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[7th Sea 2nd Edition] Meinungen?

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D. M_Athair:

--- Zitat von: Crimson King am 13.01.2019 | 12:34 ---Stattdessen hat man ein komplett neues und vom Spielgefühl her sehr anderes Spiel [...]
--- Ende Zitat ---
Genau das ist doch der Knackpunkt, an dem sich "Edition Wars" entzünden.
Ein Spiel hat ne gewisse Regeltradition, bestimmte Schwerpunkte und eignet sich für bestimmte Spielstile.

Wenn die regelseitige Ausrichtung in einer Folge-Edition geändert wird, dann passiert Folgendes:
A) Es wird unscharf für welche Spielweisen eine Spiellinie spielt und
b) es entsteht eine "geteilte Fanbase", die um Mitspielende buhlt und die zueinander nicht so recht kompatibel ist und
c) publikatorisch wird nur eine Schiene bedient, weshalb sich die "Altfans" zu Recht "im Stich gelassen" fühlen und
d) ist es auch ein "Kampf" der Fans die Ausrichtung des Spiels bzgl. folgender Editionen.

Bei WFRP, Vampire und D&D ist das alles ganz toll zu erkennen.

Das ganze läuft anders ab, wenn Verlage anders agieren.
Nebenregelwerke (vgl. Earthdawn: The Age of Legend, Shadowrun Anarchy), die von Anfang an als "kleine Linien" geplant sind, werden positiver aufgenommen. Dasselbe gilt für Spielwelten, die für mehrere Regelwerke unterstützt werden (Glorantha mit Runequest, Heroquest und 13th Age) oder auch wenn alternative Regelwerke erscheinen (13th Age, Pathfinder, D&D5).

Was hilft, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist:
Support von zwei Linien (vgl. Chronicles of Darkness und [Classic World] of Darkness).

Alexandro:

--- Zitat von: D. Athair am 14.01.2019 | 23:09 ---Bei WFRP, Vampire und D&D ist das alles ganz toll zu erkennen.
--- Ende Zitat ---

Wobei es bei Vampire keinen Grund dazu gibt. Das war und ist ein stark simulierendes System mit erzählerischerem Anstrich - die 5th macht zwar (erstmals) wesentliche Dinge anders (und wirft Dinge über Bord, die sich nicht einmal Requiem getraut hat über Bord zu werfen - und das war (angeblich) ein komplett anders Spiel), ist aber weit davon entfernt eine Revolution zu sein. Deswegen hat es mich (der Maskerade damals geliebt hat, das Storytellersystem aber schon lange hinter sich gelassen und weitergezogen ist) ziemlich kalt gelassen.

7th Sea 1st war irgendwann für mich verbrannt - das dumme R&K-System, welches die Attribute übermäßig stark macht und entweder inkompetente (Attribute 1-2) oder übermächtige (Attribute 3+) Charaktere produziert, dazu teilweise fragwürdige Designentscheidungen im Artwork ("Perspektive, fehlen von" schon auf dem Cover) und im Hintergrund (30jähriger Krieg, grymdarque Dysternys), usw. usf.. Mit der neuen Edition habe ich derzeit viel Spaß und auch wenn man sicher ein paar Details noch verbessern könnte (bzw. gleich ein ganz neues System nehmen und den Hintergrund umbauen, wie ich es hier im Forum schonmal versucht habe), erfüllt sie ihren Zweck.

Ich denke Leute welches die vorherige Edition gut fanden braucht eine neue Edition nicht zwingend abzuholen: diese Leute haben bereits ihr Spiel gefunden und werden das neue Buch ohnehin nur der Vollständigkeit halber als Sammlerexemplar im Regal stehen haben, egal wie nah die Regeln an der Vorgängeredition dran sind. Case in point: Warhammer 4 (und auch Zweihänder). Oder halt die kontinuierliche Verschlimmbesserung, welche schon seit Jahren bei Savage Worlds im Gange ist: die Regeln waren (zur 1st Edition) mal so gut, aber um vermeintliche "bugs" zu fixen wird immer mehr daran herumgefrankensteint - da wünschte ich mir wirklich, die nächste Edition würde stattdessen ein komplett neues System aufsetzen, welches die Spieler abholt, welche mit dem SaWo-Spielstil nicht zurechtkommen, statt zu versuchen dieses Ziel durch "ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück"-Minimaländerungen am System von 2003 zu erreichen.

EDIT: Bei einigen älteren Rollenspielen haben die Bücher einer neuen Edition nicht nur standardmäßig Konvertierungsregeln drin gehabt (und zwar Konvertierungen in beide Richtungen), sondern teilweise auch Dual-Stats, wo das neue Material nochmal mit den Werten der Vorgängeredition abgedruckt war. Anscheinend sind die Designer damals einfach davon ausgegangen, dass es Leute gibt, die den Editionswechsel nicht mitmachen und sind ihnen dahingehend entgegen gekommen (und das ohne das dafür eine separate, Imprint-Linie geschaffen werden musste  ;D ).

