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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rezensionen => Thema gestartet von: ghoul am 23.11.2021 | 17:18

Titel: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:18
Nicht nur Verrisse, auch lobende Rezensionen zu Pen-and-Paper-Rollenspielen sollen hier ihren Platz finden.

Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:19
Arabian Adventures (AD&D2) ****

Dies ist das AD&D2-Regelbuch für Al-Qadim und andere 1001-Nacht- oder Arabien-inspirierte Settings. Es liefert allgemein gehaltene Hinweise zu Tugenden und Denkweisen für Völker in solchen Settings, arabische Namen, neue Preislisten für feilschbare Waren, Character-Kits für alle Grundklassen von AD&D2 zur Anpassung und einige neue Zaubersprüche. Beliebt unter Spieler sind dabei die gut gelungenen Mamluken, Korsaren, Wüstenreiter, Heiligen Meuchler (Assassinen), Barbiere und Flammenmagier, weniger einige wenige zu schwach gestaltete Kits wie Matrud (Wüstenräuber), Hakima (Seherin) und Kahin (druidenähnlicher Idol-Priester). Dann gibt es noch den Sha’ir, eine völlig neue Magierklasse, der anstatt ein Magiebuch zu führen einen Pakt mit den Genies (sprich „Dschie-nies“, also Dschinn, Ifrite, Dao und Maride) eingegangen ist und bei Bedarf seinen vertrauten Gen ausschickt, um Zaubersprüche aus anderen Existenzebenen zu stehlen – eine zeitaufwendige und unzuverlässige Methode Magie zu wirken, gut auf Reisen und für kreative Lösungen, wenig wirkungsvoll mitten im Kampf. Auf hohen Stufen kann ein Sha’ir dann auch Genies versklaven.

Speziell über Zakhara, den Kontinent des Al-Qadim-Settings erfährt man in dem allgemein gehaltenen Buch „Arabian Adventures“ noch wenig, es gibt eine Karte und Regeln zu Anrufung des Schicksals, einer Übergottheit. Dadurch ist Arabian Adventures eben nicht allein auf Al-Qadim festgelegt.

Insgesamt ein sehr gut gelungenes Buch.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:20
Land of Fate (Box, AD&D2) *****

Der eigentliche Hintergrund für Al-Qadim folgt dann in dieser Box. Hintergrundbücher für Spieler und Spielleiter, farbige Poster-Landkarten, Monsterbeschreibungen. Die Bücher liefern sehr spielbare, sehr inspirierende Information über das ganze Land, die Götter, die Wüstenstämme, Mamlukenorganisationen, Assassinensekten und die einzelnen Städte, die sofort Lust machen, Zakhara zu bereisen und überall auf Abenteuer zu stoßen.

Mit dieser Box und dem Arabian Adventures (und AD&D2 Spielerhandbuch sowie Spielleiterhandbuch) kann man im Grunde schon losspielen.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:23
Al-Qadim, sämtliche Erweiterungen

A Dozen and One Adventures (Box) *****

Eine Kampagne in und über Muluk, Stadt der Könige, an der Nordküste Zakharas und in den Spukenden Landen, aus zwölf Kurzabenteuern und einem Bonus-Abenteuer zur Abwicklung offener Handlungsstränge, wobei die Reihenfolge der einzelnen Abenteuer variabel ist. Diese Abenteuer nun sind originell, sehr bunt und skurril wie es sich für 1001 Nacht gehört und vor allem lässt sich für Spieler erst nach und nach ein überraschender Zusammenhang zwischen einzelnen Vorkommnissen erkennen. Eine echte Kampagne, kein „Abenteuerpfad“!

 

Assassin Mountain (Box) *****

Diese Kampagne besteht aus drei Abenteuern, bei denen sich alles speziell um die Sekte der „Ewigwährenden“ und ihre geheime Bergfestung dreht. Da braucht es schon mutige Spieler, um es mit diesen fanatischen Selbstmordattentätern aufzunehmen!

 

Caravans (Box) ****

Ein aus skurrilen Kurzepisoden bestehendes Reise-Abenteuer in ungewöhnlichem Auftrag quer durch die Hohe Wüste im Westen Zakharas und zurück, für niedrige Stufen, aber anspruchsvolle Situationen. Die Originalität des Abenteuers leidet etwas unter der storytelligen Konstruktion der letzten Episode, die ansich wenig Handlungsalternativen lässt, zumindest, wenn die Unternehmung von Erfolg gekrönt sein soll. Schade, aber da ist der Spielleiter gefragt, damit die Spieler sich nicht gegängelt fühlen.

Die pdf-Version stand mal als Download bei Wizards zur Verfügung, Kopien lassen sich noch ergoogeln („qadim caravans filetype:pdf“).

 

Cities of Bone (Box) *****

Abenteuer für verschiedenste Stufen in den wüstenumfangenen Ruinenstädten der Spukenden Lande und in den Dschungeln der südöstlichen Ruinenreiche. Originell, anregend, anspruchsvoll – und mit Wiedererkennungseffekten für Fans von Clark Ashton Smith!

Nur die Dungeons kommen etwas kurz – entweder man läuft kurz durch und bleibt im „Plotbereich“ oder der Spielleiter macht sich selbst ans Level-Designen.

 

City of Delight (Box) *****

Keine Abenteuer-, sondern eine weitere Hintergrundbox. Hier wird detailliert und umfangreich Huzuz vorgestellt, die Residenzstadt des Großkaliphen, weltliches und religiöses Zentrum Zakharas, Tempel, Universität, Palast und Harem, wichtige und unwichtige NSCs von Bettler über Händler und Palastintriganten zum schwermütigen Grosskaliphen und seinen frivolen Gespielinnen. Obwohl keine expliziten Abenteuer beschrieben werden, lediglich Abenteuer-Ansätze, springt einen doch jede Seite der beiden Bücher in dieser Box nur so mit Plot an. So hätte ein einfacher Einkaufsbummel meiner Spielergruppe über den Großen Basar beinahe zu deren tragischen Tod geführt, stattdessen wurden sie zu Helden und gewannen den Dank des Grosskaliphen. Ein ander mal konnte ich den Harem als Schauplatz für ein rasantes Slap-Stick-Abenteuers nutzen.

 

Corsairs of the Great Sea (Box) *****

Die Nordküste und der Krieg zwischen freiheitsliebenden Korsaren und ordnungschaffenden Mamlukensklaven ist das Thema dieser Box. Die Abenteuer sind für verschiedenste Stufen ausgelegt und größtenteils äußerst spielenswert. Zwar gibt es eine Rahmenhandlung, die ist aber lediglich eine nur für den Spielleiter sichtbare Geschichte um zwei wettende Genies. Die Abenteuer sind die Geschichten in der Geschichte…


 

Secrets of the Lamp (Box) ****


Hintergrund zu den Genie-Reichen in den vier Elementarebenen und drei Abenteuer, wovon zwei recht kurz gehalten ist, aber das dritte umso interessanter ist und äußerst tiefe Einblicke in das Leben in der Messingstadt der Ifrite und den Hof des furchtbaren Ifritsultans gewährt. Merke: Auch adligen Ifriten sind Hitzewallungen und irrationales Brunftverhalten nicht fremd!

 

Golden Voyages (Box) ***


Eine Box über Seefahrt und Navigation in den nur wenig kartographierten Inselarchipelen der südlichen See, mehrfacher Schiffbruch ist dabei möglich, Sindbad lässt grüssen. Mehre Einzelabenteuer und ein Kampagnenrahmen zur Suche nach einem fantastischen Schatz sind vorhanden. Die Abenteuer sind von der Art sehr unterschiedlich, auch unterschiedlich gut, aber das ganze ist doch etwas lückenhaft und setzt viel Improvisation voraus, um ein rundes Ganzes draus zu machen. Freies Erforschungsspiel ist aber durchaus im Sinne der Box!

 

Al-Qadim Monstrous Compendium Appendix (Heftblätter) ***

Interessant, aber nicht zwingend erforderlich sind viele Al-Qadim-Monster doch nur in den entsprechenden Boxen enthalten. Viel benutzt habe ich aber die Begegnungstabellen der unterschiedlichen Landschaften, die ja immer wieder von Spielergruppen durchquert werden müssen: Wüsten, Berge, Dschungel, Meere – und Luft!

 

Reunion (Heft) *

Ein Turnierabenteuer mit toller Idee und schlechter Umsetzung. Es geht um eine Wüstenstamm, der von einem bösen Zauberer versklavt wurde. In drei Einzelabenteuern müssen dabei die Familienmitglieder zusammenfinden: Die Männer müssen aus dem Bergwerk, die Frauen aus dem Harem und die Kinder aus ihrem Gefängnis ausbrechen und auf unterschiedlichen Wegen zur geheimen Oase des Stammes gelangen. Zwar sind die Ausgangssituationen, Ausbrüche mit unterschiedlichsten Mitteln, und auch einige der Folgesituationen (die Frauen vor dem Kadi!) rollenspielerisch sehr interessant, aber insgesamt handelt es sich doch um eine unglaubwürdige Sightseeingtour durch Zakhara und seine pittoreske Monster-Fauna. Schade.

 

Ruined Kingdoms (Box) ****

Die Ruinenreiche im Südosten werden beschrieben – zu den vielen Wüsten Zakharas sind die Dschungel eine willkommene Abwechslung, zudem gibt es jede Menge spektakulären Hintergund aufzudecken. Leider kommt die Kampagne in Form eines enggleisigen, wenig überzeugenden „Abenteuerpfades“. Wo sind die Erdbeben, Tsunamis, Dämonen und Elementararmeen, die die Endgegnerin zu beschwören droht? Wo haben die Aktionen der Spieler Konsequenzen auf den Kampagnenverlauf? Diese Kampagne nach Buch zu spielen ist ein Fehler! Begeht ihn nicht! Sei’s drum, einige der Einzelabenteuer sind durchaus originell und gut einstreubar in andere Handlungsstränge.

 

The Complete Sha’ir’s Handbook (Softcover) **


Es gibt etwas Hintergrund für den Sha’ir, sonst dreht sich alles in dem Buch um andere Magier-Kits. Es werden auch einige neue, sehr exotische Magier-Kits vorgestellt, leider sind sie spielmechanisch zu sehr mit Nachteilen belastet, als dass sich jemals ein Spieler durchringen könnte, eines zu wählen. Bleiben eben einige Konzepte zur Inspiration für NSCs. Das nützlichste in diesem Buch sind die neuen Zaubersprüche und eine Komplettliste nach Element aller Sprüche aus Spielerhandbuch, Arabian Adventures, Secrets of the Lamp, Sha’ir’s Handbook und Almanach der Magie (es fehlt aber: Alles über den Magier).
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:27
Trail of Cthulhu RPG

Trail of Cthulhu ist eines von vielen alternativen Regelwerken für Cthulhu, das Rollenspiel. Robin D. Laws und Kenneth Hite haben diese Verion verfasst, oder sage ich gleich „verbrochen“?

