Vorneweg: Thorvelk kann gerne bleiben! Der ist mir in allen Inkarnationen bislang sehr sympathisch gewesen
Insofern ist DW sozusagen ein "Worst of both worlds" zwischen gamistischen und narrativen Systemen:
- in den alten D&D-Versionen machen Monster ziemlich wenig Schaden im Vergleich zum HP-Pool der Charaktere,
- in neueren D&D Eds hat man andere Schutzmechanismen wie Negative Hitpoints, Death Saves über 3 Runden etc.,
- und andererseits in narrativeren Spielen hat man normalerweise irgendwelche Gummipunkte, Fate Points etc mit denen man die Konsequenzen abmildern kann. Oder sagen gleich "Der Charakter stirbt nur, wenn der Spieler das will".
Dagegen in DW: "Der Gegner macht 12 Schaden. Und nochmal 11. Was, du bist auf 0? Ja, dann bist du tot."
Wie gesagt, Thorvelk raushauen ist erstmal kein Problem. Was ich per se bei Dungeon World auch etwas vermisse ist das Prinzip des 'kampfunfähig seins', also du bist zwar am Boden aber kannst noch gerettet werden. Ist irgendwo grad ein bisschen auch meine Schuld, dass ich Hitpoints etwas zu mathematisch betrachte - ich sollte mal mehr auf Wunden etc eingehen, die eben nicht mal eben heilen und dann ihr Herrschaften mit 2 HP immer noch steht und kämpft wie die Einsen
Auf der anderen Seite wäre ich für eine 'ohnmächtig, aber noch rettbar' Zone - gerne dargestellt durch neg. HP oder dass ein Char auf null HP durch schnelle Hilfe noch rausgerissen werden kann. Können wir MI dann ja gleich in der Runde besprechen.
Ok, nehmt mir das bitte jetzt nicht übel wenn ich das direkt sage, aber ausgehend von dem ich was bislang mitbekommen habe:
Ihr habt Apocalypse/Dungeon World nicht verstanden.
Das Spiel ist nicht D&D und sollte nicht wie D&D gespielt werden. Kämpfe, die aus reinem Schlagabtausch zwischen Kontrahenten bestehen sind vom System her nicht vorgesehen.
Das HP Polster ist mehr als ausreichend, da Schaden nur eine von 12 Optionen ist, mit dem der SL den Spielfluss gestaltet. Oder anders gesagt: Der SL kontrolliert den kompletten Schadensfluss der Gegnerseite von Haus aus. Bedrohungen entstehen in DW nicht durch HP Schaden, sondern durch die Narrative und Konsequenzen der Entscheidungen.
Pflichtlektüre für alle: Dungeon World Guide 1.2.
Ansonsten: Wall of Text inc!
Die GM Moves sind folgende:
• Use a monster, danger, or location move
• Reveal an unwelcome truth
• Show signs of an approaching threat
• Deal damage
• Use up their resources
• Turn their move back on them
• Separate them
• Give an opportunity that fits a class’ abilities
• Show a downside to their class, race, or equipment
• Offer an opportunity, with or without cost
• Put someone in a spot
• Tell them the requirements or consequences and ask
Von den 12 Moves ist "Deal Damage" nur einer, und es ist der langweiligste Move weil narrativ einfach wenig passiert. Wichtig ist, dass der narrative Fluss besteht und die Mechanik diesen unterstützt. Deswegen werden die GM Moves im Spiel auch nicht beim Namen genannt, sondern schlüssig in die Handlung eingestreut.
Sowas wie:
SL: Redgar, du siehst wie drei orkische Speerträger vor dem Gral eine Kampfformation einnehmen und dich grimmig ansehen. Was machst du?
Fighter: Ich greife den linken Ork mit meinem Langschwert an! Hack & Slash *würfel* Ha, eine 8. Er bekommt 1d10 Schaden. Was passiert?
SL: Der Ork geht zu Boden doch sein Angriff erwischt dich vorher. Nimm *würfel* 1d8+2 Schaden. Was machst du?
Fighter: Auf den nächsten Ork! Hack&Slash 6! Scheiße...
SL: Du verfehlst den Ork und er trifft dich für 1d8+1. Was machst du?
...ist relativ eintönig und es wird zum stumpfen totwürfeln. Es kommt keine Spannung auf, weil keine narrative Bedrohung entsteht, sondern lediglich ein Abgleich stattfindet zwischen Redgars Werten X und NSC Werten Y. In D&D ist sowas Standard und die Schwierigkeit skaliert in erster Linie mit dem Verhältnis X:Y, wodurch auch häufig die Tödlichkeitsdiskussionen entstehen.
