Das Tanelorn spielt > Albtraum in Norwegen
DIE GESCHICHTE BISHER
Der Läuterer:
WITIKO (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Matilde: Ich bleibe etwa fünf Minuten still stehen. "So, ich habe ALLES getan, was Du von mir verlangst hast. Alles". Ich vergiesse eine Träne. Eine aus Wut, die doch hoch kommt. "Ich sollte jetzt etwas über Liebe sagen. So liebe Worte..." Ich drehe mich um. "Mi hai rovinato la vita." ["Du hast mein Leben ruiniert."] sage ich ohne Hass. Dann gehe ich langsam raus.
Auf dem Rückweg vom Styggebreen-Gletscher zur Lodge hat das Wetter zugezogen und der Schneefall hat weiter zugenommen. Ebenso der Wind und damit auch die Kälte. Die Stimmung der drei Personen hat ebenfalls umgeschlagen. Die Redseligkeit von Ragnar hat stark nachgelassen und beschränkt sich nur noch auf ein bis drei-Wort-Sätze. Dafür ist die Anspannung der Anreise einer Erleichterung, nach der verrichteten Arbeit, gewichen.
Nachdem die kleine Truppe schon wieder seit einiger Zeit auf dem Schlitten durch den Wald gleitet, hallen zwei Schüsse durch die Taiga. Rufe auf norwegisch sind zu hören, die sich wie Flüche und Vorwürfe anhören. Gefolgt von Hundehebell.
Dann wieder ein Schuss, dann noch einer und fast gleichzeitig ist das Jaulen eines Hundes oder eines Wolfes zu hören.
Die Richtung, aus der die Schüsse kamen, ist bei dieser Wetterlage nicht genau auszumachen.
Olaf bringt den Schlitten zum Stehen, während Ragnar die zwei Flinten der beiden vom Schlitten holt und Olaf eine davon zuwirft.
Dann starren die zwei, mit schussbereiten Waffen, in den Wald hinein und warten.
Matilde: Auch ich nehme John vom Schlitten und ziele in die Richtung aus der das Gebell ertönt.
"Ich glaube, dass hier jemand gerade auf der Jagd ist." sage ich vorsichtig.
Olaf "Noen ga pa jakt om ulv!"
Ein Schuss fällt.
Dann noch ein Schuss. Die Kugel trifft eine Tanne kniehoch über dem Schnee. Nur ein paar Schritt von Olaf entfernt. Holz splittert.
Erste fremde Stimme "Skutt! Ben! Skutt!"
Zweite fremde Stimme "Thore! Venstre!"
Ein Schuss fällt.
Zweite fremde Stimme "Dod og pine."
Erste fremde Stimme "Ga hunden los, Ben!"
Ein weiterer Schuss fällt. Ein Jaulen ist zu hören.
Erst ein Wolf, dann zwei weitere laufen auf den Schlitten zu...
Matilde: Ich ziele sicher, fast automatisch, auf den grössten der Wölfe. Und sobald ich ihn anvisiert habe drücke ich ab...
Olaf "En ulv hets."
Ein Schuss. Ein Knall und der von Matilde anvisierte Wolf stürzt getroffen zwischen Ragnar und Matilde in den tiefen Schnee. Blut sickert aus seinem Maul und aus der Schulterwunde.
Ein letztes Zucken läuft über den Körper des weissen Wolfes, dann liegt er still. Die toten, braunen Augen scheinen Matilde anklagend anzustarren.
Olaf "Gratulerer! En fin skudd!"
Die beiden anderen Wölfe stürzen am Schlitten vorbei und tauchen in den Schneesturm ein und sind verschwunden wie der Rauch einer Kerze im Wind.
Dann ist das Heulen eines Wolfes zu hören. Eines grossen Wolfes. Das Fell des Tieres ist schwarz. Und er hat blaue Augen, hinter denen eine Intelligenz zu lodern scheint.
Olaf, erschreckt "En varg. En hoyere ulv."
Wieder ein Schuss. Die Kugel trifft den alten Schlitten und bleibt im dicken Holz stecken.
Zweite fremde Stimme "Fordomt!"
Erste fremde Stimme "Som bare faen!"
Hunde bellen. Die Tiere haben Blut geleckt und wollen Beute machen.
Zweite fremde Stimme "Skutt! Thore! Skutt!"
Der schwarze Wolf springt aus dem Wald und bleibt stehen. Das Fell des Tiefes ist gesträubt, der Kopf gesenkt und die Zähne gefletscht. Ein kehliges Grollen entfährt seinem Maul. Seine blauen Augen glitzern wie ein tiefer See. Der Wolf setzt zum Sprung an. Ein Schuss fällt.
Erste fremde Stimme "Blinkskudd, Ben! Det ulv vaert dot."
Der Wolf rappelt sich, trotz seiner Wunde wieder auf und versucht zu fliehen... Zeitgleich nähern sich schnell zwei kläffende Hunde, die auf den Schlitten zulaufen...
Matilde: Ich starre dem Wolf in die Augen und eine Sekunde lang denke ich, wie schön es doch wäre, ihn zu töten. Aber dann, ohne lange darüber nachzudenken, ziele ich einen Meter zu kurz und schiesse vor den Hunden in den Schnee. Ich will sie nicht treffen, nur erschrecken.
"Ruft ihnen bitte auf norwegisch zu, dass sie aufhören sollen zu schiessen. Sie sehen uns wahrscheinlich nicht und hätten uns fast schon zweimal getroffen." Dann lade John nach.
Komm schon. Verschwinde. Diesmal wirst du Glück haben denke ich und folge dem schwarzen Wolf mit meinem Augen.
"Han er vakker. Er ist schön. Zu schön, um zu sterben."
Olaf "Stopp! Holde opp skyte! HOLDE OPP SKYTE !!!"
Die zwei Hunde springen zurück, als die Kugel in den Boden schlägt und Schnee und Eis hoch spritzt. Ihre Muskeln zucken. Das Fell vibriert. Geifer tropft von ihren Lefzen. Dann springen beide gleichzeitig, mit gefletschten Zähnen, auf Matilde zu...
Matilde "Ma che diavolo?" [Was zum Teufel?] schreie ich, ziele auf einen der Hunde und schiesse.
Einer der grossen Hunde wird von Matilde im Sprung getroffen und er fällt tot vor ihren Füssen zu Boden, während sich der andere Hund in Matildes linkem Stiefel verbeisst.
Matilde: Ich schlage mit aller Kraft, die ich habe, auf ihn mit dem Gewehrkolben ein.
Hinter Matilde ist ein dumpfes, gurgelndes Knurren, einer grossen Kreatur zu hören, während der Schneesturm um alle herum, an Heftigkeit immer schneller zunimmt.
Die Schneflocken und die Kälte beissen in den Augen. Das Fiepen des, vom Kolben getroffenen Hundes, ist im fauchenden Wind kaum noch zu hören.
Zwei Männer mit Gewehren treten zwischen den Bäumen hervor. Sie sind mit frischem Schnee bedeckt und bewegen sich langsam, eine Hand vor den Augen. Ihre Waffen scheinen eigefroren zu sein.
Olaf "Nei. Rekk her. Dem frost. Witiko. Rekk her!"
Matilde "Was sagt er?" frage ich Ragnar nervös. "Witiko? War das nicht diese Kreatur?"
Ich drehe mich zu den zwei Männern um und rufe mit strenger Stimme "Seid Ihr verrückt? Eure Hunde sind auf uns losgegangen! Sie haben uns angegriffen. Und Ihr? Ihr habt uns fast erschossen!" Dann drehe ich mich zu dem Wolf um.
Der Schwarze Wolf ist vom vielen Schnee weiss geworden und er ist ermattet. Die Wunde am Hinterleib scheint tief zu sein. Das Tier humpelt, heult auf und starrt Dich mit seinen blauen Augen an, als würde er auf seinen Tod warten. Blut tropft von seiner Hinterhand in den Schnee.
