Das Tanelorn spielt > Albtraum in Norwegen

DIE GESCHICHTE BISHER

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Der Läuterer:
Als die Contessa wach wird, hört sie ein Streitgespräch, das Hans mit einem Unbekannten führt. Es geht dabei offensichtlich um ein Kompetenzgerangel und um die Frage, ob Matilde leben oder sterben wird...

Als Hans zurück in das Abteil der Contessa kommt, schiesst Matilde ihm aus nächster Nähe in den Hals, als Hans ihr gerade einen Abschiedskuss gibt und verletzt ihn dabei schwer, wobei sie ihren Irrtum viel zu spät erkennt, denn Hans ist unbewaffnet.

Der Unbekannte, ein gewisser Dr. Gunnar Nordgren, rettet Hans durch einen chirurgischen Eingrifft das Leben und nimmt anschliessend Matilde als Geisel, nachdem er den Brief, den Hans Matilde geschrieben hatte, verbrennt.

Nordgren ist über die entstandene Situation ausser sich vor Wut. Von ihm erfährt Matilde mehr über Hans. Dass er lange Zeit in Berlin und Paris gelebt habe und dass er ein Killer sei, der für 'La Main Droite', eine Geheimgesellschaft, arbeiten würde. Dass er aber nun vorgehabt hätte auszusteigen, um mit Matilde ein neues Leben zu beginnen, wobei Nordgren betont, dass noch niemand jemals zuvor die Organisation lebend verlassen habe.

Nordgren erweist sich als berechnend, zutiefst durchtrieben und absolut skrupellos, denn er tötet Zugpersonal wie Fahrgäste, wenn sie ihm in die Quere kommen und so wird das Innere des Zuges schnell zu einem ungeordneten, wimmelnden Durcheinander. Dann verschwindet Nordgren in einer Wolke aus Finsternis.

Durch den Einsatz zweier Signalpistolen im Inneren des Waggons gerät dieser in Flammen, doch in all dem Chaos, zwischen Rauch, Flammen und Geschrei, kann Matilde entkommen, als jemand die Notbremse betätigt und der Zug irgendwo im Nirgendwo zum Stehen kommt.

Der Doktor hinterlässt weiterhin eine blutige Spur des Grauens auf seinem Weg durch die Waggons nach vorne, in Richtung Lok. Doch er wird schliesslich vor dem Gepäckwagen gestellt. Die Contessa schiesst ihm mit ihrer Jagdflinte der Marke John Rigby & Co. mitten in die Brust - mit einer Kaliber .450 Nitro Express Teilmantelgeschoss-Patrone.

Der Läuterer:
Im Gepäckwaggon wird eine Lattenholzkiste entdeckt, die vom Doktor verschickt wurde, mit Ziel Hammerfest auf der Insel Kvaløy im nördlichen Norwegen.
Durch unbedachtes Vorgehen wird die Kiste überhastet aufgebrochen, auf der seltsame Runen und Ältere Zeichen aufgemalt wurden. Darin befindet sich eine bizarre, bläulich schimmernde, ausgezehrte Kreatur, die in ihrem Käfig angekettet ist und nur auf den richtigen Moment lauert, um die Flucht aus dem Zug zu wagen. Und die Kreatur entkommt.
Da der Zug auf offener Strecke gestoppt hatte, fliehen auch viele Überlebende des Massackers aus dem Chaos des Zugs, hinein in die verschneite Wildnis Norwegens.

Währenddessen eilt die Contessa zu ihrem Liebsten zurück, der im Sterben liegt. Er blutet stark aus einer Brustwunde, die gar nicht vorhanden ist. Matilde hält den Sterbenden in ihren Armen und gibt ihm einen Abschiedskuss, der seinen letzten Atem trinkt.

Dann nimmt der Zug wieder Fahrt auf und erreicht schliesslich das Städtchen Lom. Aus dem Innern des Zugs werden 17 Leichen geborgen, darunter die Körper von Schmidt und Nordgren. Dann fährt der Zug zurück, um diejenigen zu retten, die aus dem Zug geflohen waren, um sie vor dem sicheren Erfrierungstod zu retten... doch viele der geflohenen Passagiere bleiben im Schneesturm verschollen. Erst im Frühjahr können die Überreste der Toten geborgen werden. Ingesamt hat der Vorfall, der als tragisches Lawinenunglück in den Zeitungen ausgeschlachtet wird, 39 Leben gefordert.

Der Läuterer:
Matilde benutzt Hans' Abteilschlüssel und durchsucht dessen Sachen. Warme Kleidung, eine Bergsteigerausrüstung und ein wahres Arsenal kommen zum Vorschein.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)In einen Gewehrkoffer befindet sich eine zerlegten Jagdflinte der Marke Mauser 98k Spezial, zwei Schwerter, zwei Luger mit 32-Schuss-Trommelmagazin, ein Anschlagschaft, ein Hövel-Forstmeister-sechsfach-Fernrohr und ein verlängerter Ersatzlauf, sowie zahllose Munitionsarten, in unterschiedlichen Kalibern, Hülsenlängen und Geschossarten, sowie Sprengstoff.
Am Bahnhof in Lom werden, nach dem ersten massiven Schock, die Rettungsmassnahmen eingeleitet und die toten Körper geborgen, die im Schnee aufgebahrt werden.
Ein Polizist beginnt die ansprechbaren Passagiere zu befragen, während Matilde mit Hans' Waffenkoffer den Zug verlässt und dann den letzten Wunsch von Hans umsetzt. Sie bezahlt zwei Norweger und kurze Zeit später liegen nur noch 16 Körper im Schnee vor dem Bahnhof.
Mit einen Schlitten bringen die Norweger zusammen mit Matilde Hans' Leichnam zuerst zur Lodge und von dort aus, einen Tag später, weiter zum Styggebreen-Gletscher, um Hans dort zu bestatten.

