Autor Thema: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?  (Gelesen 28874 mal)

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Offline Ludovico

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Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« am: 23.10.2014 | 10:38 »
Entweder bin ich näher am Wasser gebaut oder sensibilisiert durch die Nachrichten und Dokus (wie gestern auf ZDF Info "Wir waren dabei"), aber auf einer gewissen Art und Weise stößt mich ein sehr wichtiger Teil im Rollenspiel ab.

Ich meine den Kampf.

Hierbei meine ich nicht bloß den physischen Konflikt, der das Ziel hat, den Gegner kampfunfähig zu machen, sondern den Gegner zu vernichten, oder ihm erst Leid zuzufügen und dann zu vernichten.

Ok, an diesem Punkt werden hier wahrscheinlich einige mal wieder sagen, dass sie bei Shadowrun immer bloß Gummigeschosse verwenden und nie, außer in den äußersten Notfällen (also wenn es sich z.B. um den Oberschurken handelte, der es sowieso verdiente), einen NSC töten (oder erst foltern und dann töten).

Viele von uns sind mittlerweile in einem Alter, wo wir solche Trickserien wie Ducktales oder Chip und Chap kennen. Es gab auch dort eine Opposition, die schlimme Sachen tat, aber sowohl Opposition als auch die Helden der Serie töteten nie oder folterten (im Sinne von Schnippeln, Schneiden, Häckseln,...). Stattdessen kämpften die Helden mit innovativen Mitteln gegen die Schurken. Der Sieg zeichnete sich dadurch aus, dass die Schurken ihre Pläne aufgeben mussten und gefangengenommen wurden oder flohen.

Obwohl ich nicht bezweifel, dass Spiele, die derart funktionieren, keinen sonderlichen kommerziellen Erfolg haben werden, frage ich mich doch, wieso das der Fall ist.

Offline rettet den wald

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #1 am: 23.10.2014 | 10:44 »
Warum will ich keine Systeme ohne (potentiell tödlichen) Kampf spielen? Weil Kampf etwas ist, was auch im RL existiert, was ich im RL aber nicht erleben kann (oder eher will). Daher will ich das stattdessen im Rollenspiel erleben... Oder allgemein "im Spiel", ich spiele ja auch Computerspiele.

...Ich mein, Systeme ohne Kampf sind eine nette Abwechslung, aber ich sehe keinen Grund, das Thema komplett auszublenden.
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Offline JS

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #2 am: 23.10.2014 | 10:45 »
Das ist doch eher von den Spielern abhängig, denn bei uns z.B. gibt es so gut wie keine Folter, und Kämpfe mit Todesfolgen entstehen durch Angriffe von NSC oder durch typische Schemata (z.B. die "Guten" gegen den abscheulichen Dämon). Wir versuchen häufig, Kämpfe zu umgehen oder durch Verhandlungen zu klären - was selbstredend nicht immer klappt. Sicherlich ist das auch mal system-/runden-/situationsabhängig, aber alles in allem erkenne und erkannte ich den "Zwang" zu Folter und Töten eher im Wünschen und Denken der Spieler und Abenteuerautoren.

Grundsätzlich teile ich aber auch Slayns obige Aussage und habe Spaß an (guten) Kämpfen.
Wer gern sagt, was er denkt, sollte vorher etwas gedacht haben.

Offline LushWoods

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #3 am: 23.10.2014 | 10:46 »
Was ist denn jetzt der Diskussionsstoff eigentlich?
Das fehlt mir hier.

Willst du wissen wie es andere Spieler/Gruppen handhaben?
Willst du dich generell über Gewalt in Rollenspielen beklagen?
Fragst du warum das (vermutlich) bei vielen anderen Rollenspielern anders ist als bei dir?

Was ist denn die Frage?

Offline La Cipolla

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #4 am: 23.10.2014 | 10:52 »
Jo, hat sicherlich was mit Eskapismus (eine "einfachere Welt" ohne große Komplexitäten) und "stakes" zu tun, die Spannung schaffen sollen. Dazu kommt, dass Spiele aller Art, und gerade Fantasy-Spiele, in einem gewissen Sinne immer darum kämpfen, als "erwachsenes" Hobby durchzugehen, und das reduziert den Begriff leider häufig auf "alles, was Kinder nicht dürfen", also vorrangig Sex und Gewalt. Man erinnere sich nur mal an die Publicity von Dragon Age ...

