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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Alexander Kalinowski am 5.01.2021 | 18:41

Titel: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.01.2021 | 18:41
Zum Thema 'Fakten Kaufen': Dazu hatte ich vor einiger Zeit mal einen ganz interessanten Thread auf der therpgsite...

Der Kern des Ganzen war folgendes Szenario:
Mein Shadowrun-SC versucht einen Kontakt zu treffen und es wird ein Treffen in einer einsamen Gasse ausgemacht. Statt meines Kontakts taucht aber irgendein Feind auf und ballert unversehens auf mich. Es ist jedenfalls eine schnell improvisierte Begegnung, vielleicht sogar eine Zufallsbegegnung - die Lokation also ist vorher nicht im Detail durchdacht worden.
Mein SC fragt nun den SL, ob da nicht ein Paar Kisten in der Gasse herumstehen, hinter die er denn springen könnte. Da es keinen festen, detaillierten Lageplan gibt, willigt der SL von mir aus erst nach einer kurzen Überlegpause ein.

Hier ist nun der Clou (es mag ein wenig an Matrix 1 erinnern): Hätte es diese Kisten auch dann gegeben, wenn der Spieler nicht daran gedacht hätte danach zu fragen? Erzeugt erst die Nachfrage einen gewissen Fakt? Vielleicht weil der SL von alleine gar nicht an ein bestimmtes Detail gedacht hätte?

Damit kämen wir zum 'Fakten Kaufen': solange der SL ein Vetorecht behält, unterscheidet sich das Erkaufen von Kisten mittels eines Gummipunkts nicht kategorisch von dem obigen klassischen/traditionellen Szenario. Der Hauptunterschied ist, dass der Gummipunkt quasi als Bestechung des SLs dient. Oder anders herum betrachtet: es kostet den Spieler etwas, wenn da günstigerweise ein paar Kisten in seiner Nähe herumstehen, hinter die man schnell in Deckung springen könnte.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Fulko Aktienindex am 5.01.2021 | 18:53
Das ist auf jeden Fall ein interessantes Thema. Es gibt ja einige Systeme, in den die Spieler Schicksalspunkte/ Bennies oder ähnliches einsetzen können, um Schaden zu reduzieren, bei einem schlechten Wurf noch einmal würfeln dürfen etc. Warum nicht auch einen Bennie ausgeben, damit man Kisten als Deckung erhält?
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: 6 am 5.01.2021 | 18:59
Mein SC fragt nun den SL, ob da nicht ein Paar Kisten in der Gasse herumstehen, hinter die er denn springen könnte. Da es keinen festen, detaillierten Lageplan gibt, willigt der SL von mir aus erst nach einer kurzen Überlegpause ein.
Ich stell mir gerade vor, wie Dein SC erstmal mit "Stop!" die Szene anhält und dann in die Luft fragt: "Gibt es da drüben ein paar Kisten" und dann entstehen da Kisten. Und danach vom SC: "Okay. Weiter geht's" ;)
(SCNR. Ich denke Du meinst dass Du fragst und nicht Dein SC. ;))
Zitat
Hier ist nun der Clou (es mag ein wenig an Matrix 1 erinnern): Hätte es diese Kisten auch dann gegeben, wenn der Spieler nicht daran gedacht hätte danach zu fragen? Erzeugt erst die Nachfrage einen gewissen Fakt? Vielleicht weil der SL von alleine gar nicht an ein bestimmtes Detail gedacht hätte?
Wenn der SL nicht daran gedacht hatte oder bewusst die Szene nur oberflächig beschrieben hat, dann hätte es die Kisten nicht gegeben, wenn der Spieler nicht daran gedacht hätte.
Zitat
Damit kämen wir zum 'Fakten Kaufen': solange der SL ein Vetorecht behält, unterscheidet sich das Erkaufen von Kisten mittels eines Gummipunkts nicht kategorisch von dem obigen klassischen/traditionellen Szenario. Der Hauptunterschied ist, dass der Gummipunkt quasi als Bestechung des SLs dient. Oder anders herum betrachtet: es kostet den Spieler etwas, wenn da günstigerweise ein paar Kisten in seiner Nähe herumstehen, hinter die man schnell in Deckung springen könnte.
Und ein weiterer wichtige Unterschied ist, dass die Mechanik diese Art des "Fakten erschaffen" überhaupt erlaubt (unabhängig davon, ob der SL sowas erlauben würde). Und natürlich dass der Spieler per Mechanik auf diese Möglichkeit mit der Nase gestuppst wird.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Isegrim am 5.01.2021 | 19:10
Hier ist nun der Clou (es mag ein wenig an Matrix 1 erinnern): Hätte es diese Kisten auch dann gegeben, wenn der Spieler nicht daran gedacht hätte danach zu fragen? Erzeugt erst die Nachfrage einen gewissen Fakt? Vielleicht weil der SL von alleine gar nicht an ein bestimmtes Detail gedacht hätte?

Gibt es imaginäre Kisten, wenn niemand an sie denkt? Tiefphilosophische Fragestellung, wenn mans genau betrachtet...   :think: ;)

Damit kämen wir zum 'Fakten Kaufen': solange der SL ein Vetorecht behält, unterscheidet sich das Erkaufen von Kisten mittels eines Gummipunkts nicht kategorisch von dem obigen klassischen/traditionellen Szenario. Der Hauptunterschied ist, dass der Gummipunkt quasi als Bestechung des SLs dient. Oder anders herum betrachtet: es kostet den Spieler etwas, wenn da günstigerweise ein paar Kisten in seiner Nähe herumstehen, hinter die man schnell in Deckung springen könnte.

Es verändert sich die Dynamik zwischen Spieler und SL. Gnadengesuch (über das meiner Erfahrung nach meist mittels Würfelwurf entschieden wird) versus Anrecht (bei dem die SL sich ein Veto idR gut überlegen wird). Mir ist als Spieler und als SL zweiteres eigentlich lieber, da es mehr Sicherheit gibt; auch wenns nur sehr selten vorkommt, meiner Erfahrung nach.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.01.2021 | 19:17
Ich stell mir gerade vor, wie Dein SC erstmal mit "Stop!" die Szene anhält und dann in die Luft fragt: "Gibt es da drüben ein paar Kisten" und dann entstehen da Kisten. Und danach vom SC: "Okay. Weiter geht's" ;)
(SCNR. Ich denke Du meinst dass Du fragst und nicht Dein SC. ;))

:facepalm:
Richtig. Aber das bleibt da jetzt so stehen, das redigiere ich nicht mehr!  ;D

Wenn der SL nicht daran gedacht hatte oder bewusst die Szene nur oberflächig beschrieben hat, dann hätte es die Kisten nicht gegeben, wenn der Spieler nicht daran gedacht hätte.

Aber dann trifft der NSC in der Folge nicht und der SL denkt daran, dass es hinter der alten Fleischfabrik eigentlich ein paar Kisten mit leckerem Gammelfleisch geben müsste und narriert wie Kugeln in die Kisten, statt in den Körper des SCs (jetzt stimmt's!  ;D ) einschlagen.
Offensichtlich hängt die Existenz der Kisten davon ab, ob irgendetwas den SL mit der Nase darauf stößt. Ihre Herkunft wird dann durch die Umstände abgeleitet.

Und ein weiterer wichtige Unterschied ist, dass die Mechanik diese Art des "Fakten erschaffen" überhaupt erlaubt (unabhängig davon, ob der SL sowas erlauben würde). Und natürlich dass der Spieler per Mechanik auf diese Möglichkeit mit der Nase gestuppst wird.

Wenn aber ein traditionelles Regelwerk explizit ausführen würde, dass ein SPIELER nach Szenedetails nachfragen darf und manchmal dadurch verbesserte Umstände für die SCs enstehen - dann wäre es wieder äquivalent?
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 5.01.2021 | 19:20
Zunächst einmal: Das Fakten kaufen hängt schwer mit dem vereinbarten Spielstil zusammen. Ich mag es ganz und gar nicht, aber in anderen Stilen mag es seine Berechtigung haben.

Zur Situationsfrage: Die Kisten hätten besser da sein sollen, aber nicht zwingend müssen.
Schön ist es nicht, wenn dann solche ja nicht irrelevanten Elemente fehlen (obwohl Holzkisten als Deckung gegen Sturmgewehre in einer engen Gasse ggf ein neues Fass wäre)

Sie waren nominell da, aber es hat keiner auf sie geachtet. Unangemessen fies wäre auf jeden Fall gewesen die Runner dann auf der Flucht über die Kisten stolpern zu lassen ...!

Solange der Spielleiter ein Vetorecht hat, ist keine Gefährdung der Spielweltkonsistenz daraus drohend.
Wenn damit echte Vorteile herbeigezaubert werden können oder aber auch halbwegs naheliegende Dinge dann nicht da sind wenn nachgefragt, wenn die Punkte fehlen, wird es gamistisch bedingt abstrakter. Die Gummipunkte werden zu einer erfolgsbestimmenden Ressource.

Wenn es kein Spielleiterveto gibt (und "nur in extremem Fällen" führt ohne klarere Regeln dazu nur zu Diskussionen, was denn nun extrem ist), ist die Spielweltkonsistenz gefährdet und es läuft oft genug darauf hinaus sich dann mit den Effekten zu toppen.
Und man hat weiter das Problem, dass solche Beiträge dann halt (meist konstante) Kosten haben, ohne Punkte kann man nichts, mit quasi alles.

Ganz ohne Punkte kann immer noch jeder einen Vorschlag machen, aber es gibt eben keinen Anspruch darauf, dass das dann umgesetzt wird.

Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Achamanian am 5.01.2021 | 19:37
Wenn damit echte Vorteile herbeigezaubert werden können oder aber auch halbwegs naheliegende Dinge dann nicht da sind wenn nachgefragt, wenn die Punkte fehlen, wird es gamistisch bedingt abstrakter. Die Gummipunkte werden zu einer erfolgsbestimmenden Ressource.

Das ist die Problematik, aus der heraus ich das "Fakten kaufen" im Gegensatz zum "Fakten vorschlagen" nicht mag. Ich bin in der Beziehung eh ein "Say yes"-SL, und wenn ein System mir vorgibt, dass ich jetzt jedes Mal überlegen muss, ob ich für mein Ja irgendwelche Punkte verlange, dann bremst das nur.

Wenn ich tatsächlich mal das Gefühl habe, das über Gebühr Vorteile geschaffen werden, dann versehe ich die Vorteile halt mit nem Haken. "Ja, stimmt, die kennst du von früher, das war auch echt ne gute Zeit ... wie war das noch mal, als du sie dann hast sitzen lassen?"
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: nobody@home am 5.01.2021 | 19:50
Aus meiner Sicht unterscheidet sich das "Kaufen" von Fakten auch nicht großartig von Fällen, in denen die SL auf die Frage nach einem Sachverhalt selbst nicht ganz sicher ist und ganz klassisch mit "Würfel' doch mal..." (sei es nun auf Fertigkeit XYZ oder einfach so etwas wie "Glück") antwortet oder gar selbst die Würfel oder eine Münzwurf in die Hand nimmt. Das Preisschild sieht etwas anders aus, sicher -- aber die Idee selbst ist, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, nun wirklich nicht neu oder gar revolutionär.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 5.01.2021 | 19:55
Aus meiner Sicht unterscheidet sich das "Kaufen" von Fakten auch nicht großartig von Fällen, in denen die SL auf die Frage nach einem Sachverhalt selbst nicht ganz sicher ist und ganz klassisch mit "Würfel' doch mal..." (sei es nun auf Fertigkeit XYZ oder einfach so etwas wie "Glück") antwortet oder gar selbst die Würfel oder eine Münzwurf in die Hand nimmt. Das Preisschild sieht etwas anders aus, sicher -- aber die Idee selbst ist, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, nun wirklich nicht neu oder gar revolutionär.

Der Unterschied ist, dass mit dem Kaufen ein gewisser Anspruch entsteht, auch wenn der SL - oder auch Mitspieler - da Probleme sehen.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: nobody@home am 5.01.2021 | 19:59
Der Unterschied ist, dass mit dem Kaufen ein gewisser Anspruch entsteht, auch wenn der SL - oder auch Mitspieler - da Probleme sehen.

Nun, ich sehe da erst mal keins. Andererseits komme ich auch nicht von einem ausdrücklichen "Die Spieler haben keine Ansprüche zu haben"-Standpunkt -- mag also sein, daß es einfach daran liegt.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: 6 am 5.01.2021 | 20:10
Aber dann trifft der NSC in der Folge nicht und der SL denkt daran, dass es hinter der alten Fleischfabrik eigentlich ein paar Kisten mit leckerem Gammelfleisch geben müsste und narriert wie Kugeln in die Kisten, statt in den Körper des SCs (jetzt stimmt's!  ;D ) einschlagen.

Offensichtlich hängt die Existenz der Kisten davon ab, ob irgendetwas den SL mit der Nase darauf stößt. Ihre Herkunft wird dann durch die Umstände abgeleitet.
Jupp.
Zitat
Wenn aber ein traditionelles Regelwerk explizit ausführen würde, dass ein SPIELER nach Szenedetails nachfragen darf und manchmal dadurch verbesserte Umstände für die SCs enstehen - dann wäre es wieder äquivalent?
Theoretisch ja. Praktisch nein. (;D)
Also ja. Wenn im Regelwerk drin steht, dass man das machen darf, dann könnte sich der Spieler darauf "berufen" (ob der SL das konkrete Fakt dann zulässt, steht auf einem anderen Blatt, wie Du ja mit dem Vetorecht angerissen hast). Allerdings ist meine Erfahrung dabei, dass solche Ausführungen, wenn sie nicht den vorher normalen Ablauf entsprechen, gerne dann bereits in der aktiven Szene vergessen sind. Wenn Du dagegen mit den Gummipunkten was Greifbares hast, dann erinnert sich ein Spieler eher daran sie zu nutzen. Eben weil sie einem präsent sind.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.01.2021 | 20:11
Gibt es imaginäre Kisten, wenn niemand an sie denkt? Tiefphilosophische Fragestellung, wenn mans genau betrachtet...   :think: ;)

Ja, und noch interessanter mMn wird's dadurch, dass durch die Setzung 'Treffen hinter der Fleischfabrik' die (imaginäre) Existenz der Kisten nochmal einen Schritt näher ist. Der SL muss jetzt nur noch die Ableitung vornehmen - was man bei einem hastig improviserten Treffen (in SR kontaktieren die SCs ja doch recht häufig Connections) gerne mal nicht gemacht wird.

Es verändert sich die Dynamik zwischen Spieler und SL. Gnadengesuch (über das meiner Erfahrung nach meist mittels Würfelwurf entschieden wird) versus Anrecht (bei dem die SL sich ein Veto idR gut überlegen wird). Mir ist als Spieler und als SL zweiteres eigentlich lieber, da es mehr Sicherheit gibt; auch wenns nur sehr selten vorkommt, meiner Erfahrung nach.