Zunächst mal zum Lobenswerten an Trail of Cthulhu:  Es wirkt weitestgehend sehr durchdacht und umschifft geschickt Gefahrenzonen typischer Spieler- und Spielleiterfehler. So wählt z.B. jeder Spieler bei der Charaktererschaffung einen Drang („Drive“), der seinen Charakter dazu bringt, sich mit gefährlichen und merkwürdigen Forschungen zu befassen.

Regeloptionen werden nach Puristen- und nach Pulpstil unterschieden und sind durch Symbole im Regelwerk hervorgehoben.

Auch der Schreibstil ist angenehm. Die Autoren zeigen, dass sie mit diversen Spielleiterparadigmen vertraut sind, identifzieren sich aber nicht mit einem Stil und reden auch nicht bestimmte Spielstile schlecht. So widmen sie etwas zwei Seiten des Buches der Diskussion Railroading vs. offenes Spiel  und lassen Erfahrungen vom Spieltisch mit einfließen.

Nun aber zum Kern der Regeln, nein, den Regelkernen, denn es gibt ihrer drei: Investigative Abilities, General Abilities und Stability/Sanity.

 

Investigative Abilities

Diese Fertigkeiten dienen der Ermittlungstätigkeit. Sie betreffen Wissen, Interaktion und Technik. Das Level der Fertigkeit definiert, wie detailliert der Spielleiter Informationen herausrückt. Gewürfelt wird dabei nicht. Die Kernhinweise zur Lösung des Szenarios werden also automatisch gefunden, denn der Spielleiter stellt sicher, das die Gruppe über die erforderlichen Fertigkeiten für das gewählte Szenario verfügt. Die intellektuelle Schwierigkeit von Ermittlungsabenteuern soll also nicht im zufallsabhängigen Finden, sondern im Zusammenfügen von Information liegen.

Dennoch kann es sich lohnen, mehr als einen Punkt in einer Ermittlerfertigkeit zu haben, denn es gibt die Möglichkeit, Poolpunkte einer Fertigkeit für Vorteile auszugeben (der Ermittlungswert der Fertigkeit sinkt dadurch nicht). Dies kann zu Boni auf eine andere Fertigkeit führen (z.B. durch Nutzung von Fachliteratur), zu persönlichen Bekanntschaften von Nichtspielerfiguren aus dem selben akademischen Fachgebiet, oder zu schnellerem Zugang von Information führen, als im Szenario geplant, was besonders angenehm ist, wenn die Spieler den Plot bereits durchschauen, und man dann eine langwierige Recherche abkürzen kann.

Dieses System hat durchaus Vorteile, die nicht zu leugnen sind, jedoch werden Ermittlerfertigkeiten nie gewürfelt und Spieler müssen mit dem Spielleiter auf einer abstrakten Ebene verhandeln, welche Vorteile sie durch die Ausgabe von Punkten bekommen können.

 

General Abilities

Die allgemeinen Fertigkeiten sind die typischen Fertigkeiten, die in allerlei Action-Szenen genutzt werden: Kampf, Flucht, Verfolgungsjagden etc. Der Unterschied zu Ermittlerfertikeiten: Hier wird gewürfelt! Punkte werden aus der Fertigkeit ausgegeben, um vor dem Wurf einen Bonus zu erkaufen. Nach einer ungestörten Nachtruhe sind die allgemeinen Fertigkeitspools wieder voll (Ermittlungsfertigkeiten erst zum nächsten Szenario).

Das Ressourcenmanagement der Pools soll für Spielspannung sorgen, tatsächlich führt es jedoch auch hier eine abstrakte Ebene ein, die im BRP-Regelwerk und anderen klassischen Rollenspielsystemen nicht existiert. Wer eine hohe Fertigkeit hat, kann zwar mehr Proben erfolgreich bestehen, als jemand mit einer niedrigen Fertigkeit, aber was bedeutet es für den Charakter, wenn der Spieler Punkte ausgibt? Strengt er sich dann mehr an oder weniger? Was bedeutet es, wenn ein Pool leer ist? Ist der Charakter dann erschöpft? Aber wieso muss er dann eine Nacht ausruhen statt 15 min Verschnaufen, um den Pool wieder aufzufüllen? Tatsächlich bedeuten die Fertigkeitspools überhaupt gar nichts in der Spielwelt. Sie sind ein vollkommen abstraktes Werkzeug zur Beschäftigung des Spielers. Brecht’sches Spiel mit V-Effekt. Wo man bei BRP einach eine Probe in seiner Fertigkeit mit 45% würfelt und sich in den Charakter hineinfühlt, der ja genau weiß, wie gut er in etwas ist, wird bei Trail die Immersion durch abstrakte Überlegungen auf der Metaebene gestört. Wer braucht denn eigentlich diese Punkteschieberei?

 

Stability / Sanity

Die geistige Gesundheit wird mit zwei Parametern gemessen: Stability und Sanity. Der Unterschied zwischen beiden Werten (auch sie sind Poolfertigkeiten) wird über zwei Seiten im Regelwerk erläutert. Schlau wird man daraus jedoch nicht. Stability ist jedenfalls ein Wert, von dem oft Punkte abgezogen werden, egal ob durch Mythos- oder Nichtmythosvorfälle, während Sanity eine langsamere, tiefergehende Schädigung des persönlichen Weltbildes durch den Kontakt zum Cthulhu-Mythos simulieren soll. Wahnsinnig wird man jedenfalls über beide Werte. Im Spiel zeigte sich, dass die Stability-Punkte ziemlich schnell in den Keller gehen, weil für den geringfügigsten Stresszustand (z.B. den Anblick einer Leiche) als auch für Begegnungen mit Mythoskreaturen Stability verloren geht. Warum man am Ende des Szenarios durch Mythosbegegnungen wahnsinnig ist, weil man am Anfang des Szenarios eine Leiche gesehen hat, ist aber nicht nachvollziehbar, da es ja einen zweiten Wert, nämlich die Sanity eben just für das persönliche Weltbild gibt. Warum hat man nicht Stability für Nichtmythosstress reserviert, und als schlimmste Konsequenz ein bloßes tempöräres „Durchdrehen“ festgelegt, und den Wahnsinn ausschließlich an die Sanity-Schädigung gekoppelt? So, wie die Regeln sind, hat man auch wieder hier abstrakte Werte, unter denen man sich nichts vorstellen kann.

Im Vergleich zur schlichten Schönheit des geistigen-Stabilität-Systems von BRP mit nur einer Skala verliert Trail, denn spielmechanisch ist kein Vorteil erkennbar. Peinlich für die Autoren ist jedoch auch, dass sie gegenüber den realistischeren Unknown-Armies-Regeln für geistige Zustände gnadenlos abstinken, denn an dem eleganten UA muss sich jedes Horror-Rollenspiel messen, das seitdem erschienen ist. In meiner Gruppe haben wir die Stability/Sanity-Regeln bereits nach einer Spielsitzung abgeschafft.

 

Fazit

Trail of Cthulhu löst elegant Probleme, die mit etwas Erfahrung vermeidbar sind, und schafft durch Einführung abstrakter Regelmechanismen Probleme, die in klassischen Rollenspielen niemals auftreten können. Trail bzw. das zugrundeliegende Gumshoe-Regelwerk wurde von Intellektuellen im Elfenbeinturm geschrieben und führt im Feldversuch zu vielen Pannen. Ab ins Regal mit Dir, Regelbuch, und fange Staub! Iä!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:29
Flucht von Valmorca (Softcover, Abenteuer)

Durch eine Verlosung im Rollenspiel-Almanach bin ich an das kleine Softcoverbuch „Flucht von Valmorca“ gelangt und dieses Büchlein ist durchaus den Aufwand wert, dass ich darüber schreibe. Es beinhaltet sowohl ein Setting, Spielregeln, ein Solo-Abenteuer zur Einführung und eine Kampagne aus 28 Abenteuermodulen in äußerst löblichem Layout!

Die Settingbeschreibung befasst sich zunächst kurz mit fünf kulturell stark unterschiedlichen menschlichen Völkern. Auf langweilige Elfen, Zwerge, Orks wird hier verzichtet (im Gegensatz zum Destiny Dungeon RPG des gleichen Autors), was mich etwas an das Rollenspiel „Hyperborea – Meister des Stahls“ (orig. „Bloodlust“) mit seinen feindseligen, kriegerischen Völkern erinnert. Weiter geht es mit der Beschreibung der Gefangeneninsel Valmorca, der dort etablierten Banden und der wichtigsten Agitatoren. Auch hier erinnern mich die Verschlagenheit der NSCs, die Brutalität des Überlebenskampfes und die Andeutungen dunkler Magie durchaus positiv an die Stimmung von Hyperborea.

Die Spielercharaktere werden ebenfalls als Gefangene auf dieser Insel abgeladen und müssen sich ihren Platz vor Ort erkämpfen. Der Anfang ist über das enthaltene Soloabenteuer möglich, welches einem außerdem die Regeln näher bringt. Hier fällt schon auf, dass dieses Buch nicht einfach nur aufwendig und bunt, sondern intelligent gestaltet ist, denn eingängige Symbole im Text verdeutlichen dem Leser regeltechnisch Relevantes. Daumenkino-Würfelsymbole auf jeder Seite erleichtern auch das sofortige Soloabenteuerspiel ohne Zubehör.

Ich habe das Soloabenteuer nur einmal gespielt und darin versagt, das optimale Spielziel, die Aufnahme in eine Bande, zu erreichen. In einem Rollenspiel hätte ich den Charakter aber auf jeden Fall aus der Endsituation heraus weiterspielen wollen!

Auf die Aufnahme der Spielercharaktere in eine bestimmte Bande folgt die eigentliche Valmorca-Rollenspiel-Kampagne. Knapp zusammengefasst, aber mit allen relevanten Informationen und vielen anschaulichen Karten versehen werden 28 Abenteuer (Nr. 29 ist der Epilog) beschrieben. Sie sind modular miteinander verknüpft, d.h. die Auslösung von Einzelabenteuern und die genaue Reihenfolge hängen von Entscheidungen und Ergebnissen während des Spiels ab. Dies ist sehr sinnvoll, da man als Spielleiter gar nicht erst überlegen muss, wie man dem starren Konstrukt eines Plotautoren entkommen kann. Auch hier unterstützen klug designte Symbole das Auffinden von Schlüsselinformationen im Text. Sowohl der inhaltliche Aufbau, die Organisation von Information als auch die ansprechende Optik sind schlicht und einfach vorbildlich.

Ein kleines Manko: Gegen Ende der Kampagne konnte der Autor der Versuchung nicht widerstehen, einen gewissen plottragenden NSC in einem Abenteuer etwas forciert entkommen zu lassen, um die Schlüsselszene im folgenden Abenteuer zu ermöglichen. Dies tut dem ansonst exzellenten Aufbau der Kampagne jedoch keinen Abbruch, da die modulare Struktur dem Spielleiter jegliche Freiheit lässt. Ich bezweifle ja, dass mit meinen Spielern die Kampagne wie beschrieben ablaufen würde, denn die wichtigsten Plotträger wären wahrscheinlich in der Mitte der Kampagne bereits tot. Dennoch wären nicht alle Vorfälle in späteren Abenteuern ausgehebelt und ich hätte als Spielleiter weiterhin Nutzen durch das  Beschriebene. Schließlich ist das letztendliche Ziel einer jeden Valmorca-Kampagne nicht das bloße Überleben, sondern die Flucht in die Freiheit.

