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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Spielleiterthemen => Thema gestartet von: Risikoman am 14.11.2020 | 13:25

Titel: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
Beitrag von: Risikoman am 14.11.2020 | 13:25
Hi :t:,
habt ihr schon mal eine anfangs nicht so gut laufende Kampagne noch umdrehen können?
Und wie habt ihr das hingekriegt?

Hintergrund:                           
Ich leite gerade eine Cyberpunk-Kampagne die nicht so gut läuft. Schleppendes Spiel, die Spieler sind etwas ideenlos und aus jeder Quest wird ein Detektiv Abenteuer, weil die Spieler etwas zu paranoid sind. Spieler fragen nach dem Hauptplot, wobei ich es diesmal etwas freier gestalten würde, und ihnen stattdessen mehrere Plots versuche zu liefern.                                    
Nach der 6. Session jetzt, frage ich mich gerade ob es sich da lohnt weiter zu machen.
Da ich merke das es 4 von 5 Spielern und mir nicht wirklich zu sagt wie es läuft, und der Arbeitsaufwand für mich relativ groß ist.                                       
                                       
Titel: Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
Beitrag von: JS am 14.11.2020 | 13:35
Bei mir hat immer gut funktioniert, wenn ich in solchen Fällen begann, mich von der Kampagne im Detail zu lösen und gruppenbezogen bessere Inhalte auch improvisativ einzuflechten, ohne den großen Rahmen zu verlassen.
Titel: Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
Beitrag von: Pikaresker Hobo am 14.11.2020 | 13:45
Häufig wollen Gruppen einen roten Faden, dem sie folgen können. Wie railroadig der sein soll, ist dann wieder höchst unterschiedlich.

Also: Konzentriere Dich auf einen starken Hauptplot und baue den Rest als Nebengeschichten ein. Dann sind sie motivierter.

Wenn Spieler sehr paranoid sind, liegt das an vergangenen Ereignissen, entweder durch Dich oder andere SL. Da mußt du klar kommunizieren.

Ich hatte einen Spieler (Shadowrun) in der Gruppe, der so geprägt war, dass SL immer gegen die Gruppe spielen. Hat lange Zeit gedauert, bis der sich an mich gewöhnt hatte.
In jungen Jahren hat unser "Meister"  :-[ uns in der ersten Sitzung ein morsches Burgtor auf den Kopf fallen lassen, weil wir "nicht genau genug überprüft" hatten. Danach haben wir jede beschissene Tür penibel untersucht, bevor wir durch sind. Jahrelang.
Titel: Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
Beitrag von: Weltengeist am 14.11.2020 | 14:13
Kommt immer mal wieder vor. Oft werfe ich dann hin, manchmal kriege ich aber noch durch Änderungen die Kurve.

Meine derzeitige "Türme von London"-Runde war so ein Fall. Eine Urban-Fantasy-Runde im London des Jahres 1881, gestartet mit tollen, zuverlässigen Spielern, dem Regelwerk von "Space 1889" und dem Ziel, die Fantasy-Abenteuer "Dragon Heist" und "Steinerne Schwingen" ins viktorianische London zu verlegen. Gestartet im Sommer 2019, war ich Ende des Jahres nach ca. 12 Sitzungen soweit, dass ich eigentlich aufhören wollte. Meine beiden Hauptprobleme waren die folgenden:

Ich habe mir dann eine ca. zweimonatige Pause erbeten für die Zeit, in der ich berufsbedingt besonders wenig Zeit für die Vorbereitung hatte. Gegen Ende der Pause habe ich alle hinter den Kulissen gefragt, ob sie noch Bock auf die Runde hatten. Als die Antwort "ja" lautete, habe ich folgende Änderungen vorgenommen:

Und was soll ich sagen? Inzwischen ist die Runde all das, was sie anfangs nicht war. Die Spieler trauen sich etwas, sie machen coole Aktionen, nutzen die Möglichkeiten einer Stadt wie London und der ständig wachsenden NSC-Liste aus. Sie spielen die Beziehungen zwischen ihren SC aus, wie es nur eine Gruppe tut, die schon anderthalb Jahre zusammenspielt - sie streiten und sie lieben sich und fördern doch immer nochmal ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit zutage.