Matilde: Ich schaue ihn an, als würde ich seinen Schmerz nachfühlen können. Ich nicke ihm kurz zu, als könnte er mich verstehen. Dann ziele ich, schliesse dabei das linke Auge. Und drücke ab.
Der Schuss geht fehl. Oder hat er getroffen? Es ist nicht zu sagen... Nicht bei diesem Wetter. Der Sturm ist bereits viel zu stark. Das Schneetreiben ist sehr dicht. Einer der fremden Jäger schreit vor Schmerz gellend auf.
Als Matilde sich umdreht, sieht sie, wie einer der Männer von einer Windböe gepackt und in die Luft gehoben wird. Es ist dunkel. Ist es denn schon Nacht? Schon so viel Zeit vergangen?
Kein Stern ist am Himmel zu sehen. Kein einziger. Oder doch? Zwei leuchtende, weisse Punkte sind etwa drei Meter über dem Jäger zu sehen. Leuchtend wie zwei Sterne. Hungrig. Bösartig. Eisig. Gierig. Heimtückisch. Grimmig. Hasserfüllt.
Das Gesicht des Mannes verfärbt sich schwarz und gefriert dann zu einem schmerzerfüllten, stummen Schrei. Der andere Jäger brüllt den Namen seines Kumpan, doch dieser verhallt ungehört im Brüllen des Schneesturmes, der wie die Faust eines Riesen krachend auf ihn zwei niederfährt.
Matilde "WAS IST DAS?" schreie ich, während ich mich, rückwärts gehend, so schnell zurück bewege, wie ich kann. Dann schaue ich zu Ragnar und Olaf herüber "Wir müssen hier verschwinden. Schnell!" Ich habe noch John in den Händen, aber ich zittere so stark, dass ich nur hoffen kann, ihn nur nicht loszulassen. Wo kommt diese Dunkelheit her? Das ist doch völlig... unmöglich! Ich bin verzweifelt und versuche wieder auf den Schlitten zu steigen so schnell ich nur kann.
Ragnar kommt zum Schlitten gelaufen. Er wirft die Flinte und seine Schneeschuhe hoch und greift nach den Zügeln. Dann treibt er mit festem Griff die beiden Pferde energisch an. Olaf hält sich seitlich am Schlitten fest und lässt sich mitschleifen.
In der Dunkelheit fängt der zweite Jäger hysterisch zu lachen an. Und kurze Zeit später beginnt er dann zu schreien. Schliesslich hört man nur noch das Brausen und Fauchen des Windes.
Der Schneesturm ist aggressiv. Das weisse Biest nagt und zerrt an Haut und Kleidung. Kleine Eiskristalle schmirgeln die Haut ab, beissen in Nase, Mund und Ohren. Und sie blenden die Augen und rauben die Sicht.
Wie von Furien getrieben, stürzen sich die Pferde in die weisse Hölle hinein. Ohne Weg und ohne Ziel. Nur weg von der Quelle des Sturmes.
Matilde: Ich starre wie hypnotisiert in die Richtung, wo ich zuletzt die Kreatur gesehen habe. Aber ich sehe nichts mehr... nur Schnee und Eis. Wohin... fahren wir? denke ich plötzlich. Aber im Moment bin ich nur froh, dass diese Gestalt verschwunden ist. Ich halte mich am Schlitten fest und verkrieche mich, um mich von dem Sturm so gut ich kann zu schützen.
"Die Hölle ist weiss." murmele ich. "Das ist noch nicht das Ende." sagt noch eine Stimme in mir. Meine eigene Stimme... diesmal. Die Stimme von Hans ist, wie sein Körper, stumm.
Der alte Schlitten fliegt förmlich durch die Taiga. Ragnar muss die Tiere gar nicht antreiben. Ihrem angeborenen Fluchtreflex folgend, fliehen die Pferde instinktiv vor der Gefahr. Fast wahnsinnig vor Angst galoppieren sie panisch dahin. Ragnar kann das Gespann weder lenken noch verlangsamen. Äste peitschen gegen den Schlitten und einmal schreit Ragnar auf, als ihn ein Ast trifft. Andere dickere Äste brechen, als der Schlitten an ihnen vorbei gleitet. Über Hügel, durch Mulden. Über Schneewehen und umgestürzte Bäume. Durch kleine, umknickende Tannen hindurch. Der Geruch von winterlichem Wald ist stark.
Olaf, der sich auf den Schlitten hoch ziehen konnte, hat sich mittlerweile zur vorderen Sitzbank vorgekämpft. Er steht neben Matilde und reicht ihr die Hand "Springe de!"
"Hurtig! Ga... !" Plötzlich ein dumpfer Schlag. Der Mann wird aus dem Schlitten gehoben und ist weg. Verschwunden, als sei er nie da gewesen.
Weiter rast der Schlitten durch das unebene Gelände. Ein dicker Ast bohrt sich links in den Schlitten. Ein Krächzen und Quietschen. Ein Krachen und Splittern. Der Schlitten wird ruckartig und hart nach links herumgerissen. Ragnar verliert den Halt und stürzt mit einem Schrei vom Schlitten, während die Pferde das Gefährt weiter durch die weite, tief verschneite Taiga schleifen.
Matilde: Ich versuche, mit nur halb-geöffneten Augen, zu verstehen, wo wir hinfahren, aber es ist unmöglich. Die Pferde sind wie verrückt geworden und geben überhaupt keine Anzeichnen sich beruhigen zu wollen. Olaf und Ragnar sind verloren. Olaf meinte... ich solle springen. Ich soll springen? Gott, das ist doch Wahnsinn! denke ich verzweifelt. Oder doch nicht? Wenn ich hier bleibe, werde ich irgendwann gegen einen Baum oder einen Felsen knallen. Oder schlimmer noch, in einer Schlucht enden. Olaf hatte Recht. Ich muss springen, bevor es zu spät ist.
Ich sammele meinen ganzen Mut und warte auf den richtigen Augenblick... "Che gli dei mi aiutino. [Mögen die Götter mir helfen.] Egal welche."
Die Schlittenfahrt gleicht einem Rodeo-Ritt auf einem bockenden Mustang. Dem Kampf eines Rugby-Spielers, der ständig von gegnerischen Spieler getackelt wird. Der zu Fall gebracht werden soll und der sich dennoch tapfer gegen das Unvermeidliche anstemmt und wehrt.
Die Zügel liegen mittlerweile irgendwo unter dem Schlitten. Und immer wieder wird der Schlitten vorne ausgehoben, fliegt einige Meter durch die Luft und landet dann wieder krachend auf dem Schnee. Mitunter wird der Schlitten auch nur auf einer Seite ausgehoben und gleitet dann auf einer Kufe dahin, einem ungewisse Ziel entgegen.
Matilde: Ich springe noch nicht und halte John immer fest in meiner Hand. Alles, was ich bei mir habe, ist der Rücksack mit den restilchen Waffen. denke ich.
Es ist mittlerweile wieder heller geworden. Einige letzte Bäume, dann kommt eine freie Fläche.
Eine Weide oder vielleicht ist es auch ein zugefrorener See. Und Sicherheit. Die Pferde sehen es auch und sie laufen darauf zu. Auf den letzten Baum zu... den letzten Baum vor der freien Fläche. Sie galoppieren rechts und links daran vorbei.
Einen Wimpernschlag später springt Matilde vom Schitten. Nein, sie wartet noch immer auf den richtigen Moment, um zu springen. Dann nehmen ihr der harte Aufprall und die Fliegkraft jegliche Entscheidung ab...
Matilde: Ich bleibe einige Minuten still am Boden liegen. Alles dreht sich um mich herum. "Ver... verdammt..." Ich schmecke Blut. Meine Lippen bluten. Eine Platzwunde. Dann stehe ich langsam und schwankend auf. John liegt einige Meter vor mir entfernt in einer Schneewehe.
