Angesichts des bevorstehenden Starts des
Scriptorium Aventuris, mit dem alleinstehende Rollenspielsysteme für Aventurien legalisiert sind, überlege ich mir meine Einstiegsdroge DSA3 zu retroklonen - in dem Sinne, in dem Mazes & Minotaurs und Beyond the Wall als Retroklone zu werten sind. Wenn an DSA3 alles supertoll gewesen wäre und es genug wäre, einfach die Regeln etwas umformuliert wiederzugeben, wäre ich damals nicht binnen zwei Jahren zu einem anderen System gewechselt.
Ich will das alte Spielgefühl und die identitätsstiftenden Merkmale (ausgewürfelte Attribute, schlechte Eigenschaften, Steigerungswürfe, gereimte Zaubersprüche, Hotzenplotz-Fantasy etc.), aber auf den Entwicklungsstand von le current year und mit massiver Abmilderung der Kinken, die DSA3 langfristig zur Qual gemacht haben.
Beobachtungen aus DSA1 und DSA2, die auch noch auf DSA3 zutreffen, sind hier natürlich auch schärfstens willkommen.
Parade-Übermächtigkeit:Es war immer und ausnahmslos besser, die PA hochzuziehen, und hat die Kämpfe entsprechend schnarchlangweilig gemacht. Finten für PA-Nachteil haben da den Kohl auch nicht mehr wettgemacht.
Es gab schon zu DSA3-Zeiten Hausregelfixes dazu, von denen QVAT der vielleicht bekannteste und weitverbreiteteste ist. QVAT fand ich damals interessant, wäre mir aber heute zu umständlich. Ich habe eine einfachere, ebenso wirkungsvolle Idee inspiriert durch die Miss Chances aus D&D 3.5: PA bekommt einen neuen Hardcap von 10 (statt den bisherigen 17). Stattdessen erkaufen PA-Punkte über 10 eine zusätzliche PA von (Einerstelle des PA-Werts), mit entsprechenden weiteren Paraden auf 10 für hypothetische PA-Werte von 21, 31, 41..., und man kann mehrere Paraden gegen den gleichen Angriff einsetzen. PA steigern auch über 10 lohnt sich daher immer noch, leidet aber unter abnehmenden Erträgen, so dass auch AT attraktiv bleibt.
Hochstufige Kämpfe sind zu langwierig:Das Kernproblem hierhinter war v.a. die o.g. PA-Übermächtigkeit. (AT gelungen, PA gelungen, AT gelungen, PA gelungen, AT gelungen, PA gelungen...).
Mit dem Grundstock von 20-30 LE und einem W6 pro Stufe obendrauf sind hochstufige DSA-Charaktere außerdem ziemliche Fleischberge, während der Schaden pro erfolgreichem Treffer nicht wesentlich steigt (KK-Bonus, evtl. magische Waffen und/oder Waffen aus besonderen Materialien wie Endurium).
Was DSA hier neben der PA-Entschärfung bräuchte, ist mit der Stufe skalierender Schaden. Ob es besser mehrfache Attacken oder stufenabhängig mehr Schaden pro Treffer bräuchte, ist einerlei. Ich tendiere eher zum letzteren, da einfacher implementierbar. Explodierender Schaden könnte auch helfen, besonders wenn man den Bonusschaden in Form von Würfeln implementiert.
3W20-Probe:Ist hierzubrett schon so oft besprochen worden, dass es keiner weiteren Erläuterung bedarf. Es mag zwar urig sein, aber es ist trotzdem derjenige alte Zopf den ich als allererstes abzwacken würde.
Talente wie DSA3-Fernkampf à Blut+Eisen zu behandeln, indem man mehrere passende Attribute durch Faktor X teilt und den TaW draufaddiert, worauf eine 1W20-Probe abgelegt wird, wäre eine Möglichkeit. Die FASA-Star-Trek-Variante, bei der der Mittelwert aus einem Attribut und einem Talent gebildet wird und darauf eine 1W20-Probe abgelegt wird, eine andere, und eine die ich einfacher fände alleine schon in Hinblick auf Kompatibilität zu bestehenden Werteblöcken und auf Nachberechnungen im laufenden Spiel durch Gifte, Zauber und andere Attributsschwankungen.
Viel zu viele Steigerungswürfe bei Stufenaufstiegen:Die Steigerungswürfe mit 2W6/3W6 im alten DSA mit ihren selbstbalancierenden Wahrscheinlichkeiten und schlichtweg ihrer Urigkeit sind heute noch etwas, das ich recht kühl finde.