Auf die Kampagne folgen noch einige Seiten mit den Spielregeln. Das System ist W6-basiert, aber recht ausgeklügelt. Trotz der Knappheit der Seiten ist jedoch alles Relevante enthalten: Kampf inkl. Wurfwaffen, Rüstung, Bewegung, Tod, Moralregeln; aber auch Talente, Zaubersprüche, Erfahrungspunkte.

Mit Sicherheit werde ich die Valmorca-Kampagne irgendwann spielen, leicht abgeändert mit Hyperborea-Regeln, da ich persönlich nicht noch ein neues Regelwerk brauche. Das Setting hat mich aber begeistert, denn ohne plumpe Orks und Oger, allein durch Handlung und NSCs sorgt der Autor Herausforderungen und düstere Stimmung. Ich bin gespannt, was Ace of Dice noch so an Abenteuern herausbringt, die ich verwerten kann. In einem Interview mit dem Herzlichen Rollenspiel nannte er den Wunsch,  seine Destiny-Reihe möglichst professionell am deutschen Rollenspielmarkt zu platzieren. Ein hehres Ziel, aber Erfolg wünschen kann man ihm, denn er macht wirklich gute Arbeit!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:32
Bad Myrmidon (OSR-Modul)

Ein sehr trashiges Hack-n-Slash-Abenteuer für Erwachsene von Rafael Chandler, für einen guten Zweck. Es beinhaltet Myrmidonen, Amazonen und eine erfrischende Menge unnötiger Brutalität zwischen ebendiesen Veteranen des Trojanischen Kriegs. Es besteht zur Hälfte aus Hexploration und zur anderen Hälfte aus Dungeon Crawl und wirkt recht unterhaltsam.

Warnung: Hexfeld 507 ist von James Edward Raggi IV beschrieben worden und übertrifft erwartungsgemäß den Rest des Abenteuermoduls an Geschmacklosigkeit.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:37
Yoon-Suin the Purple Land, ein Fantasy-Setting von David McGrogan

Von den stinkenden Fluten des Götterflussdeltas träge umspült, erhebt sich die Gelbe Stadt mit ihren prunkvollen Pagoden und verqualmten Tempeln. Träge räkeln sich die Besucher der Opiumhöhlen, bis zur Heißerkeit streiten sich die Gelehrten in ihren Gildenhäusern und angeregt schlürfen Angehörige aller Kasten die exquisiten Gebräue in den Teestuben der Stadt. Die Sänftenträger der Schneckenmenschen trampeln über verkrüppelte Bettler und Verrückte hinweg. Versklavte Krebsmenschen schleppen Steine für den Bau neuer Paläste, während ein Dutzend alter Stadtteile unter dem Gewucher des Láhág-Dschungels dahinbröselt. Flussaufwärts: Die Hausboote der Flussleute transportieren Opium und Tee, Opale, Jade und Smaragde durch den mangrovenartigen Flusswald Lamarakh zur Gelben Stadt, um diese bei den Kartellen der Schneckenmenschen gegen Perlen und Waren von jenseits des Muränengolfs zu tauschen.

Westlich des Láhág, südlich des Lamarakh: Die Hundert Königreiche fechten ihre alten Fehden untereinander aus und pflegen seltsame und grausame Riten, die ihrer jeweiligen Kultur eigen sind.

Im Norden: Die Opiumtäler der Oligarchen und das ferne Hochland Sughd, in dem, die ungewöhnlichsten Teesorten gedeihen, erstrecken sich in den Ausläufern der Berge des Mondes, deren Wurzeln von den Zitadellen vergangener Zwergenkulturen durchlöchert sind und deren Gipfel den Menschen nicht genug Luft zum Atmen bieten.

Das purpurne Land Yoon-Suin bietet dem abenteuerlustigen Reisenden ebensoviel erstaunliches wie entsetzliches, doch eine Gefühlsregung beherrscht die Atmosphäre dieses alten, alten Landes wie keine andere: Wehmut. Der dekadente aber zu Tode gelangweilte Schneckenmensch, der Flusshändler, der eine Bootsladung funkelnder Rubine zur Gelben Stadt befördert, nur um hinterher wieder auf seinem Boot den ewig-feuchten Lamarakh-Wald flussaufzuschippern, der unter der Last seines Fluches durch den Láhág-Dschungel hetzende Dämon, keiner entrinnt je der Wehmut des Purpurnen Landes.

Inspirativ und nutzbar zugleich

Nach einigen einführenden Kapiteln, u.a. dem Stimmung setzenden Tagebuch des Laxmi Gutra Dahl, Charakterbauregeln für Krebs- und Schneckenmenschen und einem Bestiarium indisch inspirierter Dämonen und fantastischer Kreaturen, zeigt sich erst, wie genial David McGrogan sein Setting praktisch zugänglich zu präsentieren weiß.

Die folgenden vier Kapitel (Die Gelbe Stadt und die Topasinseln, Die Hundert Königreiche und Láhág, Lamarakh und der Untere Druk Yul, Die Berge des Mondes und Sughd) sind jeweils einem der Subsettings gewidmet und bestehen aus Tabellen zur Durchführung der Kampagne. Dabei wird erst das soziale Umfeld der Spielercharaktere ermittelt sowie momentane Konflikte und bedeutsame NSCs. Bei Bedarf können im Lauf der Kampagne beliebig viele weitere soziale Gruppen, NSCs und Ereignisse zufallsgeneriert werden. Für die Erforschung der Umgebung stehen vorbereitete Hexfeld-Einträge sowie zahlreiche Begegnungstabellen bereit.

Die Kampagne oder besser Kampagnen in Yoon-Suin sind also generisch, durch die Vielfältigkeit der inspirierenden Einträge wird ein Gefühl der Beliebigkeit aber vermieden. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, durch belanglose Tabellen voller Hartwurstigkeiten zu blättern. Was man sowieso als Spielleiter selber bereitstellt oder durch Regelwerke zur Verfügung hat, stiehlt einem in diesem Setting-Buch nicht den Platz. Wo man durch seltsame Tabelleneinträge als Spielleiter ins Schwimmen kommen könnte, folgt stets eine Erklärung oder eine Untertabelle zur Erläuterung.

Beispiel einer Kampagne in den Hundert Königreichen

Ich würfle mir probeweise ein Königreich aus: Eine (3) Plutokratie (9) paranoider Händler, die unter dem (5) Mottenbanner über eine (1) monotheistische Bevölkerung voller imaginärer oder tatsächlicher Verschwörer herrscht. Die Mottenstadt ist bekannt für ihre (15) große Schmiede, in der sich zahllose Sklaven zu Tode schuften, und ist zur Zeit (19) Opfer eines Söldneraufstands. Aha, dann geht es den Söldnern wohl gar nicht um Geld, sondern um Gewalt über die berühmte Waffenschmiede, in der aus hochwertiges Eisen erzeugt und zu überragenden, in Sklavenblut gehärteten Waffen und Rüstungen verarbeitet wird. Dies wäre wohl die Basis für einen zukünftigenEroberungskrieg der ehemaligen Söldner, die von den paranoiden Plutarchen ursprünglich ins Land geholt worden waren, um sie vor der eigenen Bevölkerung zu schützen. Übrigens gibt es noch (12) einen mystischen Brunnen in der Stadt, sagen wir im Palast, in dem sich die Plutarchen vor den Söldnern verschanzen.

Weiter mit dem Gesellschaftsumfeld der Spielercharaktere: Eine (7) Opiumhöhle, in welcher (4, laut Anhang B – Opium) zerriebenes gelbes Opium mit belebendem Effekt geschnupft wird. Aktueller Konflikt: (8) Wahnsinn. Mehrere Kunden (aufständische Söldner?) sind in jüngster Zeit Amok gelaufen, obwohl dies nicht zu den üblichen Effekten des stimulierenden gelben Opiums gehört. Bedeutende NSCs: (10) Chef der Wache unserer Opiumhöhle sowie (1) ein süchtiger Stammkunde, (10) von dem es heißt, er könne aus dem zerstampften Opium die Zukunft lesen.

Außerdem wird in der Kampagne ein (8) Schläger namens (1) Krishna in (16) zerschlissener Kleidung vornehmster Machart wichtig, der mit einer (18) Hypnotiseurin namens (19) Simra (23) rivalisiert, vielleicht um den Besitz der Opiumhöhle? Weiterhin: Ein (11) Rattenfänger (15) erpresst einen (2) Söldner – natürlich den Führer des Söldneraufstandes. Besteht hier ein Zusammenhang mit dem Wahnsinn der opiumkonsumierenden Söldner? Kam hier vielleicht ein Rattengift zum Einsatz?

Damit nicht genug, ein Gerücht besagt, dass (2) ein neues Opium in der Gegend populär wird, allerdings belebt es nicht, wie unser gelbes Oium, sondern macht die Konsumenten schlapp und antriebslos. Versuchen die Plutarchen die Söldner zu betäuben oder drängt hier ein Konkurrent auf den Opiummarkt?

Auf die Tabellen und Hexfeldeinträge zur Umgebung gehe ich hier aus Platzgründen nicht ein. Die beim Schreiben zufällig generierte Kampagne verspricht jedenfalls interessant zu werden.

System

Yoon-Suin ist mit jedem Rollenspielsystem spielbar, da sich der Autor soweit wie möglich auf Informationen beschränkt hat, die über Grundregeln hinausgehen. Es finden sich wenige Verweise auf Monster und Zaubersprüche aus dem D&D-Universum wieder, sowie kurze Stats, die mit älteren D&D-Versionen kompatibel sind. Darüber wird der artfremde Leser mit Leichtigkeit hinwegsehen können.

Umgebungskarten in Spieler und Spielleiterfassung

Im Anhang gibt es zu jedem Subsetting eine Umgebungskarte, stimmungsvoll aber krakelig und umpräzise, wie sie ein Gelehrter des Landes anfertigen würde. Für den Spielleiter befindet sich daneben eine klassische Hexfeldkarte. Ein wunderbares Konzept! Leider ist die Bildqualität der Karten in der Druckversion nicht sonderlich gut. Vielleicht sieht man sie im pdf besser. Möglicherweise kann man den Autor auch überzeugen, seine Hexographer-Dateien zur Verfügung zu stellen.

Immerhin verspricht McGrogan den Käufern beider Ausgaben (Print und pdf) als Bonus sein Yoon-Suin-Abenteuer The Halls of the Shimmering Stars in the Deep Blue Firmament. Besser man stellt es sich so herum vor: Man kauft das Abenteuer und bekommt das pdf als Bonus. Klingt schon viel sympathischer.