Ich spiele auch gern mal Spiele, in denen der Kampf keine große Rolle spielt (vorzugsweise durch die Logik der Spielwelt), und ich freue mich auch jedes Mal, wenn sich das in den Regeln widerspiegelt. Selbiges gilt für den Tod als "casual event", der ebenso selbstverständlich in der Rollenspielszene ist - was ja durchaus zwei Abstufungen sind. Man kann Cartoons wie Chip & Chap nehmen, die andere Problemlösungen fokussieren, oder man nimmt Cartoons wie die prä-2000-Superheldensachen, wo Kampf selten tödlich oder wirklich brutal dargestellt wird, aber trotzdem den Standard darstellt.

Klar gehört es bei vielen Genres dazu, aber man kann sich auch mal über Genres hinwegsetzen. Und spannend wird es auch ohne. Will aber nicht sagen, dass es irgendwie verwerflich wäre. Aber ich fände es schon cool, wenn es weniger selbstverständlich wäre, wenn Gewalt und Kampf eine bewusste Entscheidung darstellen würden.
« Letzte Änderung: 23.10.2014 | 11:06 von La Cipolla »

ChaosAmSpieltisch

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #5 am: 23.10.2014 | 10:55 »
Ich glaube die Gründe sind verschiedentlich:

1. In vieler gängiger Kunst ist töten eine absolut akzeptable Lösung. Die, wo das Töten umgangen wird, eher die Minderheit.
2. Gewalt ist einfach. Es braucht nicht viel Phantasie um sich eine Gewaltlösung auszudenken.
3. Gewalt durchzieht unsere Spiele. Cowboy und Indianer, Räuber und Gendarm, Schach... , viele Spiele sind einfach durch Kampf und Gewalt geprägt.
4. Spannung. Die Gefahr für den Charakter ist realer, ohne die Angst davor zu haben als Spieler gedemütigt zu werden. Den, wenn mein Char im Kampf stirbt, habe ich scheiße gewürfelt, oder der SL gut gewürfelt, klappt mein Austricksen nicht, dann war meine Idee scheiße (was viele dann einfach als demütigend empfinden)


Offline Mocurion

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #6 am: 23.10.2014 | 11:00 »
3. Gewalt durchzieht unsere Spiele. Cowboy und Indianer, Räuber und Gendarm, Schach... , viele Spiele sind einfach durch Kampf und Gewalt geprägt.

Ich würde sogar soweit gehen und behaupten: Gewalt durchzieht die gesamte Welt und somit auch uns. Wir haben hier nur den Luxus in einem Teil der Welt zu leben, wo wir Gewalt als nicht alltäglich wahrnehmen und das ist auch gut so. Führt aber eben auch zu einer solchen Wahrnehmung, wenn man tatsächlich mal mit Gewalt konfrontiert wird, und sei es nur im Spiel.
"Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun, aber wenn wir dann in fünfzig Jahren feststellen würden, dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann, dass die Flüsse nicht mehr giftig sind, dass Autos weder Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen. Da würden wir uns schön ärgern."

Supersöldner

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #7 am: 23.10.2014 | 11:05 »
viele Rollenspiele setzen einem ,,Moralisch unbedenkliches,, Futter für Schwerter und knarren vor wie Untote , Maschinen , Nazis , Dinosaurier, Monster , Dämonen, usw, damit wird das ,Problem,, wohl meisten umgangen oder abgeschwächt.

Offline Grubentroll

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #8 am: 23.10.2014 | 11:05 »
Ich kann den Gedanken gut nachvollziehen, mit zunehmenden Alter stößt mich der Gedanke auch etwas ab unkalibriert durch so eine Welt zu laufen um Leute oder irgendwelche Wesen umzubringen..