Der Läuterer:
Matilde bringt den Leichnam von Hans zum Styggebreen Gletscher, um ihn dort zu bestatten und begegnet, auf ihrer Rückreise zur Lodge, dem Witiko.

STYGGEBREEN (Klicke zum Anzeigen/Verstecken) Am Treppen-Abgang zum Eingangsbereiches der Lodge kommen die zwei Norweger, Olaf und Ragnar, auf Matilde zu und Ragnar wendet sich ihr flüsternd zu. "Ihr Mann, Madame Visconti, wurde im Generator-Schuppen der Lodge untergebracht. Dort ist es zwar kalt, aber nicht unter 0 Grad. Wir haben niemandem davon berichtet, was wir auf dem Schlitten transportiert haben, sondern nur, dass wir etwas zu lagern haben. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann wollen Sie eine Eis-Bestattung im Gletschers durchführen. Oder?"
Während Olaf schon zum Schuppen vor geht, redet Ragnar mit Matilde. "Der Styggebreen-Gletscher liegt nicht weit von der Lodge. Der Gletscherbach hat tiefe Höhlen ins Eis geschnitten. Dort gibt es grosse, Altar-artige Felsbrocken, auf denen wir den Leichnam betten könnten. Wenn Sie das machen wollen, brauchen wir ein grosses Leintuch und ein Schwert. Früher wurde der Krieger immer, mit seinen gefalteten Händen auf seinem Schwert, das ihm auf seine Brust gelegt wurde, beigesetzt. Der Körper des Kriegers wurde dazu nackt in ein Leintuch gewickelt und dort zurück gelassen. Mit der Zeit schloss das Eis den Wikinger immer mehr ein. Eine dicke Decke aus Eis. Wie eine gläserne Rüstung. Ein Sarg aus Eis."
"Wir bräuchten noch ein Schwert. Jeder wahre Krieger führt eines mit sich. Beim Eintritt nach Walhalla, trennt die Klinge das Gute vom Bösen der Seele ab und nur das Gute darf die Tore der Helden durchschreiten."

Matilde "Ja warten sie hier. Ich glaube, ich weiss, wo ich eines finden kann."
Sie kommt zurück. "Ich weiss gar nicht, wie ich mich bei Ihnen bedanken soll... Glauben Sie, dass das Wetter schlechter wird? Und wie lange werden wir brauchen, um dorthin zu kommen?"

Olaf "Med truge og akebrett? Att og fram? Tre stund! Stormvaer lengre."
Ragnar "Er fragt, ob mit Schneeschuhen und Schlitten? Und er nimmt an, dass es drei Stunden dauern wird, bis wir zurück sein werden. Solange das Wetter nicht schlechter wird."
Olaf "En isbre hule. En viking begravelse. Det er kul. Kul, Madame Visconti. Veldig, meget kul."

Matilde: Ich lächele ein bisschen, dann steige ich auf den Schlitten. "Jeg er trist." sage ich und schaue dabei die Leiche an. "Jeg ser ham ikke. Drei Stunden also. Hoffen wir, es wird alles gut gehen."

Olaf "Veidefolk, hm? Haha. Wer jage dem? Ulv, bjorn, elg? Alt som nedlegge?"
Matilde: Ich schaue ihn ernst an. "Ich jage... also... hier habe ich... nein, keine Wölfe, oder Bären".
Ich schaue in die Ferne und ziehe die Pelzmütze tiefer ins Gesicht.

Olaf "En godt rad, Madame Visconti. Ikke gar i bakke Trollsteinhoin. Ikke gar der. Ikke i Aaskereia. Ikke innfodt gar der. Aldri noensinne."

Matilde "Ich habe Sie nicht so ganz verstanden, aber ich nehme an... ich soll der Höhle der Trolle fern bleiben?" Ich bin sehr nervös. "Das werde ich auch..." Ich lächele, aber mein Magen verkrampf sich.

Ragnar "Sie verstehen norwegisch schon recht gut, Madame Visconti. Nein, Sie müssen gar nichts. Olaf gab Ihnen nur einen wohlmeinenden Rat. Es ist vor allem JETZT eine überaus schlechte Zeit. Die Gegend wird gemieden. Weiträumig gemieden. Und... zu dieser... Jahreszeit, in diesen Nächten, verirrt sich kein Einheimischer dort hin. Denn wer sich dort verirrt, bleibt auch verschwunden, glauben Sie mir. Fahren Sie Ski, gehen Sie in die Sauna, Schlittschuhlaufen, Eisangeln. Aber meiden Sie diesen Berg."