Leicht humpelnd mache ich ein paar Schritte auf das Gewehr zu und schaue nach oben. Das Licht des kurzen Tages scheint wieder etwas heller zu sein. Und das ist gut, denn ich weiss zumindest eins. Die Lodge liegt im Richtung Osten. Dort, wo bald die Sonne untergehen müsste.
"Ich muss jemanden finden... ich muss Olaf und Ragnar suchen." Wenn sie noch überhaupt noch am Leben sind. denke ich noch benommen.
Um mich herum herrscht Stille. Unerträgliche Stille, denn sie schmeckt nach Blut und Tod.
"WO SEID IHR? WOOO???" Schreie ich plötzlich. Doch ich rede mit mir selbst.
"WO SEID IHR? WO SIND DIE STIMMEN, DIE MIR IMMER GUTE RATSCHLÄGE GEBEN?"
Mein Kopf schmerzt und ich höre jemanden lachen. Hysterisch lachen. Ich kenne dieses Lachen. Ich drehe mich um und sehe ihn - Nordgren. Aus dem Loch in seiner Brust tropft noch Blut. Und blutverschmiert ist auch sein Mund.
Ich ziele auf ihn und ich schiesse. Doch diesmal verliere ich das Gleichgewicht und stürze auf den Boden. Zitternd stehe ich langsam wieder auf. Niemand ist zu sehen. Nirgendwo. Natürlich nicht. Ich schüttele den Kopf. Dann laufe ich weiter, ohne in die Richtung zu schauen, wo ich diese Halluzination gesehen hatte.
Wolfsgeheul ist zu hören. Aus der Richtung, wo der Schlitten steht. Dann antworten andere Stimmen der Nacht von der gegenüber liegenden Seite der Lichtung und im Osten treten einige weisse und graue Wölfe aus dem Wald heraus.
Neben der Kutsche liegt eines der Pferde mit gebrochenem Genick und zerschmetterten Knochen. Das andere konnte sich aus seinem Geschirr befreien und hinkt, mit gebrochenem Vorderlauf, über die freie Fläche.
Hinter dem Schlitten steht ein grosser, weisser Wolf. Das Tier steigt auf das tote Pferd und wirft den Kopf in den Nacken und beginnt zu Heulen. Dann schüttelt er sein Fell und befreit es vom Schnee. Plötzlich ist sein Fell nicht mehr weiss sondern schwarz. Dann hinkt der Wolf, mit gesenktem Kopf langsam auf Matilde zu.
Matilde: Ich bleibe stehen, bewege mich nicht. Ich habe John in der Hand, aber ich hebe ihn noch nicht hoch. Ich fixiere den Wolf, auch wenn ich weiss, dass das einer Provokation gleich kommt. Aber es sind ja eh viel zu viele und sie haben mich fast umzingelt. Wenn sie mich wirklich fressen wollen, werde ich es diesmal nicht schaffen zu entkommen. Ich schlucke ein paar Mal. Meine Kehle ist trocken und schmerzt.
"Was für ein wundeschönes Tier." hauche ich. Ich denke an die Erscheinung. Und lächele.
Der schwarze Wolf nähert sich langsam. Hinkend. Er scheint keine Angst zu haben. Sein rechter Hinterlauf ist noch feucht vom Blut. Er nähert sich bedächtig. Misstrauisch. Dann ist er nur noch etwa drei Schritte von Matilde entfernt. Fast greifbar. Er schaut zu ihr hoch. Mit seinen Eis-blauen Augen. Die Augen finden schnell Kontakt zum Gegenüber. Dann blickt der Wolf wieder weg. Er blutet am rechten Ohr. Ein rundes Stück am Rand des Ohres wurde von einer Kugel herausgestanzt... Und die anderen Wölfe stehen am gegenüber liegenden Waldrand. Ruhig. Und abwartend...
Matilde: Ich knie mich vor ihm in den Schnee, bleibe ruhig und hebe die freie Hand nach oben.
"Ist ja gut..." sage ich leise und beruhigend. "Komm mal hier, Luni." flüstere ich. Luni ist doch ein schöner Name, oder nicht?
"Ich tue Dir ja nichts." Irgendwie hoffe ich, dass er mich verstehen kann. Ich atme tief ein. "Ich tue Dir nichts." wiederhole ich und strecke ihm die Hand freie Hand entgegen, damit er an mir schnuppern kann.
Der Wolf nimmt Abstand und hält die Distanz. Er bewegt sich auf den Waldrand zu. Mit dem Rücken zu Matilde. Die Rute des Tieres ist ruhig und entspannt. Nachdem er einige Schritte gegangen ist, bleibt er stehen und blickt sich um. Die Wolfsaugen knüpfen erneut Kontakt...
Matilde: Ich mache ein paar Schritte in seine Richtung, während meine freie Hand in die Manteltasche greift. Dort befindet sich meine Pistole. Ich nehme sie aber nicht heraus. Dann bleibe ich erneut stehen und beobachte, was der Wolf macht.
Der Wolf hält weiter Abstand, geht wieder drei, vier Schritte vor, bleibt erneut stehen und blickt über seine Schulter zurück.
Matilde "Ist ja gut. Ich komme nach. Aber erst..." Ich renne zurück zum Schlitten und schaue, was ich sonst noch so mitnehmen kann... Einen Rucksack mit Vesper. Brot. Käse. Und Fleisch. Decken. Gut. Ich nehme zwei davon mit. Und Holz. Ich packe soviel ein, wie in dem leeren Rucksack passt. Mein Feuerzeug und Zigaretten habe ich dabei. Dann gehe ich in Richtung Wolf zurück und folge ihm im Abstand von etwa drei Schritten.
"Du bist verletzt..." sage ich dann, als würde ich mit einem Mensch reden. "Du brauchst Hilfe, Luni".
Ich laufe, schwer atmend, hinter Luni her. Die zwei Rücksäcke verlangsamen mich. Und der Schnee tut sein übriges.
Der Läuterer:
WITIKO f. (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Die Gruppe Wölfe läuft auf Matilde zu, an ihr vorbei und stürzt sich dann auf das verletzte Pferd, während der schwarze Wolf in die andere Richtung läuft.
Der Weg des Tieres ist erstaunlich gradlinig. Immer in Richtung Osten. Der Marsch durch den hohen Neuschnee ist beschwerlich und ein langwieriger Kampf gegen Eis, Schnee, Wind und Kälte. Schliesslich setzt eine Dunkelheit ein, die nichts aussergewöhnliches an sich zu haben scheint. Es wird eine sehr kalte, klare Nacht werden...
Matilde: Sobald die Dunkelheit eintritt werde ich nervös. Sehr nervös. Denn ich kann nichts mehr sehen. Ich laufe dem Wolf hinterher, solange ich ihn noch sehen kann. Ich muss doch einen Platz finden, wo ich rasten kann... obwohl, die Lodge sollte in dieser Richtung liegen.
Ich schaue hektisch immer nach links und rechts, halte John im Anschlag und konzentriere mich auf mein Gehör.
Der Wolf verringert den Abstand zum Menschen, damit Matilde ihm besser folgen kann. An einer grossen, ausladenden Tanne bleibt der Wolf stehen. Die tiefhängenden Äste sind verschneit und von Schneewehen umgeben. Der Wolf beginnt zu scharren. Nach einigen Minuten ist ein Loch in die Schneewehe gegraben... Der Wolf schubst Matilde an und beginnt zu fiepen.
Matilde: Ich schaue ihn etwas verdutzt an. Dann schaue ich auf das Loch. Und dann wieder ihn an. "Soll ich... da rein? Willst Du... hier Rast machen?" Ich beuge mich langsam vor und versuche mich so hinzusetzen, wie es am bequemsten für mich ist. Noch einmal schaue ihn an.
