#111: We're No Heroes (Fly Free or Die #1)Autor: BJ Hensley
System: Starfinder
Erschienen: 2020
Umfang: lang (ca. 20 Stunden Spielzeit)
Warum habe ich das AB gelesen?Weil ich Starfinder immer noch ein ziemlich cooles Space-Opera-Setting finde und weil dieser Abenteuerpfad (mit moralisch "grauen" Freihändler-SC) nach dem klang, was ich gerne in einem Sci-Fi-Universum spiele.
PlotDie SC arbeiten für den Konzern EJ Corp. und setzen der Reihe nach mehrere Jobs in den Sand (natürlich ohne etwas dafür zu können). Als sie die Kündigung quasi in der Hand haben, macht ihnen ein Drow ein Angebot, das sie nicht ablehnen können: ein Schiff mit revolutionärer neuer Technologie zu klauen...
EindruckDas Gute vorweg: Im Gegensatz zu so manchem Pathfinder- und Starfinder-Abenteuerpfad besteht dieser hier nicht nur aus einer Aneinanderreihung von Kampf-Encountern. Die SC haben durchaus verschiedene Möglichkeiten, die einzelnen Szenen zu bewältigen, und wenn ein Kampf wirklich einmal unumgänglich ist, dann macht er an der Stelle auch wirklich Sinn und wirkt nicht nach einem eingeschobenen "Jetzt haben wir aber schon seit einer Stunde nichts mehr getötet"-Encounter.
Auch der grundlegende Plot ist eigentlich ganz nett und kann von einem Spielleiter mit Liebe zum Fluff auch noch deutlich ausgewalzt werden. Ich spoilere mal heftig, damit man eine Idee bekommt, wovon ich im Folgenden rede:
- Die erste Mission ist ein vermeintlich ganz einfacher Job, bei dem Ware von A nach B transportiert werden muss. Leider ist die Ware verderblich, und der Empfänger ist spurlos verschwunden. Sogar wenn sich die SC wirklich clever anstellen, holen sie höchstens die Hälfte des Geldes rein, und EJ Corp. setzt sie auf die Beobachtungsliste.
- Die zweite Mission ist nichts weniger als eine Waffenlieferung an die Hobgoblins von der Gideron Authority (wer Starfinder nicht kennt: das Klischee eines Nazi-inspirierten, aggressiv expansionistischen Unterdrückungsstaats), die den Arschlöchern helfen soll, den Aufstand einer friedlichen Minenkolonie niederzuschlagen. Am Zielort stehen die SC dann natürlich vor der Wahl, ob sie einfach ihren Auftrag erledigen oder ob sie den Aufständischen helfen. Egal, wie sie sich entscheiden - am Ende stehen sie wieder mit viel zu leeren Händen da, und EJ Corp. bereitet ihre Kündigung (und damit den Verlust ihres Raumschiffs) vor.
- Nun bekommen sie ein Angebot, das man kaum ablehnen kann: Für einen zwielichten Drow namens Sinjin sollen sie ein experimentelles Schiff von ihrem ehemaligen Arbeitgeber klauen. Es folgt ein richtig netter Run auf eine Raumstation, und sollten die SC tatsächlich bekloppt genug sein, das Schiff bei Sinjin abzuliefern, stellen sie schnell fest, dass man in dieser Welt einfach niemandem trauen darf...
Man merkt meiner Beschreibung vielleicht bereits an, dass ich mir irgendwie nicht vorstellen kann, dass Spieler all das mit sich machen lassen. Dass man sich mal einen Auftrag lang verarschen lässt, okay. Aber alle drei Aufträge? Insbesondere habe ich seit Jahren keine Gruppe mehr gehabt, die Auftrag zwei auch nur angenommen hätte. Graue Charaktere hin oder her, aber für die Hobgoblin-Nazis arbeiten möchte dann doch niemand. Was natürlich irgendwie auch wieder schade ist, weil man aus dem Szenario mit dem Aufstand der Minenarbeiter echt was machen kann. Aber hier (wie an so mancher anderer Stelle auch) muss der Spielleiter u.U. heftig nachbessern, damit seine Gruppe überhaupt noch dort hingeht, wo die Action ist.
Ich denke aber, dass sich die Arbeit lohnen würde. Ich mochte eigentlich alle drei Missionen - jede davon hat ihren eigenen Charme und bringt einen neuen Aspekt des Settings gut rüber. Auch tut das Abenteuer etwas, was ich wirklich mag: Es schildert die Guten auch wirklich als die Guten und macht es den SC dadurch bei aller moralischer Ambivalenz schwer, aus Versehen ganz auf die böse Seite zu kippen. Das geschieht durch liebevolle Details am Rande (Die Dispatcherin spielt immer mit ihrem Lieblingsschraubenschlüssel und erzählt von ihrer Tochter, die gerade eine Wasserwelt erschließt. In den Büros der Schiffsingenieure vom dritten Run stehen Familienfotos auf dem Tisch usw.). Auch besteht die Möglichkeit, die SC zu Beginn mit den beiden Hauptgegnern der Kampagne zu verknüpfen. Und jede Entscheidung, die sie im Laufe des Spiels treffen, kommt irgendwann am Ende der Kampagne wieder zurück und hat Konsequenzen in Form von Feinden oder Verbündeten. Der vermeintlich kurzfristige Vorteil kann sich also langfristig bitter rächen, und es kann sich auszahlen, auf seinem Weg auch mal ein paar Freunde zu hinterlassen und nicht bloß Opfer.
Ich bin jedenfalls gespannt, wie die Geschichte der Starfinder-Freihändler weitergeht, und werde mir auch den zweiten Teil des Abenteuerpfads anschauen.
P.S.: So manches Offensichtliche habe ich jetzt hier gar nicht mehr erwähnt. Wie üblich bei Pathfinder / Starfinder fehlt meist die Beschreibung, wie die NSC aussehen. Manchmal hat man Glück und es gibt ein Bild, aber wenn nicht - Pech. Auf der Plus-Seite haben wir eine Reihe von richtig schicken Karten (insbesondere für Mission 3 und das eigene Raumschiff), und natürlich sind auch die Illustrationen wie immer sehr gelungen. Eines aber verstehe ich nicht: Inzwischen müsste ja auch der Letzte verstanden haben, dass der große Charakter auf der Titelseite von Pathfinder-/Starfinder-Bänden IMMER ein wichtiger Gegner ist. Welchen Sinn macht das aber, wenn der Charakter auf der Vorderseite einer ist, der die SC am Ende hintergeht? Wer das Titelbild einmal gesehen hat (und sei es nur im Internet), der weiß doch automatisch Bescheid?