Da sind wir nun beim zweiten Teil der Purist-Adventure-Reihe angekommen. Kurz vorweg: Ich finde Teil 2 besser als Teil 1 (The Dying of St. Margaret's), aber mein Stil ist das Ganze noch immer nicht. Daher vergebe ich 2,4 Punkte, also 2.
Verständniskontexte für die ReiheBevor ich weiter auf das Abenteuer eingehe, möchte ich nachholen, was ich eigtl schon für Teil 1 vorgesehen hatte und dann aus Zeitgründen verschieben musste. Da es sich um vier "Purist Adventures" aus der Feder desselben Autors handelt, möchte ich einen Kontext präsentieren und darüber einen Verständnisrahmen herstellen.
Bei Trail of Cthulhu gibt es zwei markante System-Stellschrauben, die das Spielgefühl entweder in Richtung "Wie Lovecraft-Geschichte" (
Purist) oder "mindestens wie amerikanisches CoC-Abenteuer" (
Pulpy) bringen sollen. The Dying of St. Margaret's, Watchers in the Sky, Dance of the Blood und The Rending Box sind vier sog. "Purist"-Abenteuer, die inhaltlich lose zusammenhängen. Diese vier Abenteuer nehmen den "Purist"-Ansatz ziemlich ernst, es wird für jedes Abenteuer davon ausgegangen, dass die Ermittler das Abenteuer nicht überstehen, sei es physisch, sei es psychisch, da der (kosmische) Schrecken spätestens im "Finale" überwältigend ist. Wobei das Wort "Finale" zumindest im ersten Abenteuer, St. Margaret's, klein geschrieben werden muss, weil es eben keine irgendwie geartete Konfliktsituation beinhaltet, sondern nur einen Rahmen für das Dahinwelken der Ermittler bietet. Wie in vielen Lovecraft-Geschichten eben.
Der Autor aller vier Abenteuer ist
Graham Walmsley. Ob man seine Abenteuer nun mag oder nicht, der Mann weiß schon, was er tut. Zunächst einmal ist er in Sachen Lovecraft ziemlich stilsicher, wie er als Autor des Heftchens "
Stealing Cthulhu" (Kauftipp!) beweist, einem Leitfaden, wie man sich der Mythos-Materie für eigene Abenteuer bemächtigt. Darin enthalten ist auch sein eigenes kleines Rollosystem
Cthulhu Dark, welches den "Purist"-Gedanken noch einmal auf die Spitze treibt. (So bedeutet eine jede Kampfsituation mW den Tod des SC. Ich mag mich aber irren, ich habe den Text vor einer halben Ewigkeit gelesen.) Desweiteren ist Graham ein begeisterter Impro-Theaterspieler, was er als Spielleiter auch bewusst an den Spieltisch bringt. Auch hierzu hat er mit "
Improspiel" alias "Play Unsafe" einen Hobby-Leitfaden geschrieben.
Wenn man also weiß, wie der Autor tickt, dann hat man als Spieler wie Spielleiter mE schon den Schlüssel für das "erfolgreiche" Spiel dieser vier Abenteuer in der Hand:
- Stelle Dich in den Dienst der typischen Lovecraft-Erzählung! Sie liefert die typische / gewünschte Stimmung. Beispiele: Spiele auf das Ende Deines Ermittlers hin! Erwarte keine Kämpfe!
- Behalte Punkt 1 im Auge und spiele zudem "charaktergetrieben", dh konsequent entlang der Motivation, Persönlichkeit und Stellung Deines Ermittlers!
- Sei offen für die Spielangebote der anderen! Verhindere nicht (sondern ggf modifiziere) die Ideen von anderen und kooperiere mit ihnen! Dieser Punkt noch einmal speziell für den Spielleiter: Nimm dieses Abenteuer als Vorschlag und ggf als Improvisationshilfe!