Das finde ich hochinteressant, denn hier kommt noch ein anderer Aspekt rein: welche Philosophie liegt den konkreten Gummipunkten zugrunde? Wenn man FATE liest und sich die Fatepoint-Ökonomie vor Augen hält, dann ist recht schnell klar, dass die Spieler angehalten sind die Punkte rauszuballern und der SL angehalten ist, wenn's plausibel genug ist, nicht sein Veto einzulegen. In KotBL ist die Philosophie aber grundlegend anders: Fortune Points repräsentieren das Heldenglück auf das die Spieler nur im absoluten Notfall zurückgreifen (denn jeder Vorteil jetzt bedeutet definitiv einen Nachteil im späteren Abenteuer, es gibt keine verfallenden FPs des SLs).

Im Gegensatz zu FATE ermuntert KotBL also nicht dazu die Gummipunkte zu nutzen.

Aus meiner Sicht unterscheidet sich das "Kaufen" von Fakten auch nicht großartig von Fällen, in denen die SL auf die Frage nach einem Sachverhalt selbst nicht ganz sicher ist und ganz klassisch mit "Würfel' doch mal..." (sei es nun auf Fertigkeit XYZ oder einfach so etwas wie "Glück") antwortet oder gar selbst die Würfel oder eine Münzwurf in die Hand nimmt. Das Preisschild sieht etwas anders aus, sicher -- aber die Idee selbst ist, soweit ich das überhaupt beurteilen kann, nun wirklich nicht neu oder gar revolutionär.

Das hat Ise oben ja auch angeschnitten - es bedeutet allerdings einen Wechsel der Auflösungsmechanik nach Forge (DFK) von Fortune zu Karma, nicht wahr? Außerdem halte ich den Würfelwurf für die simulationistischere Lösung, die Karma-Resolution für gamistischer/narrativer. (Wobei, wenn man Genre emuliert, dann kann ein narratives Element ja auch simulationistisch wirken - Simulation der Genrewendungen oder so ähnlich.)
Früher hätte ich bei SR jedenfalls immer eine Prozentchance gegeben... 'Ja, wahrscheinlich gibt's da irgendwelche Gammelfleischkisten, aber ob unbedingt in deiner Nähe...? Ich bin mal großzügig und gebe dir eine 65%-Chance, würfel' selbst.'
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 5.01.2021 | 20:25
Nun, ich sehe da erst mal keins. Andererseits komme ich auch nicht von einem ausdrücklichen "Die Spieler haben keine Ansprüche zu haben"-Standpunkt -- mag also sein, daß es einfach daran liegt.

Einmal nicht die Spieler - oder ist das schon pluralis majestatis - sondern erst einmal ein Spieler, und das nebenbei nicht nur gegen den Spielleiter, sondern auch gegen eben diese Mitspieler.

Das mit dem Kaufen ist hier eben kein Dialog, sondern ein "Trumpf werfen -> bestimmen".
 
Ansonsten: Nach "Szenedetails fragen" habe ich bisher für selbstverständlich angesehen - fragen wie gesagt.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Weltengeist am 5.01.2021 | 20:28
Ich halte das nachträgliche Hinzufügen von Details für sinnvoll, weil die Alternative in DSA1-mäßigen, seitenlangen Beschreibungen für jeden Schauplatz besteht ("Der Raum misst 5 auf 5 Meter und wird von zwei Fackeln an der West- und Ostwand erhellt. An der Süd- und Nordwand gibt es Türen, die jeweils 3 Meter hoch sind. Am Boden liegt ein zerschlissener Teppich, der vielleicht einmal rot gewesen ist. Auf diesem stehen ein Tisch und drei wacklig aussehende Stühlen. Auf dem Tisch steht hölzernes Essgeschirr, auf dem noch Essensreste liegen." Minutenlang weiterlaber, und wenn die Spieler halb eingepennt sind, fügt man hinzu: "Die drei Ogerwachen, die sich in dem Raum aufhalten, greifen nach ihren Keulen und greifen euch an"). Da finde ich es im Sinne des Spielflusses tatsächlich sinnvoller, die Beschreibung auf das Offensichtlichste zu beschränken ("Es handelt sich um eine Wachstube, und fast sofort greifen die drei anwesenden Ogerwachen zu ihren Keulen.") und Details auf Nachfrage nachzuliefern.

Hilfreich finde ich hier übrigens häufig eine kleine Skizze (evtl. gleich als Bewegungsplan), um einen gemeinsamen Vorstellungsraum zu schaffen.

Wenn meine Spieler dann wissen wollen, ob es hier auch ein XY gibt, unterscheide ich folgende Fälle:

In den meisten neueren Regelbüchern, die ich hier stehen habe, ist das Faktenkaufen für Gummipunkte übrigens inzwischen vorgesehen, wobei dem Spielleiter stets ein Vetorecht eingeräumt wird. Scheinbar haben also auch viele Spielemacher ähnliche Überlegungen angestellt...
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Achamanian am 5.01.2021 | 20:41
("Der Raum misst 5 auf 5 Meter und wird von zwei Fackeln an der West- und Ostwand erhellt. An der Süd- und Nordwand gibt es Türen, die jeweils 3 Meter hoch sind. Am Boden liegt ein zerschlissener Teppich, der vielleicht einmal rot gewesen ist. Auf diesem stehen ein Tisch und drei wacklig aussehende Stühlen. Auf dem Tisch steht hölzernes Essgeschirr, auf dem noch Essensreste liegen." Minutenlang weiterlaber, und wenn die Spieler halb eingepennt sind, fügt man hinzu: "Die drei Ogerwachen, die sich in dem Raum aufhalten, greifen nach ihren Keulen und greifen euch an").


Ist das ein Originalzitat aus einem alten DSA-Abenteuer, oder nur eine perfekte Imitation?
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Scurlock am 5.01.2021 | 20:47
Es macht einen großen Unterschied, ob die SL auf Nachfrage ein paar Kisten in der Gasse beschreibt oder ob die Spieler ein paar Kisten aus dem Nichts erscheinen lassen. Denn im ersten Falle definiert die SL das Umfeld der Charaktere, im letzteren manipulieren die Charaktere die Spielweltrealität. In einer Spielwelt im Stile von Matrix oder Ready Player One mag das durchaus passig erscheinen, aber für das Gros der Spielwelten, die ich bespiele, ist so ein Spielmechanismus ein Brechen der Immersion.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: nobody@home am 5.01.2021 | 20:52
Einmal nicht die Spieler - oder ist das schon pluralis majestatis - sondern erst einmal ein Spieler, und das nebenbei nicht nur gegen den Spielleiter, sondern auch gegen eben diese Mitspieler.

No, sir, das ist schlicht aus der SL-Perspektive -- und da ist das dann schlicht die Grundposition den Spielern allgemein gegenüber. Da wird auch erst mal keiner gleich nach der Devise "teile und herrsche" als bequemer alleinstehender Sündenbock herausgepickt.

Zitat
Das mit dem Kaufen ist hier eben kein Dialog, sondern ein "Trumpf werfen -> bestimmen".

Nun -- wenn's in den Regeln so vorgesehen ist, klar, dann funktioniert auch das Spiel so. Ich könnte mich allerdings spontan an kein System erinnern, das mir bis dato untergekommen ist und tatsächlich schnurstracks zu "Gummipunkt trumpft alles" springt; bis sich das ändert, bleibt dieser Fall also rein hypothetisch.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Weltengeist am 5.01.2021 | 20:56
Ist das ein Originalzitat aus einem alten DSA-Abenteuer, oder nur eine perfekte Imitation?

Danke für das Lob - das hab ich mir gerade aus den Fingern gesaugt... ~;D
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Achamanian am 5.01.2021 | 20:59
Es macht einen großen Unterschied, ob die SL auf Nachfrage ein paar Kisten in der Gasse beschreibt oder ob die Spieler ein paar Kisten aus dem Nichts erscheinen lassen. Denn im ersten Falle definiert die SL das Umfeld der Charaktere, im letzteren manipulieren die Charaktere die Spielweltrealität.

Nee, die Spieler manipulieren die Spielweltrealität. Das tun sie aber auch im herkömmlichen Rollenspiel in aller Regel dauernd, allein schon bei der Charaktererschaffung - wenn da der Spieler die Haarfarbe seines SC festlegt, ist das auch nicht die freischwebende Seele des SC, die vor seiner Geburt die eigenen Gene beeinflusst hat, um schwarze Locken zu kriegen.

Ich bin da ganz beim Eingangsbeitrag, es ist in Bezug auf die prinzipielle Gestaltung der Spielweltwirklichkeit durch die Spieler kein Unterschied, ob ein Spieler fragt, ob es etwas gibt (und damit einen Vorschlag macht, den die SL dann "wahr werden lassen" kann), oder ob ein Spieler einen Punkt ausgibt, um etwas "wahr werden zu lassen" (und die SL das im Zweifelsfall durch ihr Veto verhindert). Der Unterschied zwischen beidem ist lediglich, ob man das a) als festes Prinzip der Interaktion zwischen Spieler und SL im Spiel verankert haben will und b) ob man es an eine Punkteökonomie knüpfen will. Gummipunkte-Regeln zum Faktenschaffen gewährleisten beides (man könnte aber wie angeführt durchaus auch fest in den Spielregeln verankern, dass Spieler Vorschläge zu Spielweltfakten machen können und sollen, die dann die Spielleitung absegnet, modifiziert, oder abschmettert, ohne das an irgendeine Punkteökonomie zu koppeln).

Ich persönlich mag wie gesagt den Punkteökonomie-Aspekt daran nicht. Wesentlich besser komme ich dann wieder z.B. mit SL-freien Spielen klar, die ganz klar festlegen, wer in welchen Phasen welche Erzählrechte hat (was es dann auch viel leichter macht, zu sagen: "Leute, ich stehe auf dem Schlauch, kann jemand mir Vorschläge für meine Szene machen?", weil i.d.R. viel offener zutage liegt, wie die Erzählrechte gerade verteilt sind, als wenn man das Fate-mäßig "elegant" über eine im Punktegeschubse versteckte "Engine" regelt).
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Achamanian am 5.01.2021 | 21:01
Danke für das Lob - das hab ich mir gerade aus den Fingern gesaugt... ~;D

"Der zerschlissene Teppich, der vielleicht einmal rot gewesen ist" ist glaube ich das Detail, das für mich ganz genau den Ton getroffen hat. Ach, irgendwie war's ja auch schön ...
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Ma tetz am 5.01.2021 | 21:01
Kenn ich auch nur so, wie Weltengeist und kann damit als Spieler und SL gut leben.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.01.2021 | 21:21
Es macht einen großen Unterschied, ob die SL auf Nachfrage ein paar Kisten in der Gasse beschreibt oder ob die Spieler ein paar Kisten aus dem Nichts erscheinen lassen. Denn im ersten Falle definiert die SL das Umfeld der Charaktere, im letzteren manipulieren die Charaktere die Spielweltrealität. In einer Spielwelt im Stile von Matrix oder Ready Player One mag das durchaus passig erscheinen, aber für das Gros der Spielwelten, die ich bespiele, ist so ein Spielmechanismus ein Brechen der Immersion.
Einmal nicht die Spieler - oder ist das schon pluralis majestatis - sondern erst einmal ein Spieler, und das nebenbei nicht nur gegen den Spielleiter, sondern auch gegen eben diese Mitspieler.

Das mit dem Kaufen ist hier eben kein Dialog, sondern ein "Trumpf werfen -> bestimmen".
 
Ansonsten: Nach "Szenedetails fragen" habe ich bisher für selbstverständlich angesehen - fragen wie gesagt.

Also ich finde, dass in beiden Fällen die SPL den Impuls geben und der SL dann darüber befindet. Ein Unterschied befindet sich auf sprachlicher Ebene: in klassischen Systemen in Frageform, bei Gummipunkten als Wunsch formuliert. Wenn DAS einen stört, dann könnte man natürlich Hausregeln, dass auch in einem Gummipunkt-System (also Karma) so etwas in Fragenform formuliert werden muss:

Der Spieler fragt, "Stehen zufällig Kisten in meiner Nähe herum?", während er einen Gummipunkt-Token auf halbem Weg zum SL herüberschiebt.
Der SL überlegt kurz und schiebt dann das Token in seinen Pool und antwortet: "Ja, klar. Willst du dahinterspringen bevor die Kugeln dich treffen können?"
So wird der Bestechungscharakter vollends offensichtlich.


Aber vllt kann ich ja zwischen Maarzan und nobody ein wenig vermitteln, indem ich nochmal auf die jeweils grundlegende Spielphilosophie hinweise.
Keine Schleichwerbung beabsichtigt, aber die Philosophie hinter KotBL ist eben so radikal anders als beí FATE. Bei KotBL steht der SL ja stellvertretend für die dunklen Götter, die aus Langeweile mit den Sterblichen ihre Spielchen spielen. Es erfordert von den SPL, ähnlich wie bei CoC, also eine gewisse Lust am Untergang - oder wenigstens den Wunsch den Widrigkeiten der Götter zu trotzen.
Bei so einer Ausgangslage ist der ANSPRUCH der Spieler den Gummipunkteinsatz nicht per Veto verhagelt zu bekommen natürlich unendlich viel schwächer als bei FATE.

Ganz im Gegenteil, es wäre sogar folgendes Szenario denkbar:
Ein SC soll einen Kontakt hinter einer Fässer-Manufaktur treffen, stattdessen gibt's eine unfreundliche Zufallsbegegnung und ein Dieb schießt mit einer Armbrust auf den SC. Der SPL fragt den SL: "Stehen da nicht Fässer 'rum? Hinter einer Fässer-Manufaktur müssen doch Fässer stehen?" und der SL antwortet kalt lächelnd, "Nein, in der Gasse gibt's überhaupt keine Deckung, sie sieht aber frisch gefegt aus, richtig gründlich!", während er einen Gummipunkt zum SPL herüberschiebt. (..den er natürlich nicht sofort für einen anderen Quatsch einsetzen kann, das wäre ja albern.)

tl; dr = Wieviel Anspruch in einem Gummipunkt-System besteht, hängt ERHEBLICH von der Philosophie hinter den Punkten ab. Das variiert.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Scurlock am 5.01.2021 | 21:25
Nee, die Spieler manipulieren die Spielweltrealität. Das tun sie aber auch im herkömmlichen Rollenspiel in aller Regel dauernd, allein schon bei der Charaktererschaffung - wenn da der Spieler die Haarfarbe seines SC festlegt, ist das auch nicht die freischwebende Seele des SC, die vor seiner Geburt die eigenen Gene beeinflusst hat, um schwarze Locken zu kriegen.
Hm, im herkömmlichen Rollenspiel wird am Genmaterial einer Figur, nämlich des Charakters, herumgespielt. Dann endet aber auch schon die Manipulation. Beim "Fakten kaufen" kann der Spieler aber jederzeit, zumindest solange er Gummipunkte hat, die Spielwelt auch danach manipulieren. Oder anders formuliert, auf der einen Seite hast Du einen Wissenschaftler der einmalig Genmanipulation betreibt auf der anderen Seite einen Neo oder Agent Smith, der die Welt nach seinen Vorstellungen immer wieder verändert.   