Das Problem hier ist einfach, dass es zu viele gibt - beginnend mit den 30 Talentsteigerungswürfen für weltliche Charaktere, und am oberen Ende bei den Gildenmagiern mit ihren 70 Steigerungswürfen für Talente und Zauber.
Die Lösung ist einfach: Talente auf ein sinnvolles Maß eindampfen, und die Steigerungswürfe entsprechend mit reduzieren. Für Zaubersprüche gilt gleiches.
Regenerationsphasen auf hohen Stufen sind zu lang:Auf Stufe 1 ist ein fast totgeschlagener Kämpfer bzw. leergezauberter Gildenmagier binnen 10 Tagen wieder topfit. Mag in Zeiten von D&D 5 und dem sogenannten D&D 4 langsam vorkommen, liegt aber noch im Rahmen. Das Problem hier ist, dass LE und AE wild nach oben eskalieren, während die Regenerationsrate weiter bei 1W6 rumkrebst.
Die Lösung hier ist einfach, die Regenerationsrate mit der Stufe zu skalieren. Ob als fester Zuschlag oder als Bonuswürfel ab bestimmten Stufen (besonders in Verbindung mit explodierender Regeneration) ist eine Detailfrage, wobei ich hier wie auch beim Schaden eher zu explosiven Bonuswürfeln tendiere.
Flavourzauber sind zu kostenreich:Solche Sprüche wie Flim Flam, Ohne Faden ohne Ahle und ähnliche Gewürzsprüche sind zwar stilvoll - aber sie saugen AP ab, und mit der langsamen AP-Regeneration ist es einfach zu kostenreich sie einzusetzen, und sie sind zu bedeutungslos um Steigerungswürfe auf sie zu vergeuden.
DSA3 kennt schon die Trennung zwischen Spruchzaubern und Ritualen (Stabzauber, Hexenflüche, Druidenrituale etc.) Was es hier braucht ist eine weitere Trennebene zwischen Zaubersprüchen und Cantrips (D&D 5 / Pathfinder / Beyond the Wall) bzw. Minor Magic (Advanced Fighting Fantasy). D&D 5 und Pathfinder setzen hier auf unendlich oft einsetzbare Cantrips. Beyond the Wall setzt auf Cantrips mit Probe, die bei Mißlingen entweder futsch sind oder außer Kontrolle geraten. AFF setzt auf Cantrips, die nur bei Mißlingen einen Magiepunkt kosten. - Ich tendiere am ehesten zur AFF-Lösung, da am systemnächsten, aber die unkontrollierbaren Cantrips aus BtW passen auch sehr gut angesichts der humorvollen Zauberpatzertradition von DSA. (Und bevor jemand wegen "muh anime High Magic" rumjammert, weil man Cantrips spammen kann, verweise ich auf Petrosilius Zwackelmann, den Zauberer aus Räuber Hotzenplotz der reihenweise seine mindere Telekinese mißbraucht um Kartoffeln auf seine Gabel zu befördern. Wenn DER Zauberer aus DER Hotzenplotz-Geschichte nicht DAS Rollenmodell für DSA-Zauberer ist (und Anime-High-Magic absolut unverdächtig ist, da niedergeschrieben ehe irgendwer in Schland je von chinesischen Cartoons gehört hatte), wer dann?)
Individualisierungsmöglichkeiten für Charaktere sind gering:Durch die festgelegten sieben schlechten Eigenschaften, das Eigenschaftenprofil aus dem Heldentyp, die feststehenden Talentwerte aus dem Heldentyp und die extrem limitierten Sonderfähigkeiten (wie das persönliche Instrument des Barden, das Recht zum Zweihänder führen für Krieger/Söldner oder die Wolfssprache des Nivesen) sind die Charaktere von Anfang an ziemlich festgefahren und auch später kaum wandlungsfähig. Kultur-/Akademiemods, der Zaubertypenwechsel aus Mysteria Arkana und das Zweit-/Drittstudium für Gildenmagier aus MDSA haben hier etwas Pfeffer reingebracht, aber streng limitiert.
Die Lösung ist hier, diese bestehenden Individualisierungen zu nehmen und zu abstrahieren, in einer Form die jedem Heldentyp offensteht, inspiriert durch 13th Age und dessen One Unique Thing. Auf Stufe 1, Stufe 10 und Stufe 20 kann jeder Charakter eine frei definierte Besonderheit aufnehmen, mit Magiedilletantismus, Magietypenwechsel, Zweit-/Drittstudium (und der Wolfssprache der Nivesen) als gegroßvaterte Beispiele. Die Spätweihe aus DSA4 (gab's die nicht schon in KKO oder im CS?) passt hier auch rein als lebenslauferschütternde Änderung.