Ragnar "Der Name des Berges Trollsteinhoin setzt sich zusammen aus Troll = Berggeist oder Stein und Hoin. Hoin bezeichnet etwas, das abrupt auszubrechen vermag. Ein Schläfer, der sofort in Rage gerät, sobald er erwacht. Und zur Zeit der Aaskereia oder Odinsjakt werden sie hell wach sein, die Trolle. Das Dorf Raubergstulen und die Juvasshytta liegen dem Berg am nächsten. Lassen Sie Vorsicht walten, Madame Visconti. Es geschehen hier seltsame Dinge in der Zeit um Neujahr."

Matilde "Ich werde versuchen aufzupassen. Allerdings finde ich, dass schon genug seltsame Dinge passiert sind. Im Zug zum Beispiel. Und ich würde schon gerne mehr davon verstehen."
Dann schaue ich zum Berg hinüber. Aber Hans' Ziel war nicht diese Gegend hier; nicht die Lodge. Vielleicht hatte sein Ziel gar nichts mit der Sachen hier zu tun und er wollte mich nur davor warnen? "Ich werde die Gegend meiden, meine Herren." sage ich ernst, aber so richtig überzeugt bin ich selbst nicht. Erzählen sie mir von dieser Jakt. Ich liebe solche Geschichten."

Ragnar "Weihnachten nennt man hier Jule. Und die Geschenke bringt ein kleiner Troll, der durch Öffnungen ins Haus eindringt. Diesen nennen wir Julenissen. Das ist die Geschichte, die den Kindern überall in Norwegen erzählt wird." Dann schweigt er und blickt in den Wald hinein, als könnten seine Augen das Holz durchdringen... "Die Wilde Jagd, so erzählt es zumindest die Legende, zieht besonders in der Zeit vor und nach Neujahr über das Land, vor allem aber durch die Lüfte. Dies ist die Zeit der heidnischen Rauhnächte. Vieles vom alten Glauben und dessen Brauchtum wurde durch das Christentum überlagert und verdrängt."

Matilde: Ich höre zu und schweige. Dann schaue ich Hans' Leichnam an und blicke schliesslich auch in den Wald. "Ragnar, Sie kennen sich in Runenkunde aus. Was habes Sie gedacht, als Sie die Runen auf Hans' Rücken gesehen haben? Haben Sie eine Idee, wer ihn tätowiert haben könnte? Glauben Sie, Hans war Norweger? Sprechen Sie offen, bitte."
 
Ragnar "Madame Visconti, vergessen Sie die Runen. Bitte. Die Wunden werden tief in die Haut geschnitten. Dann reibt man Rentier-Butter in das Fleisch, damit sich das Gewebe entzündet und sich die Narben ausbilden. Das Ganze ist überaus blutig und extrem schmerzhaft. Dazu gehören Rituale, Kräutertränke, Salben, magische Sprüche und Eingeweihte, die das alles begleiten. Der Mensch wird an Körper und Geist geprüft. Askese ist eine dieser Prüfungen. Auch wird der Körper abwechsend Hitze und Kälte ausgesetzt. Feuer-Reinigungen und Eistauchen. Das alles dauert über Wochen, bis das Ritual abgeschlossen ist. Und man sagt, der Träger könne danach seine Seele von seinem Körper trennen... Fragen Sie mich nicht, ich weiss gar nichts!"

Ragnar "Aber Sie haben mich nach der Odinsjakt gefragt, Madame Visconti. Odin reitet auf seinem Pferd, Sleipnir, immer der Wilden Jagd voran. Seine Raben entfachen mit ihren schwarzenq Schwingen einen überaus eisigen Schneesturm und seine schwarzen Wölfe stimmen ein unheimliches Geheule an, dass sich mit dem Heulen des Windes mischt. Von diesem Sturm werden die gemarterten Geister der Toten mitgerissen und deren Schreie, ihr Heulen, ihr Ächzen und Stöhnen begleitet die Wilde Jagd. In dieser Nächten reitet die Odinsjakt durch die Lüfte und über das Land. Kein Mensch, der bei klarem Verstand ist, setzt in diesen Nächten einen Fuss vor die Tür. Fenster und Türen werden nach Einbruch der Dunkelheit verbarrikadiert. Und niemand wird auf ein Klopfen an der Tür antworten und niemand wird es wagen, die Tür auch nur einen Spalt zu öffnen. Denn niemand weiss, wer dort vielleicht klopfen könnte."

Matilde: Ich schweige. Magische Sprüche? Rituale? Vielleicht ist es auch egal, wenn mir 'La Main Droite' irgendwann auf die Spur kommen wird, werde ich tot sein, bevor ich es überhaupt realisieren kann. Der Gedanke malt mir ein unheimliches Lächeln auf das Gesicht. Dann ist alles egal, Hans. Wie ironisch, Nordgren hatte Recht. Ich schaue Ragnar scharf an und sage dann leise, ohne Sarkasmus... "Für jemanden der nichts weiss, erzählen Sie schon eine ganze Menge und auch sehr präzise, finde ich... Aber Sie haben vermutlich Recht, ich werde das alles hier lassen, es sind ja nur Legenden...". Ich seufze. Ich streichele dabei meine Flinte und versuche zu verstehen, wo wir uns gerade ungefähr befinden. Ich versuche mich zu orientieren.

