen wins!
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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #152 am: 20.10.2014 | 10:38 »
@ Rumpel:  Hm, bei laufenden Gruppen gibt es zudem noch das Riesenthema des Gruppendenkens sowie der Massenträgheit. Gruppendenken bewirkt, dass der einmal eingeschlagene Kurs einer Gruppe nur selten hinterfragt wird. Die Leute passen sich allesamt an die wahrgenommene Gruppenmeinung an. Gerade wenn man sich die Faktoren, die Gruppendenken begünstigen, anschaut, wird man in Rollenspielrunden schnell fündig. Hinzu kommt, dass ein Systemwechsel das Look  & Feel einer Runde fundamental verändert. Außerdem müssen sich alle inklusive SL mit dem neuen System anfreunden können und wohlfühlen. Und ein Systemwechsel bedeutet jede Menge Arbeit insbesondere für den SL. Also ich kann sehr gut nachvollziehen, weshalb man sich diesen Aufwand für einen als unwichtig wahrgenommenen Punkt nicht antun möchte.

Deine Anmerkung zum Regelfetischismus in Onlinediskussionen könnte es ganz gut treffen. Danke dafür. Ich erkläre mir in dem Zusammenhang übrigens die Meinung zu bestimmten Themen ebenfalls u.a. mit Gruppendenken: Früher sind alle dem Kiesowschen Paradigma des "besseren Spiels" gefolgt. Heute sind Würfeldrehen und Railroading auf einmal böse, böse, böse und werden mit heiligem Furor bis aufs Messer bekämpft. Da wird bisweilen gerne das Hirn ausgeschaltet und sich in Aussagen verstiegen wie: "Runden, welche die Regeln einhalten, sind besser als solche, die das nicht tun." Gibt noch viel mehr dazu zu sagen, aber das ist in diesem Thread nur tangential.

Ansonsten, um das Gruppendenken noch ein drittes mal prominent zu platzieren: Der Widerstand gegen Systemwechsel sowie das "Verteidigen bis aufs Blut" entstammt einerseits Prozessen des Gruppendenkens. Andererseits ist sowas auch aufgrund einer kognitiven Dissonanzreduktion möglich. Zusammen erzeugt das sehr viel Widerstand.

Das ist im Wesentlichen das, was ich unter dem Aufbau emotionaler Hürden bzw. in die andere Richtung Bindungen verstehe, nur wesentlich besser ausgedrückt.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
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Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #153 am: 20.10.2014 | 10:49 »
@ Rumpel:  Hm, bei laufenden Gruppen gibt es zudem noch das Riesenthema des Gruppendenkens sowie der Massenträgheit.

Ich würde noch bestehendes Sozial- und Kommunikationsverhalten dazuzählen und ähnlich wichtig einstufen wie "Play". Es gibt ja doch genug Gruppen, bei denen die Leute abseits vom Spieltisch wenig mit einander zu tun haben, dann stellt das Rollenspiel an sich auch die Hauptgrundlage für Kommunikation und soziale Interaktion dar. Also birgt jede Änderung und jeder Wechsel die Chance das soziale Gefüge einer Gruppe nachhaltig zu stören, bis zum Weggang eines Mitspielers.
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Offline Necoras

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #154 am: 20.10.2014 | 11:20 »
Wo es hier gerade in diese Richtung geht: Meines Erachtens spielt bei "edition wars" auch häufig die Tendenz zum status quo eine wichtige Rolle, weshalb dann eben auch mal "schlechtere" alte Editionen gespielt werden. Das lässt sich dann natürlich auch noch auf Systemwechsel anwenden.

Offline Necoras

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #155 am: 20.10.2014 | 11:33 »
Ich habe erstaunlicherweise, trotz fast ausschließlich nicht-tanelorniger und unforgianischer Mispieler in meinen vergangenen Lebensmittelpunkten Kaiserslautern und Frankfurt, nur sehr wenige Spieler getroffen, auf die diese Aussage zutrifft. Die allermeisten davon waren casual gamer.

Was hingegen häufiger anzutreffen war, sind Leute, die "ihr" System aufs Blut verteidigt haben.
Wobei diese Beobachtung keine eindeutige Schlussfolgerung zulässt: a) Die Regeln sind den Spielern absolut nicht egal, weshalb sie "ihr" System bis aufs Blut verteidigen. b) Die Regeln sind den Spielern eigentlich völlig egal, sie verteidigen "ihr" System bis aufs Blut völlig unabhängig davon, inwiefern die Regeln wirklich als "gut" erachtet werden.