Bei den schlechten Eigenschaften gibt es schon aus DSA2 das Beispiel mit dem Aberglauben, der sich auf bestimmte Aberglauben maßschneidern lässt, und bei Blut+Eisen mit der Kombination von HA/RA/TA in die neue schlechte Eigenschaft Ängste, die sich auf bestimmte Ängste maßschneidern ließ. Das gleiche für die Begierden (Neugier, Goldgier - erweiterbar/ersetzbar um Zaubergier, Freudengier, Weingier etc.), und wir sind einen guten Schritt weiter dabei, Zwerge von Raumangst, Waldelfen von Goldgier und Nekromanten von Totenangst zu befreien, die absolut charakteruntypisch sind aber unter DSA3- noch festverdrahteter Bestandteil dieser Charaktere waren.
Weltliche Charaktere sind laaangweilig:Magie hat eine Menge Gewürz in Form von Hexenflüchen, Schamanenritualen etc.
Weltliche kommen vergleichsweise schlecht weg und unterscheiden sich nach mehreren Stufen kaum, abgesehen von der Frage ob sie Zweihänder führen dürfen oder nicht.
Die o.g. eine Besonderheit dürfte helfen. Die Boni auf LP-Regeneration und Schaden exkusiv an weltliche Charaktere zu koppeln, dürfte noch weiter helfen. Gummipunkte speziell für markante Fertigkeiten wie Wildnisleben beim Jäger oder Falschspiel beim Streuner könnten auch helfen.
Hartholzharnische allewo:DSA ist nicht umsonst Namensgeber für den sprichwörtlichen Hartholzharnisch (+ Streifenschutz + Fellumhang). Hier ist einiges an Rebalancing im Detail gefragt.
Gewisse Optionen sind einfach nur Schrott:Peitsche mit deinen miesen Startwerten allewo und deinen Zuschlägen auf zu Fall bringen und entwaffnen, wofür du angeblich besonders toll sein sollst, ich blicke dich an. Kampfstäbe, Fledermäuse und andere Waffen, die angeblich toll für bestimmte Manöver sind, aber in der Praxis Golfbälle durch Gartenschläuche gesaugt haben, fallen auch darunter.
Schilde sind ein weiterer Klassiker, bei dem die BE die Vorteile gleich wieder mit Zinsen und Zinseszinsen aufgefressen hat.
Auch hier ist Rebalancing gefragt.
Beidhändiger Kampf ist einfach nur Schrott:In DSA3 war beidhändiger Kampf einfach nur für den Hintern, wenn man nicht astronomisch viele Steigerungswürfe und Stufen darin versenkt hat, und selbst dann bestenfalls nett neben Zweihandwaffen.
Blut+Eisen hat hier einen netten alternativen Ansatz geliefert, besonders in seiner alten "Das Dreckige Aventurien"-Inkarnation.
Fernkampf ist purer Krebs:Eine eigene Tabelle für jede Fernkampfwaffe, auf der man erst einmal Zielgröße und Distanz ablesen muss und dann noch einmal händisch Bewegung addieren muss.
Das lässt sich in le current year auch einfacher und praktikabler händeln, indem man den Waffen Reichweiten mit ihren eigenen Abzügen zuweist und universelle Mods für Zielgröße verwendet. - Bewegung braucht keine eigene Regelung, dafür gibt es schon Ausweichen und Schildparade.
Aberglauben ist übermächtig:Wir sind hier an dem Punkt schon bei den sehr spezifischen "bionisches Bein"-Fragen, aber ja, AG ist übermächtig. Als einzige schlechte Eigenschaft beeinflusst sie direkt eine wichtige abgeleitete Eigenschaft (Magieresistenz), und das massiv. Zwischen AG2 und AG8 liegen 12 Punkte Magieresistenz.
Ich würde hier AG in die Formel vor dem Divisor inkludieren anstatt sie verdoppelt abzuziehen, womit AG immer noch Einfluss hat aber zwischen AG2 und AG8 nur noch geringer Unterschied liegt, so dass es eine ernsthafte Wahl dazwischen gibt ob man fünf Aberglauben anhängen will (mit -1 oder so auf MR) oder ob es doch das größere Übel ist, unter fünf Ängsten oder Begierden zu leiden.