Ragnar "Ich weiss nichts genaues. Ich habe viel gelesen. Es ist mein Beruf etwas zu wissen und dieses Wissen dann an andere weiterzugeben. Ich arbeite in Lom als Lehrer. Die Ureinwohner Norwegens, die Lappen, die noch weiter im Norden leben, nennen das Wesen, das im Inneren der Schneestürme lebt, Witiko. Das Wort bedeutet 'Er, der einsam schreitet'. Dieser Geist des Windes soll ein Mischwesen sein; halb Mensch, halb Hirsch. Er soll sich von gefrorenem Menschenfleisch ernähren. Und dann wird wieder eine arme Seele, die vor ihrer Zeit gestorben ist, von dem Sturm mitgerissen. All jene, die ihm freiwillig folgen, sollen immun gegen jegliche Kälte sein. Eine Eigenschaft, die wir hier wohl alle sehr gut gebrauchen könnten. Hahaha. Meinen Sie nicht, Madame Visconti?"

Ich schweige weiter. Ich schaffe es nicht etwas zu sagen, denn alles was Ragnar sagt, macht überhaupt keinen Sinn. Und doch erkenne ich ganz viel wieder. All das, was mir Hans in nur drei Stunden von sich erzählt hatte. Auch er konnte nackt in der Kälte stehen, ohne etwas davon zu spüren. Und auch er ist vor seiner Zeit gestorben. Und vielleicht wird sich dieser Witiko nun auch von ihm ernähren. "Blöde Zufälle... weiter nichts." flüstere ich dann vor mich hin und drehe mich dann zu Olaf um. "Seit Hans tot ist, höre ich seine Stimme in meinem Kopf. Sein Geist ist unruhig. Oder, und das ist wahrscheinlicher, ich stehe einfach noch unter Schock, nachdem was uns passiert ist. Denn ich habe schon seine Stimme in meinem Kopf gehört, als er mich gebeten hat, ihn hier auf diese Art zu beerdigen." Dann schaue ich erneut Ragnar an und lächele - ein sanftes Lächeln. "Ich weiss gar nicht, wieso ich Ihnen das überhaupt erzähle. Sie brauchen vor mir keine Angst zu haben. Ich will nur das hier hinter mich bringen."

Olaf "Nei! Det kan hende, Madame!"
Ragnar "Madame? Wir sind da. Das ist die Eishöhle des Gletschers, die Sie suchten."

Matilde: Ich steige vom Schlitten runter, sobald er angehalten hat. "Ich denke, dass das perfekt ist. Könnten Sie ihn schon dahin bringen? Ich komme mit dem Schwert nach." Lächerlich. Das ist so surreal. Vielleicht wache ich gleich im Zug auf und Hans schläft neben mir. Und diesen Nordgren hat es nie gegeben. Ich schaue mir einen der Findlinge an und zeige mit dem Fingen in die Richtung. "Da! Das ist der richtige Platz." schnaufe ich, während ich durch den Schnee dorthin laufe.

Olaf und Ragnar tragen den toten Körper vom Hans in die Eishöhle, unterhalb des Gletschers, hinein. Das Dämmerlicht des kurzen Tag, das von Südwesten in die Höhle hinein scheint, taucht das Innere in ein märchenhaftes Licht, als wäre dieser mystische Ort der schrecklichen Realität entrückt... Als Matilde mit dem Schwert hinzu kommt, liegt Hans Körper bereits auf einem grossen, flachen Findling am östlichen Rand der Höhle. Wie ein Prinz, der auf einem Altar, in einer gotischen Kathedrale, aufgebahrt wird, während die Sonne durch die farbigen Fenster hinein scheint und das Innere beleuchtet.

Matilde: Ich gehe langsam auf Hans zu, aber ich schaue ihn nicht wirklich an. Ich lege das Schwert auf seine Brust und falte seine Hände auf der Brust, über dem Schwert. Dann binde ich das Leintuch über seinem Körper so fest ich kann zusammen. Dann gebe ich ihm noch einen Kuss auf die Stirn. "Addio." flüstere ich ihm zu. Dann zu Olaf gewandt "Walhalla ist nur für Männer bestimmt, richtig? Für Krieger?" Dann drehe ich mich wieder zu Hans um. "Das ist dann wohl ein richtiges Lebewohl." Ich bleibe eine Weile still vor ihm stehen. Aber ich weine nicht.

Die beiden Norweger holen die Pechfackeln vom Schlitten und stecken diese, um den Findling herum, auf dem der Tote liegt, in den Boden, der aus groben Steinen, unterschiedlicher Grösse, besteht... Dann zünden sie die Fackel an... Nach einiger Zeit beginnt Wasser, von der Decke der Höhle herab, auf den Toten zu tropfen.
Ragnar "Das Wasser wird wieder auf dem Körper gefrieren und ihn umschliessen. Es wird zu einem Sarg werden... ein gläserner Sarg... und irgendwann einmal wird der Körper ein Teil des Gletschers sein und nie mehr vergehen."
Dann verlassen die zwei die Höhle und lassen Matilde alleine. Ragnar "Wir werden draussen auf Sie warten, Madame. Lassen Sie sich ruhig etwas Zeit."

Der Läuterer:
WITIKO (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Matilde: Ich bleibe etwa fünf Minuten still stehen. "So, ich habe ALLES getan, was Du von mir verlangst hast. Alles". Ich vergiesse eine Träne. Eine aus Wut, die doch hoch kommt. "Ich sollte jetzt etwas über Liebe sagen. So liebe Worte..." Ich drehe mich um. "Mi hai rovinato la vita." ["Du hast mein Leben ruiniert."] sage ich ohne Hass. Dann gehe ich langsam raus.
 