Zitat
Ich bin da ganz beim Eingangsbeitrag, es ist in Bezug auf die prinzipielle Gestaltung der Spielweltwirklichkeit durch die Spieler kein Unterschied, ob ein Spieler fragt, ob es etwas gibt (und damit einen Vorschlag macht, den die SL dann "wahr werden lassen" kann), oder ob ein Spieler einen Punkt ausgibt, um etwas "wahr werden zu lassen" (und die SL das im Zweifelsfall durch ihr Veto verhindert). Der Unterschied zwischen beidem ist lediglich, ob man das a) als festes Prinzip der Interaktion zwischen Spieler und SL im Spiel verankert haben will und b) ob man es an eine Punkteökonomie knüpfen will. Gummipunkte-Regeln zum Faktenschaffen gewährleisten beides (man könnte aber wie angeführt durchaus auch fest in den Spielregeln verankern, dass Spieler Vorschläge zu Spielweltfakten machen können und sollen, die dann die Spielleitung absegnet, modifiziert, oder abschmettert, ohne das an irgendeine Punkteökonomie zu koppeln).
Der Unterschied besteht darin, dass die SL die Wahl hat, ob er auf die Frage des Spielers eingeht oder nicht. Wenn die SL also die Kiste nachträglich beschreibt, heißt es vielleicht auch nur, dass die Szenerie bisher nur grob und spontan umrissen war und die Nachfrage die Details klärt. Und es besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Kisten nicht vorhanden sind, weil die SL explizit in dieser Szene keine Kisten vorsieht.
Bei "Fakten kaufen" ist es unerheblich, ob die SL Kisten in der Szene vorgesehen hat oder nicht. Die Spiele bestimmen die Existenz der Kisten.   
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: nobody@home am 5.01.2021 | 21:29
tl; dr = Wieviel Anspruch in einem Gummipunkt-System besteht, hängt ERHEBLICH von der Philosophie hinter den Punkten ab. Das variiert.

Scheint so. Knights of the Black Lily klingt im Moment in dieser Hinsicht jedenfalls philosophisch stark verwandt mit den Systemen da draußen, deren Kampfsysteme von ihren Fans unter anderem mit dem leicht eigenwilligen Argument gegen Kritik verteidigt werden, daß sie die Spieler ja möglichst motivieren sollen, sie gar nicht erst zu benutzen... ;)
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Achamanian am 5.01.2021 | 21:33
Der Unterschied besteht darin, dass die SL die Wahl hat, ob er auf die Frage des Spielers eingeht oder nicht. Wenn die SL also die Kiste nachträglich beschreibt, heißt es vielleicht auch nur, dass die Szenerie bisher nur grob und spontan umrissen war und die Nachfrage die Details klärt. Und es besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Kisten nicht vorhanden sind, weil die SL explizit in dieser Szene keine Kisten vorsieht.
Bei "Fakten kaufen" ist es unerheblich, ob die SL Kisten in der Szene vorgesehen hat oder nicht. Die Spiele bestimmen die Existenz der Kisten.

Die Wahl hat die SL eigentlich auch in allen Systemen mit "Fakten kaufen", die ich kenne - da ist immer auch ein SL-Veto vorgesehen.
Und auf der Ebene der Fiktion ist es wiederum unerheblich, ob die SL die Kisten vorgesehen hat oder nicht; sobald auf die eine oder andere Ebene (per Spieler-Nachfrage oder per Gummipunkteinsatz) geklärt ist, ob sie da sind oder nicht, waren sie eben schon von Anfang an da oder nicht.
Da die SL ja unmöglich alle Details einer Szene vorgesehen haben kann, ist der wahrscheinlichste Fall - egal, ob es um Gummipunkte oder Spielernachfragen geht - doch sowieso der, dass Dinge, die auf Spielerinitiative hin als vorhanden festgelegt werden, bis dahin eben nicht explizit vorgesehen waren, aber in den Augen der SL Sinn ergeben. Und dann ist tatsächlich der einzige Unterschied, ob zu der Frage noch ein Punkt herumgeschoben wurde oder eben nicht.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Scurlock am 5.01.2021 | 21:43
Also ich finde, dass in beiden Fällen die SPL den Impuls geben und der SL dann darüber befindet. Ein Unterschied befindet sich auf sprachlicher Ebene: in klassischen Systemen in Frageform, bei Gummipunkten als Wunsch formuliert. Wenn DAS einen stört, dann könnte man natürlich Hausregeln, dass auch in einem Gummipunkt-System (also Karma) so etwas in Fragenform formuliert werden muss:

Der Spieler fragt, "Stehen zufällig Kisten in meiner Nähe herum?", während er einen Gummipunkt-Token auf halbem Weg zum SL herüberschiebt.
Der SL überlegt kurz und schiebt dann das Token in seinen Pool und antwortet: "Ja, klar. Willst du dahinterspringen bevor die Kugeln dich treffen können?"
So wird der Bestechungscharakter vollends offensichtlich.


Aber vllt kann ich ja zwischen Maarzan und nobody ein wenig vermitteln, indem ich nochmal auf die jeweils grundlegende Spielphilosophie hinweise.
Keine Schleichwerbung beabsichtigt, aber die Philosophie hinter KotBL ist eben so radikal anders als beí FATE. Bei KotBL steht der SL ja stellvertretend für die dunklen Götter, die aus Langeweile mit den Sterblichen ihre Spielchen spielen. Es erfordert von den SPL, ähnlich wie bei CoC, also eine gewisse Lust am Untergang - oder wenigstens den Wunsch den Widrigkeiten der Götter zu trotzen.
Bei so einer Ausgangslage ist der ANSPRUCH der Spieler den Gummipunkteinsatz nicht per Veto verhagelt zu bekommen natürlich unendlich viel schwächer als bei FATE.

Ganz im Gegenteil, es wäre sogar folgendes Szenario denkbar:
Ein SC soll einen Kontakt hinter einer Fässer-Manufaktur treffen, stattdessen gibt's eine unfreundliche Zufallsbegegnung und ein Dieb schießt mit einer Armbrust auf den SC. Der SPL fragt den SL: "Stehen da nicht Fässer 'rum? Hinter einer Fässer-Manufaktur müssen doch Fässer stehen?" und der SL antwortet kalt lächelnd, "Nein, in der Gasse gibt's überhaupt keine Deckung, sie sieht aber frisch gefegt aus, richtig gründlich!", während er einen Gummipunkt zum SPL herüberschiebt. (..den er natürlich nicht sofort für einen anderen Quatsch einsetzen kann, das wäre ja albern.)

tl; dr = Wieviel Anspruch in einem Gummipunkt-System besteht, hängt ERHEBLICH von der Philosophie hinter den Punkten ab. Das variiert.
Du stellst die Annahme auf, dass ein Gummipunkt-System sinnvoll ist, um die beschriebenen Situationen spielerisch aufzulösen. Aber die Situation stellt in herkömmlichen Systemen gar kein Problem dar. Es ist Teil des Spiels, dass die SL auf Nachfrage der Spieler Details zu den Situationen nachliefert. Das können tatsächlich spontane Einfälle sein oder aber auch fest eingeplante Elemente, die erst auf Nachfrage durch die Spieler so ersichtlich sind.
Mit Gummipunkten wird daraus aber ein gänzlich anderes Spiel mit eigener Dynamik, weil der Auflösungsansatz derartiger Situationen ein anderer ist. 

Die Wahl hat die SL eigentlich auch in allen Systemen mit "Fakten kaufen", die ich kenne - da ist immer auch ein SL-Veto vorgesehen.
Und auf der Ebene der Fiktion ist es wiederum unerheblich, ob die SL die Kisten vorgesehen hat oder nicht; sobald auf die eine oder andere Ebene (per Spieler-Nachfrage oder per Gummipunkteinsatz) geklärt ist, ob sie da sind oder nicht, waren sie eben schon von Anfang an da oder nicht.
Da die SL ja unmöglich alle Details einer Szene vorgesehen haben kann, ist der wahrscheinlichste Fall - egal, ob es um Gummipunkte oder Spielernachfragen geht - doch sowieso der, dass Dinge, die auf Spielerinitiative hin als vorhanden festgelegt werden, bis dahin eben nicht explizit vorgesehen waren, aber in den Augen der SL Sinn ergeben. Und dann ist tatsächlich der einzige Unterschied, ob zu der Frage noch ein Punkt herumgeschoben wurde oder eben nicht.
Es wird nur eine spielerische Ebene eingezogen, für die in herkömmlichen Spielen keine Notwendigkeit besteht. Ja, sie macht es sogar komplizierter, da diese Mechanismen der Spielphilosophie von SL-zentrierten Spielen widersprechen.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Achamanian am 5.01.2021 | 21:51
Es wird nur eine spielerische Ebene eingezogen, für die in herkömmlichen Spielen keine Notwendigkeit besteht.

Das sehe ich auch so, und weil ich prinzipiell kein Fan von allzu vielen Punkteökonomien im Regelwerk bin, ist bei mir der Wunsch nach "Fakten kaufen"-Regeln halt auch relativ gering.
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass allein der Umstand, dass Spieler sich durch Punkteeinsatz Fakten kaufen können, noch nichts darüber aussagt, ob und in welchem Maße ihre Charaktere über die Fähigkeit verfügen, die Wirklichkeit der Spielwelt zu formen. Geformt wird erstmal auf der Metaebene des Gesprächs über das Spiel und eben eventuell noch auf einer dafür eingezogenen Regelebene, aber was das innerhalb der Spielwelt bedeutet, ist noch mal ein anderes paar Schuhe.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Crimson King am 5.01.2021 | 21:52
Ich persönlich erkenne, obwohl mein Leib- und Magensystem PDQ sowas kann, den Mehrwert in gummipunktegetriebenem Faktenschaffen für sowas wie Kisten, hinter denen man in Deckung gehen kann, nicht. Ich verwende sowas eher, um die Story zu treiben, als um Hilfen zur Problemlösung zu kaufen. Wenn man da angekommen ist, braucht man die Gummipunkte aber auch nicht mehr, zumindest nicht dafür.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: nobody@home am 5.01.2021 | 21:53
Mit Gummipunkten läuft das "Fakten schaffen" so, wie ich es kenne, primär darauf hinaus, daß der Spieler zusätzlich zum bloßen braven Ja-oder-Nein-Fragen auch noch die Option erhält, der SL ein konkretes Angebot in der Form "...das wäre mir auch einen Gummipunkt wert" zu machen. Man hat also auf beiden Seiten mehr Spielraum zum Verhandeln, was genau dann, wenn an solchen Verhandlungen auch Interesse besteht, allemal von Vorteil ist.

Ob dieses Interesse dann auch vorhanden ist...das scheint mir hier, wenn auch nicht unbedingt zwingend der, dann doch zumindest einer der Hauptknackpunkte in Sachen unterschiedliche Spielstile und -geschmäcker zu sein.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexandro am 5.01.2021 | 21:55
Ich mag es nicht Fakten zu kaufen, zumindest nicht mit einer Ressource. Technisch gesehen kauft nämlich auch der SL Fakten, nur halt mit unbegrenztem Budget.

Daher tendiere ich eher zu "Wenn es nicht dem widerspricht, was bereits etabliert wurde, dann sag Ja". Ganz einfach so, ohne Fatepunkt oder dass der Spieler einen auf Bittsteller machen muss ("Bitte, bitte SL... darf ich noch etwas mehr haben.").

Die Plausibilität der Szene an Ressourcen zu koppeln* schmeckt mir nicht, ebensowenig wie durch Ressourcen die Plausibilität auszuhebeln (außer das Setting sieht das explizit vor).

Zum Beispiel: natürlich gibt es in einer schäbigen Gasse Kisten, auch wenn diese nicht explizit beschrieben wurden. Ob die etwas bringen, wäre die andere Frage...

* besser finde ich den Ansatz von Cortex oder Feng Shui 2, der durch Ressourcen gewisse Setzungen in der Welt etabliert, z.B. der reiche Charakter hat immer ein teures Auto in der Nähe geparkt, beim Waffennarr wird bei jeder Kontrolle auch eine Waffe gefunden... Sachen, die immer aktiv sind, nicht nur wenn der Spieler Fate-Punkte ausgibt/bekommt.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 5.01.2021 | 23:12
Also, ich hab ja zunächst einmal nichts über Sinn oder Unsinn von 'Fakten Kaufen' gesagt, sondern fand es ganz interessant, dass, genauer betrachtet, es keinen kategorischen Unterschied zum üblichen Fragen durch die Spieler gibt - solange der SL Vetorecht hat. Wenn man den Sinn von 'Fakten Kaufen' beurteilen will, dann kommt's (solange man nicht Gummipunkte aus Prinzip ablehnt) ein bisschen auf den Kontext an: Welchen Zweck erfüllen die Gummipunkte außerhalb des Faktenkaufens? Was verliert man dadurch, dass man einen Gummipunkt rüberschiebt?

In FATE dienen FPs -im Kern- dazu GURPS-artige Advantages einzusetzen - außer, dass sie hier, im Ggs. zu GURPS, einer uniformen Mechanik unterliegen. Wenn man solche uniformen Advantages, samt Spotlight-Begrenzung, durch die FPs nicht will/braucht, dann macht das Faktenkaufen auch vermutlich wenig Sinn.

In KotBL dienen Fortune Points als Metrik um zu messen wie gut die Spieler das Abenteuer bewältigen (je weniger Heldenglück gebraucht, desto besser) und um dann, am Ende des Abenteuers, je nach Endstand den Showdown und/oder Epilog (erzählerisch?) verzweigen zu lassen. Faktenkaufen ist hier also ein Teil des Heldenglücks. Es ist ja auch typisch, dass Helden häufig die Kisten/Fässer als Deckung haben, wenn sie sie benötigen. Wer diesen Ansatz nicht braucht, wer das nicht will, der braucht wiederum kein Faktenkaufen.