Ich erinnere mich noch daran, wie sich vor Jahren ein Spieler in meiner alten DSA-Gruppe abfällig über D&D geäußert hatte mit den Worten: "Tja, is ja schon blöd. Hast halt da keine Parade." In dieser Runde wurden Kämpfe zwar nicht nur erzählerisch abgehandelt und man spielte schon mit vielen DSA4.1-Regeln, nichtsdestoweniger wurde regelmäßig gehandwedelt, weil es an allen Ecken und Kanten haperte, die (z. B. Kampf-)Regeln also de facto entwertet wurden... Das ganze System wurde verteidigt, weil man das Setting, die Gruppe von Spielern und was auch immer mochte und nicht angegriffen sehen wollte.

Offline Oberkampf

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #156 am: 20.10.2014 | 13:23 »
Du verstehst das nicht, weil Du Deine Perspektive in diesem Fall unzulässig stark auf Spielregeln verengst.

Mir geht es nicht primär um Spielregeln, sondern darum, ob Rollenspiel überhaupt ein Gesellschaftsspiel ist, oder etwas ganz anderes, nämlich ein Kaffeklatsch über aventurische* Promis.

Auf einem normalen Familientreffen (oder Freundestreffen) wird über Kind & Karriere gequatscht, oder wenn man damit fertig ist über Politik & Wetter. Rollenspielrunden treffen sich eben, um über Drachen & Verliese zu quatschen.

Wenn Kind & Karriere zu nervig wird, packt einer die Skat-Karten aus und es wird schnell man eine Runde Skat gespielt. Oder meinetwegen Kniffel. Im Rollenspiel wird dann mal gekämpft. Unterschied ist bloß, Skat wird noch halbwegs nach Regeln gespielt und die Spieler konzentrieren sich drauf.

Für diese Tätigkeit ist das Regelwerk tatsächlich belanglos. Trotzdem gibt es, nicht nur unter Tanelornis, verbissene Diskussionen darüber, welches Regelwerk gespielt werden soll. Settingdiskussionen habe ich auch erlebt, aber viel seltener!

Diskussionen um Regelwerke finden oft bei Settingswechseln statt, denn anscheinend ist Settingswechsel etwas, bei dem jeder einsieht, dass ein neues Regelwerk dazu nötig ist (das in der Praxis wieder ignoriert wird). Im Grunde bedeutet aber ein Settingwechsel nur, dass die Gruppe von Kind & Karriere auf Politik & Wetter wechselt.

Der andere Ansatz kommt von Leuten, die gerne Rollenspiel wie ein Gesellschaftsspiel behandeln würden. Das beißt sich sowohl mit der kiesowschen Lehre als auch der gelebten Praxis, zumindest in Deutschland. Wenn Rollenspiel kein Gesellschaftsspiel ist, dann gibt es auch keine schlechten Spielregeln, also kann man bei denen bleiben, die man schon gewohnheitsmäßig nur sporadisch benutzt, wenn sie "nicht im Weg stehen".

*Setze beliebiges Setting hier ein. Man spielt schließlich keine Spiele, sondern Settings, wie Grubentroll bemerkte. Aventurien und DSA nehme ich hier als Paradebeispiel, weil so viele in D daran hängen. Man könnte auch die oWoD/V:tM nehmen.
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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #157 am: 20.10.2014 | 13:31 »
Ich finde an der Idee ist etwas dran. Das entspricht in der Tat auch meinen Empfinden und fasst auch ziemlich schön zusammen weshalb ich als Rollenspiel-ist-Gesellschaftsspiel-Spieler mittlerweile so ein Riesenproblem mit dem typisch deutschen DIN-Rollenspiel habe.
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Offline Slayn

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #158 am: 20.10.2014 | 13:38 »
Man sieht auch gut die Abweichung von den ursprünglichen CoSim Wurzeln und warum herausforderungsorientiertes Spiel bei "uns" nicht so toll ankommt. Andere Prioritäten.
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Offline Grubentroll

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #159 am: 20.10.2014 | 13:52 »
Ich finde hier wird grad dieser Art von systemfernen Spiel eine "Casualness" angedichtet, die so nicht unbedingt vorhanden sein muss.

Ich kann ein "Abenteuer" stringent durchspielen, ohne dass es ein Kaffeeklatsch wird, auch ohne Regelwichserei.