Fazit

David McGrogans Yoon-Suin fasziniert durch seine kreative indisch-chinesisch-tibetanische Fantasy, welche seltsam genug ist um sich deutlich von den bodenständigeren deutschen Settings abzuheben. Gleichzeitig ist es nicht so verrückt wie viele „Weird-Fantasy“-Produkte von LotFP, bei denen man ernsthaft zögert, diese auf seine Spieler loszulassen, oder so wirr wie die Settings von Zak Smith (übrigens auch ein Bewunderer Yoon-Suins), dass sie für den Nicht-Zak-Spielleiter schwer zugänglich sind. Deutsche wie amerikanische Rollenspielautoren sollten sich unbedingt von McGrogan abschauen, wie man Informationen nutzbar aufbereitet! Was hätte beispielsweise Carcosa für ein Hammer werden können, wäre es so systematisch und variabel wie Yoon-Suin dahergekommen.

David McGrogan arbeitet derweil an der zweiten Edition von Yoon-Suin.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:42
HOMEKA (Jeu de rôle)

Als die Menschen Zephyr besiedelten, war dieser Gasriesenmond reich an Wasser und Leben. Nun, im Jahr 2654 AD, ist das Paradies seiner Ressourcen beraubt, übrig bleiben Sand, orkanartige Stürme und einige mit aggressiven lila Salzen verseuchte Seen, die kläglichen Überreste des Ozeans, den die Konzerne in den Orbit pumpten und in Sternenschiffen exportierten. Das Sternenportal ist zerstört, der Ressourcenkrieg zwischen den Konzernen wurde zum Überlebenskrieg der Zurückgelassenen.

Nun, nachdem die höchsten technologischen Wunder irreparabel zerstört sind, und Munition nur noch in Restbeständen gehortet wird, arrangieren sich die Überlebenden mit ihrem Dasein in Städten und Dörfern zwischen gigantischen Wanderdünen, Tagebauwüsten und radioaktiven Todeszonen.

Glücklich aber kann sich schätzen, wer zur Crew eines Mechs gehört. Diese ehemaligen Kriegsmaschinen der Konzerne können längst nicht mehr von nur einem Piloten in voller Synergie mit der Maschine betrieben werden, denn sämtliche Synchronisationsstationen sind vernichtet. Um sie überhaupt im Rangiermodus verwenden zu können, wurden sie drastisch umgebaut, Kabel wurden neu verlegt und Raum für Stationen zum Bedienen der verschiedenen Subsysteme wurden eingerichtet, beengte Schlafplätze und Küchennischen für die Besatzung eingerichtet. Fehleranfällig und ungelenk mögen diese HOMEKAs sein (Wortkonstrukt offenbar aus „mobile home“ und „mecha“), doch um Konvois Geleitschutz zu bieten oder die trockene See nach brauchbaren Ressourcen zu erkunden sind sie die besten Maschinen, die Zephyr zu bieten hat.

HOMEKA ist ein französisches (und nur in jener Sprache vertriebenes) Rollenspiel. Die oben in Kurzfassung vorgestellte Hintergrundwelt wird in angemessenem, nicht aber ausuferndem Detail beschrieben. Als Leser möchte man eigentlich sofort Charaktere bauen und einen Mech bemannen.

Das Layout ist ansprechend, besonders die 20 Mech-Modelle und ihre „technischen Tafeln“. Dem aufmerksamen Betrachter entgeht nicht, dass an manchen dieser Mechs Wäscheleinen aufgespannt sind – da nutzt die Besatzung wohl gerade einen windarmen Tag zum Verrichten wichtiger Alltagsaufgaben.

Das Spielsystem basiert auf einem Regelwerk namens ASPEX. Dessen Kernpunkte sind veränderliche Würfel und eine Attribute-Fertigkeiten-Matrix. Das heißt zum einen: Alle typischen Rollenspielwürfel vom W4 zum W20 werden genutzt. Man würfelt gegen eine vorgegebene Schwierigkeit, bspw. 4, mit dem Würfel, der einem zusteht, üblicherweise W6 für Menschen (Maschinen nutzen verschiedenste Würfel, im Extremfall den W20). Durch Verwundung, Systemschaden, fehlende Fertigkeit etc. kann der Würfel herabgestuft werden, etwa vom W6 zum W4. Wer sich für einen kritischen Wurf entscheidet, kann für einen Punkt Vigilance (Wachsamkeit, ein langsam regenerierender Pool) seinen Würfel hochstufen, z.B. vom W6 auf W8, nimmt aber dafür die Gefahr eines Patzers bei einer gewürfelten 1 in Kauf (ohne kritischen Wurf gibt es keine Patzer; Patzer heißt oft Verlust eines Trefferpunktes). So weit so gut.

Nun zur Attribute-Fertigkeiten-Matrix: Der Spieler legt Punkte in seine Fertigkeiten, wobei er die Punkte jeweils einer Fertigkeit einzelnen Attributen zuweist (max. 2 Punkte pro Eintrag). Die Summe der Fertigkeiten eines Attributs ergibt das Attribut. Spieltechnisch von Bedeutung bleibt aber der einzelne Eintrag (von 0 bis 2), der einen Bonus auf einen entsprechenden Wurf darstellt. Bspw. kann ein Charakter in der Fertigkeit Überleben auf dem Attribut Ausdauer 1 Punkte, auf Wissen 2 Punkte und auf Stärke, Präzision, Diskretion und Intelligenz 0 Punkte haben. Uff! Wozu das ganze? Einfach eine Fertigkeitsliste ohne Attribute wäre viel einfacher gewesen! Die Idee ist, dass der Charakter präziser nach seinem Konzept gebaut und gespielt wird. Verlang der Spielleiter einen Wurf auf Überleben – Diskretion gegen 4, kann der Spieler anbieten, stattdessen auf Überleben – Wissen zu würfeln, weil sein Charakter sich mit derartigen Situationen aufgrund seiner Kindheit allein unter lila Wüstenwölfen so gut auskennt. Der Spielleiter ist angehalten, Diskussionen über das passende Attribut kurz zu halten, und kann die Schwierigkeit für das stellvertretend eingesetzte Attribut situationsbedingt nach oben oder unten korrigieren. Das Risiko hierfür muss der Spieler tragen. Das erste Spielt wird erst noch zeigen müssen, wie sich das in der Praxis auswirkt.

Außerdem sieht das HOMEKA-Regelwerk vor, Zusatz-Erfahrungspunkt für das Ausspielen der Persönlichkeit eines Spielercharakters zu vergeben. Das ist ja so 90er! Am besten man ignoriert diese Regel und lässt die Spieler je nach Spaß und Laune spielen.

Richtig spannend werden die HOMEKA-Regeln erst, wenn wir uns die technischen Bögen der Mechs anschauen: Den Stationen, bspw. Manipulator, Mobilität, Artillerie, Drohnen, Synergiekammer, sind Energiewürfel (rangiert je Mech vom W8 bis W20) zugeordnet. Außerdem sind an allen Gliedmaßen/Baugruppen Panzerung, Tonnage, Erschütterungswert (wegen Übelkeit!), ggf. Schadenswürfel angegeben. Es gibt auch eine Zählleiste für Trinkwasser.

Mit Spielfiguren können die Positionen der Crew-Mitglieder dargestellt werden. Meistens kann zum Stationswechsel ein Kabelschacht genutzt werden, aber nicht immer. Durch eine Schleusentür steigen, unter Beschuss an der Außenhaut des Mechs entlangklettern, Enterversuche von Sandhopper-Fahrern abwehren, durch eine weitere Schleuse wieder hinein, um den verwundeten Kameraden zu verarzten –  das will gut überlegt sein.

Alle bemannten Stationen sind über Neuronalschnittstellen mit der Fertigkeit Mech-Pilot bedienbar und nutzen den Würfel der Mech-Station. Bemannte Stationen, die in der Runde nicht aktiv genutzt werden, können einer anderen Station Energie zuführen, d.h. bspw. im T-400 „T-cat“ liefert die Manipulatorenstation ihren W12 an den benachbarten Artillerieposten mit dem Lasergeschütz, der seinen W10-Wurf versemmelt hat. Der bereitgestellte Würfel wird dabei herabgestuft, einmal für jede Station, die die Kabel bis einschließlich Empfängerstation durchlaufen, und einmal, wenn die Betriebsart von Geber- und Empfängerposten unterschiedlich sind. In diesem Fall sin Manipulatorstation und Artillerieposten direkt benachbart, d.h. der W12 wird erstmal zum W10, aber dann ist noch die Betriebsart unterschiedlich, einerseits Myomere (Kunstmuskeln), andererseits Energiewaffe, d.h. der W10 wird weiter zum W8 herabgestuft. Immerhin, ein Wurf darf wiederholt werden, großartig! Oftmals kommt nur noch ein W4 an Energie an, womit eine Probe im Kampf kaum zu schaffen ist.

Charaktere können „individuell“, also zum Nachbestücken, oder als Gruppe erschaffen werden, d.h. alle investieren Erschaffungspunkte in einen Fahrzeugkonvoi, einen kleinen Mech mit Konvoi oder einen mittelgroßen Mech ohne Konvoi.

Für Waffennarren gibt es nicht nur eine lange Waffenliste, sondern auch lange Listen mit Munitionsarten und Sprengköpfen/Kampfstoffen (komisch: keine Kernwaffen, die waren irgendwo ganz woanders im Fließtext versteckt). Etwas kompliziert ist, dass Durchschlagskraft und Schaden der Waffe und der Munition miteinander verrechnet werden müssen. Das wirkt beim Lesen recht tödlich – auch für Mechfahrer!

Außerdem enthält das Buch noch ein Kapitel mit Spielleiter-Wissen, vorgefertigte Charaktere (huch, die haben den Regeln nach zu viele Trefferpunkte!) und zwei Abenteuer (huch, die NSCs haben zwar Statblocks, aber ohne Trefferpunkte!).

Am Ende des Buches befindet sich ein Charakterbogen, druckfreundliche Versionen der technischen Bögen der beiden kleinsten Mechs und ein (Code zum Generieren für den persönlichen) Zugangscode für Zusatzmaterial auf der HOMEKA-Webseite. Natürlich habe ich dort, im geschützten Bereich der Webseite, druckfreundliche Ausgaben aller 20 Mechs erwartet und ein Errata/FAQ. Nichts da. Nur der Charakterbogen und die zwei bekannten Mech-Bögen. Enttäuschend. Dazu hätte es nicht solch eines komplizierten Prozederes bedurft.

Insgesamt bin ich aber begeistert und kann es kaum erwarten, HOMEKA einem Praxistest zu unterwerfen. Über die kleinen Mängel sehe ich gerne hinweg, zumal keine Gummipunkte und keine Erzähltrickserei vorgesehen sind. Und falls die kleinen Mängel sich im Spiel als große Mängel entpuppen sollten, muss eben ein anderes System die Spielbasis liefern. Die 20 Mechmodelle sind jedenfalls sehr gut konzipiert, die Spielwelt ebenso. Das will man einfach spielen!