Für die vier Abenteuer existiert mittlerweile eine Rahmenhandlung:
The Final Revelation (anderer Autor). Diese Rahmenhandlung atmet den hoffnungslosen Geist der Purist Adventures und besteht im Wesentlichen nur aus Zusammenkünften in der vertrauten Umgebung, bei denen peu à peu klar wird, dass die Welt längst untergegangen ist. Man selbst befindet sich in einer Art Zeitschleife der Erinnerungen. Eingeflochten werden die vier Purist-Abenteuer, die entweder mit den jeweils gestellten Charakteren gespielt werden können (Empfohlen) oder mit denen der Rahmenhandlung.
Zurück zu Watchers in the SkyIn Teil 1 waren die
Drives ein stark angespieltes Regelelement. Nunmehr sind es die
Sources of Stability, ohne die das Abenteuer im vorliegenden Zustand nicht gespielt werden kann. Und da dies am besten zentral in ein Kaufabenteuer integriert werden kann, wenn die Sources durch das Abenteuer definiert werden, wird stark angeraten, doch bitte die vorgefertigten Charaktere zu spielen. … Aber Moment! Wir sind hier in der Purist-Reihe, das Abenteuer hantiert aber mit im Regelwerk als Pulp ausgewiesenen Regelelementen? Für mich ist das ein höchst fragwürdiges Vorgehen, wenngleich kein Beinbruch.
Das Abenteuer ist in bester Purist-Manier als Oneshot angelegt. Es wird davon ausgegangen, dass die Investigatoren nach Spielende wahrscheinlich nicht mehr gespielt werden (können). Ein Gutteil des Abenteuers befasst sich mit der Zusammenführung der Investigatoren. Über wahrscheinlich drei unterschiedliche, komplexe Einstiegsszenen erhalten sie Zugang zum Mysterium, bis sie dann schließlich zusammentreffen. Kann man so machen, mir persönlich ist dies zu auffwändig.
Weitere Kritikpunkte:- Auftreten der Vögel in London zu wenig auffallend. Es handelt sich ja nicht um ein Dutzend Exemplare, sondern um Schwärme dieser Missgestalten mit ihrem auffälligen Schwarmflugverhalten. Und sie sind in periodischen Abständen über London. Hier und da wird aufgegriffen, dass auch andere Menschen mit offenen Augen durch die Straßen gehen – nämlich immer, wenn dies als Clue taugt – aber mE passen Phänomen und Reaktion der Umwelt insgesamt nicht zueinander.
- Dasselbe Problem gibt es mit dem hochgradig auffallenden (!) Opferstein ganz in der Nähe der Ortschaft. Der nämlich ist bislang völlig unbemerkt geblieben von der Öffentlichkeit. Nee! Und dann natürlich so Angaben, dass das Graben um und unter den Opferstein nicht sinnvoll sei.
- Der "Kult" vor Ort ist zwar ganz interessant von der Anlage her, jedoch zu aufgesetzt. Das wirkt noch nicht ausreichend durchdacht.
- Ja, auch Graham Walmsley hat seine Horror-Literatur gut studiert: Damit der "Grusel" nicht stiften geht, weil schlussendlich das bis dahin undefinierte "Monster" die Hosen runterlässt und die Gruppe fressen will, bleibt das Mysterium um die Vögel auch über das Spielende hinaus bestehen. Das ist schön und gut. Aber die Umsetzung finde ich suboptimal. Der Autor hatte hierbei die Darstellung aus dem ToC-Regelwerk im Hinterkopf, bei welcher der Mythos jeweils auf drei optionale Standbeine gestellt wird, ganz nach Spielleiterherz: Entweder Cthulhu ist ein XY, der Z tut, oder eine AB, die Zackbumm macht, oder ein Dingenskirchen, das etwas ganz anderes tut. Im Abenteuer sieht das dann so aus, dass die Investigatoren eine Fülle von sich widersprechenden Informationen zum vorliegenden Mythos erhalten, die sich allesamt widersprechen. Hm, das geht bestimmt auch besser.
Ganz okay finde ich, was auch Wonko schon schrieb: Hier gibt es mehr Action als in Teil 1. Auch gibt es ein echtes Finale, von dem man auch fliehen kann, falls gewünscht.