Ich hab mal mit der gleiche Gruppe Dungeon Slayers und ein paar Monate später FATE gespielt.

Was recht ähnlich war, wiel in beiden Fällen ein gewisser Grundkern akzeptiert wurde (Kampfregeln, Situationen auflösen können mit Würfen), aber die tiefere Mechanik zb bei FATE nicht aufgegriffen wurde.

Man wollte halt eine Geschichte spielen, und die Regeln standen eher im Weg als dass man daran "aktiv erfreut" hätte, Aspekte reizen zu dürfen.

Die Leute waren aber alle bei der Sache.

Achamanian

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #160 am: 20.10.2014 | 14:15 »

Man wollte halt eine Geschichte spielen, und die Regeln standen eher im Weg als dass man daran "aktiv erfreut" hätte, Aspekte reizen zu dürfen.

Die Leute waren aber alle bei der Sache.

Aber die Systeme waren jetzt trotzdem nicht "schlecht" für euch, oder? Da, wo ihr sie eingesetzt habt, haben sie ihren Zweck erfüllt.

Die Frage des Threads ist ja immer noch die: Warum verwenden Gruppen Regeln, bei denen sie fluchend Stunden von Spielzeit dem Nachschlagen der Modifikatoren für eine Dämonenbeschwörung opfern, um dann aufzugeben und irgendeinen Modifikator einzusetzen? Warum verwenden sie nicht gleich ein System, das sagt: "Setze einen passenden Modifikator ein", wenn sie letztlich genau das machen?

Wenn man in der Gruppe konsensuell ein lockeres Verhältnis zu den Regeln hat, dann kommt dieses Problem wahrscheinlich nicht auf, und dann kann stimmt die Antwort, dass die Leute halt das System spielen, was gerade zur Hand ist, und es so benutzen, wie es ihnen passt, ob jetzt FATE, Dungeonslayers oder DSA. Aber warum verwenden Leute, denen es auf die Regeln und deren korrekten Einsatz ankommt, Regeln, die ihnen zur Kopfzerbrechen bereiten?

Vielleicht gibt es auch niemanden auf der Welt mit diesem Problem außer meiner selig ruhenden DSA-Runde. Aber wenn ich in andere Foren schaue, dann habe ich schon den Eindruck, dass viele Leute über Jahre Systeme spielen, bei denen sie sich dauernd über Regeln den Kopf zerbrechen, die sie als nervig, unpassend, "unrealistisch" oder sonstwie doof empfinden und wahnsinnig viel Energie darauf verschwenden, sich einerseits über diese Regeln zu ärgern und sie andererseits trotzdem anzuwenden (oder mit verkniffener Miene auszublenden).

Offline 1of3

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #161 am: 20.10.2014 | 14:42 »
Wenn man in der Gruppe konsensuell ein lockeres Verhältnis zu den Regeln hat, dann kommt dieses Problem wahrscheinlich nicht auf, und dann kann stimmt die Antwort, dass die Leute halt das System spielen, was gerade zur Hand ist, und es so benutzen, wie es ihnen passt, ob jetzt FATE, Dungeonslayers oder DSA. Aber warum verwenden Leute, denen es auf die Regeln und deren korrekten Einsatz ankommt, Regeln, die ihnen zur Kopfzerbrechen bereiten?

Ich glaube, da liegt der tarq begraben: Du betrachtest die Gruppe gewissermaßen als einheitlich und das ist ein ziemlich gängiger Ansatz. Tatsächlich können aber in einer Gruppe ziemlich unterschiedliche Vorlieben, Kenntnisse und Gewohnheiten herrschen. Beschweren werden sich tendenziell die Personen, die mit dem Status Quo nicht zufrieden sind. Würden aber alle in der Gruppe Handlungsbedarf sehen, stellte sich die Situation nicht.

Offline Chruschtschow

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #162 am: 20.10.2014 | 15:07 »
@Archoangel:
Ich hatte auch keineswegs die Absicht, dir an die Karre zu fahren. Wenn ich es recht verstanden habe, dann agierst du ein bisschen nach dem Motto "Ich nehme das beste aus allen Welten". Ein legitimer Ansatz. Es gibt viele sehr coole Einzelmechanismen, die man sicher auch interessant verquicken kann. Nur so gar nicht mein Ansatz. Kein Angriff, nur eine andere Sichtweise.