Nachtrag:
Nach dem Schreiben dieser Edition musste ich feststellen, dass die Regeln unvollständig sind! Sobald ein Mecha auf einen anderen Mecha schießt, lässt einen das Regelwerk im Stich. WTF? Zum Glück kann man Regeln extrapolieren und ergänzen. Ich habe tatsächlich eine Mini-Kampagne erfolgreich geleitet und die Spieler verlangen nach einer Fortsetzung.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:45
Broodmother SkyFortress (LotFP)

Autor Jeff Rients, der mit seinem Gameblog die OSR mitverursacht hat, und Herausgeber James Edward Raggi IV, der mit Lamentations of the Flame Princess die OSR als erster erfolgreich monetarisierte, präsentierten 2016 das spektakuläre LotFP-Modul Broodmother SkyFortress.

Da ist es höchste Zeit, zum RSP-Blogs-Karneval Dezember 2019 mit dem Thema Höllenbrut endlich jenes teuflische Buch zu besprechen. Tatsächlich handelt es sich nicht einfach um ein OSR-Abenteuer-Modul, sondern auch um eine Spielleiter-Fibel.

Das Buch ist als Hardcover und als pdf erhältlich. Raggi hat ordentlich Budget für Illustrationen springen lassen, es ist wohl abgesehen von Monsterkompendien das RPG-Buch mit der meisten Bebilderung im Verhältnis zur Seitenzahl. Die Bilder sind lustig bis abstoßend, albern bis spektakulär, einige sind Parodien. So ist auf dem Rück-Cover die Festung im Grenzland aus dem gleichnamigen D&D-Modul (B2 bzw. B1) von Gary Gygax zu sehen, wie sie in Flammen steht; auf Seite 5 sehen wir Jeff Rients in der Rolle der freizügigen Magierin des berüchtigt-frivolen Covers des Exalted-Bands Savant and Sorcerer. Wir dürfen davon ausgehen, dass sich dies nicht nur um ein Bekenntnis des LotFP-Verlags zu sexueller Diversität handelt, sondern auch um eine besondere Ehrerbietung Raggis gegenüber Jeff.

Nun zum Inhalt (Spoiler-Warnung!): Eine Wolkenfestung, die von sieben Riesen-Hammerhai-Elefanten-Zentauren bewohnt wird, legt die heiligen Stätten und Paläste der Kampagnenwelt in Schutt und Asche, also ein klassischer Plot in Anlehnung an das D&D-Modul Der Erdzerstörer (CM4 bzw. AS4).

Jeff begnügt sich nun nicht damit, genreüblich die Festung zu kartographieren und die Gegner zu beschreiben und mit Stats zu versehen, er gibt nebenbei reihenweise Spielleiter-Tipps, wie man Kampagnen aufbaut (und zerstört), wie man Abenteuer für seine eigenen Zwecke umschreibt etc. Auch dieses Abenteuer ist bewusst variabel konzipiert. Der Spielleiter muss viele Grundsatzentscheidungen treffen: Was sind die Riesen, wie genau sehen sie aus? Wer waren die Erbauer der Himmelsfestung, usw. Zum Glück gibt Jeff nicht nur verschiedene mögliche Antworten, er hat auch gleich einen Haufen Vorschläge, wie diese umzusetzen sind. Man kann das Modul also als ein den schlechten Geschmack abfeierndes Weird-Fantasy-Abenteuer leiten, oder wie zahmere klassische Fantasy oder wie auch immer es einem behagt.

Der zweite Teil des Buches ist eine Best-of-Sammlung mit SL-Tools und Tipps aus Jeffs Gameblog. Hier findet auch der erfahrene Spielleiter wahre Schätze: die berühmte Carousing Table (Ausschweifungstabelle), eine Sammlung häretischer Zauberbücher aus Jeffs Wessex-Kampagne, Moralregeln uvm.

Fazit

Broodmother SkyFortress ist mehr als nur ein Oldschool-Modul, es ist (sieht man vom AD&D DMG ab) das relevanteste Spielleiter-Buch für Abenteuerrollenspiel, das auf dem Markt erhältlich ist.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:49
Enzyklopädie aus Fleisch und Blut (OSR-Modul)

Wenn die Zenobiten aus Hellraiser eine Bibliothek bauen würden, wie sähe sie aus? Welche Art von Büchern befände sich darin, und welches Wissen wäre darin enthalten?

Darauf liefert uns die Enzyklopädie aus Fleisch und Blut keine definitive Antwort, aber so anders kann eine Zenobiten-Bibliothek nicht aussehen als die sagenumwobene „Bibliothek des vollumfänglichen Wissens“ aus diesem deutschsprachigen OSR-Modul. Es wird schnell klar, dass dieser Ort, in den die Abenteurer auf der Suche nach verlorenem Wissen hinabsteigen, kein ganz gemütlicher sein wird. Verstaubte Regale – Fehlanzeige. Verwirrter zerzauselter Bibliothekar oder hübsche graue Maus mit zu großer Brille – man wird sie vergeblich suchen. Dies ist ein Ort, der die Grenzen aufhebt. Kein Wissen ohne Wahnsinn, keine Ehrfurcht ohne Furcht, kein Schmerz ohne Lust.

Dieses PESA-zertifizierte Abenteuer ist im OSR-Stil sehr offen angelegt, ohne Plot-Korsett, und kann mühelos in laufende Sandbox-Kampagnen eingebettet werden, oder direkt in dem Heavy-Metal-Setting Pyrea des Autors belassen werden, wie in der mitgelieferten Hintergrundgeschichte vorgeschlagen.

Mit den intelligenten Gegnern und konkurrierenden Abenteurergruppen in diesem Abenteuer können auch Verhandlungslösungen erzielt werden. Gefährlich bleibt auch das Gebäude selbst, ohne zum reinen Nega-Dungeon zu verkommen. Enthalten sind auch mehrere Monster aus dem Monostichon-Challenge.

Darum vergebe ich an die Enzyklopädie aus Fleisch und Blut 5 von 5 glyphenbewährten Hautlappen, möchte aber hinzufügen, dass ich mit dem Autor bekannt bin, das Abenteuer testgespielt und korrekturgelesen habe. Diese Rezension ist also subjektiver als andere. Reine Gefälligkeitsrezensionen lehne ich weiterhin ab.
Bezugsquelle: DTRPG.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:52
Harte Schale
Traveller-kompatibles Abenteuer

Der einfachste Coup aller Zeiten? Eine aufgegebene Forschungsstation auf einem Mond mit exotischer Atmosphäre, Hi-Tech-Beute, die durch einen Buchungsfehler in Vergessenheit geraten ist, und touristische Kontakte mit der einheimischen Fauna, welche dazu neigt, harte Schalen zu entwickeln – wären da nur nicht gewisse unvermeidbare Komplikationen.

Pyromancer bietet uns ein intelligentes Explorationsabenteuer für Weltraum-Reisende, garniert mit subtilem Spott über seelenlose Großkonzerne, menschliche Hybris und kitschigen Militarismus-Fetisch.

Bezugsquelle: DTRPG.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.11.2021 | 17:54
“The Staffortonshire Trading Company Works of John Williams” von Glynn Seal (Lamentations of the Flame Princess)

Der Architekt und Spion John Williams bereist England, Europa und die Welt des 17. Jahrhunderts und hinterlässt uns 114 Seiten mit Zeichnungen und Bodenplänen von allerlei Gebäuden, technischen Bauwerken und einigen Schiffen: ein Gefängnisbau in Paris (die Bastille), Wohngebäude verschiedener Länder, Kirchen, Gasthäuser, ein Hahnenkampftheater, Dissektionsschauhäuser, Garnisonen, eine Plantage in Neuengland, eine Schebecke, eine Karawanserei, eine Eisenhütte, eine Walfangstation usw. usf.

Glynn Seal hat für die Gestaltung dieser Pläne akribisch recherchiert (eine Quellenliste befindet sich im Anhang des Buches, das finde ich besonders lobenswert) und sich dabei an historische Tatsachen gehalten. Gleichzeitig gelingt es ihm, in der Darstellung auf dem schmalen Grat zwischen Übersichtlichkeit und Informationsgehalt zu wandeln. Das Ergebnis ist eine Fülle an Karten, die sich hervorragend für Rollenspielzwecke nutzen lassen. Dies beschränkt sich nicht auf Lamentations of the Flame Princess; beim ersten Durchblättern entdecke ich mehrere Karten, die ich, wäre dieses Buch früher erschienen, in meiner Pavillon-Noir-Kampagne hätte nutzen wollen. Die nächste Gelegenheit kommt aber bald!

Da man zum Kauf des Buches auch die pdf-Fassung mit dazubekommt, ist es ein leichtes, auch für Online-Runden Karten zu extrahieren, ohne den Einband dieses edlen Hardcover-Buchs auf dem Kopierer strapazieren zu müssen.

Fazit

Dieses Buch ist für meine Zwecke einfach perfekt. Ich wünschte es gäbe noch mehr Bücher oder Kartentaschen (mit echten Karten statt bunten Drohnenbildern), denen sowohl der historische Realismus gelingt als auch die Praxistauglichkeit für den Spieltisch.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 24.11.2021 | 17:01
To whom it may concern: Danke fürs Anpinnen!  :d
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 21.05.2022 | 13:37
In a Deadly Fashion (LotFP)

In a Deadly Fashion ist ein Whodunit im Lamentations-Gewand von Courtney Campbell. Eine Mordserie und ein gestohlenes Brautkleid verunsichern einen erfolgreichen sevillanischen Promi-Schneider, der die Abenteurer anheuert, um seinen Namen reinzuwaschen. Der Text ist knapp gehalten und schnell gelesen, es ist also kein romangleicher Textirrgarten im Deutsch-Cthulhu-Stil. Opulente Illustrationen füllen dafür das Buch. Manchmal hätte ich mir mehr Informationen und Erklärungen gewünscht. Da der Spielleiter aber nicht mit Informationen erschlagen wird, sondern interpretieren und extrapolieren muss, ist es leicht, das Abenteuer in ein anderes Setting zu verfrachten.

Der Schwierigkeitsgrad der Ermittlungen ist nicht hoch. Trotz einiger toter Enden deuten doch recht viele Hinweise in die richtige Richtung, so dass die Spieler das Geheimnis in abendlichen 2-3 Spielsitzungen locker lüften können – dies ist kein Szenario, das an einem übersehenen Hinweis scheitern kann.
Da es sich um ein Modul für Lamentations of the Flame Princess handelt, muss natürlich auch obszöner Inhalt vorkommen. Dieser wirkt allerdings recht unnötig und aufgesetzt (weil LotFP eben!), das ist schade. Im Rahmen der Uminterpretation für die ADDKON-Kampagne hat sich das Modul glücklicherweise so schön eingefügt, dass sämtliche kleinen Unzulänglichkeiten Sinn ergaben.

Das Abenteuer ist kein Spielerfoltermodul wie Fuck for Satan oder Strict Time Records must be Kept. Es ist strukturell nett, also eigentlich nichts besonderes – wird aber getragen von einem starken Thema, der „Macaroni-Mode“ und den Schnöseln, die sie tragen, was dann doch zu einem lustigen Spielerlebnis für alle Beteiligten führte.