Auf dem Rückweg vom Styggebreen-Gletscher zur Lodge hat das Wetter zugezogen und der Schneefall hat weiter zugenommen. Ebenso der Wind und damit auch die Kälte. Die Stimmung der drei Personen hat ebenfalls umgeschlagen. Die Redseligkeit von Ragnar hat stark nachgelassen und beschränkt sich nur noch auf ein bis drei-Wort-Sätze. Dafür ist die Anspannung der Anreise einer Erleichterung, nach der verrichteten Arbeit, gewichen.

Nachdem die kleine Truppe schon wieder seit einiger Zeit auf dem Schlitten durch den Wald gleitet, hallen zwei Schüsse durch die Taiga. Rufe auf norwegisch sind zu hören, die sich wie Flüche und Vorwürfe anhören. Gefolgt von Hundehebell.
Dann wieder ein Schuss, dann noch einer und fast gleichzeitig ist das Jaulen eines Hundes oder eines Wolfes zu hören.
Die Richtung, aus der die Schüsse kamen, ist bei dieser Wetterlage nicht genau auszumachen.
Olaf bringt den Schlitten zum Stehen, während Ragnar die zwei Flinten der beiden vom Schlitten holt und Olaf eine davon zuwirft.
Dann starren die zwei, mit schussbereiten Waffen, in den Wald hinein und warten.

Matilde: Auch ich nehme John vom Schlitten und ziele in die Richtung aus der das Gebell ertönt.
"Ich glaube, dass hier jemand gerade auf der Jagd ist." sage ich vorsichtig.

Olaf "Noen ga pa jakt om ulv!"
Ein Schuss fällt.
Dann noch ein Schuss. Die Kugel trifft eine Tanne kniehoch über dem Schnee. Nur ein paar Schritt von Olaf entfernt. Holz splittert.
Erste fremde Stimme "Skutt! Ben! Skutt!"
Zweite fremde Stimme "Thore! Venstre!"
Ein Schuss fällt.
Zweite fremde Stimme "Dod og pine."
Erste fremde Stimme "Ga hunden los, Ben!"
Ein weiterer Schuss fällt. Ein Jaulen ist zu hören.
Erst ein Wolf, dann zwei weitere laufen auf den Schlitten zu...

Matilde: Ich ziele sicher, fast automatisch, auf den grössten der Wölfe. Und sobald ich ihn anvisiert habe drücke ich ab...

Olaf "En ulv hets."
Ein Schuss. Ein Knall und der von Matilde anvisierte Wolf stürzt getroffen zwischen Ragnar und Matilde in den tiefen Schnee. Blut sickert aus seinem Maul und aus der Schulterwunde.
Ein letztes Zucken läuft über den Körper des weissen Wolfes, dann liegt er still. Die toten, braunen Augen scheinen Matilde anklagend anzustarren.
Olaf "Gratulerer! En fin skudd!"
Die beiden anderen Wölfe stürzen am Schlitten vorbei und tauchen in den Schneesturm ein und sind verschwunden wie der Rauch einer Kerze im Wind.
Dann ist das Heulen eines Wolfes zu hören. Eines grossen Wolfes. Das Fell des Tieres ist schwarz. Und er hat blaue Augen, hinter denen eine Intelligenz zu lodern scheint.
Olaf, erschreckt "En varg. En hoyere ulv."
Wieder ein Schuss. Die Kugel trifft den alten Schlitten und bleibt im dicken Holz stecken.
Zweite fremde Stimme "Fordomt!"
Erste fremde Stimme  "Som bare faen!"
Hunde bellen. Die Tiere haben Blut geleckt und wollen Beute machen.
Zweite fremde Stimme "Skutt! Thore! Skutt!"
Der schwarze Wolf springt aus dem Wald und bleibt stehen. Das Fell des Tiefes ist gesträubt, der Kopf gesenkt und die Zähne gefletscht. Ein kehliges Grollen entfährt seinem Maul. Seine blauen Augen glitzern wie ein tiefer See. Der Wolf setzt zum Sprung an. Ein Schuss fällt.
Erste fremde Stimme "Blinkskudd, Ben! Det ulv vaert dot."
Der Wolf rappelt sich, trotz seiner Wunde wieder auf und versucht zu fliehen... Zeitgleich nähern sich schnell zwei kläffende Hunde, die auf den Schlitten zulaufen...

Matilde: Ich starre dem Wolf in die Augen und eine Sekunde lang denke ich, wie schön es doch wäre, ihn zu töten. Aber dann, ohne lange darüber nachzudenken, ziele ich einen Meter zu kurz und schiesse vor den Hunden in den Schnee. Ich will sie nicht treffen, nur erschrecken.
"Ruft ihnen bitte auf norwegisch zu, dass sie aufhören sollen zu schiessen. Sie sehen uns wahrscheinlich nicht und hätten uns fast schon zweimal getroffen." Dann lade John nach.
Komm schon. Verschwinde. Diesmal wirst du Glück haben denke ich und folge dem schwarzen Wolf mit meinem Augen.
"Han er vakker. Er ist schön. Zu schön, um zu sterben."