Wobei es ja dann auch das "tötungswürdige" Monster extra dafür gibt um geschnetzelt zu werden... ;)

Offline Boba Fett

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #9 am: 23.10.2014 | 11:06 »
Rollenspiel ist Freizeitbeschäftigung und soll Unterhalten, Spannung erzeugen.
Rollenspiel ist Fiktion und da möchte man auch mal losgelöst von "kulturellen und moralischen Sachzwängen" agieren.
Rollenspiel ist ein Spiel über Konsequenzen und gewaltsame Konfliktlösung birgt nun mal die drastischsten Konsequenz Optionen.
Pazifismus ist eine kulturelle und moralische Übereinkunft der Gesellschaft. Rollenspiel führt das Spiel in fiktive alternative Gesellschaften. Warum sollte Gewalt als Lösungsansatz dort nicht legitim anders bewertet werden?

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Offline Ludovico

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #10 am: 23.10.2014 | 11:10 »
Klar, Gewalt findet sich überall.
Sogar bei Chip und Chap findet man Kämpfe. Diese sind sogar ein wichtiger Bestandteil. Bloß werden diese Kämpfe nicht abgehandelt, durch direkten Angriff und mit dem Ziel der Vernichtung des Gegners (auf Seiten der Helden), sondern sie werden durch andere Maßnahmen abgewickelt, die nie tödlich enden.

Auch bei Räuber und Gendarm findet man Kämpfe und Gewalt. Aber diese sind auch nicht tödlich. Da wird zwar gesagt "Du bist tot", aber trotzdem steht zwei Sekunden später der kleine Kevin wieder da (wobei ich gerade das Spiel auch als eine Variante des Fangen-Spiels kenne).

Ist es nicht auch bedenklich, dass Tod und Gewalt generell als unterhaltsame Freizeitbeschäftigung gilt und ist es nicht eher kreativlos, wenn etwas, was im realen Leben häufig vorkommt, als Hauptmerkmal für Spannung dient? Chaos meinte ja schon, dass Gewalt einfach sei.
Wieso sucht man nicht nach Alternativen für Spannung als Tod?

Wenn ich mal so überlege, dann haben die Buchautoren der Ducktales wesentlich mehr Kreativität als die Macher von Expendables.

Auch noch ein Punkt, der mir gerade wieder einfiel: Es geht mir ja nicht bloß darum, dass die Charaktere diejenigen sind, die sterben können, wodurch Spannung entsteht, sondern dass sie oft auch diejenigen sind, die Tod (und auch gerne Folter) als Lösungsmittel nutzen. Da ist ja nun recht wenig Spannung drin.

Je mehr ich darüber nachdenke, desto eher kommt mir in den Sinn, dass die Nutzung des Todes als primäres Mittel zur Lösung von Konflikten doch eher ein Armutszeugnis ist, zumindest für jene, die Rollenspiel einen künstlerischen (weil kreativ) Aspekt zusprechen, oder?

« Letzte Änderung: 23.10.2014 | 11:35 von Ludovico »

Offline rettet den wald

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #11 am: 23.10.2014 | 11:18 »
Wobei es ja dann auch das "tötungswürdige" Monster extra dafür gibt um geschnetzelt zu werden... ;)

Genau das! :)


...wobei ich in letzter Zeit eher Gegner bevorzuge, bei denen nicht im vorhinein klar ist, dass sie "tötungswürdig" sind. Dann muss man mehr nachdenken, ob der aktuelle Konflikt jetzt wirklich Gewalteinsatz rechtfertigt. Was übrigens auch ein weiterer Grund ist, warum ich potentiell tödlichen Kampf mag: Ich kann mich entscheiden, wofür es sich lohnt zu kämpfen und wofür nicht.

Dieser Aspekt funktioniert halt tendentiell in jenen Systemen am besten, die am tödlichsten sind, vor allem auch für die SCs. Man spielt ganz einfach anders, wenn man weiß, dass in jedem Kampf eine realistische Chance besteht, dass der Charakter draufgeht.
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Offline Mutifu

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #12 am: 23.10.2014 | 11:26 »
Ich würde noch den Punkt der Abgeschlossenheit in den Raum werfen. Das Ende eines Kampfes bis zur Vernichtung ist absolut; die vernichtete Person ist getilgt, die Herausforderung definitiv abgeschlossen und bezwungen. Gerade wenn man im Rollenspiel Herausforderung sucht ist ein solch definitives Ergebnis oftmals notwendig um die entsprechende Befriedigung aus der Situation zu erhalten.