Aber auf eins möchte ich dennoch eingehen, nämlich Alexandros Bemerkung über das unbegrenzte Budget des GMs Fakten zu schaffen. Ja, aber das Beispiel oben mit den Fässern zeigt, dass in KotBL der GM eben doch (zumindest, wenn er sich an die Spielphilosophie hält) nur über ein begrenztes Budget verfügen kann: er schiebt ja einen Gummipunkt rüber als Ausgleich dafür, dass es keine Deckung in der Gasse gibt. Wenn er vorher 3 Gummipunkte hatte, dann hat er jetzt nur noch 2. Kann er immer noch fudeln? Ja, klar. Aber das ist ja gerade entgegen der eigentlichen Philosophie.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: 1of3 am 6.01.2021 | 07:04
Die Beobachtung aus dem Eingangsbeitrag finde ich sehr treffend. "Fakten schaffen" mit begrenzten Ressourcen macht wenig Sinn, wenn andere unbegrenzte haben. Besser wirds, wenn es statt Kisten dann Kisten +1 werden. Wenn ich den Punkt also ausgebe, um einen Bonus zu erhalten und den als Kisten koliriere.

Es macht einen großen Unterschied, ob die SL auf Nachfrage ein paar Kisten in der Gasse beschreibt oder ob die Spieler ein paar Kisten aus dem Nichts erscheinen lassen. Denn im ersten Falle definiert die SL das Umfeld der Charaktere, im letzteren manipulieren die Charaktere die Spielweltrealität.

Eine solche Spielrealität existiert nicht. Das ist kein tragfähiges Modell um Rollenspiel zu beschreiben. Es gibt nur die gemeinsame Fiktion, also diejenigen Inhalte, welche die Spielenden aufgrund irgendwelcher Reglements ausgehandelt haben.

Du deutest hier quasi an, dass es eine feststehende Spielrealität unabhängig von den Leuten, am Tisch gibt. Das kann schon per se nicht. Insbesondere wäre das aber schlecht, weil wir dann nicht spielen könnten, wie wir wollten.

Wenn du aber lediglich sagen wolltest, dass dir gewisse Reglements der Aushandlung missfallen, steht dir das natürlich frei.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Weltengeist am 6.01.2021 | 07:57
Also, ich hab ja zunächst einmal nichts über Sinn oder Unsinn von 'Fakten Kaufen' gesagt, sondern fand es ganz interessant, dass, genauer betrachtet, es keinen kategorischen Unterschied zum üblichen Fragen durch die Spieler gibt - solange der SL Vetorecht hat.

Finde ich nicht. Wie mein Beispiel zeigt, gibt es beim "üblichen Fragen durch die Spieler" ja unterschiedlich naheliegende Fragen. Zwischen "Sollte es hier nicht irgendwo eine Lichtquelle geben, mit der die normalen Bewohner des Raums für Helligkeit sorgen" (naheliegender Fakt, den der SpL wohl in der Beschreibung vergessen hat) und "Hier gibt es nicht zufälligerweise einen Kronleuchter, an dem ich schwingen kann?" (weniger naheliegend und offensichtlich auch für andere Dinge nützlich, als Licht zu machen) gibt es eben doch einen Unterschied. Spielmechanisch kann man das dadurch lösen, dass ein "Ja" auf die erste Frage eben keine Gummipunkte kostet, ein "Ja" für die zweite Frage dagegen schon.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Jiba am 6.01.2021 | 08:46
Eine solche Spielrealität existiert nicht. Das ist kein tragfähiges Modell um Rollenspiel zu beschreiben. Es gibt nur die gemeinsame Fiktion, also diejenigen Inhalte, welche die Spielenden aufgrund irgendwelcher Reglements ausgehandelt haben.

Du deutest hier quasi an, dass es eine feststehende Spielrealität unabhängig von den Leuten, am Tisch gibt. Das kann schon per se nicht.

Naja, es kann sie geben, wenn man zum Beispiel Bilder, Karten oder Beschreibungstexte im Regelwerk heranzieht. Aber selbst dann müssen diese Setzungen noch den Approval-Prozess aller Mitspielenden durchlaufen, damit sie am Spieltisch wirklich akzeptiert sind und Teil der Fiktion werden.

@Scurlock: Dein Kistenbeispiel mit der Gasse finde ich ziemlich interessant, denn letzten Endes fügen Spieler mental ständig Dinge in die Spielweltrealität ein. Sagen wir, die Spielleitung beschreibt wirklich eine Gasse, eine typische Nebengasse in einer großen, amerikanischen Stadt. Welche Details beschreibt sie denn da? Und: Sind Details, die sie nicht beschreibt, dann nicht da? Oder können Spieler annehmen, dass Dinge vorhanden sind, die sie da erwarten. Wenn ich beschreibe "Ihr betretet eine enge, verregnete Hintergasse zwischen einem Chinarestaurant und einem 24-Stunden-Supermarkt, dann bringt das Assoziationen mit sich – und zwar ganz unterschiedliche bei unterschiedlichen Spielern. Da werden welche dabeisein, die sich dabei Müll auf dem Boden vorstellen und damit interagieren wollen. Da werden welche sein, die Regenrohre oder Feuerleitern annehmen. Also, wieviel müsste die SL jetzt davon beschreiben, damit es das alles nun tatsächlich gibt. Oder reicht es aus, wenn die Spieler Dinge als gegeben hinnehmen?

Es sind deshalb auch nicht die Charaktere, die die Spielweltrealität manipulieren (wie sollten sie das auch tun, sie sind lediglich im Oberstübchen imaginierte Vorstellungen), sondern die Spieler. In meinen Runden gehört das aber auch zu ihren Aufgaben. Sonst hätte die SL den ganzen Spaß ja alleine.

Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 6.01.2021 | 09:04
Die Beobachtung aus dem Eingangsbeitrag finde ich sehr treffend. "Fakten schaffen" mit begrenzten Ressourcen macht wenig Sinn, wenn andere unbegrenzte haben. Besser wirds, wenn es statt Kisten dann Kisten +1 werden. Wenn ich den Punkt also ausgebe, um einen Bonus zu erhalten und den als Kisten koliriere.

Eine solche Spielrealität existiert nicht. Das ist kein tragfähiges Modell um Rollenspiel zu beschreiben. Es gibt nur die gemeinsame Fiktion, also diejenigen Inhalte, welche die Spielenden aufgrund irgendwelcher Reglements ausgehandelt haben.

Du deutest hier quasi an, dass es eine feststehende Spielrealität unabhängig von den Leuten, am Tisch gibt. Das kann schon per se nicht. Insbesondere wäre das aber schlecht, weil wir dann nicht spielen könnten, wie wir wollten.

Wenn du aber lediglich sagen wolltest, dass dir gewisse Reglements der Aushandlung missfallen, steht dir das natürlich frei.

Das ist theoretisch verengt zwar richtig, aber sowohl bei Erkundung wie auch Herausforderung wäre dies das entsprechende Ideal, welches zwar nicht erreicht werden kann, aber nach Möglichkeit angestrebt und zumindest als konstitutioneller Leitfaden des Ablaufs zählt - was wäre wenn, die Einwürfe der Spieler wie auch die Setzungen und Entscheidungen des Spielleiters sollten an der spielweltlichen Konsistenz bzw. der angemessenen Herausforderung orientiert sein.

Die konstitutionelle Leitlinie der Entscheidung zur Elementverwendung/-gestaltung ist dann: wie sähe eine dem Spielstil nach richtige Entscheidung/Beschreibung aus, quasi wie wenn man von einer feststehenden optimaldesignten Welt ausgehen würde.

Und dann gehören auch kein Fakten kaufen in das Spiel. Wenn vom Spieler vorgeschlagene Elemente ins spielstiltypische Konzept passen, dass sollten sie auch aufgenommen werden - egal ob er noch Punkte hat oder nicht - und entsprechend gegensätzliches wenn es nicht passt.


Fakten kaufen kann auch als eine metalastige Variante herausforderungorientiertes Spiel gesehen werden, bricht dann meines Erachtens aber üblicherweise schnell zusammen, weil es eben für solche "Optimierungen" nicht ausgelegt ist und in kürzester Zeit zusammenbricht, wenn es so benutzt wird und nicht doch durch den SL in Eigenarbeit kontinuierlich eingefangen wird.

Entsprechend: Insbesondere wäre das aber für euch schlecht, weil ihr dann nicht spielen könnt, wie ihr wollt. Bei anderen Stilen gilt anderes. 
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Lord Verminaard am 6.01.2021 | 09:19
Du hast völlig Recht. Letztendlich werden eine Menge falscher Dichotomien aufgemacht, meistens nur von Leuten im Internet, die sich langweilen. In Wahrheit ist es aber so, dass in jedem Rollenspiel die Spielwelt halt nur ausgedacht ist und dass Details, die vorher nicht bedacht wurden, aus dem Stegreif improvisiert werden. Ebenso wenig gibt es übrigens einen qualitativen Unterschied zwischen einem Detail, das im Kaufabenteuer steht, einem Detail, das sich der SL während der Rundenvorbereitung ausgedacht hat, und einem Detail, das der SL sich impromptu beim Improvisieren einer Begegnung ausdenkt.

Bonusfrage 1: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen einem Detail, das der SL sich frei Schnauze bzw. auf Nachfrage eines Spielers ausdenkt, und einem Detail, über das der SL auf Nachfrage eines Spielers die Würfel entscheiden lässt? Antwort: Nein, genauso wenig wie beim Gummipunkt-Detail.

Bonusfrage 2: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen Kisten, die bei einer improvisierten Begegnung auf Nachfrage entstehen, und Kisten, die bei einer vorbereiteten Begegnung ursprünglich nicht eingeplant waren, und dann auf Nachfrage nachträglich hinein editiert werden? Antwort: Nein.

Es ist alles nur ausgedacht. Qualitative Unterschieden bestehen im Hinblick auf die Intention und die Prinzipien, nach denen solche Entscheidungen gefällt werden, aka Spielstil. Aber das eine ist nicht weniger "echt" als das andere.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: RackNar am 6.01.2021 | 09:28
Noch ein anderer Punkt. Ist es nicht so wie auch in anderen Bereichen? Ich kann einfach sagen: "Ich erschieße den Kerl" und die SL sagt einfach "Ok, Dein Schuss trifft ihn mitten in die Brust und er sackt zusammen", oder es gibt eine Regel, die das regelt ...
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Scurlock am 6.01.2021 | 09:32

@Scurlock: Dein Kistenbeispiel mit der Gasse finde ich ziemlich interessant, denn letzten Endes fügen Spieler mental ständig Dinge in die Spielweltrealität ein. Sagen wir, die Spielleitung beschreibt wirklich eine Gasse, eine typische Nebengasse in einer großen, amerikanischen Stadt. Welche Details beschreibt sie denn da? Und: Sind Details, die sie nicht beschreibt, dann nicht da? Oder können Spieler annehmen, dass Dinge vorhanden sind, die sie da erwarten. Wenn ich beschreibe "Ihr betretet eine enge, verregnete Hintergasse zwischen einem Chinarestaurant und einem 24-Stunden-Supermarkt, dann bringt das Assoziationen mit sich – und zwar ganz unterschiedliche bei unterschiedlichen Spielern. Da werden welche dabeisein, die sich dabei Müll auf dem Boden vorstellen und damit interagieren wollen. Da werden welche sein, die Regenrohre oder Feuerleitern annehmen. Also, wieviel müsste die SL jetzt davon beschreiben, damit es das alles nun tatsächlich gibt. Oder reicht es aus, wenn die Spieler Dinge als gegeben hinnehmen?

Es sind deshalb auch nicht die Charaktere, die die Spielweltrealität manipulieren (wie sollten sie das auch tun, sie sind lediglich im Oberstübchen imaginierte Vorstellungen), sondern die Spieler. In meinen Runden gehört das aber auch zu ihren Aufgaben. Sonst hätte die SL den ganzen Spaß ja alleine.
Die Gestaltungs- und Deutungshoheit liegt im Spiel ohne "Faktenkauf" aber beim SL. Inwieweit dann die Vorstellungskraft der Spieler einen Einfluss auf die beschriebene Spielwelt hat, liegt auch beim SL.
Wie detailliert dann die Beschreibung einer Szene, hier die Gasse, ausfällt ist dann abhängig von verschiedenen Faktoren. Ist die Gasse konkret als Szene vorbereitet worden? Wie hoch ist dann die Granularität der Szene? Wie wichtig sind in diesem Falle dem SL die Details? Oder ist es nur ein Ad-hoc-Szenario, das der SL in das laufende Spiel eingeworfen hat und nur grob eine Vorstellung hat, wie diese Szene aussieht.
Die Spieler haben natürlich ihr eigenes Kopfkino zur Gassenszene. Ob und wie sehr sich das dann mit den Vorstellungen der SL deckt, lässt sich dann nur durch Nachfragen klären. Die Deutungshoheit liegt dabei aber weiterhin bei der SL. Da können sich die Spieler noch sehr Kisten in der Gasse vorstellen, wenn die SL diese explizit nicht vorgesehen hat oder diese für abwegig hält, gibt es in der Gasse keine Kisten.

Du deutest hier quasi an, dass es eine feststehende Spielrealität unabhängig von den Leuten, am Tisch gibt. Das kann schon per se nicht. Insbesondere wäre das aber schlecht, weil wir dann nicht spielen könnten, wie wir wollten.
Nein, keine feststehende Spielweltrealität, sondern eine Spielweltrealität, die in erster Linie von der SL vorgegeben wird.     
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Hotzenplot am 6.01.2021 | 09:46
Also bei mir läuft es meistens etwas anders - hängt natürlich auch davon ab, was ich gerade leite. Meine erste einschneidende Begegnung mit Gummipunkten hatte ich in PDQ#. Die dortigen Styledice machen für meinen Leitstil die Sache am besten und auf der Basis habe ich den Kram auch in meine regelmäßige DSA-Runde importiert. Ich leite aber in aller Regel mit so etwas wie Player Empowerment (wobei ich dann als Cthulhu-SL wieder etwas davon abrücke - wie oben gesagt, es hängt auch davon ab, was ich leite).

Es gibt also zumindest bei mir als SL, eine andere Prämisse:
Die SpielerInnen können sowieso im Rahmen ihres Erzählrechtes diese Kisten aus deinem Beispiel erschaffen. Das kostet keine Gummipunkte. Voraussetzung: Es muss in der gemeinsamen Fiktion plausibel sein, dass dort Kisten stehen. Es kommt in diesen Spielsituationen übrigens öfter mal vor, dass mir ein Dramachip (so heißen die in meiner DSA-Runde) angeboten wird, ich aber ablehne und sage: "Kein Problem, Fakt XY ist so wahrscheinlich, dafür brauchst du nichts auszugeben!".

Die Kisten kosten erst dann etwas, wenn der Vorteil für den SC größer ist (mehr als ein bisschen Deckung) oder es in der Situation erstmal unwahrscheinlich wäre, dass einfach so Kisten herumstehen (z. B., weil man sich gerade in einem sauberen Vorstadtviertel bewegt, in dem alles fein säuberlich ist).

