Autor Thema: Irgendwo in IRLAND  (Gelesen 46568 mal)

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Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #575 am: 16.07.2017 | 13:35 »
Clive

Ich hebe meine Hände, um Matilde auf Abstand zu bringen, aber meine Arme sind nur schwach ... wie nach einer langen Bewusstlosigkeit.

"Wenn es Dir so viel bedeutet: BITTE sag mir, warum ich hier bin und was Du von mir willst!"

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #576 am: 16.07.2017 | 18:24 »
Wie eine Haut-artige, weit ausladende, schwarze Membran senkt sich eine unnatürliche Dunkelheit über das Zimmer und fällt wie ausflockender Aschenregen auf Dich herab.

Du ahnst mehr, als Du siehst. Du fühlst mehr, als sich Dir tatsächlich offenbart.

Du bist in dieser Finsternis allein mit Matilde.
Alle anderen Personen sind verschwunden und zu Asche geworden.
Auch die Möbel sind fort und selbst das Zimmer scheint sich aufgelöst zu haben.

Allein liegst Du in einem leeren, düsteren Raum, der mehr einer Art Gang entsprechend, sich schlauchartig zu winden scheint. Und von beiden Enden eine Art olivgrünes Licht herein schummert.

Matilde's Gesicht fliesst.
Verliert an Form und Struktur.
Verformt sich mehr und mehr.
Schmilzt dahin wie Wachs.
Bildet Schlieren.
Wirft Blasen über Blasen, bis es sich langsam, aus einer teigigen Masse heraus, wieder neu zu formen und zu verfestigen beginnt, bis...

http://www.imdb.com/name/nm0540311/mediaviewer/rm2344027648

Es ist Hans.

"Schön Sie wiederzusehen, Doktor." Er zeigt sein freches, herausforderndes, verschmitztes Grinsen.

"Sie haben mir das Warten versüsst. Kaum sind Sie weg, bin ich wieder da. Nun ja, ich war nie wirklich weg..."

"Matilde ist übrigens tot." Er zeigt mit keiner Regung irgend ein Anzeichen des Bedauerns - sein Gesichtsausdruck bleibt unverändert.

"Rick, der Wahnsinnige, hat sich geholt, was seit Norwegen in seinen Augen schon lange sein war..."

"Wollen wir dann gehen?"
« Letzte Änderung: 16.07.2017 | 18:45 von Der Läuterer »
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Joran

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #577 am: 16.07.2017 | 18:49 »
Clive

Ich bleibe skeptisch. "Alles um mich herum war nicht real ... wie ich es angenommen hatte. Warum sollte für Hartmut etwas anderes gelten?"

"Warum sollte ich glauben, dass Sie sind, wer Sie zu sein vorgeben? Warum sollte ich glauben, dass Sie Hans sind? Hans verfügt sicher über Kräfte ... aber das hier dürfte über seine Möglichkeiten hinausgehen, vermute ich!"

"Hätte Hartmut sich Hans genannt? Vor allem mir gegenüber? Für mich war er Hugh Stratton oder Hartmut Stürmer, nicht Hans Schmidt. Matilde war überzeugt, sein wirklicher Name sei Hartmut Stürmer. Wenn er schon einen Decknamen verwendet, hätte er sich dann mir gegenüber nicht Hugh genannt, wie in London?"

"Und Matilde soll tot sein? Ich wäre bereit das zu glauben, habe es selbst bereits gefürchtet ... aber aus seinem Mund klingt es ... irgendwie falsch. Und woher sollte er wissen, wie Matilde gestorben ist, wenn er nicht selbst anwesend war? Hätte er zugelassen, dass jemand anderes Matilde in seinem Beisein tötet?"
Es fällt mir schwer, das zu glauben. "Nicht das Hartmut besondere Probleme mit dem Tod eines Menschen hätte, aber Matilde ... das würde nicht zu ihm und seinen Besitzansprüchen passen."

"Andererseits wäre es durchaus denkbar, dass Hartmut für die Ereignisse in Seillean-Mòr Blàr verantwortlich ist ... seine Rache an mir, wofür auch immer. Matilde hat Hartmut nicht wegen mir verlassen. Sie ist lediglich wegen mir noch am Leben."

"Aber was meint er nur mit: 'Kaum sind Sie weg, bin ich wieder da'? WO bin ich weg und wo ist er WIEDER? Seillean-Mòr Blàr kann schwerlich gemeint sein. Ich denke nicht, dass mein Dorf für Hartmut irgendwann von Interesse gewesen wäre ... allenfalls Matilde, aber so gleichgültig, wie er über ihren angeblichen Tod spricht? Nein, das passt nicht zusammen."


"Sie weichen meinen Fragen aus: Warum bin ich HIER und WAS wollen Sie von mir?"

"Und wer zum Teufel ist dieser Rick? Der Name wurde eben auch schon erwähnt. Ich kenne keinen Rick."

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #578 am: 16.07.2017 | 19:23 »
Ove hört aus Clive's Zimmer ein metallisches Knirschen, Kreischen und Quietschen - Quietschen, Knirschen und Kreischen - Kreischen, Quietschen und Knirschen.
Wie bei einem Zug, dessen Radreifen auf den Schienen, durch eine Notbremsung, abrupt abgebremst werden.