@Wellentänzer:
Das mag ja sein, dass die Gruppe Spaß hat. Ich hatte mit meinen DSA-Gruppen auch Spaß. Aber nach meinem Empfinden eben trotz der Regeln, nicht dank der Regeln. Wenn eine Runde narrativ spielt und dafür Pathfinder nimmt, dann können die Leute sicher Spaß haben. Aber wie  Rumspielstilziel das schon richtig mit seiner Dämonenbeschwörung umschreibt, man leistet sich einen unfassbaren Regeloverhead, weil in dem Setting und in der Runde nun ein Mal dies und das gespielt wird, anstatt auf ein System zu wechseln, das eben kein "Spaß trotz der Regeln" ist, sondern den gewünschten Spielstil gegebenenfalls noch unterstützt.

Zum Beispiel bin ich, wie meine Signatur vielleicht dezent andeutet, ein großer Fate-Fan. Aber echte Horror-Mystery-Szenarien sind damit einfach nicht optimal machbar, weil das Player Empowerment sich der Hinweissuche schnell mal entgegen stellt, wenn die Spieler plötzlich mit heftigen "Story Details" um sich werfen. Das geht. Aber das geht mit Gumshoe vielleicht besser. Taktische Ballereien? Mit Fate? Nuja, wenn Akimbobazookas in dem Setting Sinn machen... Oder z.B. Dungeon Crawl lieber mit Dungeonslayers oder Pathfinder.  Da unterstützt das System den Spielstil, anstatt ihm gegebenenfalls entgegen zu stehen. Klar, Fate kann man ausgiebig biegen und brechen. Aber das macht es vielen Genres trotzdem nicht zum "guten" System, das eben den Spielstil unterstützt.

Dass das nicht zwingend der entscheidende Faktor für den Spielspaß ist, ist auch klar. Fussball finde ich nicht gerade spannend, 2006 habe ich mich beim Public Viewing trotzdem heiser gebrüllt und mit meinen Kumpels einen Mordsspaß gehabt. Das lag aber nur indirekt am Fussball. Hätte die Seilspringen-WM zur gleichen euphorischen Stimmung geführt, hätte ich auch da begeistert zugeschaut. Da sind die Gründe halt ebenso vielfach, warum man plötzlich Spaß hat. Die Grundfrage des Threads zielt aber auf die Systeme ab.

@Strohmann-Hipster:
"Nur Nostalgie..." mag etwas überspitzt sein. Die Gründe sind vielfältig. Aber in der Tat halte ich bei sämtlichen OD&D-Klonen Nostalgie für die Haupttriebfeder, die meinte ich recht spezifisch mit OSR (und ja, ich weiß, dass es da mehr gibt). Aber selbst wenn es letztlich verschiedene Untersysteme sind, dann hat man als Designer doch in der Hand, ob hoch oder niedrig würfeln besser ist, wie die Skalierung der Erfolgswerte ausschaut etc. Wenn ich es noch nicht ein Mal schaffe, die grundsätzliche Würfelmechanik zu vereinheitlichen (z.B. überall Probe mit W20, Wert in Höhe des Probenwerts oder höher ist ein Erfolg, vielleicht noch ein paar Details, wenn es unkritisch ist oder man Ruhe hat und es gleichzeitig unkritisch ist, d20 halt...), dann trifft das bei mir persönlich einen Nerv und der schreit "schlecht designet!!!" Oft wird ja als Argument für die tollen Systeme von damals angeführt, dass die noch einfach waren und nicht so viel Zusatzregeln mit brachten wie ein Pathfinder mit Klassenbüchern von Krieger bis Telefondesinfizierer. Aber "einfach" oder gar "gut" würde ich diese alten Regeln auch nicht nennen. Und sechs oder sieben verschiedene Variationen von "nimm eine bestimmte Anzahl Würfel und würfle entweder höher oder tiefer als ein bestimmter Erfolgswert" ohne jede Notwendigkeit sind arg viel.

(Disclaimer: Und nein, ich meine damit nicht so etwas wie in Savage Worlds, wo durch die Form der Würfel der Fähigkeitswert dargestellt wird. Da ist es ein bewusstes Design.)

