Autor Thema: Bezugswissenschaften  (Gelesen 8204 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Gorbag

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 645
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Gorbag
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #25 am: 26.08.2015 | 15:24 »
Vielleicht liegt es nur an deiner Formulierung, aber genau das sehe ich anders:

Als Basis halte ich das für untauglich, gerade weil es in diesem Sektor dem Einzelnen oder einer kleinen Gruppe so vergleichsweise leicht fällt, ihre Vision umzusetzen.

Als Einflussfaktor halte ich es für durchaus zu gebrauchen - ein auch ohne denkbares Produkt kann mit durchaus besser werden.


Turning Wheels Vorgehen/Arbeitsweise wäre da mein Positivbeispiel.
Ich hab jetzt 20 Minuten versucht den Unterschied zu finden und aufgegeben. Kurzum wissnschaftliche Methoden können nur die Qualität des Ergebnis verbessern und bedeuten in der Regel eher mehr Arbeit als weniger. Sie können aber nicht aus dem Nichts ein gutes Produkt erschaffen.
Ich glaube der einzige Unterschied den man zwischen deinem Best Practice und einem pur wissenschaftlichen Ansatz noch ziehen kann ist, dass der wissenschaftliche Prozess schon vor dem Design definiert wann welche Methoden zum Einsatz kommen sollen und eventuell noch am Anfang Zielvorgaben definiert und die am Ende evaluiert.

Die Aufgabe der Rollenspieltheorie sehe ich übrigens auch nicht als kompltt eigenständiges Wissenschaftsfeld sondern eher als eine Art Aggregationswissenschaft, die die Ergebnisse und Erkenntnisse der anderen Wissenschaften nimmt und im Kontext Rollenspiel aufbereitet und bei Bedarf verfeinert bzw. Ergebnisse aus verschiedenen Disziplienen zusammenführt. Wirklich Rollenspielexklusive Themen sind zwar auch vorhenaden und müssen/sollten ergründet werden, aber ich glaube die Menge dieser Themen ist doch sehr begrenzt, verglichen mit den massiven Einflüssen der anderen Wissenschaftsfelder.


Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.660
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #26 am: 26.08.2015 | 15:39 »
Kurzum wissnschaftliche Methoden können nur die Qualität des Ergebnis verbessern und bedeuten in der Regel eher mehr Arbeit als weniger. Sie können aber nicht aus dem Nichts ein gutes Produkt erschaffen.

Genau das wollte ich sagen ;)

Irgendwann wird es wohl als absolute Randerscheinung Produkte geben, die durch die verwendeten wissenschaftlichen Ansätze sogar schlechter werden (weil sie dadurch von ihrer Linie abweichen), und es wird Ansätze geben, bei denen jemand eben versucht, durch stumpfes Anwenden aller als relevant wahrgenommenen Bezugswissenschaften ein gutes Produkt hinzukriegen - was mehrheitlich als fürchterlicher Clusterfuck enden wird.

Der Autor muss immer wissen, wo er sich zu welchem spezifischen Zweck eines wissenschaftlichen Ansatzes bedient. Sonst kann es nichts werden.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Orakel

  • Hero
  • *****
  • Foucaultianer
  • Beiträge: 1.610
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Orakel
    • Tilting my World
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #27 am: 26.08.2015 | 17:28 »
Einer der besten Ratgeber, die mir als Spieler unglaublich viel weiter geholfen hat, war eine ästhetische Theorie zu Performancekunst.
Das würde Laws zu mir sagen: Method Actor 75%; Storyteller 75%; Specialist 58%; Tactician 58%; Casual Gamer 25%; Power Gamer 25%; Butt-Kicker 17%

I'm tilting my world!