Was sind meiner Meinung nach die entscheidenden Faktoren, warum es jetzt gut läuft?
Titel: Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
Beitrag von: Alexandro am 14.11.2020 | 16:16
Das war bei mir bei Princes of the Apocalypse so.

Am Anfang hatte ich das als große Sandbox angelegt (die weit über den Inhalt des Abenteuers hinausging), in der Ereignisse dann passierten wenn sie passierten, unabhängig davon was die SC machten. Zusätzlich hatte ich eine recht umständliche Rechnung, um abwesenden Spielern ein paar XP zu geben, ohne die anwesenden Spieler zu benachteiligen.

Hat letztendlich nicht funktioniert, weil die Spieler sich immer nur um die aktuellen Probleme gekümmert haben und sich gelangweilt haben, wenn es keine aktuellen Probleme zu lösen gab. Der Hinweis, dass man sich mal auf die gestreuten Gerüchte stürzen und diese proaktiv angehen könnte, wurde ignoriert, bzw. in den Planungsorgien "um optimal vorbereitet zu sein" dann oft einfach vergessen. Alle waren ziemlich gefrustet und wenn das so weiter gegangen wäre, dann wäre die Kampagne einfach geendet, ohne dass die SC überhaupt einen Hinweis auf den ToEE gefunden hätten.

Dann habe ich einfach meine Timeline für den Hintergrund weggeschmissen und gesagt "wichtige Ereignisse passieren nicht nach Timeline, sondern werden durch Entdeckung der SC angestoßen" - heißt nicht, dass es danach keinen Zeitdruck gibt (einmal angestoßen passieren die Ereignisse im logischen Tempo), aber es verhindert, dass irgendwo in einer anderen Stadt etwas interessantes passiert, wovon die SC nichts mitkriegen. Außerdem habe ich die SC-Regeln komplett rausgeworfen und arbeite mit dem Meilenstein-System (alle SC haben dieselbe Stufe).

Hat super funktioniert und alle haben neue Freude an der Kampagne gefunden.
Titel: Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
Beitrag von: Arkam am 14.11.2020 | 16:36
Hallo Risikoman,

mich würde ein Mal interessieren nach welchem Regelwerk ihr spielt. Nein nicht weil ich ein anderes Regelwerk empfehlen möchte sondern weil Shadowrun und Cyberpunk 2020 zum Beispiel ganz eigene Probleme aus Spieler Sicht haben.
Bei Cyberpunk Systemen ist ein häufiges Problem die Technik und was sich die Spieler darüber ausmalen. Das Genre Cyberpunk ist ja nun Mal ein Kind der 80er Jahre und wenn man darauf unseren heutigen Technikstand + ein paar Jahre in die Zukunt addiert sehen viele Spieler Probleme die die Regelautoren so nie gesehen haben.
Gerade die heutigen forensischen Möglichkeiten und die Allgegenwart von Überwachunsgmaßnahmen lassen den Spielern graue Haare wachsen.
Die Technik wird aber gerne noch Mal zu einem Problem wenn das Regelwerk zu viele Gadgets und Dinge mit nur minimalen Unterschieden anbietet.
Auch immer wieder nett ist wenn eine geplante Aktion eben eine spezielle Ausrüstung erfordert und die Sache nicht offensichtlich oder sehr differenziert ist. Das man für das Hacken einen Computer braucht dürfte klar sein. Das man bei Shadowrun aber je nach Schloß anderes Gerät braucht kann da schon Mal hackelig werden. Besonders bei Anfängern.
Gerne wird auch Cyberpunk gewünscht und man möchte eher ein Spiel mit Hackern, Waffen und Implantaten als ein Spiel in dem man Revolutionäre oder Kleinkriminelle spielt. Shadowrun kann ganz schnell zu einem Superagenten oder Militärspiel werden und Cyberpunk 2020 bietet auch normale Berufe und nach Life Path System auch einen "normalen" familären Hintergrund an.