Und dann ist immer noch ein Unterschied, wie stark das erkaufte Erzählrecht der SpielerInnen in die gemeinsame Fiktion eingreift. Je stärker, desto mehr Gummipunkte werden ausgegeben. In aller Regel reicht einer, aber für die Herbeischaffung eines wichtigen NSC in genau diesem Moment kostet das auch gerne mal zwei Gummipunkte.
Wie gesagt, ich bin da sehr von PDQ# beeinflusst.

Damit kämen wir zum 'Fakten Kaufen': solange der SL ein Vetorecht behält, unterscheidet sich das Erkaufen von Kisten mittels eines Gummipunkts nicht kategorisch von dem obigen klassischen/traditionellen Szenario. Der Hauptunterschied ist, dass der Gummipunkt quasi als Bestechung des SLs dient. Oder anders herum betrachtet: es kostet den Spieler etwas, wenn da günstigerweise ein paar Kisten in seiner Nähe herumstehen, hinter die man schnell in Deckung springen könnte.

Wie aus meiner o. g. Ausführung ersichtlich, kann es zumindest bei mir als SL schon einen Unterschied machen und mein Bauchgefühl sagt mir, dass es sogar meistens so ist: Das "Hineinfragen" von Tatsachen ist genauso kostenlos, wie das "Hineinerzählen" mittels des eigenen Erzählrechtes der SpielerInnen. Erst an der Stelle, an der ich nicht mehr zweifelsfrei "Ja" auf das Hineinfragen geantwortet hätte, kann die Tatsache etwas kosten. Es könnte auch sein, dass sich SpielerInnen das "Ja, aber" auf ein "Ja" erkaufen.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: JollyOrc am 6.01.2021 | 09:58
Zumindest bei den Fate Varianten die ich gespielt habe, ist der Unterschied zwischen "Spieler schmücken die Umgebung erzählerisch aus" und "Faktenkauf" ein ganz handfester: Letzteres schafft genau definierte Spielwerte. Wenn ich frage, ob da Kisten sind, dann können die klein, groß, kugelsicher, voll mit Sprengstoff, oder sonstwas sein.

Wenn ich mit einem Fatechip Kisten als Deckung erkaufe, dann weiß ich genau, dass ich die als Deckung +2 nutzen kann.

Der Chip erkauft mir hauptsächlich diesen Bonus - wie der erzählerisch zustandekommt ist dabei unter Umständen sogar Nebensache, bzw. wird nochmal nachverhandelt. ("Nee, da sind keine Kisten, das passt nicht zu dem, was ich bislang erzählt habe." - "ok, aber vielleicht kann ich die Tür von dem Chinarestaurant aufreißen und die als Deckung nehmen?" - "das passt!")
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 6.01.2021 | 10:01

Bonusfrage 1: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen einem Detail, das der SL sich frei Schnauze bzw. auf Nachfrage eines Spielers ausdenkt, und einem Detail, über das der SL auf Nachfrage eines Spielers die Würfel entscheiden lässt? Antwort: Nein, genauso wenig wie beim Gummipunkt-Detail.

Bonusfrage 2: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen Kisten, die bei einer improvisierten Begegnung auf Nachfrage entstehen, und Kisten, die bei einer vorbereiteten Begegnung ursprünglich nicht eingeplant waren, und dann auf Nachfrage nachträglich hinein editiert werden? Antwort: Nein.

Es ist alles nur ausgedacht. Qualitative Unterschieden bestehen im Hinblick auf die Intention und die Prinzipien, nach denen solche Entscheidungen gefällt werden, aka Spielstil. Aber das eine ist nicht weniger "echt" als das andere.

BF1: Die Aufgabe des Spielleiters als letztlich doch bestinformierteste Person am Tisch und mit der besonderen Verantwortung entsprechend den Vorgaben des jeweiligen Spieltischs ist es üblicherweise eigene wie externe Beiträge auf Kompatibilität zu prüfen. Idealerweise hat er das bei vorbereitetem Inhalt dann schon mit mehr Zeit und Ruhe intensiv vorher gemacht, aber Fehler können natürlich immer passieren. In der Regel aber weniger als wenn man überraschend auf Neues reagieren muss.
Die Kaufpunkte hebeln diese Kontrolle aber entweder zu einem guten Teil auf oder aber sind selbst nur Schein und begrenzen die Spieler gar im ihnen möglichen Umfang zu eigentlich nützlichen Beiträgen. Beides sehe ich als ungünstig.
Spiele mit anderen Ansprüchen, können das natürlich wieder ganz anders sehen. Im Extrem sind die "Gummipunkte" direkte Erzählrechtswährung gleichberechtigter Spielleiter/Erzähler.

BF2: Bei beiden hängt es davon ab, in wie weit den Stilprinzipien hier genüge getan wird. Spontan ist aber die Rückkontrolle und die Neigung/Anreiz da emotional und eigennützig kurz was zu drehen meines Erachtens größer.

Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 6.01.2021 | 11:18
Die erste wichtige Beobachtung scheint mir, dass, in der Tat, Gummipunkteinsatz nur Sinn macht, wenn der SL so oder so entscheiden könnte. Das ergibt sich aus dem Bestechungscharakter des Gummipunkteinsatzes.

Zweitens, scheinen einige Leute hier immer noch durch die FATE-Philosophie geprägt sein, nach der die Spieler Fakten schaffen können. Es ist schon so, dass in beiden Fällen (Nachfrage/Gummipunkt) der SL den Fakt schafft. Darauf wurde ja bereits mehrfach verwiesen, aber dennoch scheint sich der Eindruck zu halten, dass der SL damit die Kontrolle an die SPL abgibt. Dem ist, je nach Ausprägung, nicht so. Von daher gibt es zwar einen Unterschied, aber, solange es ein GM-Vetorecht gibt, ist er nicht kategorisch, dh, es gibt immer noch hinreichend viele Gemeinsamkeiten zum bloßen Nachfragen.

Drittens: Guter Hinweis, JollyOrc, aber es gibt natürlich auch Systeme mit Fakten kaufen, bei denen dies weniger starr mechanisch geregelt ist.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Hotzenplot am 6.01.2021 | 11:33
Die erste wichtige Beobachtung scheint mir, dass, in der Tat, Gummipunkteinsatz nur Sinn macht, wenn der SL so oder so entscheiden könnte. Das ergibt sich aus dem Bestechungscharakter des Gummipunkteinsatzes.

Zweitens, scheinen einige Leute hier immer noch durch die FATE-Philosophie geprägt sein, nach der die Spieler Fakten schaffen können. Es ist schon so, dass in beiden Fällen (Nachfrage/Gummipunkt) der SL den Fakt schafft. Darauf wurde ja bereits mehrfach verwiesen, aber dennoch scheint sich der Eindruck zu halten, dass der SL damit die Kontrolle an die SPL abgibt. Dem ist, je nach Ausprägung, nicht so. Von daher gibt es zwar einen Unterschied, aber, solange es ein GM-Vetorecht gibt, ist er nicht kategorisch, dh, es gibt immer noch hinreichend viele Gemeinsamkeiten zum bloßen Nachfragen.

Drittens: Guter Hinweis, JollyOrc, aber es gibt natürlich auch Systeme mit Fakten kaufen, bei denen dies weniger starr mechanisch geregelt ist.

"FATE-Philosophie"... puh, ist das so? Ich bin kein besonderer FATE-Fan (obwohl ich es mag), aber diese Philosophie stammt zumindest bei mir nicht von FATE, sondern war irgendwie schon immer Teil unseres damaligen Stils - ich rede hier von den 90er Jahren. Erst mit PDQ# hatte ich allerdings die Mittel, meinen Stil richtig einzusortieren und zu verstehen, was da eigentlich passiert.

Und nein, es ist eben nicht nur das Vetorecht. Wie ich in meinem obigen Beispiel andeutete, geht es doch um die Fiktion der ganzen Gruppe. Gerade meine durchaus gut abgestimmte langjährige DSA-Runde hat eine sehr gute Vorstellung davon, was jetzt als Tatsache aka Weiterentwicklung der Fiktion passt und was nicht. Obwohl die SpielerInnen durchaus unterschiedliche Spielstile haben, gibt es sowas wie eine gemeinsame Vorstellung davon, was jetzt passen würde und was nicht. Insbesondere am offline-Spieltisch kriegst du in solchen Fällen - eben auch super gut bei FATE oder PDQ# - durch nonverbale oder verbale Reaktion der Runde mit, was jetzt cool ist und was nicht. Das ist m. E. sehr entscheidend.

Ich stimme dir zu, im Ergebnis ist das oft so, dass es dann um das Vetorecht des SL geht - praktisch jedoch findet ein negatives Veto in meiner Runde eigentlich nie statt. Warum? Weil wir eingegrooved sind und wissen, was uns gefällt. Das ist übrigens der Moment, in dem man kaum noch Gummipunkte braucht, rein vom Spielablauf betrachtet, weil  man ohnehin eine gemeinsame Fiktion hat - was übrigens einer meiner Hauptargumente gegen FATE ist: In einer gut laufenden Gruppe brauche ich diesen komplexen Metagaming-Anhang nicht. ;)
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: RackNar am 6.01.2021 | 11:35
Ich habe jetzt aus Interesse noch einmal in FateCore nach geschlagen. Zum Thema Fakten kaufen finde ich nur folgenden Abschnitt:

Zitat
Ein Detail hinzufügen: Wenn du der Geschichte ein Detail hinzufügen willst, das
auf deinen Aspekten basiert, kostet das einen Fate‑Punkt.

Da steht nicht von einem Vetorecht der SL.  :think: Kann es sein das dieses eigentlich nicht existiert?
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 6.01.2021 | 11:56
Das ist theoretisch verengt zwar richtig, aber sowohl bei Erkundung wie auch Herausforderung wäre dies das entsprechende Ideal, welches zwar nicht erreicht werden kann, aber nach Möglichkeit angestrebt und zumindest als konstitutioneller Leitfaden des Ablaufs zählt - was wäre wenn, die Einwürfe der Spieler wie auch die Setzungen und Entscheidungen des Spielleiters sollten an der spielweltlichen Konsistenz bzw. der angemessenen Herausforderung orientiert sein.

Einspruch: Dies ist nur bei gewissen Unterarten von Erkundungs- oder Herausforderungsspiel so. Man kann sich auch Arten von Erkundungsspiel vorstellen bei denen die paar Kisten nicht ins Gewicht fallen oder Arten von Herausforderungsspiel bei denen die Gummipunkte Teil der Herausforderung sind.

Die konstitutionelle Leitlinie der Entscheidung zur Elementverwendung/-gestaltung ist dann: wie sähe eine dem Spielstil nach richtige Entscheidung/Beschreibung aus, quasi wie wenn man von einer feststehenden optimaldesignten Welt ausgehen würde.

Und dann gehören auch kein Fakten kaufen in das Spiel. Wenn vom Spieler vorgeschlagene Elemente ins spielstiltypische Konzept passen, dass sollten sie auch aufgenommen werden - egal ob er noch Punkte hat oder nicht - und entsprechend gegensätzliches wenn es nicht passt.

Naja, wir sprechen ja über Situationen in denen sowohl die Anwesenheit als auch die Abwesenheit des Elements gerade gut passen würde. Alles andere läuft unter beiden Varianten mehr oder minder gleich ab.

Fakten kaufen kann auch als eine metalastige Variante herausforderungorientiertes Spiel gesehen werden, bricht dann meines Erachtens aber üblicherweise schnell zusammen, weil es eben für solche "Optimierungen" nicht ausgelegt ist und in kürzester Zeit zusammenbricht, wenn es so benutzt wird und nicht doch durch den SL in Eigenarbeit kontinuierlich eingefangen wird.

Es bricht üblicherweise schnell zusammen, weil es in kürzester Zeit zusammenbricht? :P Ich finde, du solltest hier nochmal deinen Gedanken neugeordnet vortragen.

Entsprechend: Insbesondere wäre das aber für euch schlecht, weil ihr dann nicht spielen könnt, wie ihr wollt. Bei anderen Stilen gilt anderes.

Bei anderen Stilen gilt anderes, klar. Als ein Beispiel, wenn man zB 08/15-Weltbewohner spielen will, dann braucht man nicht das heldentypische Glück, dass da Kisten herumstehen, wenn man sie gerade benötigt.



Obwohl die SpielerInnen durchaus unterschiedliche Spielstile haben, gibt es sowas wie eine gemeinsame Vorstellung davon, was jetzt passen würde und was nicht.

Das bezweifle ich etwas. Stehen da jetzt Kisten in der Nähe des SCs in der Gasse herum oder nicht? Darauf gibt's eigentlich nur eine klare Antwort: möglicherweise.

was übrigens einer meiner Hauptargumente gegen FATE ist: In einer gut laufenden Gruppe brauche ich diesen komplexen Metagaming-Anhang nicht. ;)

Um nochmal auf einen Post von oben zurückzukommen: Man hat Fatepoints in FATE ja auch nicht in erster Linie um Fakten zu kaufen, sondern um die Anwendungen von Aspekten zu begrenzen. Das hat auch etwas mit Spotlight zu tun. Man opfert fürs Faktenkaufen in FATE nämlich den weiteren Einsatz irgendeines persönlichen Aspekts.



Bzgl FATE und Veto - Spirit of the Century, Seite 12-13, Betonung meinerseits:
"Make a Declaration – You may simply lay down a fate point and declare something.  If the GM accepts it, it will be true. This gives the player the ability to do small things in a story that would usually be something only the GM could do.
[...]
Your GM has veto power over this use, but it has one dirty little secret. If you use it to do something to make the game cooler for everyone, the GM will usually grant far more leeway than she will for something boring or, worse, selfish."
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: RackNar am 6.01.2021 | 12:21
Bzgl FATE und Veto - Spirit of the Century, Seite 12-13, Betonung meinerseits:
"Make a Declaration – You may simply lay down a fate point and declare something.  If the GM accepts it, it will be true. This gives the player the ability to do small things in a story that would usually be something only the GM could do.
[...]
Your GM has veto power over this use, but it has one dirty little secret. If you use it to do something to make the game cooler for everyone, the GM will usually grant far more leeway than she will for something boring or, worse, selfish."

Das ist dann nur ein FATE-Setting, die oft Regelerweiterungen haben, und nicht FATE generell. Ich persönlich würde immer alle Beteiligten eine Veto zugestehen, das wäre aber eine Hausregel. FateCore hat wohl erst mal kein Vetorecht, sondern Fakten kaufen ist an einen Aspekt des Charters gebunden.