Text

  • Gast
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #28 am: 26.08.2015 | 17:42 »
Ich glaube der einzige Unterschied den man zwischen deinem Best Practice und einem pur wissenschaftlichen Ansatz noch ziehen kann ist, dass der wissenschaftliche Prozess schon vor dem Design definiert wann welche Methoden zum Einsatz kommen sollen und eventuell noch am Anfang Zielvorgaben definiert und die am Ende evaluiert.
Das ist eine sehr spannende Frage (auch ganz unabhängig vom Thema Rollenspiel). Mir fällt spontan kein griffiges Unterscheidungsmerkmal zwischen "Best Practice" und "Wissenschaftlichem Ansatz" ein. Ich sehe bei beiden den selben Entwicklungsprozess: Gerade in neuen Wissenschafts-Disziplinen muss sich ein wissenschaftlicher Konsens über die Methoden erst bilden - und Best Practices stabilisieren und standardisieren sich auch (gibt diverse ISO-Normen, die Vorgehensmodelle beschreiben).

Wenn überhaupt, dann würde ich den Unterschied eher in der Zielsetzung sehen: das Ziel von wissenschaftlicher Arbeit ist primär Erkenntnisgewinn (mit diesem Thema befasst sich wissenschaftliche Methode). Das Ziel in der freien Wirtschaft ist eher das Entwickeln und Optimieren von Produkten und Abläufen (mit diesem Ziel befassen sich Best Practices).

Natürlich kann man die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit zur Produktentwicklung einsetzen. Und natürlich kann eine einschlägige wissenschaftliche Ausbildung bei der Produktentwicklung hilfreich sein. Aber das direkte Ziel (und damit das Vorgehen) bei wissenschaftlicher Forschung ist ein anderes als beim Design.

Am Beispiel Rollenspiel: es macht einen Unterschied ob ich meine eigene Rollenspiel-Theorie entwickeln will (dabei sollte ich eine wissenschaftliche Methode anwenden), oder ob ich mein eigenes Rollenspiel entwickle (dabei sollte ich eine Design-Methode / Best Practice anwenden, kann aber durchaus auf Forschungsergebnisse zurückgreifen).

Offline Urias

  • Klosterschüler
  • Famous Hero
  • ******
  • Der Stahlstadt entkommen
  • Beiträge: 3.937
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Raziel
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #29 am: 26.08.2015 | 18:16 »
Hmm... Irgendwie kommts mir so vor als wäre hier mal ne Klärung des Begriffs "Rollenspieltheorie" hilfreich. Irgendwie kommts mir so vor als würde man ihn hier primär als eine Art Werkzeugkasten verstehen, welcher darauf abzielt in der rollenspielerischen Praxis (Spieldesign, Weltendesign, whatever) verwendet zu werden. Ich hätte das ganze aber grundsätzlich weiter gefasst und darunter alle Theorien gefasst, welche das Medium Rollenspiel zum Thema haben.
Ohne Gott ging es nicht weiter, und so hab ich mich entschieden, / meiner ist jetzt der Alkohol. / Ich trank ein paar Schlücke und ich fand meinen Frieden / und ich fühlte mich kurzfristig wohl. - Joint Venture, Der trinkende Philosoph

Text

  • Gast
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #30 am: 26.08.2015 | 18:25 »
Für mich ist "Rollenspieltheorie" (im engeren Sinne) der Versuch, ein konsistentes und vollständiges beschreibendes Modell für Rollenspiel-Elemente und -Spieler-Vorlieben zu entwickeln. (Oder, mit mehr und besseren Worten beschrieben: http://www.tanelorn.net/index.php/topic,20552.0.html )

Ich habe aber auch großes Interesse an einer wissenschaftlichen (von mir aus auch "theoretischen") Betrachtung des Thema Rollenspiel jenseits der so eng gefassten "Rollenspieltheorie".

Können wir weit gefasst von "Rollenspiel-Wissenschaften" reden (oder "Rollenspielologie"?), mit einer Teil-Disziplin "Rollenspieltheorie"?

Text

  • Gast
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #31 am: 26.08.2015 | 19:32 »
2.) Wenn ja, welche findet ihr Sinnvoll?
In Anbetracht der Dinge die wir hier inzwischen diskutieren möchte ich noch Wissenschaftstheorie nominieren.