"Ich sollte zurück zur Lodge gehen..." flüstere ich noch. Heute ist doch die längste Nacht des Jahres. "Was meinst Du?" Ich streichele ihm den Kopf.
Ein Blick in das Loch hinein bringt nur Dunkelheit mit sich, verspricht aber auch eine gewisse Behaglichkeit. Die Schneewehen enden ca. zwei Meter vor dem Stamm. Der Boden federt, denn er ist dick mit Tannennadeln bedeckt und absolut trocken. Sie schützen vor der Kälte des Bodens. Die weit ausladenden Äste bilden ein natürliches Zeltdach und schützen vor dem schneidenden Wind. Der Unterschlupf ist eine natürliche Mischung aus Zelt und Iglu. Erneut zieht ein Sturm auf. Und er bringt klirrende Kälte mit. Ein Wetter, bei dem man gerne einen behaglich knisternden Kamin sein Eigen nennen möchte.
Matilde "Na gut..." sage ich perplex. Aber was kann ich auch sonst machen. Es ist stockdunkel und ich kenne den Weg zurück nicht. Ich ziehe die Decken aus dem Rucksack und lege das Gewehr auf den Boden. "Lass mal sehen, was mit Deiner Wunde ist." Mit diesen Worten nähere ich mich ihm. Ich nehme das Fleisch aus dem Rucksack und halte es ihm hin.
Der Wolf schnüffelt und stubst das Fleisch mit der Nase an, frisst es aber nicht. Dann schnüffelt er an Matildes Hand und beginnt nach einigen Minuten ihre Hand zu lecken. Dann legt er sich auf die linke Seite und schnauft.
Matilde: Ich nehme das Feuerzeug und mache mir Licht. Dann schaue ich mir die Wunde an. Es ist tief aber die Kugel scheint nicht steckengeblieben zu sein. Ein glatter Durchschuss. Die Blutung hat inzwischen fast aufgehört. Ich seufze. "Ich versuche eine Bandage zu machen. Va bene!" [Meinetwegen.] sage ich mit ruhiger Stimme.
Ich ziehe meinen rechten Arm aus dem Wintermantel und nehme das Messer... nein den seltsamen Dolch, der Hans gehört hatte. Damit schneide ich einen Teil meines Pullis ab. Dann ziehe ich mich wieder an. Ich lasse ein bisschen Speichel auf das Stoffstück tropfen, um die Wunde zu desinfizieren und versuche daraus eine Bandage zu machen, um die Blutung endgültig zu stoppen. Der Wolt fiept und das tut mir zum ersten Mal fast körperlich weh. Normalerweiser würde ich als Jäger dieses Geräusch sogar mögen. Verdammt. Was mache ich gerade? denke ich, während ich ihn weiter untersuche. Sein Ohr blutet auch. Ist ja nicht schlimm, aber sicherlich schmerzhaft. Ich nehme Luni's Kopf vorichtig in meine Hände und schaue ihm in die Augen. "Mi dispiace, Luni" [Es tut mir leid] sage ich traurig.
Verdammt, du entschuldigest nicht bei einem Wolf? Bei einer Beute? denke ich. Warum nicht? Das habe ich auch bei Hans gemacht. sagt mir mein Gewissen plötzlich. Mein Magen verkrampft sich.
Ich lasse noch etwas Speichel in die Hand tropfen und reibe damit die Wunde am Ohr ein.
Dann nehme ich die Decken, lege mich nah neben ihm hin und decke uns beide zu.
Ich kuschele mich unter den Decken an Luni und weine. Ich schluchze laut. Heule mit dem Wind und lasse alles raus. Zum ersten Mal... ndlich. Niemand kann mich hier hören, denn der Schneesturm deckt mein Leid zu. Vielleicht begleitet er mich sogar in meinem Schmerz.
Der Wind heult fauchend um das Iglu herum und bringt die Tanne zum Beben. Sie schwankt hin und her. Die Äste rauschen und reiben aneinander.
Der schwarze Wolf liegt entspannt auf den Tannennadeln. Seine Augen sind geschlossen, doch seine Ohren sind ständig in Bewegung und aufmerksam.
Matilde liegt mit ihrem Kopf auf dem atmenden Wolfspelz und heult schluchzend ihren Schmerz heraus. Dann hebt das Tier seinen Kopf und stösst ein kurzes, leises Heulen aus, als wolle es einen Pakt besiegeln oder seine Zugehörigkeit unterstreichen. Im Wald bricht derweil die Hölle los. Der eisige Wind peitscht die Bäume, zerrt an den Ästen, wirbelt Schnee auf und Äste umher.
Binnen kürzester Zeit ist das Eingangsloch des Unterschlupfs geschlossen und von aussen für alle Augen unsichtbar. Das Dach aus Schnee und Zweigen ist dicht, aber luftig und die Temperatur im Inneren ist, duch die Wärme der beiden Körper bald auf knapp über Null Grad angestiegen. Fast könnte man meinen, dass all die Gefahr und das Grauen verschwunden sind. In dieser heimeligen Atmosphäre im Unterschlupf.
Matilde: Ich streichele Lunis Fell, um mich zu beruhigen. Dann schaue ich die Uhr, die Taschenuhr von Hans, die ich noch aus dem Zug habe. Der Tiger ist tot. Nehmen sie sich alles. 15.50. Immer noch. Die Zeit dehnt sich fast unendlich.
Ich stehe auf und nehme ein bisschen frischen Schnee und esse ihn. Immerhin, das ist wie trinken, aber meine Platzwunde am Mund brennt dabei leicht. Dann esse ich ein wenig Brot und Käse, aber nicht alles. Nur etwa die Hälfte. Heute ist Thomasnacht. Heute Nacht fängt die Wilde Jagd an? Oder doch noch nicht? Ich bin aber sicher, dass dies die erste Nacht aud dem Zettel war.
Wird jemand merken, dass ich noch nicht zurück bin? Ich weiss, dass Rick und die andere in die Stadt gefahren sind und wahrscheinlich erst gerade zurück kommen. Wird mich überhaupt jemand vermissen oder mich suchen? Heute ganz bestimmt nicht mehr.[/i]
Ich habe noch drei Patronen für John und die Pistole ist noch voll geladen und die Ersatztrommel habe ich auch noch. Holz habe ich, auch wenn ich es nicht benutzen werde. Zumindest noch nicht. Nachdem ich alles kontrolliert habe, nehme ich die zweite Decke und rolle sie zu einem Kissen zusammen. Dann lege ich mich wieder neben Luni. Ich schaue das Tier bewundernd an und streichele ihm über den Kopf.
"Du bist ein schönes Tier" sage ich. "Schön, Dich bei mir zu haben."
Der Wolf hebt kurz den Kopf, leckt einige Male Matildes Hand und liegt dann wieder, ruhig atmend, neben ihr. Ein kurzes Schnauben, dann hört man nur noch das Wüten des Windes. Draussen. Entfernt. Ganz weit weg. In einer anderen Welt. Zu einer anderen Zeit. Völlig der Realität entrückt.
Matilde: Ich konzentriere mich auf den Sturm draussen, höre seinem Wüten zu und versuche so ruhig zu bleiben wie es geht.
Der Sturm wirbelt ohne Unterlass. Odin, der Herr der Toten und Stürme zieht über das Land und am Himmel entlang. Es sind fürchterliche Geräusche zu vernehmen, als würde ein Heer der Toten über das Land ziehen. Eine Kakophonie aus Fauchen, Schreien, Johlen, Heulen, Jammern, Ächzen und Stöhnen.
Der Wolf rollt sich auf den Bauch, hebt leicht den Kopf an und beginnt, ein tiefes Knurren von sich zu geben.
Matilde: Ich bekomme eine Gänsehaut. Ich hebe auch den Kopf an und greife nach John.