Ganz allgemein führt natürlich auch noch die Angst vor dem Konvertieren eines Settings eine große Rolle. Bei DSA habe ich Namen, Kleidergröße und Kampfwerte für den Hamster der Großnichte von Raidri Conchobair. Wo will man da anfangen mit der Konversion? Und wie macht man einem alteingesessenen DSAler klar, dass Flim Flam Funkel und Nihilatio Gravitas vielleicht über den gleichen Skill abgearbeitet werden und dann auch noch KEINE ASTRALPUNKTE KOSTEN!!! PANIK!!! Und dann kegelt das blöde Player Empowerment auch noch alles mögliche durcheinander und die Gruppe spielt plötzlich nicht mehr im kanonischen Aventurien! Oder ich habe schlicht nicht die Zeit mich daran zu setzen, weil Arbeit, Kinder, Haus... Vielfältige Ursachen.

[EDIT]
Mist, doch wieder eine Wall of Text...
« Letzte Änderung: 20.10.2014 | 15:10 von Chruschtschow »
Tolles Setting, würde ich aber mit Fate spielen. Und jeder Thread ist ein potentieller Fate-Thread. :d

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Offline D. Athair

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #163 am: 20.10.2014 | 15:56 »
Wenn ich es noch nicht ein Mal schaffe, die grundsätzliche Würfelmechanik zu vereinheitlichen (z.B. überall Probe mit W20, Wert in Höhe des Probenwerts oder höher ist ein Erfolg, vielleicht noch ein paar Details, wenn es unkritisch ist oder man Ruhe hat und es gleichzeitig unkritisch ist, d20 halt...), dann trifft das bei mir persönlich einen Nerv und der schreit "schlecht designet!!!"
Ich kann das schon nachvollziehen. So habe ich auch mal gedacht und ich will dir das auch garn nicht ausreden. Nur habe ich die Erfahrung machen dürfen, dass die Vereinheitlichung a) etwas kostet und b) für den Spielfluss nicht unbedingt einen Unterschied macht.

Zu a: Das Problem ist: Es fühlt sich alles gleich an. Das ist durchaus auch ein valider Vorwurf der gegenüber D&D 4 immer mal wieder geäußert wird.  Was gleich geregelt ist fühlt sich im Spiel gleich an, was unterschiedlich geregelt ist unterschiedlich. Für Spieler, die einen Dieb spielen, kann es z.B. wichtig sein, dass die Diebesfertigkeiten anders funktionieren. Der W100 an der Stelle ist quasi ein Alleinstellungsmerkmal der Klasse. Und das kann für Leute, die Robin Laws unter "specialists" packt, wirklich eine Bedeutung haben. So wie der Zauberer seine fire'n-forget-Sprüche hat, der Kleriker weniger Sprüche und die 2W6 zum Untote vertreiben, ... Und schließlich sind die unterschiedlichen Mechanismen Stellen, an denen man Hausregeln ansetzten kann. In dem man z.B. die Vereinheitlichung selbst durchführt, wenn man das will oder indem man davon andere Regelungen ableitet, ...

Zu b: Da die Klone keine besonders komplexen Spiele sind, wirken sich die uneinheitlichen Spielmechanismen auf den Spielfluss so gut wie gar nicht aus. Insbesondere, weil die vom Kernmechanismus abweichenden Regeln zumeist ohnehin Subsysteme sind, die man separat lernen muss. Klar, das geht leichter, wenn die Regeln den Prinzipien des Kernmechanismus folgen. Jedoch ist der Lernaufwand grundsätzlich da und uneinheitliche Mechanismen vergrößern den nur minimal ( - jedenfalls solange eine gewisse Komplexität nicht überschritten wird).


Jedenfalls bin ich über diese Erkenntnisse zu dem Schluss gekommen, dass ein einheitlicher Mechanismus nicht unbedingt was mit gutem Design zu tun haben muss.
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Offline Chruschtschow

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #164 am: 20.10.2014 | 18:47 »
Ich komme genau aus der anderen Richtung. Seit 1989 DSA-Spieler. Shadowrunner und da meistens der Spieler bzw. Spielleiter, der sich auch mit den komplizierten Subsystemen wie Fahrzeugkampf und Matrix ausgekannt hat. Und so weiter und so fort. Ein furchtbarer Regelanwalt dazu, darum haben die mich in den meistens Fällen auf den Spielleiterplatz gesetzt...

Einheitlichere Systeme, die viele Dinge ähnlich oder gleich regeln, haben mich viel stärker angesprochen. West End Games' d6? Damals einer meiner Favoriten. Der Schritt von AD&D zu D&D3? Guter Schritt, aber noch sehr viel Kleinklein. Heute vor allem Fate. Viele Dinge werden einfach einen Tacken abstrakter behandelt und schon hat man einen kleinen aber leistungsstarken Satz an Zahnrädern, die schön ineinander greifen. Eine regelrechte Offenbarung. Der Schritt von Fate aus Spirit of the Century zu Fate Core? Seeeeehr gute Idee. Weniger mächtigere Zahnräder.