Offline Turning Wheel

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 2.270
  • Username: Turning Wheel
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #32 am: 27.08.2015 | 01:34 »
Einer der besten Ratgeber, die mir als Spieler unglaublich viel weiter geholfen hat, war eine ästhetische Theorie zu Performancekunst.

Kannst du da etwas konkreter werden?
Es würde mich interessieren, wie die Theorie heißt und, falls du Zeit für ein paar mehr Worte findest, was dir daran zu welcher Erkenntnis verholfen hat?
Gerne auch in einem getrennten Thema, wenn das hier nicht reinpasst.

Wenn überhaupt, dann würde ich den Unterschied eher in der Zielsetzung sehen: das Ziel von wissenschaftlicher Arbeit ist primär Erkenntnisgewinn (mit diesem Thema befasst sich wissenschaftliche Methode). Das Ziel in der freien Wirtschaft ist eher das Entwickeln und Optimieren von Produkten und Abläufen (mit diesem Ziel befassen sich Best Practices).

Natürlich kann man die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit zur Produktentwicklung einsetzen. Und natürlich kann eine einschlägige wissenschaftliche Ausbildung bei der Produktentwicklung hilfreich sein. Aber das direkte Ziel (und damit das Vorgehen) bei wissenschaftlicher Forschung ist ein anderes als beim Design.

Ich bin mir nicht sicher, was das alles umfasst, wenn du Design sagst. Soweit ich das sehe, ist Design durchaus eine Wissenschaft (Teilgebiet des Marketing).
Da gibt es z.B. durchaus Methoden zur Gewinnung von Erkenntnissen zu verschiedensten Produktmerkmalen oder der Wahrnehmung.
Und der Designprozess als solcher ist ebenfalls eine Entwicklung, die auf wissenschaftlichen Vorgehensweisen beruhen kann (zumindest wenn man es richtig macht).

...Irgendwie kommts mir so vor als würde man ihn hier primär als eine Art Werkzeugkasten verstehen, welcher darauf abzielt in der rollenspielerischen Praxis (Spieldesign, Weltendesign, whatever) verwendet zu werden. Ich hätte das ganze aber grundsätzlich weiter gefasst und darunter alle Theorien gefasst, welche das Medium Rollenspiel zum Thema haben.

Und noch so ein Punkt, der mir seit Jahren am Herzen liegt. Die Rollenspieltheorie wird in P&P-Foren stets hart abgegrenzt zu anderen Rollenspielen diskutiert.
Ich glaube nicht, dass man auf einen grünen Zweig kommt, wenn man nicht mal die allernächsten Nachbarbereiche betrachten möchte. Zumal diese Nachbarbereiche allesamt deutlich älter sind und auf eine deutlich längere wissenschaftliche Betrachtung zurückgreifen.
« Letzte Änderung: 27.08.2015 | 01:50 von Turning Wheel »

Text

  • Gast
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #33 am: 27.08.2015 | 07:43 »
Ich bin mir nicht sicher, was das alles umfasst, wenn du Design sagst. Soweit ich das sehe, ist Design durchaus eine Wissenschaft (Teilgebiet des Marketing).
Da gibt es z.B. durchaus Methoden zur Gewinnung von Erkenntnissen zu verschiedensten Produktmerkmalen oder der Wahrnehmung.
Und der Designprozess als solcher ist ebenfalls eine Entwicklung, die auf wissenschaftlichen Vorgehensweisen beruhen kann (zumindest wenn man es richtig macht).
War vielleicht etwas ungeschickt formuliert, aber ich wollte unterscheiden zwischen der Sache selbst (Design oder Marketing betreiben, ein Rollenspiel entwickeln oder vermarkten) oder der Forschung über die Sache (Design oder Marketing als Wissenschaft, Theorien über gutes Rollenspiel-Design). Natürlich können die einander zuarbeiten (z.B. Marktforschung im Rahmen einer Produktentwicklung). Aber trotzdem sind es noch getrennte Sachen.