Olaf "Stopp! Holde opp skyte! HOLDE OPP SKYTE !!!"
Die zwei Hunde springen zurück, als die Kugel in den Boden schlägt und Schnee und Eis hoch spritzt. Ihre Muskeln zucken. Das Fell vibriert. Geifer tropft von ihren Lefzen. Dann springen beide gleichzeitig, mit gefletschten Zähnen, auf Matilde zu...

Matilde "Ma che diavolo?" [Was zum Teufel?] schreie ich, ziele auf einen der Hunde und schiesse.

Einer der grossen Hunde wird von Matilde im Sprung getroffen und er fällt tot vor ihren Füssen zu Boden, während sich der andere Hund in Matildes linkem Stiefel verbeisst.

Matilde: Ich schlage mit aller Kraft, die ich habe, auf ihn mit dem Gewehrkolben ein.

Hinter Matilde ist ein dumpfes, gurgelndes Knurren, einer grossen Kreatur zu hören, während der Schneesturm um alle herum, an Heftigkeit immer schneller zunimmt.
Die Schneflocken und die Kälte beissen in den Augen. Das Fiepen des, vom Kolben getroffenen Hundes, ist im fauchenden Wind kaum noch zu hören.
Zwei Männer mit Gewehren treten zwischen den Bäumen hervor. Sie sind mit frischem Schnee bedeckt und bewegen sich langsam, eine Hand vor den Augen. Ihre Waffen scheinen eigefroren zu sein.
Olaf "Nei. Rekk her. Dem frost. Witiko. Rekk her!"

Matilde "Was sagt er?" frage ich Ragnar nervös. "Witiko? War das nicht diese Kreatur?"
Ich drehe mich zu den zwei Männern um und rufe mit strenger Stimme "Seid Ihr verrückt? Eure Hunde sind auf uns losgegangen! Sie haben uns angegriffen. Und Ihr? Ihr habt uns fast erschossen!" Dann drehe ich mich zu dem Wolf um.

Der Schwarze Wolf ist vom vielen Schnee weiss geworden und er ist ermattet. Die Wunde am Hinterleib scheint tief zu sein. Das Tier humpelt, heult auf und starrt Dich mit seinen blauen Augen an, als würde er auf seinen Tod warten. Blut tropft von seiner Hinterhand in den Schnee.

Matilde: Ich schaue ihn an, als würde ich seinen Schmerz nachfühlen können. Ich nicke ihm kurz zu, als könnte er mich verstehen. Dann ziele ich, schliesse dabei das linke Auge. Und drücke ab.

Der Schuss geht fehl. Oder hat er getroffen? Es ist nicht zu sagen... Nicht bei diesem Wetter. Der Sturm ist bereits viel zu stark. Das Schneetreiben ist sehr dicht. Einer der fremden Jäger schreit vor Schmerz gellend auf.
Als Matilde sich umdreht, sieht sie, wie einer der Männer von einer Windböe gepackt und in die Luft gehoben wird. Es ist dunkel. Ist es denn schon Nacht? Schon so viel Zeit vergangen?
Kein Stern ist am Himmel zu sehen. Kein einziger. Oder doch? Zwei leuchtende, weisse Punkte sind etwa drei Meter über dem Jäger zu sehen. Leuchtend wie zwei Sterne. Hungrig. Bösartig. Eisig. Gierig. Heimtückisch. Grimmig. Hasserfüllt.
Das Gesicht des Mannes verfärbt sich schwarz und gefriert dann zu einem schmerzerfüllten, stummen Schrei. Der andere Jäger brüllt den Namen seines Kumpan, doch dieser verhallt ungehört im Brüllen des Schneesturmes, der wie die Faust eines Riesen krachend auf ihn zwei niederfährt.

Matilde "WAS IST DAS?" schreie ich, während ich mich, rückwärts gehend, so schnell zurück bewege, wie ich kann. Dann schaue ich zu Ragnar und Olaf herüber "Wir müssen hier verschwinden. Schnell!" Ich habe noch John in den Händen, aber ich zittere so stark, dass ich nur hoffen kann, ihn nur nicht loszulassen. Wo kommt diese Dunkelheit her? Das ist doch völlig... unmöglich! Ich bin verzweifelt und versuche wieder auf den Schlitten zu steigen so schnell ich nur kann.

Ragnar kommt zum Schlitten gelaufen. Er wirft die Flinte und seine Schneeschuhe hoch und greift nach den Zügeln. Dann treibt er mit festem Griff die beiden Pferde energisch an. Olaf hält sich seitlich am Schlitten fest und lässt sich mitschleifen.
In der Dunkelheit fängt der zweite Jäger hysterisch zu lachen an. Und kurze Zeit später beginnt er dann zu schreien. Schliesslich hört man nur noch das Brausen und Fauchen des Windes.
Der Schneesturm ist aggressiv. Das weisse Biest nagt und zerrt an Haut und Kleidung. Kleine Eiskristalle schmirgeln die Haut ab, beissen in Nase, Mund und Ohren. Und sie blenden die Augen und rauben die Sicht.
Wie von Furien getrieben, stürzen sich die Pferde in die weisse Hölle hinein. Ohne Weg und ohne Ziel. Nur weg von der Quelle des Sturmes.