Dann ist ein metallisches Knacken, Scheppern und Klappern zu hören, sowie ein Schaben und Kratzen, als würden schwere Gegenstände den Putz der Wände durchpflügen.

Gefolgt von einem lauten Krachen, als etwas Schweres herab fällt.

Klirrendes Metall auf Metall. Dumpfes Auftreffen eines massigen Gewichts auf morsche, alte Holzbohlen.

Berstendes Holz. Splitterndes, zerspringendes Glas.

Und ein schmatzendes Geräusch, als würde ein Schwein in der Suhle in zwei Hälften geteilt werden.
« Letzte Änderung: 16.07.2017 | 19:31 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #579 am: 16.07.2017 | 19:56 »
Nur für Clive.

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« Letzte Änderung: 16.07.2017 | 19:58 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #580 am: 17.07.2017 | 13:46 »
Ove
Ich bin hin- und hergerissen. Laufe ich zurück zum Zimmer? Ist Clive real? Geschieht ihm gerade etwas? Ist nicht dann alles schon zu spät?

Sollte ich nicht vielleicht doch weiter gehen, schauen wer dort singt, was das pulsieren auslöst, woher die "Säfte" kommen, die dort durch die Leitungen wabern?!

Ich kann es nicht sagen. Auch scheinen mir manche Flecken zu unförmig für Rosenblätter, doch wie in einem Traum, glaube ich, dass es Rosenblätter sind. Mein Geist ist nicht in der Lage oder will nicht erkennen was es wirklich ist. Wenn es hier überhaupt eine Wirklichkeit gibt.

Ich wende mich wieder herum zum Raum, mache die wenigen Schritte bis zur Tür, ich achte peinlich genau darauf Kristines Hand nicht loszulassen. Sie folgt mir, und schwärmt von der Musik und ist noch von den Rosen verzückt. Sie scheint die Geräusche aus dem Zimmer gar nicht zu bemerken.

Seelig sind die Unwissenden!

Ich schaue in den Raum, ich bin sowohl darauf gefasst grausiges zu sehen, doch innerlich erwarte ich eigentlich nichts anderes zu sehen, als noch in dem Moment als ich den Raum verlassen habe. Verlassen, wider meinem festem Willen zu bleiben....

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #581 am: 18.07.2017 | 23:52 »
Die Sterne standen günstig. Rostig und gewaltig sind sie vom Himmel herab gefahren.

Das Krankenzimmer von Clive ist völlig verwüstet. Zerstört. Geschreddert. Zerstückelt. Klein gehackt.

Überall liegen Glas- und Keramikscherben. Metall- und Holzfragmente sowie -spltter. Leintuchfetzen und Gänsedaunen.

Aber nirgends Blut. Keine Leichen. Und vor allem kein Doc Savage.

Ein Metallrahmen mit Gitterstruktur ist über die gesamte Fläche des Zimmers mit titanischer Wucht von der Decke gen Boden geschleudert worden, so dass alle spitzen und scharfen Gegenstände und Werkzeuge, die überall an diesem Konstrukt fixiert waren, in die Bodendielen gerammt wurden.

Wirklich alles in diesem Raum wurde zerschnitten, zerstückelt, aufgespiesst, als seien mehrere Guillotinen und Fallgitter gleichzeitig herabgesaust.

Von der ungeheuren Kraft dieser Gewalt zeugen die breiten und tiefen Kratzer, Riefen und Rillen, die sich in den Putz der Wände hinein gegraben haben, als der Rahmen vom Himmel herab fuhr und dabei verkantete.
« Letzte Änderung: 18.07.2017 | 23:56 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #582 am: 19.07.2017 | 15:24 »
Ove
"Verflucht! Was ist das hier?", zische ich hervor. "Wo ist Clive?! Wo sind die anderen?"

Noch immer hört man das Lied aus dem Stockwerk unter uns.
Ich schaue Kristine an, die schon fast überraschenderweise noch immer neben mir steht.

"Lass uns gehen!", sage ich und gehe die Treppe hinab. Über die rote Farbe. An einer Hand Kristine, die andere Hand frei. Doch traue ich mich nicht hier etwas zu berühren.

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #583 am: 20.07.2017 | 06:30 »
Kristine führt Dich die Treppenflucht hinunter. Immer der Musik entgegen. Der Tenor hat sein Lied noch nicht beendet. Dann beginnt er erneut zu singen.

Die Stufen erstrecken sich vor Dir. Die Treppe ist lang und reicht weit.

Weiter als zuerst geglaubt streckt sich die Treppe... weiter und weiter und immer weiter, wie ein sich dehnendes Gummiband. Der Weg erscheint sehr weit zu werden.

Unten in der Halle steht ein alter Mann. Er schaut zu Euch hoch und lächelt wohlwollend.
Er hat ein Glas mit einer rosa Flüssigkeit in der Hand.