Mit meiner anderen Hand greife ich nach diesem Odin-Medallion, das mir Olaf geschenkt hatte. Ich kann es nicht anschauen, weil es zu dunkel ist, aber das macht nichts. Ich halte es in meiner geschlossenen Hand eine zeitlang ganz fest. fest, Dann starre ich in die Dunkelheit hinein.
"Tranquillo, Luni. Shhhhh!" [Ruhig.] flüstere ich so leise wie ich nur kann. Ich versuche mich zu beruhigen und meine Angst zu kontrollieren. Ich konzentriere mich voll und ganz auf meinen Hörsinn. Bei all der Anspannung stockt mir der Atem.
Geraume Zeit ist vergangen, seitdem Matilde sich zuletzt bewegt hat. Wie erstarrt lauscht sie den namenlosen Schrecken, die an ihr vorüberzogen, ohne dass sie diese zu Gesicht bekommen hätte. Sie muss schliesslich wohl eingeschlafen sein.
Der Wolf knurrt. Ein tiefes, kehliges Grollen, dass den Körper des Tieres erzittern lässt, aber recht leise ist. Jemand oder etwas gräbt an der Aussenseite des Unterschlupfes. Nicht direkt am Eingang, sondern seitlich davon und weiter oben. Langsam und sehr beharrlich. Gurgelnde Laute, eine Art fremdartige Sprache, sind zu hören. Der Sturm hat anscheinend nachgelassen. Das Brausen ist verstummt. Noch immer ist es stockfinstere Nacht und die Kälte hat seit kurzem noch erheblich zugenommen.
Matilde: Ich nehme John in die Hände und schreie "HVEM ER DET?" [Wer ist da?] Verdammt, das kann doch niemand wissen, dass ich hier bin. denke ich, während mein Herz schneller schlägt.
Eine bekannte Stimme ist zu hören "Andra tutto bene, amore mio!" [Alles wird gut, mein Liebling.] Dann ist das Loch gross genug. Im fahlen Mondlicht kann Matilde Hans' Gesicht sehen. Er hat sein freches, beleidigendes Grinsen im Gesicht. Er reicht Matilde die Hand. Eine eisige Kälte geht von ihm aus und weht in den Unterschlupf hinein. Der Wolf fängt laut zu knurren an. Sein Fell ist gesträubt, die Ohren angelegt und die Zähne gefletscht. Hans "Andra tutto bene, animo mio." [Alles wird gut, meine Seele.]
Matilde: Ich starre Hans einen Moment voller Entsetzen an. Das kann nicht sein. Der Tiger ist tot. "Du bist tot..." hauche ich. Dann nehme ich John und ziele auf den verschneiten Eingang. Und ich schiesse. Eine weisse Explosion folgt und frischer, eisiger Schnee sprizt überall herum.
"LAAAUF!" schreie ich verzweifelt dem Wolf zu. Verzweifelt und kopflos, ohne mich umzudrehen, renne ich raus. Ohne Ziel. Nur weg von hier.
Matilde läuft und läuft. Überall sind Menschen. Tote Menschen. Es ist kein Herde. Mehr einzelne, einsame Gestalten, die verschneit, mit leerem Blick, in ein und dieselbe Richtung ziehen. Immer Richtung Osten. Eine dieser Gestalten ist Olaf... Sie alle schlurfen und pflügen durch den Schnee. In Abständen von zehn bis zwanzig Metern zueinander. Langsam. Schleppend. Ruhelos. Doch sie nehmen keine Notiz von Matilde.
Der untote Hans kommt Matilde entgegen. Er ist nackt. Nein. Er ist nicht nackt. Er trägt die Haut eines Menschen wie einen Mantel. Das Blut daran ist noch frisch und müsste gefroren sein, aber es tropft in dickflüssigen Rinnsalen an ihm herunter. Nein. Das Blut fliesst in Strömen an ihm herab. Und aus ihm heraus. "Du hast mich umgebracht. Du hast mich getötet. Du HASST mich!"
Sein Gesicht zeigt immer noch das freche, beleidigende Grinsen. Doch er grinst nicht. Ihm fehlen die Lippen und Teile der rechten Wange. Der Rest der Haut ist ausgefranst und scheint zum Teil abgefressen zu sein.
Und wie ein interessierter Beobachter schwebt der fahle Mond über der Szenerie.
Hinter Hans nähert sich eine grosse Kreatur. Vielleicht sechs Meter gross. Vielleicht auch grösser. Zwischen den Bäumen und in dem Schneetreiben ist sie kaum zu sehen. Schemenhaft. Und dennoch ist sie da. Man kann ihre blanke Präsenz fast körperlich greifen. Eine sich manifestierende Dunkelheit in finsterster Nacht.
Matilde: Ich lade hektisch John nach. Das sind die letzten zwei Patronen. "Zittere nicht so stark, Matilde, sonst wirst du nie eine gute Jägerin sein." Ich ziele erst auf Hans, dann auf die schemenhafte Kreatur hinter ihm. Dann wieder auf ihn. "Verdammt..." Hans ist tot... soll ich auf einen Toten schiessen? Was soll das bringen? Ich ziele wieder auf die schemenhafte Kreatur. Dann drücke ich ab.
Dann zeichnet sich die Kreatur deutlicher und immer deutlicher ab, bis sie klar und deutlich zu erkennen ist.
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Matilde: Als ich diese Kreatur sehe, schreie ich vor Entsetzen laut auf und schrecke zurück. Dann drehe ich mich um und laufe davon. Einfach nur davon. Ich werde sterben. Ich sterbe. Vielleicht bin ich sogar schon längst tot. denke ich. 'Ist das nicht was du wolltest?' sagt eine freche Stimme, in meinem Kopf. "Nicht so. Nicht als Beute." sage ich leise zu mir selbst, während ich renne und den Schnee durchpflüge. "NON COSÌ!" [So nicht!] wiederhole ich laut, um mich selbst irgendwie davon zu überzeugen, dass das nicht das Ende sein wird.
Die grosse, widerliche Kreatur ist langsam, aber ihre Schritte greifen weit. Im Nu hat sie Matilde überholt und steht nun vor ihr. Matilde sieht Ragnar, der ihr langsam entgegen schlurft. Sein Schädel ist eingeschlagen, so dass man sein Gehirn sehen kann. Er ist blutverkrustet. Ein Auge hängt heraus und das schaut mit leerem Blick geistlos durch Matilde hindurch. Aus Ragnar's Brust ragt ein dicker, abgebrochener Ast einer Tanne heraus.
Matilde: Ich bleibe atemlos stehen. Dann hebe ich John und schiesse meine letzte Patrone auf die Kreatur ab. Dann lasse ich John in den Schnee fallen, ohne darauf zu achten, ob und wo ich getroffen haben könnte und hole die Pistole heraus. Ich ziele auf Ragnar. Meine Hand zittert.
Die Kreatur nähert sich. Langsam. Höhnisch. Erwartungsvoll. Gierig. Hungrig. Kaltes Feuer lodert in ihren Augen. Bösartig. Unmenschlich. Mordlustig. Das Ding streckt die Zunge aus und deren Spitze berührt Matilde an der Wange. Eisige Kälte geht von dieser Berührung aus und lässt Matilde erschaudern.
Matilde: Ich kneife die Augen zusammen und schiesse auf das Ding, bis alle 32 Patronen aus der Trommel abgefeuert sind. Doch ich weiss ganz genau, dass das nichts bringen wird. Und so hole ich, mit der letzten Kraft, die mir aus einer Mischung aus Todesangst und Verzweiflung erwächst, den Dolch heraus.
Der schwarze Wolf fiept, als die ekelhafte Zunge der Kreatur eiskalt über Matilde's Gesicht gleitet. Das Ding riecht nach verwesendem, fauligem Fleisch und das Ding verändert seine Form. Es verliert an Substanz. Es wird schemenhaft. Durchsichtig wie das Eis. Und weiss, wie der Schnee.