Matilde: Ich starre wie hypnotisiert in die Richtung, wo ich zuletzt die Kreatur gesehen habe. Aber ich sehe nichts mehr... nur Schnee und Eis. Wohin... fahren wir? denke ich plötzlich. Aber im Moment bin ich nur froh, dass diese Gestalt verschwunden ist. Ich halte mich am Schlitten fest und verkrieche mich, um mich von dem Sturm so gut ich kann zu schützen.
"Die Hölle ist weiss." murmele ich. "Das ist noch nicht das Ende." sagt noch eine Stimme in mir. Meine eigene Stimme... diesmal. Die Stimme von Hans ist, wie sein Körper, stumm.

Der alte Schlitten fliegt förmlich durch die Taiga. Ragnar muss die Tiere gar nicht antreiben. Ihrem angeborenen Fluchtreflex folgend, fliehen die Pferde instinktiv vor der Gefahr. Fast wahnsinnig vor Angst galoppieren sie panisch dahin. Ragnar kann das Gespann weder lenken noch verlangsamen. Äste peitschen gegen den Schlitten und einmal schreit Ragnar auf, als ihn ein Ast trifft. Andere dickere Äste brechen, als der Schlitten an ihnen vorbei gleitet. Über Hügel, durch Mulden. Über Schneewehen und umgestürzte Bäume. Durch kleine, umknickende Tannen hindurch. Der Geruch von winterlichem Wald ist stark.
Olaf, der sich auf den Schlitten hoch ziehen konnte, hat sich mittlerweile zur vorderen Sitzbank vorgekämpft. Er steht neben Matilde und reicht ihr die Hand "Springe de!"
"Hurtig! Ga... !" Plötzlich ein dumpfer Schlag. Der Mann wird aus dem Schlitten gehoben und ist weg. Verschwunden, als sei er nie da gewesen.
Weiter rast der Schlitten durch das unebene Gelände. Ein dicker Ast bohrt sich links in den Schlitten. Ein Krächzen und Quietschen. Ein Krachen und Splittern. Der Schlitten wird ruckartig und hart nach links herumgerissen. Ragnar verliert den Halt und stürzt mit einem Schrei vom Schlitten, während die Pferde das Gefährt weiter durch die weite, tief verschneite Taiga schleifen.

Matilde: Ich versuche, mit nur halb-geöffneten Augen, zu verstehen, wo wir hinfahren, aber es ist unmöglich. Die Pferde sind wie verrückt geworden und geben überhaupt keine Anzeichnen sich beruhigen zu wollen. Olaf und Ragnar sind verloren. Olaf meinte... ich solle springen. Ich soll springen? Gott, das ist doch Wahnsinn! denke ich verzweifelt. Oder doch nicht? Wenn ich hier bleibe, werde ich irgendwann gegen einen Baum oder einen Felsen knallen. Oder schlimmer noch, in einer Schlucht enden. Olaf hatte Recht. Ich muss springen, bevor es zu spät ist.
 Ich sammele meinen ganzen Mut und warte auf den richtigen Augenblick... "Che gli dei mi aiutino. [Mögen die Götter mir helfen.] Egal welche."

Die Schlittenfahrt gleicht einem Rodeo-Ritt auf einem bockenden Mustang. Dem Kampf eines Rugby-Spielers, der ständig von gegnerischen Spieler getackelt wird. Der zu Fall gebracht werden soll und der sich dennoch tapfer gegen das Unvermeidliche anstemmt und wehrt.
Die Zügel liegen mittlerweile irgendwo unter dem Schlitten. Und immer wieder wird der Schlitten vorne ausgehoben, fliegt einige Meter durch die Luft und landet dann wieder krachend auf dem Schnee. Mitunter wird der Schlitten auch nur auf einer Seite ausgehoben und gleitet dann auf einer Kufe dahin, einem ungewisse Ziel entgegen.

Matilde: Ich springe noch nicht und halte John immer fest in meiner Hand. Alles, was ich bei mir habe, ist der Rücksack mit den restilchen Waffen. denke ich.

Es ist mittlerweile wieder heller geworden. Einige letzte Bäume, dann kommt eine freie Fläche.
Eine Weide oder vielleicht ist es auch ein zugefrorener See. Und Sicherheit. Die Pferde sehen es auch und sie laufen darauf zu. Auf den letzten Baum zu... den letzten Baum vor der freien Fläche. Sie galoppieren rechts und links daran vorbei.
Einen Wimpernschlag später springt Matilde vom Schitten. Nein, sie wartet noch immer auf den richtigen Moment, um zu springen. Dann nehmen ihr der harte Aufprall und die Fliegkraft jegliche Entscheidung ab...

Matilde: Ich bleibe einige Minuten still am Boden liegen. Alles dreht sich um mich herum. "Ver... verdammt..." Ich schmecke Blut. Meine Lippen bluten. Eine Platzwunde. Dann stehe ich langsam und schwankend auf. John liegt einige Meter vor mir entfernt in einer Schneewehe.
Leicht humpelnd mache ich ein paar Schritte auf das Gewehr zu und schaue nach oben. Das Licht des kurzen Tages scheint wieder etwas heller zu sein. Und das ist gut, denn ich weiss zumindest eins. Die Lodge liegt im Richtung Osten. Dort, wo bald die Sonne untergehen müsste.
"Ich muss jemanden finden... ich muss Olaf und Ragnar suchen." Wenn sie noch überhaupt noch am Leben sind. denke ich noch benommen.
Um mich herum herrscht Stille. Unerträgliche Stille, denn sie schmeckt nach Blut und Tod.
"WO SEID IHR? WOOO???" Schreie ich plötzlich. Doch ich rede mit mir selbst.
"WO SEID IHR? WO SIND DIE STIMMEN, DIE MIR IMMER GUTE RATSCHLÄGE GEBEN?"
Mein Kopf schmerzt und ich höre jemanden lachen. Hysterisch lachen. Ich kenne dieses Lachen. Ich drehe mich um und sehe ihn - Nordgren. Aus dem Loch in seiner Brust tropft noch Blut. Und blutverschmiert ist auch sein Mund.
Ich ziele auf ihn und ich schiesse. Doch diesmal verliere ich das Gleichgewicht und stürze auf den Boden. Zitternd stehe ich langsam wieder auf. Niemand ist zu sehen. Nirgendwo. Natürlich nicht. Ich schüttele den Kopf. Dann laufe ich weiter, ohne in die Richtung zu schauen, wo ich diese Halluzination gesehen hatte.