Drei von fünf Knopfaugen. Brautkleid bleibt Brautkleid.


Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Green Goblin am 21.05.2022 | 14:21
Schöner Thread. Machte mich neugierig auf einige Sachen, die ich mir nun sicher mal anschauen werde. Vielen Dank.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 21.05.2022 | 14:33
Danke. Freut mich.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Prisma am 21.05.2022 | 16:09
[...] Spielerfoltermodul wie Fuck for Satan [...]
Ich weiß, dies sind die Verrisse aus der Gruft ohne Gnade, aber Fuck for Satan ist doch kein Spielerfoltermodul. Ich finde, es ist eher als eine Art Lehrstück zu verstehen. Ein wenig wie "Lernen durch Schmerzen" und ein klares Zeichen worauf man sich bei LotFP einlässt. Darum sollte es mMn unbedingt als Startabenteuer dienen. Übrigens, auch der Spielleiter bekommt in dem Abenteuer auf die sprichwörtliche "Fresse". Ist doch fair, geteiltes Leid ist eben halbes Leid.  ;)   
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 24.09.2022 | 12:32
Wight Power

Das LotFP-Szenario (ich sage diesmal bewusst nicht Modul) Wight Power von Alex Mayo (bekannt als Co-Autor und Illustrator für Harlem Unbound) spielt auf der namensgebenden Insel Wight, wo seltsame bewusstseinsverändernde Kräfte von einer Klosterruine ausgehen. Mönche und Landsknechte haben einen Bereich der Krypta abgesperrt – graben sie, bauen sie etwas? Jedenfalls brauchen sie die Hilfe der Spieler-Personnagen, denn die beiden Gruppierungen sind argwöhnisch und verdächtigen sich gegenseitig des Mordes. Nicht eine, zwei unabhängige Katastrophen bahnen sich an, wenn die Spieler nicht eingreifen! [Spoiler-Warnung ab hier!]

Wie gut ist Wight Power nach AD&D-Kriterien (dem höchsten Standard für jedes OSR-Produkt)? Es verwundert vor dem Hintergrund des Autors nicht, dass dieses Abenteuer strukturell eher einem Cthulhu-Szenario ähnelt (Geheimnis, Erforschung, Finale) als einem AD&D-Modul (offene Erkundung). Auch die unterirdischen Räumlichkeiten kann man nicht als Dungeon im strengen AD&D-Sinn bezeichnen. Der eine Bereich ist im Grunde ein Raum voller Untoter, mit Nischen ohne relevanten Inhalt. Der andere Bereich ist, was relevante Räume betrifft, beinahe linear. Aber zur Ehrenrettung: Der Cthulhu-Mayo hat sich Mühe gegeben, auf die Bedürfnisse von AD&D-Spielern einzugehen und Schätze zu platzieren! Das ist nicht in allen LotFP-Modulen der Fall, darum muss man es loben. Die Schätze sind zwar leicht zu finden, allerdings ist es unrechtmäßig, sie zu bergen, und wird die Mönchsfraktion zu Feinden machen. Es gibt zwei Fraktionen, die man womöglich gegeneinander ausspielen kann, es gibt mehr Gegner als einem auf niedrigen Stufen lieb sein kann, das ist gut. Allerdings gibt es auch einen Gegner, einen ganz speziellen Wight, der nicht nur sehr schwer zu entdecken, sondern auch fast unmöglich zu bekämpfen ist. Mit ihm kann man die Spieler piesacken und frustrieren. Das hätte nicht in diesem Extrem sein müssen.

Und wie gut ist Wight Power nach LotFP-Kriterien (um fair zu bleiben)? Es ist zwar kein Raggi-Dungeon, aber es hält eine doppelte Katastrophe bereit (eine einfache Eskalation erwarten LotFP-Spieler schließlich). Weirdness ist auch ordentlich dabei, wirkt allerdings aufgesetzt, um mit anderen LotFP-Modulen mitzuhalten: modern anmutende Laborausstattung, biomechanische Maschinen … es überzeugt leider nicht so ganz. Das wunderbar starke Thema der Heiligen Vorhaut finde ich nicht ausgereizt, man hat nur indirekt mit dieser Reliquie aller Reliquien zu tun, die NSCs haben sich in der Vorgeschichte bereits um alles gekümmert. Schade. An den Wahnsinn und die Originalität der besseren Module wie Big Puppet oder Strict Time Records Must Be Kept gereicht Wight Power bei weitem nicht heran.

Weitere, wenn auch kleine Mängel: In der Beschreibung wiederholen sich viele Informationen, bei den Räumlichkeiten hapert es. Wie viele Treppen führen nun hinab in die Krypta? Der Text erwähnt Treppen an zwei Stellen, die Karte zeigt nur eine Treppe. Warum soll nur eine der beiden Treppen eine verschlossene Tür haben? Verriegelt von Innen oder Außen? Wo sind auf der Karte Türen? Man erkennt leider keine einzige verschlossene Tür, man erahnt ihre Platzierung nur aus der Beschreibung. Auch sind es übertrieben viele Hindernisse (Stahltür, Schlösser, Wachen). Die Anzahl der Landsknechte und Mönche, jeweils ein Dutzend, haut auch nicht hin, wenn rund um die Uhr so viele in der Landschaft unterwegs, bzw. in der Krypta beschäftigt sind. Alles nicht schlimm, aber nervig für die Spielleitung.

Ist der Titel des Abenteuers ein provokativer Witz auf Kosten übereifriger Politischkorrekter oder eine Verballhornung zur Lächerlichmachung von Rechtsradikalen? Das entscheide jeder für sich. Alex Mayo stellt zumindest im Nachwort klar: „Fuck Nazis!“

Fazit: 2 von 5 authentifizierten Vorhäuten Jesu. Mit etwas eigener Überarbeitung lassen sich aus der Idee 3, bei einem guten Dungeon vielleicht auch 4 herausholen.

Mein Dank an die Spieler aus diesem Forum!  :headbang:
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Tomas Wanderer am 24.09.2022 | 13:52
Ah, interessant, danke! Und auch für den Hinweis auf das Staffordshire Buch (hatte das auf Deinem Blog vor einiger Zeit gelesen), so immens nützlich das!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 24.09.2022 | 15:35
Gern geschehen!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 2.10.2022 | 15:34
Weil wir es neulich von Gerüchtetabellen hatten: Die aus Wight Power ist misslungen. Sie enthält fast nur Irrelevantes, oder Dinge, die vom Inhalt des Szenarios fortlenken. Besser ignorieren.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 2.10.2022 | 15:43
BIG PUPPET

Es gibt diese Art unheilvoller Bücher, deren Verderbtheit so stark ist, dass sie den unbedachten Leser schon nach einem flüchtigen Blättern in den Abgrund hineinzieht und sein Herz mit Finsternis flutet wie einen verstaubten Kelch mit vergiftetem Wein. Das berüchtigte Necronomicon ist so ein Buch, das legendenumwobene Cultes des Goules und das verfluchte BIG PUPPET von LotFP.

Erst habe ich nur darin geblättert, unentschlossen, ob ich es überhaupt lesen und mir als Spieler dadurch versperren sollte. Die grellen Illustrationen, von der fleischlich-krankhaften Aura der harmlosesten Darstellungen bis hin zu dem phantasmogorischen Sadismus der blutgetränkten Bühnenszenen, ließen mir keine Wahl, als der üblen Versuchung nachzugeben und zumindest die erste Seite zu lesen. Das Gift fraß sich binnen weniger Zeilen in meine Seele, die, für immer verloren, nun gezwungen war, Spieler durch dieses finstere, unbarmherzige Modul zu jagen.

In dem Modul hat ein „Théâtre du Grand Guignol“ in der Stadt eröffnet, ähnlich jenem, das in unserer eigenen Wirklichkeit einst im Paris der Zeit vor dem Siegeszug des Lichtspieltheaters das Publikum mit Sex, Verbrechen und Gewaltdarstellungen auf der Bühne entsetzte (bis zur Ohnmacht) und unterhielt. Die „großen Puppen“ dieses Theaters waren Menschen, auch verkrüppelte, die ihre Versehrtheit in Kombination mit reichlich Tierblut für besonders realistische Effekte inszenieren konnten.

Auch in diesem Abenteuer strömen die Leute in Massen in die Vorstellungen, um sich an äußerst glaubwürdig inszenierten Hinrichtungen zu erfreuen. Schließlich ist ja noch keiner wirklich dabei umgekommen, oder? Die Spieler-Personnagen werden sicher ebenfalls Billets erwerben, um ihre Neugier zu stillen. Sie können aber auch durch einen nicht ganz vertrauenswürdigen Alchimisten beauftragt werden, die Vorführung auszuspionieren. So oder so, der Vorhang wird sich öffnen und die Spieler könnten mehr erleben, als ihnen lieb ist.

Das Modul verlangt dem Spielleiter viel ab, denn die Gegner agieren aufgrund ihrer Fähigkeiten etwas anders, als man es gewohnt ist. Dafür liefert es aber auch einen Ablaufplan mit, was an welchem Tag in einem Konflikt zweier Parteien geschieht, wenn die Spieler nicht entscheidend mit ihnen interagieren. Im schlimmsten Fall brennt am Ende die ganze Stadt. Für die Spieler, die unabhängig oder für eine der beiden Seiten agieren kann, gibt es allerding schlimmeres, als dass die Personnage stirbt: Demütigung, wie noch kein Modul der Rollenspielgeschichte Spieler zu demütigen wagte! Das Schwarze Auge, Call of Cthulhu, ihr seid nur für die weichesten der Masochisten! Wer leiden will, spielt Lamentations of the Flame Princess!

Für AD&D-Spieler fehlen leider Informationen über den Geldwert all der erbeutbaren Gegenstände, sowie der Hinweis, ob es überhaupt Käufer für diese ekligen Errungenschaften gibt. Dafür will ich diesem Alptraum aber keine Punkte abziehen. Auch gibt es keinen wirklichen Dungeon, aber schön gestaltete und hilfreiche Bodenpläne aller relevanten Räumlichkeiten und Keller.

Für erfahrene Spielleiter und qualaffine Spieler. Volle 5 von 5 Hasenkötteln!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 2.10.2022 | 15:52
Für jene, die es leiten wollen, hier noch eine holprige Übersetzung der lustigen Sprüchlein zu den abgebildeten Bühnenszenen:

Drehe am Kopf und am Genick,
So beendest du des Huhns Pick-Pick.

Die Fischhaut birgt das leckre Fleisch,
Zieh es ab, bist du an Beute reich.

„Seht das klopfend Herz!“ ruft der Scholast,
des Frosches Schenkel isst jedoch sein Gast.

Wie kracht es, wenn der Hammer schlägt,
Das Kalb nun an den Metzger geht.

Der Hase in die Schlinge ist geraten,
Für uns gibt es jetzt Sonntagsbraten.

Da brät es an dem Spieß!
Oh, nobles Schweineparadies!

Es knirscht, es kracht der Hummerpanzer,
Sein edel Fleisch füllt unsern Ranzen.

Nimm im Feld das Reh schon aus,
nur fein zerwirkt trag es nach Haus.

Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 23.10.2022 | 18:01
https://ghoultunnel.wordpress.com/2022/10/23/in-the-shadow-of-the-city-god-e-m-d-t-62/

In the Shadow of the City God (E.M.D.T. 62)
Istvan Boldog-Bernad und die First Hungarian D20 Society bescheren uns ein OSR-Kleinod für die Erfahrungsstufen 3-4, dessen dunkler Glanz bis tief in das verdorrte Herz dieses schreibenden Untoten dringt.

In the Shadow of the City God
In the Shadow of the City God führt uns in die Kleinstadt Mur, die weder bekannt ist für ihre verwirrenden, niemals-endenden Bauprojekte, noch für ihre sich gegenseitig erdolchenden und erdrosselnden Partriziergeschlechter, auch nicht für ihre architektonische Religion, in der Priester überflüssig sind, sondern für das heilsame Tränensalz, das aus zwei unterirdischen Brunnen quillt und deren Besitzer reich, aber paranoid macht.
Wenn die Abenteurer hier eintreffen, sind dunkle Machenschaften längst in vollem Gange, Verbrechen, Rache und Gegenrache entfalten sich. Unschuldige Mädchen, verlauste Wahnsinnige, Reiche und Habenichtse, sie werden in den dunklen Mauern ihr Schicksal finden. Die Abenteurer werden hoffentlich einiges zum Besseren wenden können. Wenn sie den beiliegenden Stadtplan für Spieler aufmerksam studieren, werden ihnen vielleicht auch schon die Augen aufgehen, was es mit der Stadt und ihrem Stadtgott Muri auf sich hat.
Dem Autor gelingt es, eine beklemmende Atmosphäre in dieser bedrückenden Stadt aufkommen zu lassen, man denkt sofort an Guelfen und Ghibellinen und an das furchtbare Schicksal des Grafen Ugolino.
Dies ist Mur, und wir alle werden Teil von Muri sein!

The Valley of the Skull
Erwähnte ich bereits, dass Istvan Boldog-Bernad ein Meister der Atmosphäre ist? Hinten ins Büchlein gequetscht, auf 6 Seiten Beschreibung und einer Seite Kartenskizze, hat er noch ein zweites Abenteuer, das sich dennoch zu voller Pracht entfaltet. Der ein oder andere Auftrag führt in ein von Höhlenmenschen besiedeltes Tal, das in Wirklichkeit eine Bauruine ist, die von dem Größenwahn eines untergegangenen Kaisers kündet. Das drei Meilen durchmessende Tal war einst als Colosseum der Superlative angelegt, die Bauten jedoch nie ganz abgeschlossen. Einige uralte Fallen und spektakuläre Bestien haben selbstverständlich überlebt. Der lesende Ghul und später seine spielenden Spieler schwankten zwischen Gelächter ob der Witze des Autors und Staunen ob der Megalomanie des Bauherrn. Wanderer, kommst du in den Circus Convallis, statte auch der V.I.P.-Lounge („Viri Illustres et Potentes“) einen Besuch ab, du wirst erstaunliche Erfahrungen machen!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 5.01.2023 | 14:14
STRICT TIME RECORDS MUST BE KEPT

Das Abenteuer beginnt, die Spieler-Personnagen sitzen in der Falle und sind so gut wie tot. Es darf als allgemeiner Konsens angesehen werden, dass ein solcher Abenteueranfang, SC verzaubert, vergiftet oder nackt an einen Baum gefesselt, grob gegen alle Regeln guter Abenteuerautorenschaft verstößt, den Straftatbestand des Schummel-Erzählspiels erfüllt und gefälligst in Kiesows Grab seine ungestörte Ruhe zu finden hat. Kelvin Green darf, er muss sogar sein Abenteuer auf diese billige, hinterhältige und absolut gemeine Art beginnen lassen, denn er schreibt für Lamentations of the Flame Princess!

Strict Time Records dürfte sogar den Höhepunkt seines munteren Schaffens für LotFP darstellen – so genüsslich sadistisch, durchtrieben, hinterhältig und unbarmherzig, gleichzeitig aber spielbar, ist dieses Modul. Spieler stehen Schlange, um sich im OSR-Studio von ihrer Dungeon Mistress (DM, m/w/d) auf dieser Apparatur Kelvin Greens malträtieren zu lassen!

Die DM hat bereits beim Vorbereiten ein lustvolles Vergnügen, den jede Raumbeschreibung enthält mindestens eine Anspielung, einen raffinierten Witz oder einen billigen Kalauer (Der Doktor!), ein Feuerwerk des bösen Humors!

Löblich sind auch die Karten und Kartenausschnitte, die nahe an den entsprechenden Raumbeschreibungen wiedergegeben werden, eine große Hilfe beim Leiten!

Es gibt viele Daumenschrauben, an denen die DM vor Beginn das Modul unfairer oder überlebbarer regeln kann: eine Restlebenszeit der Personnagen zwischen 8 und 24 Stunden (12h werden empfohlen) und eine Anzahl bereits hergestellter Heilmittel zwischen 0 und der Anzahl Spieler-Personnagen.

Zu Beginn muss die DM ihre Spieler nach allen Regeln der Kunst einzwängen, damit sie den Köder schlucken (Frau Ghoul so: „Was, wir sind bei komischen Leuten zum Dinner eingeladen? Ich zaubere ‚Gift entdecken‘!“), später haben die Spieler so viel Freiheit, wie sie nutzen möchten: Sie können das Anwesen verlassen, um woanders Hilfe zu suchen. Sie können den Gastgeber verhören oder erschlagen. Sie können NSC-Gäste bekämpfen oder sich mit ihnen verbünden. Sie können alles. Nur haben sie eben begrenzt Zeit.

Eine versteckte Eskalationsstufe des Moduls ergibt sich, wenn man es nicht mit LotFP-Regeln, sondern mit AD&D (1e) leitet. Wie der Titel ein bewusst gewähltes Zitat aus dem DMG darstellt, so ist dem Autoren ebenfalls klar, was es bedeutet, Räume mit Namensplaketten von Höllenfürsten zu versehen! Das Modul schweigt sich dazu aus, doch Kenner des AD&D Monster Manual der ersten Edition wissen, dass die Höllenfürsten des öfteren durch den Äther oder die Astralebene reisen und daher ein 5%-Chance besteht, dass sie erscheinen, wenn sie ihren unbedacht ausgesprochenen Namen vernehmen. Meine Spieler haben es gleich zweimal geschafft, Mammon zu beschwören! Sie haben es bedauert.

Überlebt haben beeindruckende 3 von 4 Personnagen meiner Spieler dieses Body-Horror-Modul, doch sie sind für immer gezeichnet (die Personnagen – bei den Spieler weiß ich es nicht).

Ich vergebe randvolle 5 von 5 Phiolen mit stinkenden Körpersäften.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: tartex am 5.01.2023 | 15:18
STRICT TIME RECORDS MUST BE KEPT

Ist das ein Dungeon-Abenteuer? Werde aus der Rezension nicht schlau.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 5.01.2023 | 16:00
Das hängt davon ab, wie du Dungeon definierst und wo die Spieler hingehen. Ich wollte nicht zu viel spoilern, deswegen ist es etwas kryptisch. Man kann ein Anwesen (Haus und Keller-Ebene) erkunden, man kann es aber auch verlassen.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Blechpirat am 5.01.2023 | 16:21
STRICT TIME RECORDS MUST BE KEPT

... gefälligst in Kiesows Grab seine ungestörte Ruge zu finden hat.

Diese Mischung aus Ruhe und Rüge gefällt mir sehr gut. Ich würde es nur wirklich niemanden durchgehen lassen...
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 5.01.2023 | 16:40
Diese Mischung aus Ruhe und Rüge gefällt mir sehr gut. Ich würde es nur wirklich niemanden durchgehen lassen...

Danke! Wird behoben.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Prisma am 5.01.2023 | 21:50
Danke für die sowohl spannende als auch unterhaltsame Rezi. :)

Und heißt dies nun dass man Abenteuer doch auf diese billige, hinterhältige und absolut gemeine Art beginnen darf, solange man LotFP leitet?  >;D


Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 5.01.2023 | 21:53
Und heißt dies nun dass man Abenteuer doch auf diese billige, hinterhältige und absolut gemeine Art beginnen darf, solange man LotFP leitet?  >;D
Exakt. Die Spieler wollen es doch auch!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Prisma am 5.01.2023 | 22:05
Exakt. Die Spieler wollen es doch auch!
Ja, da ist definitv etwas dran. Ich habe auch immer volle Runden wenn ich LotFP anbiete, obwohl die Spieler ganz genau wissen, dass es fies wird. Letztens hat jemand hier im Forum (war es nicht Hasran?) RPG mit BDSM verglichen, das Spielleiten sei dabei der Dominateil. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr passte es.  :o
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 6.01.2023 | 06:07
Abgesehen von LotFP betrachte ich die Rolle des DMs aber nicht so!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Prisma am 6.01.2023 | 08:58
Abgesehen von LotFP betrachte ich die Rolle des DMs aber nicht so!

Ich verstehe was Du meinst. Aber ich denke, bei dem genannten Vergleich geht es darum dass sowohl der/die DM als auch der/die Domina gemeinsam mit ihren Mitspielern eine Situation schaffen, die allen Beteiligten Spaß bereitet. In beiden Fällen ist es ein 'Rollenspiel', ohne das Ziel die Beteiligten tatsächlich zu 'quälen'.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: takti der blonde? am 6.01.2023 | 09:04
Ja, da ist definitv etwas dran. Ich habe auch immer volle Runden wenn ich LotFP anbiete, obwohl die Spieler ganz genau wissen, dass es fies wird. Letztens hat jemand hier im Forum (war es nicht Hasran?) RPG mit BDSM verglichen, das Spielleiten sei dabei der Dominateil. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr passte es.  :o

Kürzlich habe ich darüber nicht geschrieben, aber ich habe schon häufiger Rollozock mit BDSM-Praktiken verglichen, ja. Eine der größten Gemeinsamkeiten sehe ich in dem hohen Maß an Vertrauen und Intimität, das zwischen SL und Gruppe besteht/entsteht.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 6.01.2023 | 20:35
LotFP ist dennoch die Kinky-Form des Spielleitens, finde ich. Gerade weil gegen die Vanilla-Konventionen verstoßen wird.
 ;D
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: tartex am 6.01.2023 | 21:28
LotFP ist dennoch die Kinky-Form des Spielleitens, finde ich. Gerade weil gegen die Vanilla-Konventionen verstoßen wird.
 ;D

Also im Ausland munkelt man, dass die deutsche Vanilla-Geschmacksrichtung schon in den Anfangstagen genauso kinky gewesen sei, wie die amerikanische nach fast 50 Jahren Gärung im Special-Interest-Keller - und mit Veredelung im Exil.  8]
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 8.01.2023 | 14:48
Hier mit Fotos: https://ghoultunnel.wordpress.com/2023/01/08/castle-xyntillan-ein-mega-modul-fur-die-stufen-1-6/

Castle Xyntillan –  ein Mega-Modul für die Stufen 1-6

Schloss Xyntillan, der aufgegebene Familiensitz derer von Malévol, liegt in einem abgeschiedenen Tal der französischen Alpen, nahe des Städtchens Tours-en-Savoy. Der Ruf der sagenhaften Schätze der exzentrischen Malévols lockt zahlreiche Diebe und Plünderer an, doch ist Schloss Xyntillan, das weniger verlassen ist als es auf den ersten Blick erscheint, auch bekannt für seine komplizierten Fallen.