Matilde: Ich gehe zwei Schritte zurück und schaue mich um. Ich versuche vor allem das Ding und die Toten im Auge zu behalten. Ragnak, Olaf und Hans... Und ich halte den Dolch so fest wie ich nur kann und mache mich bereit...
Der Läuterer:
WITIKO ff. (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Irgendwann umnebelt die Müdigkeit Matildes Verstand. Der Wille erliegt der Monotonie von Dunkelheit und Ruhe. Sie schläft ein und erwacht erst wieder, als das schwache Licht des neuen Tages durch den Schnee dringt und sie weckt. Der Wolf ist fort. Matilde ist allein im Unterschlupf. Ein Loch im Schnee zeigt den Weg, den das Tier genommen hat, um zurück in die Wildnis zu gelangen.
Matilde: Ich bleibe noch ein paar Minuten liegen. Ich atme ruhig durch. Und ich geniesse das Licht des neuen Tages. Ich habe es geschafft. denke ich erleichert. Hans ruht und die Stimmen in meinem Kopf auch.
Dann stehe ich auf und krieche raus. Ich nehme das Holz, das ich dabei hatte und mache ein Feuer. Dann setze ich mich daneben und esse das restliches Brot mit den Käse.
Un caffé, das wäre schön. denke ich. Dann brechen die Bilder der letzten Nacht über mich herein. Olaf und Ragnar sind gestorben. Nein, sie sind verschwunden. Nein, sie sind, wie die andere zwei Jäger, Opfer dieses Dings geworden. Ich muss trotzem zurück ins Hotel und... sagen, dass ein Monster die Leute umgebracht hat? Ich seufze und nehme meinen Kopf zwischen die Hände. Würden sie mir glauben? Würde ICH mir glauben?
Matilde kaut lange auf dem Brot herum. Ihr Blick ist der Welt entrückt. Sie starrt in die Flammen, um ihre Gedanken zu ordnen. Das lebendige Flackern. Das Züngeln und Zucken. Das Knistern des Holzes. Das Glimmen der Glut. Immer noch in ihren Gedaken verloren, schaut sie aus dem Feuer auf.
Matilde: Ich stehe langsam auf und kneife die Augen zusammen. Dann schaue ich mich um. Zur Sicherheit nehme ich John in den Hände. "Ma che diavolo?" [Was zum Teufel?] flüstere ich. Die Nacht ist doch vorbei. Und auch die Wilde Jagd. Oder bin ich doch in dieser Nacht gestorben? Und das ist jetzt eine andere Welt? Ich bleibe stehen. Fasziniert beobachte ich dieses blaues Licht, dieses Polarlicht, absolut unfähig mich auch nur zu bewegen.
Eine Hand aus Fell legt sich auf Matildes Stirn. "Sakte, sakte. Ta det rolig, Madame."
Matilde: Ich drehe mich erschreckt um. "HVEM?" [Wer?] schreie ich.
Eine kalte Hand auf ihrer Stirn drückt Matildes Kopf nach unten. Sachte aber kraftvoll. "Beruhigen Sie sich, Madame Visconti. Nur die Ruhe. Sie sind in Sicherheit."
Matilde: Ich bleibe zwar liegen, aber ich schaue mich um, besonders wer gerade mit mir spricht.
"Wer sind sie? Wo bin ich? Ist die Jagd vorbei? Oder sind Sie auch tot?"
"Tot? Nein, Sie leben. Sie sind in Sicherheit. Ich bin es, Ragnar. Olaf und ich, wir haben sie aus der Höhle geholt. Sie haben laut geschrien."
Matilde: Ich schaue beide an. "Alles... alles klar. Ich werde Euch jetzt was erzählen... und ihr hört bitte zu, bis ich fertig bin, einverstenden?"
Dann setze ich mich und fange an alles zu erzählen was ich in dieser Vision oder diesem Traum geshen habe und alles, was geschehen ist. Ich erzähle von den Jägern, von Witiko und wie er sie umgebracht hat. Wie die Pferde geflohen sind und wir mitgeschleppt worden sind. Wie Olaf gestorben ist. Wie Ragnar gestorben ist. Wie ich auf die Wölfe traf, wie die Nacht kam, wie ich die Toten sah, darunter auch Ragnar, Olaf und Hans. Was Hans angehabt hat. Ich erzähle von Witiko, jede Einzelheit, an die ich mich erinnern kann. Was ich gemacht habe, war das Ding gemacht hat, dass das ein Traum im Traum gewesen ist. Diese blaue Sonne. ALLES. Ohne sie dabei anzuschauen. Das letze was ich sage ist... "Ich bin nicht verrückt." Dann bleibe ich still und beobachte ihre Reaktion.
Ragnar und Olaf schauen sich an. Olaf verzieht sein Gesicht und hebt die Augenbrauen. Ragnar legt den Kopf schief. Sein Gesicht ist Matilde abgewandt. Dann dreht sich Ragnar Matilde zu "Sie sind nicht verrückt, Madame. Aber sicherlich abgespannt und übermüdet. Das war alles zu viel für Sie." Nachdem er kurz Olaf's Reaktion abgewartet hat. "Wir hätten Ihren Auftrag nicht annehmen dürfen, Madame. Wir hätten es besser wissen müssen, nach allem, was geschehen ist. Das alles hat sie überanstrengt und seelisch stark angegriffen."
Matilde: Ich senke den Kopf. Und sage darüber kein Wort mehr. Ich schaue auf die Uhr. "Ist gut... Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Ihr Recht habt." Dann schüttele ich den Kopf und schaue nochmal dort hin, wo Hans jetzt ruht. Dann steige ich auf den Schlitten und nehme John zu mir.
"Wir können gerne gehen, meine Herren." Vielleicht ist es ja auch besser so. Wenn einem das nicht geglaubt wird. Wenn ich tatsächlich verrückt geworden bin, braucht ja niemand daran zu glauben.
Ragnar "Madame? Sie haben eine sehr lange Zeit allein in der Höhle verbracht, nachdem Sie uns hinausgeschickt hatten. Vermutlich mehr als eine halbe Stunde."
Matilde: Ich schüttele den Kopf. Ich kann mir nicht erklären was er da sagt. Ich habe etwas anderes erlebt. Vielleicht bin ich wirklich wahsinnig geworden. "Ich erinnere mich nicht daran. Ich... war nur fünf Minuten... und dann... ich meine, ich habe es ja schon erzählt." Ich schaue an mir herunter, ob ich noch alle Sachen mit mir trage und nichts verloren ging. "Ich weiss nicht, was da drin passiert ist." wiederhole ich.
"Als wir Sie fanden, Madame, lagen Sie auf dem Boden. Neben dem Findling, auf dem der Tote ruht. Sie hatten Ihren Dolch in der Hand. Was dort genau geschah, das wissen dann wohl nur die Götter, wenn Sie sich selbst an nichts erinnern können."
Matilde "Ich... ich habe keine Ahnung." sage ich total verwirrt. Und das ist die Wahrheit. "Können wir bitte gehen?" Ich bin bestimmt nicht mehr bei Sinnen. Was ist mit mir da drin geschehen? denke ich verzweifelt. Ich schaue zum Gletscher hinauf. "Bringen Sie mich bitte zurück." sage ich. "Ich flehe sie an. Bitte." Ich verliere den Verstand. Hans, was hast du mir angetan?
Ragnar "Dann lassen Sie uns aufbrechen, Madame Visconti. Wir werden Sie sicher zur Juvasshytta zurück bringen. Machen Sie sich keine Sorgen. Das Wetter ist gut und es sind noch über zwei Stunden bis zur Dämmerung."
Matilde: Ich sitze auf dem Schlitten, mit John in der Hand. Ich sage kein Wort mehr.
