#89: The Show Must Go On (Extinction Curse #1)Autor: Jason Tondro
System: Pathfinder
Erschienen: 2020
Umfang: normal (ca. 25 Stunden Spielzeit)
Warum habe ich das AB gelesen?Ein
Zirkus, der im Laufe des Abenteuerpfads eine
Invasion von Dinosauriern abwehrt? Das klang so schön trashig, dass ich einfach nicht widerstehen konnte.
PlotDie SC sind Mitglieder eines Wanderzirkus, dessen Direktor direkt vor der großen Aufführung ums Leben kommt. Die Show muss weitergehen, der Mörder muss gefunden werden, und als das nicht genügt, auch noch die Hintermänner...
EindruckPathfinder. Naja. Ich hatte mir ja geschworen, nie wieder ein Pathfinder-Abenteuer anzurühren, weil es sich dabei nach meiner Erfahrung nur um eine Aneinanderreihung von (Kampf-)Encountern mit kurzen, oft ziemlich schwachsinnigen Überleitungen handelt. Nach den Pathfinder-Abenteuern, die ich so gelesen habe, stelle ich mir eine Pathfinder-Runde als eine vor, die die Battlemap nach dem Kampf gar nicht erst vom Tisch nimmt. Lohnt sich einfach nicht für die fünf Minuten bis zum nächsten Kampf. Aber hier sollte ja alles anders sein, hieß es jedenfalls in der einen oder anderen Rezi, die ich vorher so gelesen oder auf Youtube gesehen habe. Und, stimmt das jetzt?
Kurz gesagt würde ich sagen: Das Abenteuer fängt richtig stark an, lässt dann aber leider auch richtig stark nach. Im Grunde besteht der Band nämlich aus vier Teilabenteuern, von denen das erste wirklich erstaunlich gut ist. Tatsächlich vermengt es das Zirkusthema mit einem kleinen Aufklärungsabenteuer, es hat Charme und verwertbare NSC, auch wenn diese leider nur aus einem Zirkusplakat bestehen und weder Spielwerte noch Beschreibungen besitzen. Außerdem gibt es viel Gelegenheit zur sozialen Interaktion und bei vielen Encountern die Möglichkeit, sie auch auf sozialem Wege zu lösen. Daraus kann man echt was machen.
Aber dann greift der Pathfinder-übliche Stuss wieder massiv um sich. Das fängt damit an, dass eigentlich völlig unklar ist, warum die SC (immerhin eine Zirkustruppe und keine professionellen "Problemlöser" wie sonst) sich bereit erklären sollten, die ganze Region zu retten - sie haben schlicht keinerlei Motivation für Teil 2-4 des Abenteuerbandes (noch nicht einmal "fette Belohnung" - sie müssen es schon aus reiner Nächstenliebe tun). Außerdem geht das Zirkusthema in Teil 2-4 völlig verloren, es handelt sich vielmehr um ein Abenteuer für Ordnungshüter oder Inquisitoren. Und mit zunehmender Abenteuerdauer häuft sich auch wieder der Unfug - hier einige Beispiele (wegen Spoilergefahr ausgeblendet):
- Als die SC die Umgebung des Lagers nach dem Mörder absuchen, stolpern sie über eine Cockatrice (!). Das Monster wohnt da schon immer - direkt am Ortsrand, 10 Meter (!!!) vom nächsten Zirkuswagen entfernt. Und die versteinerte Kuh, die da rumsteht, hat beim Aufbauen auch keiner gesehen.
- Die Eremiten in der Nähe der Siedlung lehnen jede Art von Zivilisation äußerst aggressiv ab - decken sich aber fröhlich einmal pro Woche auf dem Markt ein und haben Bibliotheken, Schreibzeug, Badewannen,...
- Die gleichen Eremiten verehren den Gott von Sturm und Wellen. Deshalb ist ihr Tempel auch unterirdisch, und ihre Toten werden in einer steinernen Krypta beigesetzt statt auf See... Ach ja, und in der Krypta sind zuuuufällig auch gerade jetzt Ghoule aufgetaucht, als ob es im Kloster (dessen sämtliche Bewohner die SC auf Sicht angreifen) nicht auch so genug zu kämpfen gäbe.