YY:

--- Zitat von: Alexandro am 14.01.2019 | 23:40 ---Ich denke Leute welches die vorherige Edition gut fanden braucht eine neue Edition nicht zwingend abzuholen: diese Leute haben bereits ihr Spiel gefunden und werden das neue Buch ohnehin nur der Vollständigkeit halber als Sammlerexemplar im Regal stehen haben, egal wie nah die Regeln an der Vorgängeredition dran sind.

--- Ende Zitat ---

Das steht und fällt damit, wie man die alte Edition sieht und wo man dementsprechend hin will.
Wenn die nicht so recht lief und man sich neu erfinden will, kann man beliebig viel ändern.
Aber wenn die alte Edition erfolgreich war und deren Nutzer die Kernzielgruppe für eine ggf. auch nur im Detail verbesserte neue Edition sind...

Und so abgeklärt sind meiner Wahrnehmung nach viele Spieler nicht, dass sie einfach die ihnen genehmste Edition nutzen.
Offiziell bzw. aktuell und "lebendig" zu sein ist schon ein ziemlich großer Zugfaktor. Daher kommt ja teils das Gemaule von Leuten, denen die alte Edition lieber ist: Weil sie ahnen, dass sie je nach Rezeption der neuen Edition ziemlich zeitnah kaum noch Spieler für die alte Edition finden und damit nur noch im eigenen Saft schmoren können.

Alexandro:
Solche Spieler (ich bezeichne sie gerne als "Amöben") können mir getrost gestohlen bleiben! Damals, als Vampire noch der heiße Scheiß war, haben diese Einzeller mir mehr als einmal eine Runde versaut - weil sie aus ihrem übersteigerten Partizipierungsbedürfnis halt bei Vampire mitgespielt haben, ohne sich auch nur ansatzweise damit auseinanderzusetzen, ob ihre Vorstellung des Spiels zum Rest der Runde passt. Und weil die Designer dieser Spiele die Verantwortung für Gruppenkohäsion gerne mal auf den SL abwälzen, gab es das damals häufig (wie oft stand ich an der Rundenausschreibung und habe gehört "Geilo, Shadowrun! Da kann ich endlich wieder meinen Ghul-Cyberzombie spielen." - "Ähm, da steht 'low-power Ganger'" - "Ach, das wird schon irgendwie passen. Notfalls setze ich mich halt rein und nöle die ganze Zeit rum, dass wir nichts reißen können."  :puke: ).

Wenn ich für eine unbekanntes* (oder veraltetes) System weniger Spieler finde, dann ist das OK  - solange die Spieler die dann mitspielen sich dann auch wirklich für System und Setting interessieren und nicht nur "dazugehören" wollen.

* ebenso Systeme, wie Beyond the Wall, wo wesentliche Spielelemente Verhandlungssache sind und daher wesentlich weniger gefestigte Erwartungen an das Spiel existieren (wobei ich da auch schon Erlebnisse hatte...ein Spieler bei "Ratten!!", welcher der Meinung war die Spielleiterin leitete das Spiel "falsch", weil sie die Settingbeschreibung (welche, für diejenigen die das Spiel nicht kennen, grob auf eine Serviette passt) nicht so interpretierte, wie er das getan hatte).

Aber ich denke das wäre ein Thema für einen anderen Thread.

Jiba:
Also ich finde das "Sollen die alten Fans doch bei der alten Edition bleiben" im Falle von "7th Sea" nicht in vollem Maße anwendbar. Wie bereits angeklungen ist muss man sich die Entstehungssituation der neuen Edition bedenken: "7th Sea 2nd Edition" war ein Kickstarter. Und ich kann guten Gewissens behaupten, dass der maßgeblich von den Alt-Fans getragen wurde – würde das Spiel nicht, wenn hauptsächlich Neuzugänge dazugekommen wären, viel mehr gespielt.

Im Gegensatz zum den neuen Vampire- oder Warhammer- oder Was-auch-immer-Editionen hatten die Altfans gehofft, für ihr Investment eben das entsprechende Payoff zu kriegen. Was das für ein Payoff war hat Crimson King schon umrissen, aber ich glaube es geht noch weiter. Das neue System ist nämlich nicht, was mich am neuen "7th Sea" primär stört...

Auch wenn ich, im Gegensatz zu Alexandro, finde, dass es ein furchtbar dysfunktionaler Hybrid ist, der gerne Erzählspiel sein würde, auf so vielen Ebenen dann aber dann mit einem unglaublichen Feature-Kreep um die Ecke kommt... gerade beim Charakterbau ist das System unglaublich starr, alles ist irgendwie halbherzig und total auf diesen seltsamen Leitstil ausgelegt, den John Wick an den Tag legt (SL-zentrisches, Low Rules-Spiel)... also ich kenne da 1000-Mal bessere narrative Systeme, die das umsetzen können. Turbo-Fate und PDQ# wären nur zwei davon.