Soll nicht heißen, dass Deine Punkte damit nicht gelten. Ich war nur neugierig, ob und wie das Vetorecht geregelt ist.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: nobody@home am 6.01.2021 | 12:24
Ich habe jetzt aus Interesse noch einmal in FateCore nach geschlagen. Zum Thema Fakten kaufen finde ich nur folgenden Abschnitt:

Da steht nicht von einem Vetorecht der SL.  :think: Kann es sein das dieses eigentlich nicht existiert?

Wirf einen Blick in den eigentlichen "Ein Detail Hinzufügen"-Abschnitt; müßte in der deutschen Fassung auf S. 19 zu finden sein. (Alternativ auch im Online-SRD auf dieser Seite (https://srd.faterpg.de/fate-core/die-grundlagen/fate-punkte/).) Da steht dann "SL, du hast das Recht, jeden Vorschlag abzulehnen, der den angemessenen Spielraum übersteigt, oder den Spieler zu bitten, ihn zu überarbeiten. Das gilt besonders dann, wenn der Rest der Gruppe das Detail auch nicht plausibel findet." ausdrücklich mit drin.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 6.01.2021 | 12:31
Einspruch: Dies ist nur bei gewissen Unterarten von Erkundungs- oder Herausforderungsspiel so. Man kann sich auch Arten von Erkundungsspiel vorstellen bei denen die paar Kisten nicht ins Gewicht fallen oder Arten von Herausforderungsspiel bei denen die Gummipunkte Teil der Herausforderung sind.

Vorstellen oder gibt es solche?
Meinem Empfinden nach läuft das wieder auf "alles kann man irgendwo als alles bezeichnen und am Ende als eine Geschichte bezeichnen, also sind Storybefindlichkeiten allgemeingültig" hinaus.

Und es sind nicht die Kisten, die ins Gewicht fallen, sondern Kisten, welche per Kauf da auftauchen, wo sie eigentlich nicht hingehören. Und wenn sie umgekehrt da hingehören oder gehören könnten, gibt es keinen Grund sie da jetzt extra zu kaufen und dafür ggf anderswo eine passende Korrektur nicht mehr ausführen zu können oder wenn sie nicht wesentlich sind sich da überhaupt einen Kopf mit einer Metaressource zu machen.   
Meines Erachtens einfach ein Gedanke aus einem anderen und damit hier falsche Spielstil - ungefähr wie bei einem Supermannemulator darauf zu bestehen, dass eine Telefonzelle als Umkleide realistisch nicht dauerhaft eine verdeckte Identität schützt.

Für ein Erkunden sehe ich entsprechend keine Alternative für eine zumindest im Prinzip schon bestehende Welt zum eben Erkunden und bei der Herausforderung keinen Platz für so massiv Situation und Erfolgschancen beeinflussende Elemente wie Fakten kaufen, wenn deren Limits nicht klar umrissen sind statt nur "Spielleiterveto".

Es bricht üblicherweise schnell zusammen, weil es in kürzester Zeit zusammenbricht? :P Ich finde, du solltest hier nochmal deinen Gedanken neugeordnet vortragen.

Yup, verhaspelt.

Es bricht meiner Erfahrung nach im herausforderungsorientierten Spiel zusammen, weil es für die Anwendung eben typischerweise keine Regeln gibt und somit letztlich nur das Veto des Spielleiters am sofortigen Erfolg hindert. Das ist keine Basis für ein herausforderungsorientiertes Spiel.
Die übliche Reaktion ist Selbstzensur, also Aufgabe des eigenen Stils oder aber genau diese Grenze - üblicherweise in Diskussionen- auszuloten. Rate die Spielleiteridee von dem richtigen Geschichtsablauf (+/- dessen Flexibilitätsgrenze x) ist kein Herausforderungsspiel.

Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: RackNar am 6.01.2021 | 12:32
Danke.

Jetzt heißt es, nur noch klären was "der den angemessenen Spielraum übersteigt" zu "Details erfragen" abgrenzt.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 6.01.2021 | 15:48
Vorstellen oder gibt es solche?
Meinem Empfinden nach läuft das wieder auf "alles kann man irgendwo als alles bezeichnen und am Ende als eine Geschichte bezeichnen, also sind Storybefindlichkeiten allgemeingültig" hinaus.

Warum denn nicht? Jedes Rollenspiel mit Faktenkaufen und irgendeiner Sandbox kommt schon mal für die Erkundungsvariante in Frage. Wenn ich einen Hexcrawl mache und bei irgendeinem Encounter eben ein paar Kisten ins Spiel kommen, dann berührt das doch überhaupt nicht den für mich evtl. relevanten Teil: die Erkundung und ggf. Kartographierung der Region.

Und FATE kann man mit Fokus auf spielerischen Erfolg, statt cooler Story, spielen.

Und es sind nicht die Kisten, die ins Gewicht fallen, sondern Kisten, welche per Kauf da auftauchen, wo sie eigentlich nicht hingehören.

Das ist aber nicht das Szenario.
'Die erste wichtige Beobachtung scheint mir, dass, in der Tat, Gummipunkteinsatz nur Sinn macht, wenn der SL so oder so entscheiden könnte. Das ergibt sich aus dem Bestechungscharakter des Gummipunkteinsatzes.'
'Naja, wir sprechen ja über Situationen in denen sowohl die Anwesenheit als auch die Abwesenheit des Elements gerade gut passen würde. Alles andere läuft unter beiden Varianten mehr oder minder gleich ab.'
Wenn sie da nicht hingehören, dann tauchen sie weder bei Nachfragen noch bei Gummipunkten mit Veto auf.

Und wenn sie umgekehrt da hingehören oder gehören könnten, gibt es keinen Grund sie da jetzt extra zu kaufen und dafür ggf anderswo eine passende Korrektur nicht mehr ausführen zu können oder wenn sie nicht wesentlich sind sich da überhaupt einen Kopf mit einer Metaressource zu machen.   
Meines Erachtens einfach ein Gedanke aus einem anderen und damit hier falsche Spielstil - ungefähr wie bei einem Supermannemulator darauf zu bestehen, dass eine Telefonzelle als Umkleide realistisch nicht dauerhaft eine verdeckte Identität schützt.

Da vermengst du jetzt zwei Dinge, die sauber getrennt gehören: hingehören und hingehören könnten. 'Hingehören' bedeutet eine Soll-Existenzwahrscheinlichkeit nahe bei 100%. Hier gibt's widerum keine Unterschiede zwischen Nachfragen und Gummipunkt.
'Hingehören könnten' hingegen irgendwo zwischen 'deutlich unter 100%' und 'deutlich über 0%'. Das ist eine riesige Spannbreite; die Zone der Unsicherheit, gewissermaßen. Deswegen gibt's ja auch das alternative simulationistische Auflösungsmodell bei der der SL eine Präsenzwahrscheinlichkeit abschätzt und dann würfelt.

Wenn's nicht wesentlich ist, dann wird der Spieler keinen Gummipunkt ausgeben, höchstens mal Nachfragen und es gibt wieder keinen Unterschied zu traditionellen Spielen.

Für ein Erkunden sehe ich entsprechend keine Alternative für eine zumindest im Prinzip schon bestehende Welt zum eben Erkunden und bei der Herausforderung keinen Platz für so massiv Situation und Erfolgschancen beeinflussende Elemente wie Fakten kaufen, wenn deren Limits nicht klar umrissen sind statt nur "Spielleiterveto".

Erkunden kann man vieles, der Forge nach kann man alles Erkunden, sogar System. Aber selbst wenn man sich auf das Setting beschränkt, dann kann man immer noch die Frage stellen, was genau der Raum der Erkundung ist. Vielleicht interessieren mich nur die politischen Gegebenheiten einer Region und ich will erkunden wie die Machthaber zueinanderstehen. Vielleicht will ich erkunden was für interessante Orte in einer Gegend sind. Und vielleicht will ich auch in das Setting in seiner Gänze eintauchen. Selbst dann darf man die Frage stellen, ob ein kleinerer Verstoß wie ein paar Kisten ins Gewicht fallen und falls ja, ob das nicht eine Form von Absolutismus ist.

Aber bei Immersion ist jeder ziemlich eigen, habe ich bereits festgestellt. Ich ja auch.

Yup, verhaspelt.

Es bricht meiner Erfahrung nach im herausforderungsorientierten Spiel zusammen, weil es für die Anwendung eben typischerweise keine Regeln gibt und somit letztlich nur das Veto des Spielleiters am sofortigen Erfolg hindert. Das ist keine Basis für ein herausforderungsorientiertes Spiel.
Die übliche Reaktion ist Selbstzensur, also Aufgabe des eigenen Stils oder aber genau diese Grenze - üblicherweise in Diskussionen- auszuloten. Rate die Spielleiteridee von dem richtigen Geschichtsablauf (+/- dessen Flexibilitätsgrenze x) ist kein Herausforderungsspiel.

Verstehe ich nicht. Ich stehe kurz davor erschossen zu werden und habe noch einen Gummipunkt, also frage ich den SL, ob da nicht noch ein paar Kisten stehen, die ich als Deckung nutzen könnte und schiebe ihm als Angebot meinen Gummipunkt rüber. Ich muss aus gamistischer Sicht abwägen, ob ich den Angriff ohne Kisten überleben könnte (oder mit Abzügen durch schwere Wunde) und wie wahrscheinlich das ist und ob ich ihn vielleicht nicht später noch dringend brauchen könnte.
Der geschickte Einsatz der Gummipunkte im richtigen Moment ist dann Teil der Herausforderung. Man muss dabei nicht die Story lesen (vielleicht noch die Stimmung des GMs, aber das ist bei jedem System der Fall), sondern die Situation (und wie die Regeln die Situation abbilden).
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexandro am 6.01.2021 | 16:18
Jedes Rollenspiel hat Schrödinger-Situationen. Das nennt sich Skillsystem:

Wenn ich auf Kräuterkunde würfele um jemanden zu vergiften und es ist ein Kritischer Fehlschlag, dann waren die Kräuter in der Gegend offensichtlich nicht giftig genug.
Wenn ich auf Kräuterkunde würfele um das Essen der Gruppe zu würzen und es ist ein Kritischer Fehlschlag, dann waren die Kräuter in der Region offensichtlich hochgiftig.
Solange nicht beide Situationen simultan auftreten, ist es relativ egal, was davon ursprünglich geplant war.

Das gleiche mit Zufallstabelle: je nachdem was diese sagen kommt halt gerade ein wandernder Goblin durch den Korridor oder nicht (das kann tatsächlich Probleme mit der Glaubwürdigkeit verursachen, wenn der Schrödinger-Goblin potentiell den Lärm der Gruppe im letzten Raum hätte hören müssen und eigentlich schon ganz woanders sein müsste, um Verstärkung zu holen oder (was noch häufiger ist) es einfach keinen Gang gibt, aus dem dieser Gegner hätte auftauchen können). Hier muss jemand notfalls auf die Unglaubwürdigkeit der Situation hinweisen und den Wurf ungeschehen machen.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 6.01.2021 | 18:07
Warum denn nicht? Jedes Rollenspiel mit Faktenkaufen und irgendeiner Sandbox kommt schon mal für die Erkundungsvariante in Frage. Wenn ich einen Hexcrawl mache und bei irgendeinem Encounter eben ein paar Kisten ins Spiel kommen, dann berührt das doch überhaupt nicht den für mich evtl. relevanten Teil: die Erkundung und ggf. Kartographierung der Region.

Und FATE kann man mit Fokus auf spielerischen Erfolg, statt cooler Story, spielen.

Beides ein klares Nein. Ich kann nichts erkunden, was ich gerade von außen erst selbst gestalte. Das ist wie ein "Experiment", wo ich die Wirkung von A auf B erkunden will und für das gewünschte Ergebnis für B immer noch ein wenig von außen an B drehe, bis es passt.

 
Das empfinde ich als maximale Begriffsverhunzung!

Entsprechend das mit dem "spielerischen Erfolg", wenn quasi "gedoped wird.


Wenn's nicht wesentlich ist, dann wird der Spieler keinen Gummipunkt ausgeben, höchstens mal Nachfragen und es gibt wieder keinen Unterschied zu traditionellen Spielen.

Wenn es wesentlich ist, sollte das Ergebnis nicht von einem willkürlichen externen Zusatzeffekt bestimmt werden.

Erkunden kann man vieles, der Forge nach kann man alles Erkunden, sogar System.
Nach der Forge war alles, was nicht zu ihren Primärinteressengehörte "Simulation" im Zweifel dieSimulation von was auch immer nicht ihr Primärinteresse war.

Aber selbst wenn man sich auf das Setting beschränkt, dann kann man immer noch die Frage stellen, was genau der Raum der Erkundung ist. Vielleicht interessieren mich nur die politischen Gegebenheiten einer Region und ich will erkunden wie die Machthaber zueinanderstehen. Vielleicht will ich erkunden was für interessante Orte in einer Gegend sind. Und vielleicht will ich auch in das Setting in seiner Gänze eintauchen. Selbst dann darf man die Frage stellen, ob ein kleinerer Verstoß wie ein paar Kisten ins Gewicht fallen und falls ja, ob das nicht eine Form von Absolutismus ist.

Und immer noch keinerlei Sinn da Fakten kaufen für mit rein zu bringen.

Verstehe ich nicht. Ich stehe kurz davor erschossen zu werden und habe noch einen Gummipunkt, also frage ich den SL, ob da nicht noch ein paar Kisten stehen, die ich als Deckung nutzen könnte und schiebe ihm als Angebot meinen Gummipunkt rüber. Ich muss aus gamistischer Sicht abwägen, ob ich den Angriff ohne Kisten überleben könnte (oder mit Abzügen durch schwere Wunde) und wie wahrscheinlich das ist und ob ich ihn vielleicht nicht später noch dringend brauchen könnte.
Der geschickte Einsatz der Gummipunkte im richtigen Moment ist dann Teil der Herausforderung. Man muss dabei nicht die Story lesen (vielleicht noch die Stimmung des GMs, aber das ist bei jedem System der Fall), sondern die Situation (und wie die Regeln die Situation abbilden).

Das ist nicht gamistisch. Die Faktenschaffenfunktion ist nicht annährnd ausreichend exakt beschrieben sondern ein reines Willkürelement.

Wieso nur die Wunde verhindern? Think big- Sorg dafür, dass die Seitenwand einstürzt oder eine spontane Gasexplosion im Chinagrill die Angreifer wegwischt. Ist alles schon passiert, warum nicht genau jetzt?
Da ist nichts "geschickt", dass ist eine reines abtastendes "Erkunden" der Grenzen des Bullshitlimits des aktuellen Spielleiters, ggf ergänzt um entsprechendes energisches Belabern .