Er prostet Euch zu und winkt Euch dann zu sich heran.
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #584 am: 20.07.2017 | 13:14 »
Ove
Ich bin anfangs irritiert, dass der Weg die Treppe hinab so lang ist. Aber mit immer sichererem und entschlossenerem Schritt folge ich Kristine auf gleicher Höhe.

Mal sehen, was der will.

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #585 am: 20.07.2017 | 21:12 »
Kristine geht festen Schrittes nach unten. Die Stufen werden länger. Länger und länger, bis Ihr zwei Schritte pro Stufe benötigt. Dann sogar drei.

Der Mann am Fusse der Treppe nimmt einen tiefen Schluck "Skål!"

Dann seht Ihr beim Abstieg den Mann erst von der Seite, von Hinten und dann von der andern Seite. Und dann dreht er sich erneut. Er?!!! Die Treppe windet sich wie eine Schlange um den Mann herum. Die Treppenstufen sind so flach geworden, dass es mittlerweile eine Rampe ist, die sich um den Mann herum schlängelt.

Die Steine der Treppe sehen seltsam anders aus. Keine Rechtecke mehr. Sie bestehen aus gleich grossen, runden Platten, die sich perfekt aneinander fügen, ohne Zwischenräume entstehen zu lassen und die ein faszinierendes Muster ergeben.

Als Ihr am Fuss der Treppe angekommen seid, steht Ihr oberhalb der obersten Etage des dreistöckigen Gebäudes. Auf einer Art Gitterrost stehend, durch den Ihr hindurch und hinunter schauen könnt. Unter Euch seht ihr, in etwa 10 Meter Abstand, den Mann, wie er sein Glas leert.

Über Euch, an der Decke, ist eine schöne, verzierte Holztüre, mit einem Messing-Drehknauf.
« Letzte Änderung: 20.07.2017 | 21:18 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #586 am: 21.07.2017 | 15:33 »
Meine Entschlossenheit weicht immer wieder aufkeimender Verwirrung.

Wie kann das alles sein?

Kurz zögere ich.

"Kristine, wer ist dieser Mann dort? Kennst du ihn?", frage ich sie.

Nach ihrer Antwort hebe ich meine freie Hand in Richtung des Türknaufs. Dann öffne ich die Tür. Im ersten Moment fürchte ich, sie würde auf uns herniedersausen. Doch nichts dergleichen passiert,.
Ich spüre und höre, wie sich der Schließmechanismus öffnet.

Die Tür ist entriegelt.

Ich stoße die Tür auf, ohne dabei den Kontakt zu Kristine aufzugeben.

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #587 am: 21.07.2017 | 18:09 »
Du öffnest die Tür über Dir.

Ein Rasseln ist zu hören, als Ketten über metallne Rollen rattern.

Dann ein Ruck und der Knauf der Tür entgleitet Deinen schweissnassen Fingern.

Ein zweiter Ruck und abwärts geht die rasante Fahrt. Und der Boden kommt näher und näher.

Der Mann mit dem Glas schaut hoch und sieht den Gitterrost auf sich herunter rasen.

"Gå av! Terminus!" entfährt es ihm, als er zu Euch empor blickt.

Dann rammt das Gitter den Mann zu Boden und zerquetscht ihn unter seinem Gewicht. Doch mehr als ein Rucken ist für Euch nicht zu spüren. Unter Euch breitet sich eine rote Lache aus, als etwa sechs Liter Blut aus dem Körper heraus gepresst werden.

Der Tenor singt unermüdlich vor sich hin.
"Enrico Caruso." Ein kaum hörbares Flüstern ist zu hören. Dann Stille. Und schliesslich erneut ein Flüstern. "Regnava nel Silenzio."
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #588 am: 21.07.2017 | 19:25 »
Das Blut fliesst aus der Lache in mehreren dünnen Rinnsalen und verschiedenen Richtungen heraus, als sei es belebt oder aus Quecksilber. Es formt Buchstaben, die sich auf dem Boden ausbreiten.

yajī'u ash-shudhdhādh

Erneut ein Flüstern. "Die Widernatürlichen werden erscheinen."

Dann fliesst das Blut wieder zusammen und sammelt sich erneut und bildet wieder eine Lache.
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #589 am: 24.07.2017 | 11:30 »
Ein flaues Gefühl machte sich in meiner Magengrube breit, als wir dem Boden entgegen stürzen.  Ich erwate den Tod.

Wer war dieser Mann? Was war das?!

Wortlos, fast regungslos haben Kristine und ich das ganze aufgenommen.
Eigentlich müsste ich erschöpft, ausgelaugt und erschüttert zu Boden sinken. Doch ich stehe noch. Schaue auf die Blutlache unter uns.

Warum wache ich nicht auf?! Ist das nicht der Punkt, an dem man aufwacht?

Ich wage es nicht zu Kristine hinüber zu schauen. Doch dreht sich mein Kopf von alleine.
Sie schaut mich interessiert an. Als wäre gerade nichts passiert.

"Wir sollten mal wieder in die Oper gehen, Ove. Was hälst du davon?"

Ich muss langsam verrückt werden... oder bin ich es schon längst?