Ragnar sitzt auf dem Bock, während Olaf die zwei Pferde führt. Der Schlitten ist schon geraume Zeit unterwegs. Nur die Glöckchen am Geschirr und das Schnauben der Pferde ist zu vernehmen. Keiner von den dreien spricht ein Wort. Dann dreht sich Ragnar unvermittelt zu Matilde um. "Madame, wenn ich Ihnen von diesem Erlebnis erzählen würde, was würden Sie von mir denken?"
Matilde: Ich schaue ihm in die Augen. "Was ich denken würde? Schwierig. Vor ein paar Tagen, hätte ich sicher gedacht, Sie seien verrückt." Ich mache eine kurze Pause und schaue zu Olaf hinüber. Dann wende ich mich wieder zu Ragnar. "Aber jetzt würde ich denken, Sie haben eine Vision erlebt. Ich weiss nicht viel über Eure Mythologie. Bei uns sind Wahrsager in fast jeder guten Geschichte oder Legende dabei." Ich lächele. "Bitte verzeihen sie mir." sage ich plötzlich.
"Natürlich würde ich diese Geschichte nicht glauben."
Einige Zeit später sind aus dem Waldgebiet, das vor Dir liegt, Schüsse zu hören. Zuerst zwei Schüsse, gefolgt von Hundegebell. Dann wieder ein Schuss. Und noch einer. Die genaue Richtung, aus der die Schüsse kamen, ist nicht auszumachen.
Olaf bringt den Schlitten zum Stehen, während Ragnar sich erschreckt zu Matilde umdreht "DIE WOLFSHATZ !!! Genau wie in Ihrer Geschichte... WIE sagten Sie doch gleich, ging Ihre Geschichte weiter? Denken Sie nach, Madame, denken Sie schnell nach. Und noch eins. Ich GLAUBE Ihnen."
Matilde: Ich stehe auf, nehme John und ziel ins Nichts, wo bald erst die Hunde, dann die Jäger kommen werden. "Tun sie jetzt genau was ich Ihnen sage. Machen Sie sich zur Flucht bereit."
Ich ziele leich nach oben und schiesse. Das sollte die Wölfe und die Hunde verschrecken und fern halten. Ich drehe mich zu Ragnar. "WEG HIER! JETZT! LOS!" Ich setze mich wieder hin und halte mich am Schlitten mit einer Hand fest. Ich denke an Luni. Hoffentlich wird diese Änderung reichen, um ihm die Kugel zu ersparen.
Olaf streift seine Schneeschuhe ab und springt auf den Schlitten "Hurtig, Ragnar. Vekk her. Ga hesten los. Forte seg. Pa venstre. Forte seg!!!"
Ragnar treibt die beiden Pferde an. Links um die Jagd herum. Immer noch Richtung Osten.
Die Tiere traben durch den Schnee. Schnell, aber ohne Hektik. Rechts von ihnen nimmt die Dunkelheit zu. Breitet sich aus. Und verdichtet sich. Schreie sind zu hören. Menschliche Schreie. Todesschreie. Und unmenschliche Laute. Verstörende Geräusche. Hundegebell und das Heulen von Wölfen. Gemischt mit dem Heulen des Windes. Ein Sturm zieht auf. Dicke Schneeflocken fallen und werden durch die Luft gewirbelt.
Matilde: Witiko! denke ich erschreckt und denke dabei an diese Jagd, bei der ich die Beute war und als alles so nutzlos war, was ich tat. Und an das Monster und wie es meine Angst genossen und geschmeckt hatte. "Weg! Schnell weg hier! Es kommt! Er! Witiko! Er wird uns alle töten!" Ich drehe mich um und versuche etwas zu erkennen. Versuche zu erkennen, ob uns etwas verfolgt.
Aus der Dunkelheit sind nur noch Schreie zu hören. Bestialische Schreie. Heulende Schreie voll Wut und Enttäuschung. Fauchender, brennender Hunger schwingt im Wüten des Windes mit. Ein Toben. Ein Peitschen. Ein Knacken und Brechen von Ästen und Bäumen. Und das Aufwirbeln von riesigen Schneemassen.
Matilde: "Oh Gott, er wird uns erwischen! Er holt uns ein! Los schnell!" schreie ich.
Der Schlitten gleitet zwischen den Bäumen hindurch. Er springt über Schneewehen hinweg, durch Mulden und über Baumstümpfe. Geradewegs auf eine Lichtung zu. Es ist ein zugefrorener See oder eine Art freie Weidefläche. Als der Schlitten die Mitte der Lichtung erreicht hat, bricht ein Rudel Wölfe hinter Euch aus dem Nadelwald und hetzt hinter dem Schlitten her.
Matilde: Ich drehe mich um und sehe die Wölfe hinter uns. "Sie wollen die Pferde!" schreie ich Ragnar zu. "Ich werde einen von ihnen erschiessen und hoffe, dass die andere aufgeben und vertrieben werden!" Ich ziele auf einen Wolf, einen grauen und schiesse.
Die Fahrt ist unruhig. Der Boden uneben. Die Jägerin ist das Schiessen von einem sich bewegenden Objekt nicht gewöhnt. So geht der Schuss fehl. Und die Pferde sind den Lärm einer .450er Nitro Express nicht gewöhnt und gehen durch.
Matilde Verdammt... denke ich. Ich drehe mich um und halte mich so gut ich kann am Schlitten fest. Und ducke mich dabei. Ich greife dann in die Tasche. Ich nehme die Pistole. "Olaf, halt Dich fest!" sage ich. Aber es ist ok, denke ich und ich versuche mich etwas zu beruhigen. Diesmal bin ich nicht allein und sie sind ebenfalls bewaffnet. Und Witiko ist nicht mehr zu sehen.
Die Wölfe hetzen dem Schlitten hinterher. Ragnar kann die durchgehenden Pferde kaum halten. Der Schlitten nimmt immer mehr an Fahrt auf und lässt das Rudel schliesslich hinter sich. "Wir sind die Meute noch nicht los. Sie haben noch nicht aufgegeben. Sie lassen sich zurückfallen und werden uns im Wald wieder einholen. Denken Sie an meine Worte, Madame Visconti."
Matilde: Ich schau Ragnar entschlossen an. "Dann müssen wir bereit sein, auf sie zu reagieren." Ich lade John nach. Was ist in der Höhle wirklich passiert? Und haben wir zumindest das Ding hinter uns gelassen? "Machen Sie sich, sobald wir ein bisschen Geschwindigkeit reduziert haben, bereit!" Die Situation scheint nicht einfach zu sein. Doch alles ist besser, als das, was sich im Traum abgespielt hat. Der ist nämlich so unheimlich zum Ende gegangen, dass ich meine Gänsehaut wieder spüre. Im Traum waren die Wölfe auf meiner Seite. Ja. Und die beiden Männer waren tot. Spinnst du Matilde? Du hast das richtiges getan. sagt mir meine innere Stimme. "Ja, ich habe das Richtige getan." hauche ich. Die Kälte sticht meine Wangen, wie ein eisiges Messer und erinnert mich an die ekelhafte Berührung der Monsterzunge. "Wir werden es schaffen." sage ich.
Langsam bringt Ragnar die Pferde wieder unter Kontrolle und lenkt den Schlitten sicher zwischen den Bäumen hindurch. Von den Wölfen ist keine Spur mehr zu sehen. Kurz nach 1500, die Dämmerung ist bereits fast vollendet, hört Ihr das Heulen eines einzigen Wolfes. Ragnar verlangsamt die Fahrt und bringt den Schlitten zum Stehen. Olaf lauscht, steigt dann ab und nimmt seine Flinte vom Schlitten. Er schaut sich um. Auf einem Felsvorsprung sitzt ein grosser, schwarzer Wolf im Zwielicht und heult den Mond an.
Olaf hebt sein Gewehr und zielt. "Sitte stille, barn dens mane. Sitte stille, liten ulv. Dine pels tilhore meg."
Matilde "NEI!" schreie ich und schlage Olaf's Gewehr nach oben. "Den nicht" sage ich energisch.