Kurzum, es ist ganz stark persönliches Empfinden, was die Definition von gutem und schlechtem System ausmacht. Darum drohen bei mir ja schlimme Koliken, wenn ich von Archoangels Systemmix höre, während es für ihn und seine Runden wahrscheinlich super ist. Ebenso sind Leute mit Pathfinder in ihrer narrativen Runde zufrieden, obwohl es dafür echt ungeeignet ist.

Achso, können wir uns zumindest auf ein unteres Ende der Skala einigen? F.A.T.A.L vielleicht? ;)
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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #165 am: 21.10.2014 | 00:25 »
Kurzum, es ist ganz stark persönliches Empfinden, was die Definition von gutem und schlechtem System ausmacht.

Glaube ich nicht unbedingt. Was gute und schlechte Systeme unterscheidet ist v.a. ob a) tun was sie sollen oder b) wenigstens bestimmte Spielweisen unterstützen. Die Herangehensweise vom Design her ist da mMn nicht so wichtig. (Ein gut designtes Spiel z.B. muss noch lange kein gutes Spiel sein. Das Design von D&D 4 z.B. ist als "gut" anerkannt. Ob es ein gutes Spiel oder gutes D&D ist, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.)

Achso, können wir uns zumindest auf ein unteres Ende der Skala einigen? F.A.T.A.L vielleicht? ;)
Mit Sicherheit.

Wobei wir damals schon Shadowrun (3.01D) in die Ecke geworfen haben.
Und DSA habe ich immer wieder zu mögen versucht. Ist nie gelungen.

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #166 am: 21.10.2014 | 07:01 »
Ich finde hier wird grad dieser Art von systemfernen Spiel eine "Casualness" angedichtet, die so nicht unbedingt vorhanden sein muss.

Ich habe bewusst das Wort Kaffeeklatsch gewählt, um Rollenspiel vom Gesellschaftsspiel abzugrenzen. Trotzdem kann die Konversation über das Setting mit hohem Interesse und engagierter Beteiligung stattfinden. Genau wie Gespräche über Kind & Karriere.



Die Frage des Threads ist ja immer noch die: Warum verwenden Gruppen Regeln, bei denen sie fluchend Stunden von Spielzeit dem Nachschlagen der Modifikatoren für eine Dämonenbeschwörung opfern, um dann aufzugeben und irgendeinen Modifikator einzusetzen? Warum verwenden sie nicht gleich ein System, das sagt: "Setze einen passenden Modifikator ein", wenn sie letztlich genau das machen?

Wenn man in der Gruppe konsensuell ein lockeres Verhältnis zu den Regeln hat, dann kommt dieses Problem wahrscheinlich nicht auf, und dann kann stimmt die Antwort, dass die Leute halt das System spielen, was gerade zur Hand ist, und es so benutzen, wie es ihnen passt, ob jetzt FATE, Dungeonslayers oder DSA. Aber warum verwenden Leute, denen es auf die Regeln und deren korrekten Einsatz ankommt, Regeln, die ihnen zur Kopfzerbrechen bereiten?

Das Problem kenne ich auch. In 10 000 Fällen wird das Handwedeln beim Gespräch über das Setting akzeptiert, aber dann kommt der eine Fall, wo irgendjemand, meistens ein Spieler, manchmal auch der Spielleiter, es genauer wissen will und Ewigkeiten lang im Regelbuch geblättert wird, bis es eine halbwegs passende Regel gibt, mit der dann jemand unzufrieden ist, sodass über eine Hausregelung diskutiert wird.

Die erste Ursache dafür ist mMn, dass es kein Regelproblem gibt, sondern einen Dissens in der Fiktion! Der Spielleiter erzählt etwas, was mindestens einem Spieler nicht gefällt, oder ein Spieler kann aufgrund von Regelmechanismen in die Welt eingreifen, was dem Spielleiter nicht gefällt. Aber anstatt dann zu sagen "Schlechte Storywendung!" wird nach Gründen im ansonsten irrelevanten Regelwerk gesucht, warum das so nicht geht.