"Ja. Das sollten wir, älskling. Schade, dass Caruso bereits verstorben ist... sonst hätten wir ihn anhören können."

Ich führe Kristine von dieser Todesrampe hinunter und fast schon automatisch beginnt sie mich in Richtung der Musik zu führen. Doch kann ich kaum festellen wo genau die Musik herkommt. Schließlich hallt sie leise durch den ganzen Raum. durch meinen Kopf.

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #590 am: 24.07.2017 | 22:10 »
Ihr folgt den schönen Klängen des Gesanges, der Euch in ein grosses Esszimmer führt.

http://spitalfieldslife.com/wp-content/uploads/2012/11/C514.jpg

An den Tischen sitzen Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte.
Als ihr in den Raum hinein blickt, seht ihr einen Sänger am anderen Ende des Saales auf einem Tisch stehen, der seine Darbietung macht. Immer wenn er endet, beginnt er erneut - wie ein Automat.

https://en.m.wikipedia.org/wiki/Enrico_Caruso#/media/File%3AEnrico_Caruso_1873_-_1921.jpg

Als Ihr den Raum betretet, drehen sich alle Personen zu Euch um, zeigen mit dem Finger auf Euch und der Sänger hört auf zu singen.

Doch er schweigt nicht. Vielmehr beginnt er zu rezitieren.

"Eckig sind die runden Fliesen,
Schwarz gefärbt das rote Blut;
Ausgedörrt die grünen Wiesen,
Ruhig still die blinde Wut."

"Der tote Sperling fliegt umher,
Staubig schmeckt der süsse Wein;
Kiesel und Stein springen im Meer,
Düsterer der Sonne Schein."

"Kürzer der Gang, der ohne Wahl,
Breite Tür, die nichts verbirgt;
Viel Rost bedeckt den blanken Stahl,
Leicht die Last, die viel bewirkt."
« Letzte Änderung: 25.07.2017 | 22:56 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #591 am: 25.07.2017 | 12:18 »
Ove

"Carusso??", flüstere ich überrascht und verdutzt, als ich die Person zu erkennen glaube.

Ich weiß nicht, ob ich mit offenem Mund dort stehe oder ob ich wie zu einer Salzsäule erstarrt bin, vielleicht tanze ich auch, ohne es zu merken. Ob mein Geist sich jetzt von meiner Körper lösen will? Ist ihm das alles zu viel geworden?

Ich warte ab. Schaue, ohne meinen Kopf zu bewegen, die Anwesenden an, dann wieder zu Carusso.

Was wohl passieren wird.....

Ich wage es kaum zu atmen.

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #592 am: 25.07.2017 | 22:25 »
Caruso macht pantomimisch eine nachdenkliche Geste, dreht sich im Kreis und deutet dann auf einen Pfleger.

Der Mann reisst erschreckt die Augen auf, als Caruso's Zeigefinger auf ihn deutet, wirft die Arme in die Luft, als würde er sich ergeben wollen, während ein schnalzendes Knallen, wie von einer Peitsche, zu hören ist.
Sein angsterfüllter Blick wandert zur Decke, wo sich ein Leuchter in Form einer schweren, eisernen Zinken-Egge aus der Verankerung löst und nach unten schnellt. Der Mann würgt noch einen erstickten Schrei heraus, bevor ihn der Leuchter trifft, zuckt noch einige Male unter der schweren Last, und liegt dann still, während aus seinem Schädel Blut und Gehirnmasse quillt, wie aus einem aufgeschlagenen Ei.

Caruso macht einen leichten Ausfallschritt mit einer zeitgleichen tiefen Verbeugung, während er seinen ausgestreckten rechten Arm huldvoll von oben bis fast zum Boden führt.
Dann richtet er sich wieder auf und deutet mit seinem Zeigefinger eine 1 an.

"Der grade Weg im Kreis verläuft,
Lahmer, der nun rennen muss;
Im Wasser mancher Fisch ersäuft,
Kurvenlos der Bogenschuss."
« Letzte Änderung: 25.07.2017 | 23:02 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #593 am: 26.07.2017 | 11:44 »
Gebannt und angewidert verfolge ich das Geschehen.


Absurd... Widerlich... krank... nicht echt... unecht... nicht real.... nicht wirklich..... nur Einbildung.... keine echten Toten ...
Ich versuche mir einzureden, dass das hier alles nicht real ist... ansonsten müsste ich jetzt schon völlig verrückt geworden sein, bei so viel Brutalität und Wahnsinn um mich herum.

Ich schaue mich diesmal im Raum um, während ich mit Kristine an meiner Seite langsam näher an den Sänger heran gehe.

Nirgends ist Musik zu hören, nirgends ist ein Flötenspieler zu sehen oder zu hören. Ich halte weiter Ausschau. Ausschau nach möglichen Priestern, die ihre Hand wiederhaben wollen. Nach Clive.

Doch niemand ist zu sehen.

Immer weiter, langsamer Schritt folgt auf langsamen Schritt, nähere ich mich dem Opernsänger, während er den Vers rezitiert.