Das könnte Luni sein. Oder auch nicht. Ich weiss es nicht. Ich muss es aber wissen. Um das zu wissen, sollte ich Hans vertrauen. Noch einmal. - Er ist ein Geschenk. - hatte er gesagt. Es könnte aber auch mein Tod sein. "Zielen Sie nicht auf ihn. Bitte. Ich habe Euch davon erzählt. Ich hatte einen schwarzen Wolf bei mir, der so aussah. Bitte nicht schiessen." Ich mache zwei Schritte auf ihn zu. John habe ich bei mir, doch ich hebe ihn nicht. "Bist Du das?" frage ich mit ruhiger Stimme. "Luni? ..." Ich schaue ihm in die Augen und hoffen auf den Moment des Wiedererkennens.
Der Felsvorsprung ist zwei Meter erhöht. Als sich Matilde nähert, erhebt sich der Wolf. Das Tier schaut Dich mit seinen Eis-blauen Augen an. Ein hungriges Feuer lodert hinter den Augen. Es liegt keinerlei Wiedererkennen darin. Warum auch. Die Ohren des Tieres sind unruhig. Die Lefzen sind gebleckt. Das Tier knurrt. Ein tiefes grollendes Knurren.
"Forsiktighet, Madame!" ruft Olaf. Ein Schuss fällt. Gestein splittert. Das Tier bleibt unverletzt, springt hinweg und sucht sein Heil in der Flucht.
Matilde: Als der Schuss fällt, zucke ich zusammen. Dann beobachte ich, wie der Wolf die Flucht ergreift. Meine Augen verfolgen das Tier solange, bis er verschwunden ist. "Was ist nur ein Traum gewesen? Und was war real?" flüstere ich traurig. "Mach's gut, Luni" Ich drehe mich um. "Wir sollten bald da sein, oder?" frage ich etwas nervös. Es ist bereits finstere Nacht.
"Sie haben ein gutes Gefühl für Entfernungen, Madame." ruft Die Ragnar zu "In etwa einer Viertelstunde sollten wir zurück sein. Dann sind Sie wieder in Sicherheit." Der Schlitten fährt wieder langsam an. Die Pferde schnauben. Die Glöckchen klingeln. Die Kufen knirschen im Schnee. Feine, kleine Schneeflocken fallen. Es ist nahezu windstill. "Heisser Gewürzwein und gegrilltes Rentier-Fleisch." murmelt Ragnar "Ich kann es fast schon auf meiner Zunge schmecken." Irgendwo in der Nähe heult ein einsamer Wolf den Mond an. "Was für ein Tag! Was für ein verrückter Tag!" Dann treibt Ragnar die Pferde weiter an.
Als Matilde tief durchatmet und in den Himmel schaut, glaubt sie, in den dahin treinenden Wolken, ein Gesicht zu erkennen. Eine Fratze mit ausladendem Elch-Geweih. Mit zwei leuchtenden, glühenden, weissen Sternen in der Mitte, welche gierig und hungrig vom Himmel herab funkeln. Dann treibt ein Windstoss die Wolken wieder auseinander.
Die Pferde-Glöckchen klingen. "Alles ist gut!" ruft Ragnar. Dann lacht er. Ein tiefes, höhnisches Lachen, das so gar nicht zu diesem freundlichen Norweger zu passen scheint.
Matilde: Ich schaue noch den Wolken hinterher. War das alles nur Einbildung? Ich hoffe es sehr. Dann drehe ich mich zu Ragnar um, denn ich habe erst jetzt sein komisches Lachen registriert. "Ist alles in Ordnung?" frage ich besorgt.
Ragnar hat ein freches, unverschämtes Grinsen im Gesicht "Alles ist in schönster Ordnung, Madame. Es könnte nicht besser sein. Bald ist die Heilige Nacht. Da kommt dann das Christkind. Hahaha. Und ein jeder bekommt etwas. Ein jeder bekommt, was er verdient, Madame. Das ist die Zeit, in der alle Wünsche in Erfüllung gehen." Ragnar berührt kurz Matildes Handgelenk, oberhalb der Handschuhe. Seine Finger sind so eisig, wie die eines Toten. Ein kalter Schauer läuft Matilde den Rücken hinab. "Was wünschen SIE sich, Madame?"
Matilde: Ich ziehe meine Hand schnell zurück und schaue entsetzt und fragend zu Olaf rüber. Dann wende ich mich wieder Ragnar zu. "Was...? Was ich mir wünsche ist Mut." sage ich und hole den Dolch heraus. "Und was wünschen Sie sich?" frage dann sarkastisch.
"Mut, Madame?" fragt Ragnar, der dem Dolch keinerlei Beachtung schenkt. "Davon haben Sie doch nun wahrlich genug. Sie haben viel auf sich genommen und Sie haben viel vollbracht. Und das an nur einem Tag. Sie können stolz auf sich sein, Madame."
"In der Heiligen Nacht kommt der Herr der Herrlichkeit auf die Erde. Der König der Könige.
Wünschen Sie sich etwas, Madame. Wünschen Sie sich etwas reales."
Währenddessen läuft ein schwarzer Wolf zwanzig Meter vom Schlitten entfernt neben diesem her. Seine blauen Augen leuchten im Mondlicht.
Matilde: Stille. "Ich wünsche mir, so sein zu dürfen, wie der Mann, den wir gerade beerdigt haben." Ich schaue ihm dabei in den Augen. Dann beobachte ich den Wolf. Ich wünsche mir irgendwie... Macht.
Ragnar "Schauen Sie, Madame Visconti, da vorne sind die Lichter der Lodge. Wir sind da... Dann gibt es jetzt gleich heisse Getränke und ein prasselndes Feuer, an dem Sie sich wärmen können. Sie legen sich am Besten hin und schlafen etwas. Es war heute sehr anstrengend und aufwühlend für Sie."
Matilde: Ich bin leicht verdutzt, als er wieder so normal spricht. Aber eigentlich ist es nur ein weiterer Beweis, dass ich gerade durchdrehe. Ich stecke den Dolch wieder weg und sage zu Ragnar. "Ja, ich... Sie haben Recht. Es war sehr... anstrengend." Ich warte bis den Schlitten steht, dann springe ich runter. "Vielen Dank, meine Herren. Für alles. Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie am besten heute Abend auch hier."
"Sie sagten, Sie hätten Familie. Bitte kaufen Sie für Ihre Familie einen grossen Kuchen und sagen Sie Ihnen, er käme aus Italien und von Herzen." Ich gebe beiden Männern etwas Geld und lächele dabei, aber ohne sie anzuschauen. "Ich wünsche Ihnen ein frohes Fest." Ich drücke beiden die Hand und verabschiede mich. Ich laufe zur Lodge, mit gesenktem Kopf. "Ich wünsche mir so zu sein wie er." sagte ich. Und ich meine damit den Menschen, der er war. Aber Hans ist tot. Wer war Hartmut Stürmer wirklich? Hiess er wirklich so? Hätte ich mich in ihn verliebt, wenn er noch leben würde? Nein, er wollte mich verlassen. Ich hätte ihn nie wieder gesehen. "Das hätte er nicht geschafft." sage ich leise zu mir. Mich zu verlassen? Ich hätte ihn gehen lassen. Doch er hätte irgendwann vor meiner Tür in Paris gestanden. Ein bitteres Lächeln zeichnet sich auf meinem Gesicht ab, während ich die Tür meines Zimmers aufmache.
Ermattet fällt Matilde in ihr Bett. Sie wird wach, als an ihre Tür geklopft wird. In der Nähe heult ein einsamer Wolf. Eine Frauenstimme "Hallo? Madame? Sind Sie wach? Ich bin es, Helgard, das Hausmädchen. Es gibt ein grosses Nachtmahl, Madame. Kommen Sie zu den anderen Herrschaften herunter, oder soll ich Ihnen Ihr Essen aufs Zimmer bringen?"
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