Bei Dungeon World dagegen geht es in erster Linie um die Narrative, und dafür sind weder hohe Werte noch viel Schaden bei den Gegnern notwendig. Die Beispielorks haben 6HP und 1d8 Schaden, sind also rein wertetechnisch absolute Luschen. Man kann daraus trotzdem einen spannenden Kampf machen, da es bei diesem Spiel weniger darum geht, was ein Charakter kann, sondern vielmehr darum, was die Konsequenzen seiner Handlung sind.
Nehmen wir einfach mal die Ausgangssituation: Redgar, der schwergerüstete Krieger in Kettenhemd mit Schwert und Schild steht drei neolithischen Kriegern mit primitiven Stangenwaffen gegenüber, die einen McGuffin beschützen. Die Orks sind stark, zäh und eine kampferprobte Einheit, die gut im Team agiert. Sie sind bereit den McGuffin mit allen Mitteln zu beschützen, und all das sollte in die Erzählung mit einfliessen:
SL: Redgar, du siehst wie drei orkische Speerträger vor dem Gral eine Kampfformation einnehmen und dich grimmig ansehen. Was machst du?
Fighter: Ich greife den linken Ork mit meinem Langschwert an!
SL: Als erfahrener Krieger weisst du, dass dich die Speere der Orks effektiv auf Distanz halten können. Wie möchtest du vorgehen, Redgar?
(Show a downside to their equipment. Vergleich der Tags "Reach" (Speer) und "Close" (Langschwert). Hätte Redgar eine Hellebarde oder einen Speer, dann könnten die Orks ihn narrativ nicht auf Distanz halten mit ihren Speeren.)
Fighter: Redgar stürmt auf die Orks zu mit erhobenem Schild und wehrt damit ihre Angriffe ab, bis er in Reichweite kommt.
SL: Guter Plan! Defy Danger mit STR.
Fighter: *würfel* Eine 8.
SL: Redgar stürmt auf die Orks zu, die mit ihren Speeren nach ihm stechen. Sein schwerer Stahlschild wehrt den Großteil der Treffer ab, doch ein (Un)Glückstreffer schneidet die Schlaufe des Schilds durch, der zu Boden fällt. Einer der Orks grunzt siegessicher, während sie den Griff ihrer Speere anpassen.
(Use up their resources. 7-9 ist ein Teilerfolg. In diesem Fall verliert er seinen Schild bis er die Schlaufe reparieren kann, kommt dafür aber unbeschadet an die Orks ran.)
Fighter: Redgar nimmt sein Langschwert in einen zweihändigen Griff und greift den Ork vor sich an. Hack&Slash?
SL: Jawohl.
Fighter: *würfel* Eine 12. 9 Schaden.
SL: Während die Orks versuchen, Redgar in die Zange zu nehmen, fällt dieser mit einem gekonnten Zweihandhieb den nächstgelegenen Ork. Der Weg zum Gral steht ihm offen und die verbleibenden Orks sind für einen Augenblick überrascht.
(Offer an opportunity. Redgar kann sich den MacGuffin schnappen, was den Orks Zeit gibt sich neu zu formieren, oder seinen bestehenden Vorteil weiter ausbauen.)
Fighter: Redgar sprintet zum Gral und nimmt einen tiefen Schluck!
(Spieler machen selten das, womit der SL rechnet. Redgar liefert hier eine golden opportunity.)
SL: Prost! Würfel mal Defy Danger auf CON.
(Eine der Grundprinzipien von Dungeon World ist "Play to find out." In diesem Fall steht die Wirkung des Grals im Vorfeld nicht fest, und das Würfelergebnis des SCs bestimmt die Wirkung.)
Fighter: *Würfel* Öhm, eine 4?
SL: Das wohlschmeckende Wasser des Grals ist eine willkommene Erfrischung. Einige Sekunden lang passiert gar nichts, doch dann spürt Redgar die Magie des Grals, die durch ihn fliesst. Tränen bilden sich vor seinen Augen als er vor Schmerzen gekrümmt auf die Knie fällt, und eine Frauenstimme flüstert zu ihm: "Ihr seid des Grals nicht würdig." Die Schmerzen vergehen, doch als du auf deine Hände hinabblickst, siehst du wie sie sich anfangen grün zu verfärben. Die beiden Orks stehen vor dir und blicken auf dich herab, die Speere auf dich gerichtet. Du glaubst, in ihren fremdartigen Gesichtszügen so etwas wie Mitleid zu sehen. 1XP und eine Charisma Debility. Was machst du?
(Reveal an unwelcome truth, Put someone on a spot. Es wird spontan entschieden, das der Gral aus unwürdigen Anwärtern Orks macht, was die Gralswächter auch gleich in einem anderen Licht erscheinen lässt. Zeitgleich ist die Transformation nicht sofortig, was dem Charakter eine Chance gibt diese rückgängig zu machen. Wodurch auch gleich eine neue Handlungsmotivation entsteht
)