Und genau daran hapert's meiner Erfahrung nach oft, weshalb ich mit Railroading auch kein großes Problem habe. Ich lasse mir lieber vier Stunden was unterhaltsames vorlesen, als dabei zuzusehen, wie fünf Leute vier Stunden lang um einen Tisch sitzen und nicht wissen, was sie tun sollen.
Dann würde ich sagen, dass Marzaan und Du den Sweetspot offensichtlich an unterschiedlichen Stellen des Kontinuums setzt ;-)
Dem kann ich mich anschließen. Zumindest wenn man Spielleitung flexibel genug (nämlich ungleich Spielleiter) definiert.
Jaja, klar. Etwas abstrahiert ist das ja eine der großen Aufgaben von Spieledesignern ebenso wie von Spielrunden: der Umgang mit negativen Sekundäreffekten der jeweils präferierten Spielformen. Für den gelenkten Pol des Spektrums betreiben die aufgeklärteren Leute dann sowas wie Partizipationismus, immer mit der Gefahr im Nacken, dass der (zu vermeidende) Eindruck von Willkür oder Bevormundung durch den SL entsteht. Für den freieren Pol gibts hingegen Konzepte wie das von Haukrinn angedeutete Player Empowerment, um den Spielleiter zu entlasten und etwaige Phasen des Leerlaufs zu verkürzen.
Ich sehe in dieser Thematik ja übrigens sehr klar den Kern der meisten theoretischen Überlegungen ebenso wie der meisten Probleme in Spielrunden. Mein Eindruck ist auch, dass zu viele Leute den scheinbaren Verlockungen des freien Spiels erliegen, ohne die negativen Sekundäreffekte hinreichend zu berücksichtigen bzw. aktiv abzupuffern.
Als theoretische Unterfütterung bzw. Analogie habe ich dabei übrigens immer
Poppers offene Gesellschaft im Kopf - ein Konzept, das im Zuge der Attentate von Paris
natürlich wieder hervorgekramt wird. Ganz analog zum Rollenspiel frage ich mich bei Popper - Achtung, Häresie! - auch, ob sich der gute Sir Karl nicht eventuell geirrt haben könnte. Denn die Überlegenheit der offenen Gesellschaft ist ja aus heutiger Sicht womöglich eine Illusion. Die westlichen Demokratien als klassisch offene Gesellschaften erscheinen gelähmt von den negativen Sekundäreffekten zu großer Offenheit. Parallel mausern sich enorm geschlossene Strukturen wieder zu großer Pracht ungeachtet der klassischen Links-Rechts-Skala, siehe etwa China, Russland, Türkei, Venezuela. Das mag wenig sympathisch sein, ich finde das aber augenscheinlich.
Nundenn, es ist spät. Noch eine rauchen und dann ins Bett. So long!