Ich würde übrigens nicht sagen, dass ein Spiel mit anderer Ausrichtung weniger erfolgreich ist. FATE lädt mit Concessions, Konsequenzen und dem "taken out" Ergebnis von Kämpfen doch geradezu dazu ein und ist kommerziell recht erfolgreich.
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Offline Ludovico

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #13 am: 23.10.2014 | 11:30 »
@Mutifu
Großartiger Punkt! Danke!

Auch das Ansprechen von FATE finde ich großartig, wobei mich schon sehr interessieren würde, wie sehr diese Möglichkeiten genutzt werden, um einen Konflikt endgültig und ohne Tod zu lösen.

Offline Hotzenplot

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #14 am: 23.10.2014 | 11:38 »
Für mich gibt es da eine ganz einfache Begründung: Ich mag Gewalt als Stilmittel und viel Blut und Kampfchoreographie ist für mich eine Form von Kunst.
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Ich führe meinen Talion von Punin in der Borbaradkampagne im Rollenhörspiel
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Offline Foul Ole Ron

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #15 am: 23.10.2014 | 11:38 »
Ich denke, Kampf und insbesondere Kampf bis auf den Tod ist eine Art Spiel-Einsatz. Ein ganz einfach zu verstehender und einzuschätzender Einsatz. Überhaupt nicht abstrakt, sondern simpel und final. Und solch ein Einsatz ist nicht selten eben ein ziemlich starkes Spannungs-Element.

Das ist wie beim Pokern: wenn ich den ganzen Abend um Streichhölzer oder Chips spiele, dann ist die Spannung eine andere, als wenn ich mit 500,-€ echtem Cash all in gehe... .

Insbesondere beim Rollenspiel kann man sich auf die eine oder andere Art und Weise meist aus irgendwelchen Konsequenzen irgendwie 'rausreden. Im Kampf sind die Konsequenzen recht eindeutig und manchmal eben auch final. Natürlich kann man sich da auch herausreden, aber dazu muss man schon ganz tiiiief in die Trickkiste greifen. Und dabei haben die meisten Spieler oder SL auch Probleme. Glaubwürdigkeit und so.
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Offline Evil Batwolf

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #16 am: 23.10.2014 | 11:42 »
Naja, die Ursprünge des Rollenspiels liegen ja im Tabletop Wargame, da ist es nicht weiter verwunderlich, wenn gewaltsame Auseinandersetzung mit Todesfolge ein - für old-schoolige Systeme sogar das - Thema ist. Daher rührt ja auch, dass viele Rollenspielsysteme über ausgedehnte Kampfregeln verfügen, die in keinem Verhältnis zum restlichen Spiel stehen.

Wenn Du das nicht magst, gibt es ja inzwischen im Indie-Bereich, aber auch sonst, ein paar Alternativen (z. B. das genannte FATE), die den Kampf nicht so in den Vordergrund rücken.

Ich sehe das Ganze aber jetzt auch nicht als "gesamtgesellschaftliches Problem". Ich find' Wargames und kampforientierte Rollis auf 'ne eher abstrakte Ebene interessant und bin im RL alles andere als ein Haudrauf. Ich denke, dass das den meisten so geht, die so etwas spielen. Tatsächliche Gewalt entsteht meist aus hochkochenden Emotionen, nicht, wenn man ruhig am Tisch sitzt und Angriffsmodifikatoren oder Rüstungswerte berechnet. Die Gleichung Wargamer = fäusteschwingender Streithansel geht da nach meiner Erfahrung mit mir und meinen Mitspielern nicht auf.

Offline Saffron

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #17 am: 23.10.2014 | 11:44 »
Spannung ist auch für mich das Ausschlaggebende. Spannend ist es besonders dann, wenn nicht nur das Erreichen des Ziels in Gefahr ist, sondern wenn mein Charakter selbst in Gefahr ist. Und der tödliche Ausgang eines Kampfes ist nunmal eine der größten Gefahren, die ich mir vorstellen kann.
Ich leide nicht an Realitätsverlust. Ich genieße ihn.