Jedes Rollenspiel hat Schrödinger-Situationen. Das nennt sich Skillsystem:

Wenn ich auf Kräuterkunde würfele um jemanden zu vergiften und es ist ein Kritischer Fehlschlag, dann waren die Kräuter in der Gegend offensichtlich nicht giftig genug.
Wenn ich auf Kräuterkunde würfele um das Essen der Gruppe zu würzen und es ist ein Kritischer Fehlschlag, dann waren die Kräuter in der Region offensichtlich hochgiftig.
Solange nicht beide Situationen simultan auftreten, ist es relativ egal, was davon ursprünglich geplant war.

Je nach Ziel der Anwendung wird die Figur entsprechende Kräuter auswählen für den Zweck. Es ist also nicht ein Wurf, der dieselbe Handlung nach Intention beurteilt, sondern dieselbe Fertigkeit wird für die Erfolgschance zweier in der Spielweltpraxis dann unterschiedlichen Handlungsversuche bemüht. Patzer wäre dann die Verwechslung zweier relevanten Kräuter, so diese mit in dem möglichen Pool waren oder jeweils ein entscheidender Fehler bei der spezifischen Zubereitung für den jeweiligen Zweck. 

Ahnungsloser blinder Einsatz von Zufallsbegegnungen an den entsprechend falschen Stellen ist tatsächlich kreuzdämlich.


Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 6.01.2021 | 19:55
Beides ein klares Nein. Ich kann nichts erkunden, was ich gerade von außen erst selbst gestalte. Das ist wie ein "Experiment", wo ich die Wirkung von A auf B erkunden will und für das gewünschte Ergebnis für B immer noch ein wenig von außen an B drehe, bis es passt.

Das empfinde ich als maximale Begriffsverhunzung!

Wenn ich einer neuen Stadt meine Wohnung einräume, dann kann ich danach immer noch erkunden wie es im Rest der Stadt aussieht. Tut dem überhaupt keinen Abbruch. Womit wir wieder bei deinem Absolutheitsanspruch wären. So einen Anspruch zu haben ist legitim, aber beileibe nicht der einzige Weg Erkundung im Rollenspiel zu haben. Von daher bleibe ich bei meinen vorherigen Einlassungen.

Oder anders gesagt: wenn da nun Kisten herumstehen, welchen Teil der Welt kannst du jetzt nicht mehr erkunden? Und setze das bitte mal in Relation zu dem Teil der Spielwelt, den du immer noch erkunden kannst. Ich nehme an, dass wir dann jetzt an den Punkt kommen wo es nicht mehr um Erkundung geht, sondern entweder um Immersion oder Zerstörung des 'Experiments', was ja sowieso nur eine super-spezielle Art der Erkundung mit Gesamtheitsanspruch ist.

Erkundung an sich wird davon also schlimmstenfalls marginal berührt.

Entsprechend das mit dem "spielerischen Erfolg", wenn quasi "gedoped wird.

Gedopt im Vergleich zu was? Einem System, in dem die SCs kein Heldenglück haben? Oder NSCs?
In Deathwatch RPG sind die SCs buchstäblich gedopt, in Rifts die Juicer auch. SCs haben in den meisten Rollenspielen irgendeine Art von Vorteil, sei es Bewaffnung, Ausbildung, Superkräfte, whatever. So what?
Das macht alles keinen Sinn. Man könnte höchstens einwenden, dass man die Art des Vorteils nicht mag, das ist legitim. Da der SL aber Begegnungen beliebig konstruieren und nach oben skalieren kann, kann man die Herausforderung auch angemessen gestalten/anpassen.
Es gibt 0 Grund, warum die Herausforderung dabei auf der Strecke bleiben sollte.

Wenn es wesentlich ist, sollte das Ergebnis nicht von einem willkürlichen externen Zusatzeffekt bestimmt werden.

Verstehe ich nicht.

Nach der Forge war alles, was nicht zu ihren Primärinteressengehörte "Simulation" im Zweifel dieSimulation von was auch immer nicht ihr Primärinteresse war.

Ja, aber die Forge hat ja in dem Sinne recht, dass man ein Rollenspiel zB auch spielen kann, weil man neugierig auf das System ist. Das passt scho'.

Und immer noch keinerlei Sinn da Fakten kaufen für mit rein zu bringen.

Na, das kann man so gar nicht sagen. EIN möglicher Sinn ist, dass fiktionale Helden in Büchern oder Filmen auch häufig gerade Kisten oder ähnliches in der Nähe herumstehen haben, wenn sie sie gerade brauchen - oder fehlen, wenn die Dramatik es erfordert. Dies kann man im Rollenspiel damit emulieren/erzeugen.

Es folgt damit den bekannten Vorlagen.

Das ist nicht gamistisch. Die Faktenschaffenfunktion ist nicht annährnd ausreichend exakt beschrieben sondern ein reines Willkürelement.

Das braucht es auch nicht, Gamismus erfordert mitnichten Determinismus. Es reicht, dass ich als Spieler weiß, wenn ich einen Gummipunkt ausgebe, dann komme ich einen Vorteil, der sich ungefähr so-und-so günstig auswirkt, wenn ich zwei Gummipunkte ausgebe, dann bekomme ich stattdessen einen Vorteil von diesem oder jenen Ausmaß, etc. Eine grobe Klassifizierung reicht um als Spieler eine Abschätzung vornehmen zu können und den SL beim Wort zu nehmen.


Wieso nur die Wunde verhindern? Think big- Sorg dafür, dass die Seitenwand einstürzt oder eine spontane Gasexplosion im Chinagrill die Angreifer wegwischt. Ist alles schon passiert, warum nicht genau jetzt?

Wenn der Spieler bereit ist die Gummipunkt-Kosten, die dieser Klasse an Vorteil entsprechen, zu berappen und der SL damit einverstanden ist, warum nicht. Okay, Herausforderung ohne Mühe ausgeschaltet, wunderbar. Also doch nicht gamistisch? Doch! Klassisches, gamistisches Ressourcenmanagement. Bei dem nächsten Gefecht eine Spielstunde später steht jetzt der SC vielleicht ohne Gummipunkt dar und wird von Ghoulen gefressen. Schlimmer noch, wenn seine Punkte in den Pool des SLs gewandert sind. Hätte er vielleicht mal besser nur einen Punkt für die Kisten ausgegeben.

Absolut und 100% kompatibel mit Gamismus. Man muss es nicht mögen. Aber zu behaupten, dass dies nicht kompatibel ist, ist schlicht falsch.

Da ist nichts "geschickt", dass ist eine reines abtastendes "Erkunden" der Grenzen des Bullshitlimits des aktuellen Spielleiters, ggf ergänzt um entsprechendes energisches Belabern .

Damit ist umzugehen ist immer Teil des SL-Jobs und kein Gegenargument. Bei der XP-Vergabe erlebe ich auch regelmäßig wie SPL versuchen den SL zu belabern. Es gibt kein (traditionelles) Rollenspiel, das nicht Augenmaß vom SL verlangt und bei dem Spieler nicht versuchen können den SL zu manipulieren. Nächstes klassisches Beispiel: Rumgejammere, dass die Kämpfe immer viel zu schwer sind. Obwohl bisher alle ohne Verluste bestanden wurden.

Das alleine ist kein seriöses Argument für oder gegen irgendeine Mechanik.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 6.01.2021 | 20:13


Verstehe ich nicht.

plus

Na, das kann man so gar nicht sagen. EIN möglicher Sinn ist, dass fiktionale Helden in Büchern oder Filmen auch häufig gerade Kisten oder ähnliches in der Nähe herumstehen haben, wenn sie sie gerade brauchen - oder fehlen, wenn die Dramatik es erfordert. Dies kann man im Rollenspiel damit emulieren/erzeugen.


Genau da sehe ich das Problem: Du verstehst nicht bzw siehst alles letztlich immer noch rein durch die Dramatikbrille - Mit vielen geschwungenen Worten: Interpretier die Bezeichner deines Stils doch einfach so, dass er meinem Stil entspricht und schon brauchst du den alten nicht mehr und kannst auch so spielen wie ich es mir vorstelle.

Und das EIN hilft gar nichts, wenn es um die Verwendung im Rahmen von Exploration oder Herausforderung geht. Da ist das kein EIN sondern ein KEIN!

Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexandro am 6.01.2021 | 20:14
Nach der Forge war alles, was nicht zu ihren Primärinteressengehörte "Simulation" im Zweifel dieSimulation von was auch immer nicht ihr Primärinteresse war.

Bleib lieber bei deinen eigenen Runden.

Von den Runden (und Theorien) anderer Personen hast du - wie du wieder mal eindrucksvoll beweist - keine Ahnung (oder du willst diese absichtlich nicht verstehen).
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 6.01.2021 | 20:21
Bleib lieber bei deinen eigenen Runden.

Von den Runden (und Theorien) anderer Personen hast du - wie du wieder mal eindrucksvoll beweist - keine Ahnung (oder du willst diese absichtlich nicht verstehen).

Ne klar. Das dürfte mit dem abstrusen Einwurf wohl eher auf dich zutreffen.

Aber in einem hast du zufällig recht.
Jeder sollte bei seinen Runden bleiben und dazu gehört eben auch eine ehrliche und offen Differenzierung und danach Bezeichnung statt: Lässt sich alles doch auch irgendwie nach meiner Nase uminterpretieren, spiel meins.

Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 7.01.2021 | 05:05
Moment mal, hier ist der Unterschied zwischen uns beiden: Du redest von DEM Erkundungsspiel und DEM herausforderungsorientiertem Spiel, was aber beides enormen Interpretationsspielraum zulässt! Ich rede davon, dass deine spezielle Vorstellung davon jeweils EINE Spielart ist und dass EINE andere Spielart mit DEM Erkundungsspiel/herausforderungsorientiertem Spiel (iwS, dh nicht speziell in deinem Sinne) überlappt.

Wenn ich Game of Thrones schaue, dann habe ich einerseits Hollywood-Dramatik und andererseits erkunde ich als Zuschauer wie Westeros überhaupt aufgebaut ist, wie es in Dorne aussieht, etc. Wenn ich D&D 3.x spiele und die Schwertküste erkunde, dann hat mein SC vielleicht 50 HPs, im Ggs zu 10 HP des normalen Bewohners. Verhagelt dieser Sonderstatus jemandem das Erkundungsspiel oder die Herausforderung? Hat der SC vielleicht auch aus dramatischen Erfordernissen (damit er in seinen Abenteuern zB Kämpfe gegen Orks erleben und überleben kann; sonst müsste man nämlich eher der Oma den Kirschkuchen klauen oder sowas) so eine Sonderstellung?

Wenn jemand auf der Reinheit seines Gedankenexperiment-Spielstils bestehen will, nun gut. Das ist EIN legitimer Ansatz. Ich sehe für mich persönlich aber keine 'Verunreinigung', solange die produzierte Fiktion nicht meiner Vision des Settings stark widerspricht, egal wie sie zustandegekommen ist.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Maarzan am 7.01.2021 | 10:51
Moment mal, hier ist der Unterschied zwischen uns beiden: Du redest von DEM Erkundungsspiel und DEM herausforderungsorientiertem Spiel, was aber beides enormen Interpretationsspielraum zulässt! Ich rede davon, dass deine spezielle Vorstellung davon jeweils EINE Spielart ist und dass EINE andere Spielart mit DEM Erkundungsspiel/herausforderungsorientiertem Spiel (iwS, dh nicht speziell in deinem Sinne) überlappt.

Wenn ich Game of Thrones schaue, dann habe ich einerseits Hollywood-Dramatik und andererseits erkunde ich als Zuschauer wie Westeros überhaupt aufgebaut ist, wie es in Dorne aussieht, etc. Wenn ich D&D 3.x spiele und die Schwertküste erkunde, dann hat mein SC vielleicht 50 HPs, im Ggs zu 10 HP des normalen Bewohners. Verhagelt dieser Sonderstatus jemandem das Erkundungsspiel oder die Herausforderung? Hat der SC vielleicht auch aus dramatischen Erfordernissen (damit er in seinen Abenteuern zB Kämpfe gegen Orks erleben und überleben kann; sonst müsste man nämlich eher der Oma den Kirschkuchen klauen oder sowas) so eine Sonderstellung?

Wenn jemand auf der Reinheit seines Gedankenexperiment-Spielstils bestehen will, nun gut. Das ist EIN legitimer Ansatz. Ich sehe für mich persönlich aber keine 'Verunreinigung', solange die produzierte Fiktion nicht meiner Vision des Settings stark widerspricht, egal wie sie zustandegekommen ist.

In der Praxis ist alles irgendwo auch in einem gewissen Anteil in Spielen, die einen anderen Spielstil priorisieren mit drin.
Für die Knatschvermeidung geht es um die Fälle, wo die Präferenzen verschiedener Stile kollidieren.

Für einen Sportringer ist WWE-Wrestling ja auch nicht Ringen, auch wenn da immer irgendwo auch etwas getan wird, was nach ringen aussieht oder gar von dort stammt.

Und die HP sind eine Repräsentation von einer, wenn auch etwas kruden, Spielweltphysik, bzw. bekommen ihre Kritik genau dafür, dass das in einigen Spielsystemen eben nicht so sauber geklärt wird.
Fakten kaufen liegt auf einer ganz anderen Ebene.
Und wieder der völlig deplazierte Verweis auf Drama!


Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 7.01.2021 | 13:02
In der Praxis ist alles irgendwo auch in einem gewissen Anteil in Spielen, die einen anderen Spielstil priorisieren mit drin.
Für die Knatschvermeidung geht es um die Fälle, wo die Präferenzen verschiedener Stile kollidieren.

Wer bereit ist in einer FATE-Runde mitzuspielen -und nicht Rollenspiel-Anfänger ist-, der weiß halbwegs worauf er sich da einlässt.
Erkundung ist übrigens zunächst einmal auch kein Spielstil, sondern eine Teilaktivität wie Kämpfen, Gespräche mit NSCs oder dem heimlichen Einstieg in einen fremden Wohn-/Arbeitsraum.

Für einen Sportringer ist WWE-Wrestling ja auch nicht Ringen, auch wenn da immer irgendwo auch etwas getan wird, was nach ringen aussieht oder gar von dort stammt.

Ja, aber 'Erkundung' ist eher wie ein Beingriff und nicht wie Sportringen oder Wrestling.

Und die HP sind eine Repräsentation von einer, wenn auch etwas kruden, Spielweltphysik, bzw. bekommen ihre Kritik genau dafür, dass das in einigen Spielsystemen eben nicht so sauber geklärt wird.
Fakten kaufen liegt auf einer ganz anderen Ebene.

Nö, ist im Zweifel nur eine abstraktere (und automatisierte) Repräsentation vom Kauf des Fakts: "Dein Schwertstreich trifft mich doch noch." Und trotzdem ist Erkundung als Teilaktivität in D&D möglich. Genauso wie in FATE mit generalisertem, bei-Bedarf Faktenkaufen.
Was nicht möglich ist, allerdings, dass ist ein 100% 'reiner' Spielstil, bei dem die Spielwelt um die SCs zu jeder Zeit und in jedem noch so kleinen Detail vom SL und den Würfeln bestimmt wird.
Das ist allerdings Erkundungsspiel in einem so engen Sinne, dass ich mir das nicht zu eigen mache.