Die zweite Ursache liegt darin, dass es am Tisch immer noch Teilnehmer gibt, die Rollenspiel als Gesellschaftsspiel betreiben wollen und zumindest in einigen Bereichen - beispielsweise den regellastig sehr ausgiebig behandelten Kämpfen - glauben, das dies tatsächlich stattfindet. Das sind dann meistens die Regelfuchser, die sich ernsthaft in die Regelschwarten von 3.x o.ä. eingearbeitet haben, weil sie glauben, nach diesen Regelbergen würde irgendwer wirklich spielen! 
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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #167 am: 21.10.2014 | 09:13 »
Die zweite Ursache liegt darin, dass es am Tisch immer noch Teilnehmer gibt, die Rollenspiel als Gesellschaftsspiel betreiben wollen und zumindest in einigen Bereichen - beispielsweise den regellastig sehr ausgiebig behandelten Kämpfen - glauben, das dies tatsächlich stattfindet. Das sind dann meistens die Regelfuchser, die sich ernsthaft in die Regelschwarten von 3.x o.ä. eingearbeitet haben, weil sie glauben, nach diesen Regelbergen würde irgendwer wirklich spielen!
Das klingt übrigens ziemlich beleidigend. Nur mal so als Hinweis.
"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


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Offline Arkam

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #168 am: 21.10.2014 | 09:17 »
Hallo zusammen,

ich versuche mich Mal an einem Fazit.

Der Hintergrund und nicht die Spielregeln faszinieren. Gleichzeitig würde ein Wechsel zu einem anderen System aber den Hintergrund ändern. Das Phänomen wird auch gerne als Verzahnung von Hintergrund und Regeln beschrieben.
Die Game Regeln dazu genutzt werden Play zu betreiben. Hier werden Regeln mit einem gewissen Freiheitsgrad benötigt.
Spielregeln eben keine besondere Rolle spielen. Wichtiger sind die sozialen Aspekte und die Gruppenzusammensetzung. Man hat Sorgen das ein Systemwechsel die als angenehm empfundene Gruppe verändert.
Ein Wechsel des Systems wahrscheinlich auch einen Genrewechsel beinhaltet den man nicht möchte.
Man eben nur die absolute Basis eines Spiels benutzt und störende Regelteile einfach ignoriert oder durch Regeln aus anderen Systemen ersetzt.

Fehlt jemanden noch ein Punkt?
Da ich die Diskussion in diesem Thread als konstruktiv und, wenigstens für mich, auch erhellend empfinde möchte ich den Thread noch nicht schließen.

Gruß Jochen
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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #169 am: 21.10.2014 | 15:33 »
Das klingt übrigens ziemlich beleidigend. Nur mal so als Hinweis.

Sorry, war nicht beleidigend gemeint, zumindest nicht als stärker provozierend als der Rest meiner Formulierungen. Aber zugegeben, ein bisschen habe ich da meinem Frust über bestimmte Erzählspielformen (und ihre Exzesse) freien Lauf gegeben.

Ich habe es tatsächlich öfter erlebt, dass eher erzählorientierte Spielleiter gegenüber Spielern, die auf die Einhaltung der Regeln (zumindest während eines Kampfes, aber auch dann, wenn NSCs wundersame Dinge tun) pochen, Worte wie Rule Rider, Rules Lawyer oder Regelfuchser fallen lassen.

3.x habe ich als Beispiel für alle Spiele herangezogen, die ähnliche Regelschwergewichte sind, weil an diesen der Anspruch auf ein umfassend geregeltes Gesellschaftsspiel am deutlichsten mit der Spielpraxis des Regelignorierens (oder genauer: Regelbuchignorierens) hervortritt. Man könnte aber sicher auch andere systeme als Beispiele nehmen.
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Offline bobibob bobsen

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #170 am: 21.10.2014 | 15:56 »
Zitat
Ich habe es tatsächlich öfter erlebt, dass eher erzählorientierte Spielleiter gegenüber Spielern, die auf die Einhaltung der Regeln (zumindest während eines Kampfes, aber auch dann, wenn NSCs wundersame Dinge tun) pochen, Worte wie Rule Rider, Rules Lawyer oder Regelfuchser fallen lassen.

und da hast du doch hoffentlich mit dem Ausruf Märchenonkel, Storyhure oder RR geantwortet. ~;D

Nee im Ernst so was würde bei mir sofort zur Unterbrechung des Spiels führen um die Situation zu klären, wenn man das nicht schon im Vorwege gemacht hat.