Offline Mutifu

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #18 am: 23.10.2014 | 11:55 »
Hier wird oft über die Gefahr für den Charakter gesprochen. Aber Todesgefahr für den Charakter ließe sich doch auch durch Flucht oder Austricksen der Gegner auflösen. Das erklärt doch Kämpfe bis zur Vernichtung nicht vollständig, oder?
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Offline Ludovico

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #19 am: 23.10.2014 | 11:58 »
Ein Punkt, der mich noch interessiert und der mir bislang noch nicht so ganz klar ist (obwohl es einige sehr gute Punkte gibt):

Was müsste ein Rollenspiel leisten, dass Grausamkeiten und Tod als Lösungsmittel definitiv ausschliesst, aber dennoch auch von Otto-Normal-Rollenspielern gespielt werden soll und nicht nur von Kindern?

Offline Grubentroll

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #20 am: 23.10.2014 | 12:01 »
Wie vorher schon genannt, ich finde es persönlich schon einen Unterschied, ob ich einen Drachen erlege, der vorher Landstriche verwüstet und Menschen en Masse getötet hat, oder einen nichtsahnenden Lohn-Soldaten von hinten die Kehle durchschneide.

Ich weiß, man spielt eine Figur für die derlei ethische Maßstäbe eventuell nicht gelten.

Allerdings würde ich dann so eine Figur nicht spielen wollen.

Aber das muss jeder für sich entscheiden.

Offline Evil Batwolf

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #21 am: 23.10.2014 | 12:05 »
Ein Punkt, der mich noch interessiert und der mir bislang noch nicht so ganz klar ist (obwohl es einige sehr gute Punkte gibt):

Was müsste ein Rollenspiel leisten, dass Grausamkeiten und Tod als Lösungsmittel definitiv ausschliesst, aber dennoch auch von Otto-Normal-Rollenspielern gespielt werden soll und nicht nur von Kindern?
Es müsste gewaltsame oder zumindest tödlich endende Konflikte per Regel oder wenigstens Gruppenvertrag ausschließen. Das kann man m. E. mit jedem handelsüblichen Rollenspiel so hinbekommen (man muss die Kampfregeln ja nicht anwenden, wenn man nicht will).

Damit würde allerdings auch eine Ebene verlassen, auf der das tradierte Verständnis, was Tabletop-Rollenspiel eigentlich ist, beruht.

Für mich klingt das ein wenig nach "ich würde gern Fußball spielen, aber die Torpfosten sollte man weglassen."

Offline scrandy

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #22 am: 23.10.2014 | 12:05 »
Ich finde das Thema eigentlich zu interessant um es auf Gewalt vs. Keine Gewalt zu reduzieren.

Das Thema ist doch "Tod und Vernichtung". Es geht also doch eigentlich um mehr.

In Fiktion (auch Rollenspiel) kann Gewalt doch genau auf 4 Arten vorkommen:

1.) Bagatellisierte Gewalt (Ducktales, Narnia-Filme - es findet unrealistischerweise keine Gewalt statt oder Gewaltfolgen werden ausgeblendet)
2.) Kampf als bestandene Herausforderung (Gegner werden stilisiert als Monster, Kampf wird auf taktisches Spiel reduziert, Gewaltfolgen werden nicht thematisiert)
3.) Realistische Gewalt (Gewalt und Gewaltfolgen werden realitätsnah thematisiert und nicht ausschließlich positiv belegt, Gewalt als Hauptthema)
4.) Vermeidung von Gewalt (Hier werden alternativen wie Stealth, Verhandlung usw. bewusst angeboten, dennoch ist Gewalt möglich)

Soweit ich den OP verstanden habe kritisiert er Kampf als Herausforderung (2), wo Gegner Vernichtet und XP kassiert werden, und möchte dies durch Bagatellisierte Gewalt (1) bzw. unrealistisch vermeidene Gewalt ersetzen. Mal ganz davon abgesehen, dass die Reduzierung von Gegner auf Monster bzw. minderwertige Wesen schon immer was rassistisches hatte und ein überbleibsel aus der Kolonialisierung ist bzw. aus dem Wild West Genre, denke ich dass Kampf als Herausforderung dennoch nicht aus dem RPG wegzudenken ist.