Und wieder der völlig deplazierte Verweis auf Drama!

Es geht allerdings in diesem Thread um Faktenkaufen und nicht um deine Verengung von Erkundungsspiel auf einen 100% reinen Spielstil. Wie kann da der Hinweis auf Drama deplatziert sein?

Nachfrage:
Ist eigentlich frühes (A)D&D -plus die OSR- aufgrund der Maxime "Rulings, not Rules" auch inkompatibel zu herausforderungs-orientiertem Spiel? Es ist ja alles irgendwie Wischi-Waschi, da kann man doch gut den Spielleiter 'bespielen'?
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: unicum am 7.01.2021 | 14:05
Ich halte zielich jeder art von Fragen der Spieler an den SL gerechtfertigt. Vor einer taktischen Situation nach einer genaueren Beschreibung zu fragen ist dabei durchaus legitim. Denn der SL gibt die Details auf denen die Spieler ihre Entscheidungen aufbauen. Suggestionsfragen sind dabei durchaus erlaubt "Sind da Kisten in der Gasse (hinter denen ich in deckung gehen kann)?"
Durchaus legitim ist auch die Gegenrede "Die Gasse wurde für den Hinterhalt wohl aufgeräumt." und die Gegenrede darauf "Das hätte mich doch vorher schon stutzig machen müssen, schliesslich ist das ein heruntergekommenes Virtel und meine Figur ist in diesen Gassen aufgewachsen die wäre in so eine offensichtliche Falle nicht reingegangen." - insofern ist das "Ja da sind kisten" immer die einfachere Lösung. (Hinter den Kisten können sich ja auch noch andere Attentäter verschanzt haben,...)

"Gibt es in dem großen Saal Kronleuchter wo ich von der einen Balustrade zur anderen Schwingen kann?" Klassische 7te See frage - und auch eigentlich in dem Setting klassich unnötig. denn natürlich gibt es die Kronleuchter da. (Wie sonst erhellt man den Saal nachts?).

Ich habe in der Regel auch bei Systemen welche nicht so etwas brauchen wie Gummipunkte um solche Details zu kaufen nichts dagegen wenn Spieler so etwas machen.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Isegrim am 7.01.2021 | 14:57
Ich habe in der Regel auch bei Systemen welche nicht so etwas brauchen wie Gummipunkte um solche Details zu kaufen nichts dagegen wenn Spieler so etwas machen.

Wird halt von vielen SL so geregelt, dass sie es im Zweifelsfalle auswürfeln, wenn sie sich unsicher sind. Das ist mE der Vorteil der Gummipunkt-Mechanik zum Faktenschaffen: Es gibt mir als Spieler eine größere Sicherheit, mir solche Sachen erkaufen zu können. Als Spielleiter muss ich nicht drüber nachdenken, außer vielleicht es kollidiert mit i-was wichtigem (Veto-Recht, aber das wird die große Ausnahme sein). Und in Fate (und vielleicht auch anderen Systemen, die eine solche Mechanik haben) liefert es auch noch die regeltechnische Abhandlung mit, über die ich mir als SL auch keine Kopp mehr machen muss.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 7.01.2021 | 15:05
Man muss es nicht mit Gummipunkten machen, aber Gummipunkte, die zwischen Party und SL hin- und herfließen, bieten zwei Vorteile:

1. Sie erlauben dem SL einen Überblick zu behalten, ob er die Spieler bisher bei mehreren Entscheidungen insgesamt bevorteilt oder benachteilt hat.
2. Es gibt einen Ausgleich für entstandende Vor- oder Nachteile: Wenn es unwahrscheinlich, aber möglich, ist, dass da Kisten wären, dann kostest es die Spieler was und der SL erhält einen Punkt. Umgekehrt, wenn da Kisten sehr wahrscheinlich sein müssten, aber nicht sind, dann erhalten die Spieler einen Punkt vom SL.

Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Scurlock am 7.01.2021 | 18:19
Nachfrage:
Ist eigentlich frühes (A)D&D -plus die OSR- aufgrund der Maxime "Rulings, not Rules" auch inkompatibel zu herausforderungs-orientiertem Spiel? Es ist ja alles irgendwie Wischi-Waschi, da kann man doch gut den Spielleiter 'bespielen'?
Nein. "Rulings not Rules" ist ja nicht gleichbedeutend mit Verzicht auf Regeln. Du nennst es Wischi-Waschi, dabei ist es einfach nur Vertrauen in das Urteil der SL.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexandro am 7.01.2021 | 18:40
Man kann nicht auf das Vertrauen in eine einzelne Person pochen und gleichzeitig das Vertrauen in den Gruppenkonsens verteufeln.

OK, kann man. Aber dann macht man sich halt lächerlich.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 7.01.2021 | 18:56
Nein. "Rulings not Rules" ist ja nicht gleichbedeutend mit Verzicht auf Regeln. Du nennst es Wischi-Waschi, dabei ist es einfach nur Vertrauen in das Urteil der SL.

Ich fragte, weil Maarzan sich vorher über die Unschärfe des Faktenschaffens via SL-Ermessen beschwert hat:
Das ist nicht gamistisch. Die Faktenschaffenfunktion ist nicht annährnd ausreichend exakt beschrieben sondern ein reines Willkürelement.

Wieso nur die Wunde verhindern? Think big- Sorg dafür, dass die Seitenwand einstürzt oder eine spontane Gasexplosion im Chinagrill die Angreifer wegwischt. Ist alles schon passiert, warum nicht genau jetzt?
Da ist nichts "geschickt", dass ist eine reines abtastendes "Erkunden" der Grenzen des Bullshitlimits des aktuellen Spielleiters, ggf ergänzt um entsprechendes energisches Belabern .

Daher also meine Frage: Sind Rulings nicht ein reines Willkürelement? Ich wäre ja bei Maarzan, wenn er sagen würde, dass schwammigere Regelelemente den Spielcharaktere des Rollenspiels schwächen (hier zu Gunsten einer Emulation von Heldenglück). Spiele leben halt von festen Regelnm je fester die Regeln desto stärker der Spielcharakter.
Das aber eine viel schwächere Aussage als "Damit kann man nicht herausforderungsorientiert Spielen".
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Scurlock am 7.01.2021 | 19:12
Man kann nicht auf das Vertrauen in eine einzelne Person pochen und gleichzeitig das Vertrauen in den Gruppenkonsens verteufeln.

OK, kann man. Aber dann macht man sich halt lächerlich.
Kann mich nicht daran erinnern, den Gruppenkonsens verteufelt zu haben. Im Gegenteil, bei einem SL-zentrierten Spiel ist genau diese SL-Zentrierung der Gruppenkonsens.
Darüber hinaus würde ich es begrüßen, wenn Du sachlich bleibst.

Ich fragte, weil Maarzan sich vorher über die Unschärfe des Faktenschaffens via SL-Ermessen beschwert hat:
Daher also meine Frage: Sind Rulings nicht ein reines Willkürelement? Ich wäre ja bei Maarzan, wenn er sagen würde, dass schwammigere Regelelemente den Spielcharaktere des Rollenspiels schwächen (hier zu Gunsten einer Emulation von Heldenglück). Spiele leben halt von festen Regelnm je fester die Regeln desto stärker der Spielcharakter.
Das aber eine viel schwächere Aussage als "Damit kann man nicht herausforderungsorientiert Spielen".
Rulings können natürlich ein Willkürelement sein, wenn der SL seine Rolle missversteht. Sie sind aber viel eher ein Element, um mehr spielerische Freiheit zu ermöglichen bzw. zu erhalten. Ein Mehr an Regeln führt ja nicht zwangsweise zu einem besseren Spiel, sondern nur zu einem besser verregelten Spiel. 
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexandro am 7.01.2021 | 19:38
Kann mich nicht daran erinnern, den Gruppenkonsens verteufelt zu haben.

Hab ich nicht behauptet. Es war eine allgemeine (sachliche) Feststellung.

Zitat
Rulings können natürlich ein Willkürelement sein, wenn der SL seine Rolle missversteht. Sie sind aber viel eher ein Element, um mehr spielerische Freiheit zu ermöglichen bzw. zu erhalten. Ein Mehr an Regeln führt ja nicht zwangsweise zu einem besseren Spiel, sondern nur zu einem besser verregelten Spiel.

Rulings sind ein Instrument der Simulation oder der Narration, je nachdem wie diese eingesetzt werden. Da viele Spieler simulative oder narrative Bedürfnisse haben (oder beide), gibt es rulings in zahlreichen Spielen, nicht weil diese objektiv "besser" sind, sondern weil sie besser geeignet sind, das Spiel so zu spielen, wie sich viele Fans dieses Spiels wünschen es zu spielen.

Was rulings allerdings nicht sind, wären Instrumente eines gamistischen Ansatzes oder "herausforderungsorientiertem Spiel". Rulings können Teil solcher Runden sein (weil - absolute Hardcore-Regelspieler mal ausgenommen - auch Spielern die sich Beachtung der Regeln oder "Herausforderungen" wünschen noch andere Sachen wichtig sind - sie sind idR keine absoluten Mono-Gamisten, die nur ein einzigen Interesse am Spiel haben), aber sie sind auch kein Instrument, welches Gamismus oder Herausforderung befeuert - diese Runden sind "herausfordernd" oder "tödlich, aber fair" oder "ressourcentaktisch" trotz der Rulings, nicht wegen ihnen.

Das ist, ganz allgemein, die Crux an der ganzen Sache.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: 6 am 7.01.2021 | 19:54
Was rulings allerdings nicht sind, wären Instrumente eines gamistischen Ansatzes oder "herausforderungsorientiertem Spiel".
Solche Rulings sind im Sportbetrieb eigentlich wichtiger Bestandteil des Sportbetriebes. Das was die Schiedsrichter da normalerweise treiben sind Rulings auf Grund eines Regelwerkes, dass beim Rollenspiel halt die Spielwelt selber ist.
Du musst da immer in Betracht ziehen, dass ein SL, wenn ein Ruling benötigt wird, in der Position eines neutralen* Schiedsrichter ist.

*neutral im Sinne von neutraler Beurteilung der Situation auf Grund der Regeln der Spielwelt.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexandro am 7.01.2021 | 20:10
Im Sport finden rulings nur angewandt, um zu entscheiden, ob gerade ein Regelverstoß stattgefunden hat. Diese Frage stellt sich im Rsp meist gar nicht.

Und der Schiri entscheidet ganz sicher nicht, dass eine virtuos ausgeführte Schwalbe den Gegner so sehr verwirrt, dass die Mannschaft einen freien Elfmeter bekommt. Oder dass das Spiel so hart geführt wurde, dass jetzt plötzlich das gesamte Spielfeld als Strafraum zählt.

Daher ist das (idR) nicht zu vergleichen.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: 6 am 7.01.2021 | 20:25
Im Sport finden rulings nur angewandt, um zu entscheiden, ob gerade ein Regelverstoß stattgefunden hat.
Nicht ganz. Er entscheidet welche Regeln angewandt werden und in welchen Ausmass sie jetzt gelten. Er entscheidet wann angepfiffen wird, wie lange eine Partie noch dauert, wann Zeitspiel gespielt wird und ob und wie ein Regelverstoss angeahndet werden muss usw. Es kann da z.B. durchaus sein, dass da ein Regelverstoss an einer Regel statt gefunden hat, dieser aber nicht geahndet wird, wegen anderen Regeln, die da zum Tragen komme. Dabei muss er als neutraler Schiedsrichter urteilen.
Und da sind wir dann wieder beim SL. Er beurteilt die Situation und entscheidet wie diese sich auf Grund der Spielwelt weiter entwickeln wird. Dabei ist dann die Neutralität des SLs und dessen Entscheidungen essentiell
Zitat
Der Schiri entscheidet nicht dass eine virtuos ausgeführte Schwalbe den Gegner so sehr verwirrt, dass die Mannschaft einen freien Elfmeter bekommt. Oder dass das Spiel so hart geführt wurde, dass jetzt plötzlich das gesamte Spielfeld als Strafraum zählt.
Da würde der Schiri sich komplett gegen die Regeln entscheiden. Analog würde das auch für einen SL mit der Spielwelt mit den Fussballregeln als Grundlage.
Genau deswegen passt diese Analogie nicht.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Alexander Kalinowski am 7.01.2021 | 22:05
Der Vergleich mit dem Sport ist mMn zu weit gegriffen (wo übrigens auch, gerade im Fußball, regelmäßig der Schiedsrichter bespielt wird). Der eigentliche Vergleich wäre mit Brettspielen wie Monopoly oder Mensch-Ärgere-Dich-Nicht. Wenn Rollenspiel-Regeln schwammig werden - um zB durch Interpretationsspielraum höhere Plausibilität oder dramatischere Wendungen zu ermöglichen - dann verliert man eben etwas von diesem fixen Spielkern, aber gewinnt dafür etwas anderes. Es ist ein Trade-Off.

Ich wehre mich allerdings dagegen, dass kleinere Einschnitte einen weitgefassten Spielstil (Gamismus) unmöglich machen sollen. Sie machen lediglich sehr strikte entgegengesetzte Spielstile unmöglich.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: Lord Verminaard am 8.01.2021 | 08:41
Daher also meine Frage: Sind Rulings nicht ein reines Willkürelement? 

Für diejenigen, die diesen Spielstil feiern, ist es sozusagen konstituierend, anzunehmen, dass die Rulings einem höheren Prinzip folgen und ein schwer zu definierendes oder zu greifendes Etwas jenseits reiner Willkür verkörpern. Ich persönlich als jemand, der diesen Spielstil nicht feiert, habe den Verdacht, dass es sich hierbei um eine Illusion handelt, aber es scheint ja eine produktive Illusion zu sein, jedenfalls für die kleine aber laute Fangemeinde, so who am I to judge? ;)
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: 6 am 8.01.2021 | 08:53
Da wir hier eh einem Hobby fröhnen, das komplett aus "Illusionen" besteht (okay. Ich nenne es immer noch lieber Hyperrealität, aber hey...), soll doch jeder wenigstens die Illusion erleben, die ihm am Liebsten ist.
Titel: Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
Beitrag von: 1of3 am 8.01.2021 | 09:16
Daher also meine Frage: Sind Rulings nicht ein reines Willkürelement?

Mir wurde neulich erklärt (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,117410.msg134942102.html#msg134942102) - danke dafür an den Ghoul -, dass Rulings nichts anderes sind als stinknormales Rollenspiel, also SL sagt "Würfel mal auf..." (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,114512.msg134854981.html#msg134854981).