...aber ich schweife ab. Nein, was mich an der neuen Edition wirklich stört sind diese zahllosen winzigen bis mittelgroßen Settingänderungen, die das Spiel aber nicht, wie gehofft, stärker in Richtung seines Genres bringen, sondern einfach nur "anders" sind, als die dämlichen Setzungen von Edition 1. Was die Backer von "7th Sea" wussten, klang nämlich zu Anfang gut. Auch die Interviews von Wick haben gute Versprechungen gemacht: No D20, no Aliens!

Und dann lese ich das Ding: Da schlage ich die Karte auf und sehe komische Platzhalternamen wie "The Baueren River" oder "The O'Bannon Mountains"... keine eigenen Namen ausgedacht, sondern einfach die von irgendwelchen NPCs oder Gruppen aus dem Setting genommen und "River" oder "Mountains" drangeklatscht. Ehrlich, ich habe gedacht da hat einer die Mock-Up-Namen stehen gelassen. Bei einem Millionen-Dollar-Projekt ist mir das unbegreiflich!

Da wird dann der Zusammenhang zwischen Adelsstand und Magie aufgelöst (für mich aus staatsphilosophischer Perspektive zentral für das théahnische Flair), vollkommen ohne Not. Da gibt es mit Sanderis dann diese Magie, die genau dieselben Issues hat wie die Bargainer-Magien der alten Editionen, nämlich das langsame Abgleiten ins Schurkentum, sodass das Fernziel für den Helden werden muss, seine Magie wieder loszuwerden? Wirklich?

Da ploppen dann überall in den Nationen plötzlich alte Götterkulte auf, die auch bei der Bevölkerung total populär sind – eine klassische Fantasy-Trope, die nicht in einem frühneuzeitlichen Setting zu suchen hat und auch vom interessanten Konflikt, Kirche gegen Aufklärung, ablenkt. Ich habe "7te See" tatsächlich immer ein stückweit dafür gefeiert, seine Mythologie auf einer monotheistischen Religion aufgebaut zu haben. Oh, und weil es ja jetzt die ganzen tollen alten Götter gibt, gerade in Vestenmannavnjar fehlt jetzt eine genuin objektionistische Nation auf Théah, was wieder den ganzen Kirchenkonflikt entschärft. Von den Realists in Avalon fang ich besser gar nicht erst an... das ist der größte Unfug, den ich je in einem "7te See"-Buch gelesen habe.

Dass Kardinal Verdugo von einem verblendeten religiösen Extremisten in der neuen Edition nun zu einem scheinheiligen Machtpolitiker geworden ist, dem es nicht, wie in der alten Edition um die Rettung möglichst vieler Seelen vor dem Abgrund, sondern nur um die Herrschaft über Castillien geht, ist symptomatisch für das, was bei der neuen Edition schief läuft: John Wick hat einfach ohne Not viele NPCs der alten Edition bis zur Unkenntlichkeit umdefiniert. Mir fällt kein Spiel ein, das nach Editionswechseln oder sogar nach Regelsystem-Wechseln ähnlich verfahren wäre: Egal was für eine Zahl hinter dem DSA steht: Nahema ist Nahema, Pardona ist Pardona. Vielleicht wurden Kleinigkeiten geändert, ja, aber an den Rollen der NPCs wurde nicht gerüttelt.

Warum das bei "7th Sea" für mich so tragisch ist, hat nicht nur den Hintergrund, dass ich die NPCs in der alten Edition immer ziemlich cool fand: Ich finde es den Altfans gegenüber, die Wick ja immerhin einen Teil des Budgets gestellt haben, einfach nicht fair. Es gab keinerlei Gründe, diese NPCs zu verändern (keiner von denen hat an irgendeiner kritischen Neusetzung drangehangen). Es verhindert nur, dass die verschiedenen Fangruppen jetzt nicht mehr dasselbe meinen, wenn sie über Captain Reis reden: Die Altfans meinen einen weißen Captain-Hook-Verschnitt, die Fans der neuen Edition eine schwarze Frau. Warum? Ich meine, Wick hätte doch einfach eine neue, ärschetretende, schwarze Piratenkapitänin erfinden können... warum muss er einen NPC der alten Edition umdefinieren, ohne wirklich was an ihm zu verändern? Mit Allende dasselbe?

Ich meine, was soll das? Will er uns damit zeigen: "Ja, ich fand halt scheiße damals, was aus '7te See' geworden war, deshalb zählt das alles nicht mehr. Mir ist echt egal, was euch Fans an der alten Edition so gefallen hat!"

Und nochmal: There is a lot to like in the new 7th Sea. Aber es gibt eben auch Dinge, die lassen mich etwas ratlos zurück.

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