Was allerdings wichtig ist, ist das man sich der Künstlichkeit der Gewalt bewusst wird. Denn weder Chip und Chap noch D&D-mäßige Gewalt sind realistisch. Und wenn man sich einmal überlegt dass der weg in die Wildnis in der man gegen die Monster kämpft, reale Vorbilder hat (z. B. der Völkermord an den Indianern), dann ist das ganze schon ein wenig seltsam, dass man es als Unterhaltungsspiel nutzt. Andererseits übt Taktik und Strategie, Waffentechnik usw. immer schon eine Grundfaszination aus. Man sollte sich allerdings im klaren darüber sein, dass Monster bashen kein Konzept ist, dass man auf die Realität übertragen kann. Krieg ist in jedem Fall mist und birgt Leid. Egal wer gewinnt.

Ich habe mich in letzter Zeit immer dafür eingesetzt, dass es im Rollenspiel mehr realistisch thematiserte Gewalt gibt und damit verbunden Vermeidung von Gewalt. Ich finde es immer noch erbärmlich, dass es kaum Rollenspiele gibt die Stealth, Verhandlungen, Bauen/Konstruieren, Recherchieren und Analysieren einen gleichwertigen Platz im Regelwerk einräumen. Selbst Systeme, die von der Corestory überhaupt keinen Kampffokus haben, besitzen ein ausgewisenes detailliertes Kampfsystem und vernachlässigen die wichtigen Subsysteme. Ich denke, dass Spielkonzepte wie bei Deus Ex, wo es viele alternative Wege gibt, auch im P&P RPG einzug erhalten sollten.

Natürlich spielen viele Runden bereits so, wie ich es gerade fordere: Einfache Gegner werden verschont oder gefangen genommen, alternative Wege genommen und geschlichen, verhandelt oder Dinge werden geschaffen und nicht zerstört. Die Spielsysteme spiegeln das aber nicht wieder bzw. verhindern es sogar explizit. Ein System mit LE oder HP suggeriert quasi immer Kampfende durch Tod/Vernichtung der Gegner. Flucht der Gegner oder Aufgabe ist nicht Systembestandteil obwohl alles andere oft unrealisitsch ist. Strafverfolgung findet oft nicht statt und selbst die Spieler lassen ihre SCs lieber in den Tod rennen als aufzugeben oder zu fliehen, weil die Systeme es zum Teil garnicht vorsehen. Kampfziele ist hier ein wichtiges Stichwort. Warum kämpft man eigentlich: Um eine Person zu schützen, einen Ort zu erreichen, eine Position zu verteidigen usw. aber eigentlich nie weil alle anderen Tod sein müssen. Warum wird es dann trotzdem in der Regel so gespielt?
« Letzte Änderung: 24.10.2014 | 02:07 von scrandy »
Der Waldfürst gibt, der Waldfürst nimmt.

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Offline rettet den wald

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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #23 am: 23.10.2014 | 12:06 »
Was müsste ein Rollenspiel leisten, dass Grausamkeiten und Tod als Lösungsmittel definitiv ausschliesst, aber dennoch auch von Otto-Normal-Rollenspielern gespielt werden soll und nicht nur von Kindern?

Meiner Ansicht nach müsste es einfach eine interessante und gut funktionierende Mechanik jenseits von Kampf bieten. Bei den meisten verbreiteten Rollenspielsystemen bleibt halt nicht viel interessantes übrig, wenn man den Kampf rausschneidet.
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Re: Tod und Vernichtung - Warum so essentiell?
« Antwort #24 am: 23.10.2014 | 12:23 »
@Scrandy
Danke! Du hast mich richtig verstanden.

@Rettet den Wald
Derzeit haben wir bei Rollenspielen zwei Sektionen im Regelteil:
-Generell
-Kampf

Beim Kampf, wie Scrandy schon dargestellt hat, geht es oft um die Vernichtung des Gegners. Es wird zwar selten explizit gefordert, aber Spieler nutzen generell gerade diesen Aspekt fast ausschließlich.

Erstmal finde ich es interessant, dass Kampf einen oft gleichberechtigten Part gegenüber dem Rest der Regeln einnimmt, aber dann ginge es noch darum diesen Teil um etwas zu erleichtern, was von Spielern derzeit stark favorisiert wird. Doch wie ginge das? Welche Alternativsysteme ließen sich da finden?