Magst du mal ein Beispiel für einen Designprozess nennen der auf wissenschaftlichen Vorgehensweisen beruht?

Offline KhornedBeef

  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 12.103
  • Username: KhornedBeef
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #34 am: 27.08.2015 | 14:22 »
Für mich ist "Rollenspieltheorie" (im engeren Sinne) der Versuch, ein konsistentes und vollständiges beschreibendes Modell für Rollenspiel-Elemente und -Spieler-Vorlieben zu entwickeln. (Oder, mit mehr und besseren Worten beschrieben: http://www.tanelorn.net/index.php/topic,20552.0.html )

Ich habe aber auch großes Interesse an einer wissenschaftlichen (von mir aus auch "theoretischen") Betrachtung des Thema Rollenspiel jenseits der so eng gefassten "Rollenspieltheorie".

Können wir weit gefasst von "Rollenspiel-Wissenschaften" reden (oder "Rollenspielologie"?), mit einer Teil-Disziplin "Rollenspieltheorie"?
Danke, das brannte mir auch unter den Nägeln :)

Zum Thema: Ich setze keine Wissenschaft bewusst ein, aber natürlich habe ich z.B. mein Studienwissen im Hinterkopf. Man kommt beim Verstehen von Rollenspielen eben sehr weit, ohne sich selbst mit wissenschaftlichen Quellen zu befassen. Beispiel sind Bücher übers Spielleiten. In der Regel sind das keine wissenschaftlichen Paper, sondern ein niedergeschriebener Teil der Best Practices des jeweiligen Autors. Unter Umständen hat der Autor einen wissenschaftlichen Hintergrund welcher ihm bei seinen Beobachtungen geholfen hat. Als Leser nutzt man das dann aus zweiter Hand.
« Letzte Änderung: 27.08.2015 | 14:25 von KhornedBeef »
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
Firepower, B&C Forum

Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Offline Turning Wheel

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 2.270
  • Username: Turning Wheel
Re: Bezugswissenschaften
« Antwort #35 am: 29.08.2015 | 07:09 »
Magst du mal ein Beispiel für einen Designprozess nennen der auf wissenschaftlichen Vorgehensweisen beruht?

- Im Grafik-Design gibt es sogenannte Pre- und Posttests, bei denen Studien über die Wahrnehmung der Rezipienten in Bezug auf spezielle Medien gemacht werden.
(sprich: Eine Auswahl von Leuten der Zielgruppe bekommt ein Medium vorgelegt und es wird eine statistische Erhebung gemacht, ob bestimmte Merkmale auffällig waren bzw. nach
einer bestimmten Zeit in Erinnerung geblieben sind. etc.)
- Psychologische und Soziologische Erkenntnisse spielen eine Rolle bei der Konzeption von Werbekampagnen. Vorlieben, Sehgewohnheiten und Verhaltensgewohnheiten der Zielgruppe.
- Beim Screendesign gibt es sogar richtige Formeln zur Analyse der Bedienbarkeit verschiedener Designansätze (z.B. Korrelation von Größe und Entfernung von interaktiven Elementen).
- Erkenntnisse aus der Lernforschung, Gehirnforschung oder anderen medizinischen Gebieten werden benutzt, um die Kommunikation in Medien zu optimieren. Z.B. die Augenbewegung bei einem Betrachtungsablauf eines Plakats, Genetische Präferenzen für bestimmte Assoziationen für Formen und Farben, Aufmerksamkeitsspanne, Gedächtnisspanne etc.
- Oder es werden ganz simple Analysen (z.B. Buchstabenzählen, Lesbarkeitstests, Verständnistests, ...) von verschiedenen Designalternativen gemacht, um die Entscheidungsfindung zu erleichtern.
…um nur ein paar Punkte grob anzureißen, die mir ohne Nachdenken einfallen.