#123: The Wild Beyond the WitchlightAutor: Christopher Perkins et al.
System: D&D 5E
Erschienen: 2021
Umfang: lang (60-90 Stunden Spielzeit)
Warum habe ich das AB gelesen?Ein D&D-Abenteuer, das im Feywild spielt und von dem die Autoren versprechen, dass es ohne einen einzigen Kampf gelöst werden kann (wenn man das will)? Das muss ich lesen!
PlotDie Helden besuchen den magischen Jahrmarkt "Witchlight Carnival" und reisen von dort weiter in das Reich Prismeer im Feywild. Dort stellt sich schnell heraus, dass "all's not well" - drei Hags haben die Macht an sich gerissen und das eigentlich blühende Feenreich in drei verzerrte Teile zerbrochen. Die Helden müssen das Land durchreisen und in einem märchenhaften Abenteuer alles wieder gut machen.
EindruckIm Großen und Ganzen bin ich begeistert, und das will bei einem D&D-Abenteuer wirklich etwas heißen. Wir haben hier ein Abenteuer, das den Geist der Märchen und Feengeschichten wirklich gut einfängt, und die zahlreichen Illustrationen leisten ihren Beitrag dazu, diesen noch zu vertiefen. Durch die Selbstverpflichtung, hier nicht nur Hack&Slay anzubieten, haben die Autoren auch geradezu irrwitzig viele Ideen ins Abenteuer gegossen - überall gibt es Spannendes, Skurilles, Lustiges oder Schlimmes zu entdecken. Auch wenn sie nie ausgesprochen werden, schweben die Begriffe "Vergnügungspark", "Alice im Wunderland" und "Tim-Burton-Film" unsichtbar über dem Ganzen. Die Versuchung ist groß, hier einige der abgedrehten SC aufzulisten, die da auftreten (solche Sachen wie eine sprechende Ölkanne, ein tapferer Löwenzahn-Fechter, zwei vom Schicksal getrennte Bugbear-Brüder oder der papierdünne Diener der Feenkönigin), aber... ups, jetzt habe ich es ja doch getan
.
Das Abenteuer kann in jedem Setting des D&D-Multiversums gestartet werden (Faerun, Eberron, Greyhawk, Exandria... you name it). Besonders schick finde ich den (optionalen) Abenteueraufhänger, bei dem die SC als Kinder auf dem Witchlight Carnival einen wichtigen Teil ihrer selbst verloren haben (man denke an Tim Thaler und das verlorene Lachen) und nun versuchen, dieses zurückzugewinnen. Dazu empfehlen sich eigens für das Abenteuer erstellte Charaktere - etwas, wozu ich in Anbetracht der Märchenhaftigkeit des Ganzen ohnehin raten würde. Es hat einfach etwas, am Ende sagen zu können: "Und sie lebten glücklich bis zum Ende ihrer Tage." Das passt zur Stimmung des Abenteuers besser als ein "Okay, Auftrag erledigt, gehen wir mal runter in die Kneipe und schauen, ob dort so ein Typ mit weißem Bart einen neuen Job für uns hat."
Übrigens: für erfahrene D&D-Fans gibt es als Sahnehäubchen noch die Begegnung mit einer echten Legende des D&D-Universums (und die Entdeckung ihrer wahren Identität) - aber mehr soll hier nicht verraten werden.
Ein gewisses Problem stellt allerdings die Übersetzung des Abenteuers ins Deutsche dar. Es ist voll von Wortspielen, Rätseln und Gedichten, die nicht so einfach in eine andere Sprache übertragen werden können - im Extremfall enthält sogar die gezeichnete Karte Hinweise, die leider nur auf Englisch funktionieren. Ich bin gespannt, wie sie das lösen, wenn das Buch irgendwann auf Deutsch erscheint.
Gestört hat mich persönlich lediglich, dass es am Ende zwei recht große Paläste direkt nacheinander gibt. Dadurch hatte ich das Gefühl, dass sich das Ganze im letzten Drittel etwas zieht und dass weniger hier vielleicht mehr gewesen wäre. Aber zugegeben, ich habe es nur gelesen und nicht gespielt - vielleicht spielen sich diese "offenen Dungeons" auch deutlich zügiger, als sie sich lesen. Umgekehrt gibt es auf dmsguild.com aber sogar noch eine Erweiterung zum Abenteuer für diejenigen, denen 200+ Seiten noch nicht genug Material sind.
Etwas seltsam fand ich teilweise die Stufen der NSCs. Ja, man kann alle Kämpfe vermeiden, wenn man unbedingt will, und am Anfang macht das sogar Sinn. Aber gerade gegen Ende ist es doch recht wahrscheinlich, dass die Gruppe den wirklichen Arschlöchern des Abenteuers ihre gerechte Strafe zukommen lassen möchte. Nun bin ich ja kein D&D-Experte, aber wenn man mir drei Hags serviert, die ein ganzes Feenreich unterworfen haben, dann würde ich nicht erwarten, dass die lediglich CR 6-8 sind. Und die "League of Malevolence", ein legendärer Zusammenschluss richtig böser Abenteurer, die "Valor's Call" (eine Gruppe richtig guter Abenteurer) bis in die Feenreiche jagt, um deren Zauberstab zu erbeuten, entpuppt sich gar nur als eine Truppe von CR2-CR5-Gegner. Gefühlt machen sich die SC da der Beschreibung nach das halbe Abenteuer in die Hose um dann festzustellen, dass das alles nur Scheinriesen sind... Aber auch hier: Ich habe es nicht gespielt, ich weiß nicht, wie es wirklich am Spieltisch läuft.
Und noch ein letzter Nörgelpunkt, aus der Rubrik "mal ganz was anderes": Mein Exemplar hat gestunken. Richtig übel. Es hat jetzt fast zwei Monate gedauert, bis der Geruch einigermaßen rausgegangen ist. Keine Ahnung, was für einen Druckdienst (und was für eine Tinte) sie da verwendet haben, aber der Mief war wirklich eigenartig.
Trotzdem: Das Teil kriegt einen Ehrenplatz in meinem Rollenspielregal und reiht sich ein bei den Abenteuern, von denen ich zumindest immer mal wieder davon träumen werde, ob ich sie nicht vielleicht irgendwann leiten kann...