Gruß Jochen
Titel: Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
Beitrag von: Crimson King am 14.11.2020 | 17:15
Hallo Risikoman,

du schilderst in erster Linie Verhaltensweisen der Mitspieler, die dem Spielfluss entgegenstehen. Wichtig wäre, zu wissen, warum die Mitspieler sich so verhalten. Das kann die unterschiedlichsten Ursachen haben, aber damit die Symptome verschwinden, muss man schon schauen, wo sie her kommen.

In der Praxis hatte ich noch keinen Fall, in der eine Spielrunde gerettet werden konnte, nachdem sich die Situation mal so richtig verfahren hatte. Grund dafür ist, dass die Ursachen und tiefreichenden nicht überbrückbaren Differenzen einerseits zum Spielstil, andererseits auf persönlicher Ebene, lagen.
Titel: Re: Eine nicht gut laufende Kampagne noch rumgerissen?
Beitrag von: Risikoman am 14.11.2020 | 17:52
Wow, erstmal vielen Dank an Alle für die ausführlichen Antworten :D. Werde die Vorschläge beherzigen. Erkenne in jedem Beitrag Probleme die auch auf meine Kampagne zu treffen.

@Arkam
wir spielen M-SPACE (mit Companion), basiert auf Mythras/RuneQuest.


Das war bei mir bei Princes of the Apocalypse so.

Am Anfang hatte ich das als große Sandbox angelegt (die weit über den Inhalt des Abenteuers hinausging), in der Ereignisse dann passierten wenn sie passierten, unabhängig davon was die SC machten. ...

Meine Kampagne ist auch ungefähr so angelegt. Es gibt Ereignisse die passieren, aber die Spieler haben natürlich Einfluss darauf. Falls sie auch nicht eingreifen, dann gibt es Konsequenzen für die Welt und die Spieler. Das Problem dabei ist natürlich, dass die Spieler jetzt nicht unbedingt sofort die Konsequenzen entdecken für ihre Handlung. Da muss ich glaub ich radikaler werden.

Hat letztendlich nicht funktioniert, weil die Spieler sich immer nur um die aktuellen Probleme gekümmert haben und sich gelangweilt haben, wenn es keine aktuellen Probleme zu lösen gab. Der Hinweis, dass man sich mal auf die gestreuten Gerüchte stürzen und diese proaktiv angehen könnte, wurde ignoriert, bzw. in den Planungsorgien "um optimal vorbereitet zu sein" dann oft einfach vergessen.

Ja, da ist auch bei mir auch ein Problem. Die Spieler haben irgendwie den Faden verloren, obwohl sie noch vorherige Session was machen wollten haben sie es irgendwie gekonnt ignoriert (auch wenn ich dezente Hinweise immer wieder eingestreut habe), habe ich dann eine weitere Quest den Spielern vorgeschlagen, und die hat deutlich zu viel Zeit eingenommen, und dabei waren die Spieler zu vorsichtig. Im großen und ganzen musste ich aus den Spielern alles entlocken. Da hätte ich was anderes machen sollen.   


Häufig wollen Gruppen einen roten Faden, dem sie folgen können. Wie railroadig der sein soll, ist dann wieder höchst unterschiedlich.

Also: Konzentriere Dich auf einen starken Hauptplot und baue den Rest als Nebengeschichten ein. Dann sind sie motivierter.

Wenn Spieler sehr paranoid sind, liegt das an vergangenen Ereignissen, entweder durch Dich oder andere SL. Da mußt du klar kommunizieren.
Hauptplot werde ich verstärken müssen und klarer ausarbeiten. Wobei ich mir das natürlich anders vorgestellt habe, dass die Spieler selbst deutlich aktiver sind. Bei einem Spieler klappt es ganz gut. Er und sein Charakter sind aktiv und involviert.
Das die Spieler paranoid sind liegt auch vermutlich an den vielen Sicherheitssystem von denen sie entdeckt werden können. Obwohl ich auch out of game kommuniziert habe, dass die Konsequenzen nicht binär Leben/Tod sind :D.

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Am frustrierendsten ist natürlich wenn von einem Spieler meine vorletzte Kampagne als Beispiel für eine gute Kampagne genommen wird, obwohl ich in diese deutlich weniger Zeit investiert habe und diese deutlich weniger durchdacht war. Aber oft liegt es an Kleinigkeiten ob die Spieler in die Welt reinkommen oder nicht.