Wolfsgeheul ist zu hören. Aus der Richtung, wo der Schlitten steht. Dann antworten andere Stimmen der Nacht von der gegenüber liegenden Seite der Lichtung und im Osten treten einige weisse und graue Wölfe aus dem Wald heraus.
Neben der Kutsche liegt eines der Pferde mit gebrochenem Genick und zerschmetterten Knochen. Das andere konnte sich aus seinem Geschirr befreien und hinkt, mit gebrochenem Vorderlauf, über die freie Fläche.
Hinter dem Schlitten steht ein grosser, weisser Wolf. Das Tier steigt auf das tote Pferd und wirft den Kopf in den Nacken und beginnt zu Heulen. Dann schüttelt er sein Fell und befreit es vom Schnee. Plötzlich ist sein Fell nicht mehr weiss sondern schwarz. Dann hinkt der Wolf, mit gesenktem Kopf langsam auf Matilde zu.

Matilde: Ich bleibe stehen, bewege mich nicht. Ich habe John in der Hand, aber ich hebe ihn noch nicht hoch. Ich fixiere den Wolf, auch wenn ich weiss, dass das einer Provokation gleich kommt. Aber es sind ja eh viel zu viele und sie haben mich fast umzingelt. Wenn sie mich wirklich fressen wollen, werde ich es diesmal nicht schaffen zu entkommen. Ich schlucke ein paar Mal. Meine Kehle ist trocken und schmerzt.
"Was für ein wundeschönes Tier." hauche ich. Ich denke an die Erscheinung. Und lächele.

Der schwarze Wolf nähert sich langsam. Hinkend. Er scheint keine Angst zu haben. Sein rechter Hinterlauf ist noch feucht vom Blut. Er nähert sich bedächtig. Misstrauisch. Dann ist er nur noch etwa drei Schritte von Matilde entfernt. Fast greifbar. Er schaut zu ihr hoch. Mit seinen Eis-blauen Augen. Die Augen finden schnell Kontakt zum Gegenüber. Dann blickt der Wolf wieder weg. Er blutet am rechten Ohr. Ein rundes Stück am Rand des Ohres wurde von einer Kugel herausgestanzt... Und die anderen Wölfe stehen am gegenüber liegenden Waldrand. Ruhig. Und abwartend...

Matilde: Ich knie mich vor ihm in den Schnee, bleibe ruhig und hebe die freie Hand nach oben.
"Ist ja gut..." sage ich leise und beruhigend. "Komm mal hier, Luni." flüstere ich. Luni ist doch ein schöner Name, oder nicht?
"Ich tue Dir ja nichts." Irgendwie hoffe ich, dass er mich verstehen kann. Ich atme tief ein. "Ich tue Dir nichts." wiederhole ich und strecke ihm die Hand freie Hand entgegen, damit er an mir schnuppern kann.

Der Wolf nimmt Abstand und hält die Distanz. Er bewegt sich auf den Waldrand zu. Mit dem Rücken zu Matilde. Die Rute des Tieres ist ruhig und entspannt. Nachdem er einige Schritte gegangen ist, bleibt er stehen und blickt sich um. Die Wolfsaugen knüpfen erneut Kontakt...

Matilde: Ich mache ein paar Schritte in seine Richtung, während meine freie Hand in die Manteltasche greift. Dort befindet sich meine Pistole. Ich nehme sie aber nicht heraus. Dann bleibe ich erneut stehen und beobachte, was der Wolf macht.

Der Wolf hält weiter Abstand, geht wieder drei, vier Schritte vor, bleibt erneut stehen und blickt über seine Schulter zurück.

Matilde "Ist ja gut. Ich komme nach. Aber erst..." Ich renne zurück zum Schlitten und schaue, was ich sonst noch so mitnehmen kann... Einen Rucksack mit Vesper. Brot. Käse. Und Fleisch. Decken. Gut. Ich nehme zwei davon mit. Und Holz. Ich packe soviel ein, wie in dem leeren Rucksack passt. Mein Feuerzeug und Zigaretten habe ich dabei. Dann gehe ich in Richtung Wolf zurück und folge ihm im Abstand von etwa drei Schritten.
"Du bist verletzt..." sage ich dann, als würde ich mit einem Mensch reden. "Du brauchst Hilfe, Luni".
Ich laufe, schwer atmend, hinter Luni her. Die zwei Rücksäcke verlangsamen mich. Und der Schnee tut sein übriges.

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