Offline Arkam

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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #171 am: 21.10.2014 | 19:44 »
Hallo zusammen,

Ich habe es tatsächlich öfter erlebt, dass eher erzählorientierte Spielleiter gegenüber Spielern, die auf die Einhaltung der Regeln (zumindest während eines Kampfes, aber auch dann, wenn NSCs wundersame Dinge tun) pochen, Worte wie Rule Rider, Rules Lawyer oder Regelfuchser fallen lassen.

@Huntress
Mich würde jetzt aus der Theorie heraus ja interessieren wie du diesen Spielleiter einschätzt.
Würde er durch ein System gewinnen das eher einem erzählerischen Ansatz folgt?
Hat die Gruppe ihm Game Kompetenzen zugestanden um in Ruhe Play betreiben zu können? - Die du jetzt in Frage gestellt hast.
Oder hatte er einfach keine Ahnung von den Regeln und sah jetzt seine Story gefährdet? - Im Betreiben eine Story oder auch nur eine Szene zu retten habe ich auch schon so manchen Blödsinn verzapft. Obwohl ich grundlegend schon Regel treu spielen möchte.
Oder wollten hier alle eigentlich nur lockeres Play und da kamst mit harten Game?

Gruß Jochen
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Re: Warum werden "schlechte" Systeme gespielt?
« Antwort #172 am: 25.10.2014 | 13:39 »

@Huntress
Mich würde jetzt aus der Theorie heraus ja interessieren wie du diesen Spielleiter einschätzt.
Würde er durch ein System gewinnen das eher einem erzählerischen Ansatz folgt?
Hat die Gruppe ihm Game Kompetenzen zugestanden um in Ruhe Play betreiben zu können? - Die du jetzt in Frage gestellt hast.
Oder hatte er einfach keine Ahnung von den Regeln und sah jetzt seine Story gefährdet? - Im Betreiben eine Story oder auch nur eine Szene zu retten habe ich auch schon so manchen Blödsinn verzapft. Obwohl ich grundlegend schon Regel treu spielen möchte.
Oder wollten hier alle eigentlich nur lockeres Play und da kamst mit harten Game?

Gruß Jochen

Erstmal: Ich war nicht derjenige, der als Rule Rider tituliert wurde - ich war mir schon ziemlich bewusst, dass Regeln in manchen Runden eher Spieleiterentscheidung als Regelbuchverwendung sind.

Dazu passend @bobibob bobsen: Das begann vor der Zeit, als die andere Seite über passende Gegenbeleidigungen verfügte, noch im unangefochtenen Paradigma des autoritären Erzählspiels (und ich glaube, es gibt auch andere Erzählspielformen). Ich habe einfach meine Zeit mit dieser Gruppe reduziert.

Keine Ahnung von Regeln ist oft ein Grund für Spielen am Regelwerk vorbei - und umgekehrt ist der Grund dafür, Regeln nicht zu kennen, oft der, dass ihnen ohnehin eine geringe Bedeutung eingeschätzt wird. In dem Fall (und auch einigen anderen) glaube ich, dass den meisten der Gruppe die meiste Zeit über Regeln sowieso egal waren bzw. man sich damit abgefunden hatte, dass Rollenspiel eben größtenteils frei von festen Spielregeln betrieben wird.

Was Systemwechsel angeht: Der SL, den ich im Hinterkopf habe, kann wirklich gut mit Atmosphäre spielen. Würden ihm weniger bürokratische und eher erzählerische Rollenspiele mit starker SL-Position in der Story helfen? Ich denke dabei an sowas wie die World Engine, wo die Spieler nur begrenzt und vom Spielleiter ausdrücklich kontrollierte Möglichkeiten haben, die Spielwelt direkt (ohne Charakteraktion) zu beeinflussen, der SL aber durch seine Moves stark die Geschichte vorantreibt und Atmosphäre schafft.

Ehrlich gesagt bin ich da gespalten. Jede Art von vorgeschriebenen Spielregeln schränken den Spielleiter in seiner freien Verfügungsgewalt über die Welt, die Gruppe und die Geschichte ein. Einfach gesagt: Man kann nicht "Märchenonkeln" und gleichzeitig Spielen. Deswegen glaube ich, dass ein Systemwechsel (in diesem Fall zu einem weniger umfangreichen Regelwerk mit starker SL-Erzählposition) zwar näher am Stil der Gruppe/des SL wäre, aber trotzdem einen Sprung vom reinen Erzählen zum spielerischen Erzählen verlangen würde, der letzten Endes nicht machbar wäre.
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