Die Blicke des Personals sind wieder auf den Sänger gerichtet, folgen seinen Worten und Bewegungen wie in Trance. Oder sind sie schlicht weg aufmerksam?

Ich schaue mich weiter langsam um, schreite weiter voran. Auch Kristine scheint vom Sänger in den Bann gezogen zu sein.

Etwas Abseits, nur wenige Meter vom Sänger haben Kristine und ich uns nah an die Wand gestellt.

Leise flüstere ich Kristine zu: "Schatz... nimm doch bitte meine Linke!" und ohne eine Antwort abzuwarten, nehme ich, ohne den Kontakt zu ihr aufzugeben, mit meiner Linken ihre Rechte in die Hand.

Ich drücke ihre Hand freundlich, lächle ihr zu, während sie wieder ihre Aufmerksamkeit dem Sänger widmet.

Gleich.... Gleich..... !


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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #594 am: 26.07.2017 | 15:31 »
Ich spüre es wieder. Das schwere Metall des Revolvers, den Collins mir gegeben hat.

Noch immer sehe ich keine andere Person, die mir besonders ins Auge fällt. Kein Priester, kein Monster, kein Wolf, kein Elefant, kein Pfeiferaucher und auch nicht alles zusammen.
Der Saal ist weiterhin nur von den Pflegekräften besetzt und alle achten weiterhin auf Carusso, der gerade den letzten Vers beendet.

Hier ist alle möglich! Und hier ist auch alles unmöglich!
Ich war die ganze Zeit untätig. Ich war feige und wollte mich verstecken. Aber hier gibt es kein Versteck. Hier gibt es alles und nichts. Hier gibt es vielleicht nicht mal mich... aber hier, wo der Fisch im Wasser ertrinken kann, hier kann sich alles ändern. Oder es bleibt gleich. Aber man muss es zumindest versuchen etwas zum Besseren zu ändern.


Mit diesem Gedanken stecke ich meine rechte Hand in meine Jackettasche. Ich entsichere den Revolver.

Ich weiß, dass die besonderen Kugeln geladen sind. Nicht, weil ich es hier eben getan habe, nein, weil es hier einfach so ist.

In einer fließenden Bewegung hebe ich die Waffe zu Carusso, der stumm und erfurchtgebietend auf der Bühne steht. Ich ziele kurz, konzentriere mich und drücke ab.

Er mag die Flöte, er mag Musik, er mag Chaos... war es nicht so?! Ich muss versuchen ihn zu stoppen. Und wenn es stimmt, wenn nur die rechte Hand .. seine eigene Hand?? ... ihn töten kann... dann ist es ein Versuch wert.

Ich drücke ein zweies Mal ab. Ohrenbetäubend donnert der Knall durch den Saal.

Dieser Caruso... er spielt Musik, macht Musik... er macht hier auch das Chaos... er scheint hier als einziger kein Getriebener sondern ein Treiber zu sein. Hoffentlich mache ich nicht gerade einen riesigen Fehler... aber viel mehr kann ich nicht verlieren... wir sind gefangen... gefangen und verdammt.... und irgendwie müssen wir hier herauskommen.

Ich lasse Kristines Hand los, unterstütze mit der linken Hand die waffenführende Rechte, mache einen Ausfallschritt nach vorne, ziele genau auf den Kopf des Sängers und drücke erneut ab... ein drittes und letztes Mal.

Die Waffe lasse ich sinken. Ich halte sie weiter in der Hand.

Ich bewege mich in Richtung der großen Tür... behalte aber Kristine und den getroffenen Carusso im Auge, während ich mich langsam von Ihnen entferne.

Noch immer hallt der letzte Schuss durch den Saal...


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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #595 am: 1.08.2017 | 18:32 »
BÄNG Caruso hat eine üppig rote Rose in der Hand. Und er verbeugt sich tief. Fette Blütenblätter fallen zu Boden, zerspringen wie Glas und hinterlassen dabei eine dunkle, zähflüssige Substanz. Als er die Hand wegnimmt und sich wieder aufrichtet, ist auf Höhe seines Bauchnabels ein scharlachroter Bommel an seiner Kleidung entstanden.
BÄNG BÄNG Er führt ein karmesinrotes Taschentuch zu seiner linken Einsteck-Tasche. Dem Kostüm eines Pierrot gleich erscheint auf Höhe des Solarplexus ein weiterer zweiter scharlachroter Bommel, während Caruso auf dem Tisch in einen Spreizspagat niedersinkt.
BÄNG BÄNG BÄNG In Caruso's Hand ist eine Kirschtorte mit einem dicken, puterroten Zuckerguss zu sehen, die er sich mitten ins Gesicht klatscht und dort eine Ball-artige, scharlachrote Nase entstehen lässt. Wie eine Marionette, an Schnüren hochgerissen, springt Caruso bis fast unter die Decke des Saals und landet wieder, die Glieder verdreht, verrenkt und in grotesken Winkeln abstehend, als seien sämtliche Fäden durchtrennt worden.