- In dem Kloster wimmelt es übrigens auch von beschworenen Dämonen (die Auswahl finde ich übrigens weitgehend suboptimal, weil sie nicht zu den Zielen ihrer Beschwörer passen), aber keine Beschwörungskreise oder auch nur Leute, die Beschwörungsmagie beherrschen würden. Nun kenne ich mich ja nicht mit den Pathfinder-Regeln aus, aber sollten nicht irgendwie auch die Mittel vorhanden sein, wie besagte Dämonen herbeigerufen worden sind? Und sind Dämonenbeschwörer nicht trotzdem Leute mit Zielen, oder sind es einfach nur Schwachsinnige, die dummes Zeug machen, weil "korrumpiert" bedeutet, dass sie automatisch auch die Kontrolle über ihr Leben verloren haben?
- Im besagten Tempel gibt es eine Tür, durch die der Gott persönlich zu den SC spricht: "Ich werde diese Tür erst aufmachen, wenn ihr alles Dämonengezücht hier erschlagen habt". Schicke Idee; schade nur, dass hinter der Tür nicht etwa ein Schatz o.ä. ist, sondern der letzte gläubige Überlebende im Kloster, den es zu retten gilt und der gerade gefoltert wird... wer solche Götter hat, braucht irgendwie auch keine Feinde mehr.
- Ganz übel fand ich übrigens auch die Umsetzung der Hauptgegnerin, die sich als Succubus entpuppt. Nun finde ich ja, dass Succubi - richtig eingesetzt - zu den interessantesten Gegnern in D&D-artigen Rollenspielen gehören. Aber nicht so, wie sie hier verwendet wird: ohne echte Beschreibung, ohne eine sinnvolle Motivation oder Strategie und mit den 08/15-Spielwerten aus dem Bestiarium (Teil 6). Am Ende lässt sie sich einfach erschlagen, nachdem sie so viel Unheil wie möglich gestiftet hat, statt irgendwas Cleveres zu versuchen, um ihren Hintern zu retten. Was für ein verschenktes Potential.
Ach ja, ansonsten leiden gerade Teil 3 und 4 mal wieder unter der üblichen Krankheit, dass die Gegner alle brav in ihren Räumen darauf warten, bis die SC zu ihnen kommen, statt mal nachzuschauen, woher der ganze Kampflärm der letzten Stunden kommt. Sogar wenn (in Teil 4) der allgemeine Alarm ausgelöst wird, bleiben die Gegner laut Abenteuertext größtenteils in ihren Räumen und bereiten sich dort auf einen Kampf vor, statt ihre Kräfte zu bündeln und die Eindringlinge rauszuschmeißen...
Was mir allerdings ganz gut gefallen hat, ist die übergeordnete Logik des Abenteuer- und auch des Kampagnenplots. Das, was hier passiert, macht (auf die fantasyübliche Weise, aber immerhin) Sinn. Damit kann ich was anfangen. Und deshalb bin ich vom Abenteuer auch gar nicht so frustriert, wie es nach der obigen Mäkelliste klingen mag: Der Gesamtplot ist nämlich okay, und nervige Einzelteile kann ich problemlos zusammenstreichen oder austauschen.
Etwas bedauerlich ist hier, dass man es (auch hier wieder typisch Pathfinder) für völlig ausreichend hält, für NSC die Kampfwerte anzugeben. Solche Dinge wie Aussehen, Verhaltensweise, Motivation etc. sind scheinbar völlig wurscht (mit Ausnahme der zwei ausführlich dargestellten "Hauptgegner", von denen aber keiner der
wirkliche Hauptgegner ist). Klar, kann man nachrüsten, aber da zeigt Paizo mal wieder deutlich, was man will und woran man eigentlich nicht interessiert ist.
Fazit: Die Grundidee des Abenteuers ist schick und der erste Teil ist das Beste, was ich bisher von Pathfinder lesen durfte. Die Umsetzung jenseits von Teil 1 aber leider eher mäßig (zunehmend unlogisch, kampflastig und nicht passend für die Gruppe). Ein Blick auf den 2. Teil der Reihe macht hier aber Hoffnung (da geht es wirklich mehrheitlich um den Zirkus), und ich finde in dem Abenteuer in jedem Fall trotz aller Kritik genug gute Ideen, um etwas Eigenes, hoffentlich richtig Cooles daraus zu basteln.
P.S.: Die Bilder (um mal noch etwas Positives zu erwähnen) sind übrigens größtenteils sehr schön, nur warum Jellico Bounce-Bounce als blutverschmierter Horrorclown dargestellt wird, entzieht sich meinem Verständnis.