Ein hölzernes Knacken und Knirschen ist zu hören. Die Deckenbalken bewegen sich hin und her, wackeln und schaukeln, wanken und schwanken. Dann kracht ein riesiges Spiel-Kreuz nach unten und reisst grosse Teile des Putzes herab. Auch die Fenster werden heruntergerissen und entlarven das Ganze als Kulisse einer surrealen Theateraufführung.

Hinter den Kulissen Wänden sind an jeder Seite Metallrahmen mit einer Gitterstruktur zu sehen. Grob und rostig. Mit langen und breiten, geraden und krummen, spitzen und scharfen Werkzeugen, die überall an diesem Konstrukten fixiert sind.

Die Bodendielen verformen sich. Winden sich. Bewegen sich nach links und nach rechts. Schlängeln sich dahin. Kreisen sich ein und bewegen sich in immer enger verlaufenden Bahnen und Schlingen mit dem Zentrum in der Mitte des Raumes.
« Letzte Änderung: 1.08.2017 | 18:38 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #596 am: 5.08.2017 | 13:58 »
Nur die Dielen drehen sich. Alles andere ist starr und unbewegt. Doch der Boden bewegt sich. Er kreiselt langsam und kreiert eine Art Sprudel, der sich trichterförmig in die Tiefe stülpt. Aus diesem Trichter quillt grelles, weisses Licht, das wie Nebel heraus wabert.

Von den anwesenden Ärzten, Pflegern und Krankenschwestern ist nicht mehr viel übrig. Die Zerstörung des Zimmers hat ihre Natur offenbart. Foto-Plakate, Schaufensterpuppen, Papp-Aufsteller. Zerschnitten, zerquetscht, aufgeschlitzt, zermalmt, zerstückelt. Nur noch Reste, Fetzen, Fragmente, Teile, Überbleibsel. Doch nichts davon wird in den Strudel gezogen.

Kristine hält noch immer Deine linke Hand. Sie spricht, doch ihre Lippen formen keine Worte.

"Dass du nicht erschrecken müssest vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen, vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die im Mittage verderbt.

Ihre Stimme kommt von irgendwo aus dem Raum her. Die genaue Herkunft lässt sich nicht bestimmen. Es scheint fast so, als sei der Raum ihr Mund.

"Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen."

Im Hintergrund liegt noch die verdrehte, ruinierte Gestalt von Caruso, wie ein Haufen Müll.

Die Tür hinter Dir, durch die Du gekommen bist, ist jetzt ein Riss in der Kulisse, ein Spalt. Als wäre ein schmaler Streifen aus einer Zeitung heraus gerissen worden.


[ Psalm 91 ]
« Letzte Änderung: 5.08.2017 | 13:59 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #597 am: 6.08.2017 | 23:48 »
Kristines's Stimme wechselt in eine andere Sprache. "οἰκίας δὲ ὁκόσας ἂν ἐσίω, ἐσελεύσομαι ἐπ' ὠφελείῃ καμνόντων, ἐκτὸς ἐὼν πάσης ἀδικίης ἑκουσίης καὶ φθορίης, τῆς τε ἄλλης καὶ ἀφροδισίων ἔργων ἐπί τε γυναικείων σωμάτων καὶ ἀνδρῴων, ἐλευθέρων τε καὶ δούλων."
« Letzte Änderung: 6.08.2017 | 23:55 von Der Läuterer »
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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #598 am: 12.08.2017 | 21:28 »
Ove

Mein erster Impuls ist es von dem Strudel fort zu kommen. Ihm zu entfliehen. Es scheint nicht sinnvoll in einen Strudel zu springen, der alles um einen herum zu verschlingen scheint.
Ich ziehe Kristine an den leblosen, aber doch eben noch belebten Figuren, der ehemaligen Zuschauer vorbei und in Richtung des Foyers.
Die offene Tür zum Foyer lockt mit vermeintlicher Sicherheit. Doch ist dahinter wirklich Sicherheit? Hat sich diese "Realität" nicht auch ständig verändert? Gingen wir dort nicht erst eine Treppe hinab, bis wir dann doch eigentlich eine schier endlose Treppe hinaus gingen?

Alles ist irreführend. Es scheint als wäre es gerade das Ziel dieser Umgebung uns in die Irre zu führen.

Wir sind an der Tür angekommen, ich schaue mich noch einmal um. Ich sehe, wie sich die Holzdielen biegen, dabei aber kein Geräusch machen. Es ist ein ohrenbetäubend leises Tosen. Kein Geräusch ist zu hören, doch eigentlich müsste das Holz doch knirschen? Oder habe ich noch ein Knalltrauma von den Schüssen?

Dann höre ich Kristines Stimme. Ich schaue sie an, sehe wie sie spricht, doch kommt ihre Stimme nicht von ihr, sondern aus dem Raum. Durchbricht die dröhnende Stille.

Rezitiert sie aus de Bibel?
Das ist untypisch für Kristine. Sie hat sich immer mal wieder mit der Bibel beschäftigen müssen - aber doch nur rein beruflich, rein wissenschaftlich, nicht aus Überzeugung oder gar aus Glaube heraus. Sie ist evangelisch getauft und auch konfimiert. Wie es in unserer Heimat verbreitet ist. Doch hat sie nie sonderlich geglaubt. So zumindest hat sie es mir gesagt. Und sie erzählte mir noch, dass sie nach dem Vorfall in Lodon noch viel weniger als einen biblischen Gott glaubt.

Aber natürlich kann das trotzdem ausreichend Wissen sein, um nun einen Psalm zu zitieren.


"Stine... wovon redest du?", frage ich noch bevor ich realisiere, dass es gar nicht genau sie ist, die das sagt. Der Raum spricht zu mir. Als ich uns durch die Tür ins Foyer treiben will stelle ich fest, dass die Tür verschwunden ist. Ein Riss in der Tapete ist zu erkennen, aber keine Tür, kein Tor, kein Ausgang.

Unmerklich drückt Kristine meine Hand und ihre Stimme wechselt in eine fremde Sprache.

Welche Sprache ist das? Griechisch?
Zitiert sie hier aus ihren Arbeiten zur Doktorarbeit? Aus ihrem Studium?
Nein.
Das glaube ich nicht. Ich verstehe ihre Worte nicht, doch habe ich das Gefühl, dass sie mir Sicherheit vermitteln möchte, dass sie sich entschuldigen möchte. Oder möchte sie sogar die Schuld auf sich laden?

"Kristine... ich verstehe dich nicht. Sprich doch bitte in einer Sprache, die ich auch verstehen kann."

Noch immer halte ich den Revolver in meiner Hand. Noch immer befinden sich einige Kugeln in der Trommel.
Ich muss nachsehen, was hier vor sich geht. Ich lasse  Kristines Hand los und reiße mit der nun freien linken Hand an dem schmalen Spalt, der ehemals die Tür war. Einiges löst sich, doch dahinter ist ... nichts.
Schwärze.

Nein, keine Schwärze... weniger als das. Dort befindet sich die Abwesenheit von ALLEM. Kein Licht, keine Farbe, keine Zeit und erst recht keine Materie.
Einen kurzen Bruchteil eines Augenblicks habe ich das Gefühl mir würde alles aus dem Kopf entweichen. Oder etwas in meinen Kopf kriechen. Als wolle sich ein Stück meines Verstands verabschieden und in das nichts, das nicht einmal nichtige, nicht existierende, unbegreifliche Nichts gehen um es zu füllen. Doch es passiert nicht. Als würde ein Stück meines Geistes bereits fehlen, das Stück das hier entweichen wollte... sollte... müsste... könnte.

Ein Bild erscheint vor meinen Augen... https://a2cmasques.files.wordpress.com/2013/07/sans-titre-3.jpg

Ich drehe mich abrupt um. Wende mich Kristine zu.
Doch Kristine ist fort... sie ist weg... nicht da.
Dort wo sie eben noch stand sitzt nun eine höchstens 30 cm große, liebliche, freundliche Holzpuppe. Ihr mädchenhaftes Gesicht wird von dunkelblonden Haaren gekrönt, die in Kristines modischem Haarschnitt ihren hölzernen Kopf umschmeicheln. Es ist die Art Holzpuppe, wie ich sie aus meiner Kindheit kenne. Die Puppe trägt das Kleid, das Kristine eben noch getragen hat und scheint mich mit ihrem klaren Augen freundlich und aufmunternd anzusehen.
"Nein!", stöhne ich.
Mir brechen die Beine unter dem Körper zusammen.
Kristine. Sie war also auch nur ein Trugbild? Gehalten durch meinen Willen? Durch meine Anwesenheit? Durch den Körperkontakt hier gehalten?
Ich sacke auf die Knie und schaue die Puppe an.

Ich will sie aufheben und mitnehmen. Aber ich kann nicht. Als ich sie greifen will, greife ich ins Leere. Die Puppe sitzt nun genau wie zuvor vor mir. Aber genau außer meiner Reichweite.
Ich brauche einen Moment ehe ich es noch mal versuche. Wir müssen doch beide hier raus... wir... und Clive. Er scheint doch der einzige hier gewesen zu sein, der normal war... so wie ich. Mit Zweifeln an dem was hier passierte. Der mich auch vorher noch beglietet hatte.
NEIN! Ich muss nicht Kristine hier mitnehmen, wenn dann wäre es Clive. Kristine ist genauso wenig real gewesen, wie es das Publikum hier war und ist.
Ihr kleiner spitzer, aufgemalter Puppenmund öffnet und schließtlich und erneut erschallt Kristines Stimme aus dem Raum:  "Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen.", wiederholt sie was sie bereits zuvor gesagt hat.

"Kris....", ich breche ab, als ich merke wie absurd es ist eine Puppe mit Kristines Namen anzusprechen. Dann fahre ich dennoch fort: "Was willst du mir damit sagen? Ist es vollbracht? Ist die Menschheit sicher? Ist die Welt sicher? Wo soll ich nun hin?!"

Ich warte weiter ab, während der Strudel sich weiter dreht, ohne dabei größer zu werden. Doch die Puppe antwortet mir nicht, sie schaut mich ohne zu blinzeln an. Doch ihr Mund bleibt dieses Mal starr.

Ich erhebe mich und versuche erneut die Puppe zu greifen. Doch es gelingt mir wieder nicht. In dem Moment in dem ich die Puppe eigentlich berühren müsste, gibt es ein kurzes Flakern, als wären meine Sinne kurz ausgeschlatet worden, als wäre ich kurz geblendet worden. Währenddessen greife ich ins Leere und als ich wieder sehen kann sitzt die Puppe wieder außerhalb meiner Reichweite. Ich versuche es erneut, diesmal schneller. Doch wieder gibt es diesen hellen Blitz vor meinen Sinnen und ich greife daneben.
Schweren Herzens stehe ich auf. Ich schaue mich nochmal um, doch die Fassade bröckelt weiter. Und ich weiß, dass ich nicht in Kontakt mit der Leere hinter der Fassade in Kontakt kommen möchte.
"CLIVE! Wo bist du?!", rufe ich noch einmal laut.
Ich gehe auf den Strudel zu. Den Revolver noch immer in der Hand, doch ohne Kristine an meiner Seite. Doch ich bin ihr dankbar für ihre Unterstützung, auch wenn sie nicht real war. Aber was ist hier schon real?
Ich erwarte eigentlich von den strudelnden Bodendielen mitgerissen zu werden. Doch nichts dergleichen passiert. Ich kann über die Bodendielen gehen, wie über einen dicken, weichen Teppich. Ich merke ein gewisses Pulsieren, eine Bewegung, doch reißt sie mich nicht fort.
"CLIVE?! Kristine?!", brülle ich in Richtung des hellen Lichts aus dem Strudel.
In dem Moment reißt es mich von den Füßen. Ich beginne über dem Strudel zu schweben, werde von dem Licht geblendet, doch kann ich trotzdem sehen. ich meine einen menschlichen Schemen auf der anderen Seite zu sehen. Einen Schemen, der näher kommt, seinen Arm ausstreckt und dessen Arm mir immer kommt. Ist es Gottes Hand, die mich greifen will?
Ich will den Revolver auf diese Hand richten, auf den Schemen und erneut feuern. Doch ist der Revolver verschwunden. Noch immer schwebe ich ohne etwas ausrichten zu können über dem Mittelpunkt des Strudels.
Eine riesige Hand... eine Hand, die fast so groß ist wie ich selbst, kommt aus dem Strudel, sie greift nach mir. Klammert sich an mir fest. Es ist fast ein flehentlicher, verzweifelter Griff. Ich habe das Gefühl ich müsste zerquetscht werden. Doch kann ich noch immer atmen.
Ich erwarte zu sterben oder hier herausgezogen zu werden. Doch es ist als könnte Gott nicht entscheiden, was er mit seiner Hand machen wil.
Weiter zudrücken? Mich zerquetschen wie eine lästige Fliege? Oder mich herausholen, wie einen ertrinkenden im Moor oder wie den letzten Bonbon, der sich hartnäckig in der Spitze der Naschwerktüte verklebt hat?
Es dauert eine schiere Ewigkeit, bis sich die Hand bewegt, mich erst weiter in den Saal hineindrückt, dann zieht mich diese riesige Pranke weiter ins Licht. Immer näher. Langsam, aber beständig. Fast unaufhaltsam werde ich weitergezogen.
Ich erinnere mich plötzlich an .... etwas. An das Licht. Das Licht das aus der Tür im Boden kam...


Ich versinke im Licht... gehalten von der Hand....

Alles .......
            ...... ist  .......
                          ........ weiß.....

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Re: Irgendwo in IRLAND
« Antwort #599 am: 13.08.2017 | 12:31 »
Der Boden hat aufgehört sich zu drehen.
Er besteht nicht mehr aus Dielen und ist auch nicht mehr Braun. Er ist grau... nein... Weiss.
Quadratisch. Symmetrisch. Gefugt.

Du erhältst einen Impuls, aber welche Wahrnehmung ihn aufgenommen und weiter geleitet hat, weisst Du nicht. Visuell? Taktil? Auditiv? Olfaktorisch?

Träge und widerwillig reagiert Dein Körper, ohne dass Dein Geist es realisiert zu haben scheint.
Du fühlst Dich benommen. Dein Kopf hebt sich und Du blickst in helles Weiss, das Dich blendet. Nur widerwillig gewöhnen sich Deine Augen an das Licht.

Du erkennst nach einer Weile, dass Du in einen Spiegel schaust und blickst Dir selbst direkt ins Gesicht. Du siehst verzerrt aus, teigig, aber Du bist es. Doch... wo bist Du?

Dann entdeckst Du ein drittes Auge auf Deiner Stirn, das durch den Spiegel auf Dich zurück zu blicken und Dich lebhaft zu beobachten scheint, während Deine zwei gewohnten Augen Dich sehr müde und geschunden anschauen.

Noch immer hält Dich die Hand in ihrem festen Griff umklammert. Aber sie vermittelt Dir so etwas wie Behaglichkeit, Wärme, Schutz und Sicherheit.
« Letzte Änderung: 13.08.2017 | 12:41 von Der Läuterer »
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