Dieses Meisterwerk des Gabor Lux, ganz in der Tradition des berühmten Tegel Manor von Judges Guild, bietet uns auf 132 Seiten: eine Beschreibung des Städtchens Tours, eine Auflistung überlebender und abgelebter Testspieler-Personnagen und ihrer NSC-Mietlinge, Karten und Raumbeschreibungen des Schlosses aufgeteilt in Bereiche A bis R (die Stockwerke des Schlosses sind gewaltig und es gibt mehrere verborgene Komplexe) sowie eine Auflistung der antreffbaren Familienmitglieder de Malévol und ihrer Bediensteten. Die Spielwerte sind für Swords & Wizardry angegeben, also kompatibel mit den alten Editionen von D&D und ihren OSR-Neuinterpretationen. Außerdem liegen dem Hardcover-Buch noch vier ausfaltbare A3-Pläne des Schlosses bei (darunter Blanko-Karten des Erdgeschosses und der Obergeschosse für die Spieler zum Ausfüllen).

In gewohnt knapper und übersichtlicher Form wird in den einzelnen Einträgen die bizarre Atmosphäre des Schlosses ausgebreitet und die entscheidenden Spielwerte genannt. Auch Kartenausschnitte werden nahe im Buch wiedergegeben, was der Spielvorbereitung dienlich ist.

Dies ist kein Mega-Dungeon mit zusammenhanglos aneinandergereihten Räumen, hier sind verborgene Zusammenhänge zu entdecken und die umherspazierenden Familienmitglieder, die auf das Verhalten von Eindringlingen reagieren, sorgen für eine dynamisches Spielerlebnis. Einigen Rezensenten dieses Moduls ist entgangen, dass es außerdem eine große Queste gibt, einen Plot um das Geheimnis des Schlosses und seines größten Schatzes, für welche zahlreiche Hinweise gesammelt und zusammengepuzzelt werden müssen. Dies kann einem bei dem Umfang des Buches allerdings leicht entgehen, wenn man es nicht liest und spielt.

Dieser untote Kritiker hatte das große Vergnügen, unter DM Settembrini mit zwei Personnagen (mal mit Scheggling dem Zwerg, mal mit Estevantes dem Paladin) an zahlreichen Expeditionen in das Schloss teilnehmen zu dürfen, mehrfach um Haaresschärfe zu überleben und an der erfolgreichen Lösung des Hauptplots beteiligt zu sein, ohne jedoch alle Geheimnisse des Schlosses gelüftet zu haben. Ich wurde dabei vergiftet, von einem Turm gestoßen, von einem Satyr belästigt und ich sah die Tauben der Hölle! Über 30 Expeditionen mit wechselnden Teilnehmern waren erforderlich, und viele fanden dabei ihr Grab.

Dieses beispielhafte Modul sollte in keinem OSR-Haushalt fehlen. 5 von 5 schwatzhafte Porträts!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Kurna am 8.01.2023 | 22:17
Hallo Ghoul,

ist dieses Schloss vom grundsätzlichen Aufbau her (also abgesehen von den ganzen Fallen) noch halbwegs in unserer normalen Welt vorstellbar?
Oder wäre das insgesamt zu "over the top"?
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: tartex am 8.01.2023 | 23:09
Lustigerweise habe ich heute früh Castle Xyntillan mal wieder durchgeblättert.

Ja, es ist eine von Außen ziemlich gewöhnlich aussehende Burg.

Ich habe allerdings doch Probleme mit der Übersichtlichkeit: die meisten Treppen sind weder nummeriert noch beschrieben, so weit ich sehen konnte.

Besonders den Zugang zum Gothic Wing (2 große Stockwerke) konnte ich nicht finden. Mache ich was falsch? Wo ist das denn verzeichnet?

Genauso geht es mir mit der Indoornesse:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Ghul, wäre cool, wenn du mir einen Tipp gibst auf welcher Seite ich den Zugang zu den beiden finde. Wahrscheinlich ist man mit PDF mit Volltextsuche doch besser bedient als mit dem Hardcover-Buch.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Kurna am 8.01.2023 | 23:13
Danke für die Info (und natürlich auch an Ghoul für die ursprüngliche Rezension - sorry, vorhin vergessen).  :d
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Rorschachhamster am 8.01.2023 | 23:18
...ich sah die Tauben der Hölle!...
Oh, Gott, ja die Tauben! Ich hatte noch stundenlang den Geruch von altem Taubenkot in der Nase.  ;D
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 9.01.2023 | 07:50
Hallo Ghoul,

ist dieses Schloss vom grundsätzlichen Aufbau her (also abgesehen von den ganzen Fallen) noch halbwegs in unserer normalen Welt vorstellbar?
Oder wäre das insgesamt zu "over the top"?

Ich habe gute Erfahrung damit, in unsere Welt ungefilterte D&D-Weirdness zu kippen.
Jeff Rients ' Wessex-Kampagne basiert darauf. Mein Tarnowo 1277 ebenfalls. Und das meiste von LotFP.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 9.01.2023 | 08:13
@tartex: PM. Hier will ich nicht spoilern.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Ávila am 9.01.2023 | 09:33
In Helvéczia, das ja auch von Gabor Lux ist, gibt es ein paar Referenzen auf Castle Xyntillian. Würde es sich anbieten, Xyntillian mit Helvéczia zu bespielen oder gibt es da regeltechnische oder stilistische Probleme?
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 9.01.2023 | 09:47
Ich denke, Xyntillan liegt nicht zufällig in den Alpen.
Auch sind sowohl Helvéczia als auch Xyntillan für die Stufen 1-6 ausgelegt. Offensichtlich passen sie zusammen wie Stücke eines Puzzles.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Tomas Wanderer am 9.01.2023 | 10:12
Melan rät davon ab:

"I would not recommend crossing the lines. The module and the game came from the same creative spark (my interest in running an Averoigne-inspired campaign), but diverged very quickly.

Xyntillan is specifically written for B/X-based games, and Helvéczia is not one, nor does it feature D&D's regular monster, spell, magic item, or even specific class roster. It also has a different power level and game balance. It is its own thing. Sending a company of Helvéczia characters into Xyntillan would probably get them massacred REALLY badly.

There is a Helvéczia adventure set in a haunted castle inhabited by an eccentric noble family (it is kind of like a Xyntillan prototype) that will be released later, but it is much smaller, and plays very differently.

For Xyntillan, I would pick up any of the games from the B/X lineage, from Moldvay to OSE."
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Ávila am 9.01.2023 | 10:26
Danke für das Zitat. Dann werde ich davon mal absehen.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 9.01.2023 | 11:03
Ach? Damit habe ich nicht gerechnet. Allerdings habe ich Helvéczia nicht, ich wusste nicht, dass es B/X-inkompatibel ist.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Ávila am 9.01.2023 | 11:34
Nein, das ist im Kern eine Neuentwicklung auf 3E-Basis, darum auch überhaupt meine Nachfrage. Und stilistisch basiert es halt konsequent auf mitteleuropäischer Folklore und schmeißt viel D&D-Setting raus.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: tartex am 9.01.2023 | 12:08
@tartex: PM. Hier will ich nicht spoilern.

Ups. Daran habe ich jetzt gar nicht gedacht. Habe mal einen Spoiler-Tag in meinen Beitrag oben eingebaut.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 9.06.2024 | 10:56
ULTIMA RATIO (FHTAGN)

In diesem Kurz-Szenario, Spieldauer 60 Minuten, für das alternative Cthulhu-Spielsystem FHTAGN geht es um die letzte Fahrt der Hindenburg im Jahr 1937. Die drei vorgefertigten Spieler-Personnagen erwachen mit Erinnerungslücken im technischen Bereich des Luftschiffs.
One-Shot-Szenarios versprechen geballte Spannung durch konstruiertes, kompakte Handlungsabläufe, mit wenig Zeit für Erforschung und Entscheidungen, oft mit widersprüchlichen Zielen der Spieler-Personnagen. Dieses hochgelobte Mikroszenario versagt allerdings auf allen Ebenen.

Schon die Entscheidung, das Szenario um der Historizität willen in der Nazizeit anzusiedeln, schafft Schwierigkeiten. Lässt man die Hakenkreuze auf den Fotos der Hindenburg stehen, zeigt man verfassungsfeindliche Symbole auf Material mit Unterhaltungszweck. Touchiert man sie fort, verfälscht man Geschichte. Eine verwaschene Darstellung wäre geschickt gewesen, aber was soll's. Dass beim Titel des Szenarios in mir die "Endlösung" resoniert, liegt vielleicht an mir – ist der Titel also ungeschickt gewählt oder klug?
Mit einem fiktiven Zeppelin 10-15 Jahre zuvor hätte man sich viele Probleme sparen können.
[Spoiler warning!]
So sind die Antagonisten, Mitglieder der geheimen Thule-Gesellschaft mit geheimen Tätowierungen, unglaubwürdig, wozu diese Nazi-Geheimverschwörung im Jahr 1937? Welche Organisation kann zu dem Zeitpunkt noch mit der SS konkurrieren? 10-15 Jahre zuvor dagegen ...
Lachhaft ist die eigentliche Prämisse des Abenteuers: An Bord des Luftschiffs befindet sich ein Shoggoth. Dieser soll durch seine Anwesenheit die USA so weit destabilisieren, dass sie kriegsuntauglich werden. Ach? Nun reiht sich Ultima Ratio jedoch in einen Kosmos ein, der mit Cthulhu-Szenarios überfrachtet ist, was Spieler als Kanon ansehen werden. Es wimmelt in den USA von Mythos-Entitäten! Schon mal in die Schmugglertunnel unter Innsmouth geschaut? Was soll ein lächerlicher weiterer Shoggoth bitte für einen Unterschied machen, der kriegsentscheidend ist? Das ist vollkommen an den Haaren herbeigezogen.

Nun zu den vorgefertigten Spieler-Personnagen. Wäre es nicht cool gewesen, Mannschaft und Kapitän eines Luftschiffs mit gefährlicher Fracht spielen zu dürfen und richtige Entscheidungen zu treffen? Aber 1937 sind das ja Nazis. Warum nicht 10-15 Jahre ...?
Der Autor hat sich redlich bemüht, die Spieler-Personnagen, einfache Passagiere, so zu schreiben, dass sie keine Nazis sind (wofür man ja dankbar sein darf). Der erste, Manfred Herrmann, soll aber gleichzeitig Wehrmachts-Offizier sein, also ist er Deserteur - als Offizier, noch vor Kriegsbeginn! Werner Müller, der Ingenieur, ist sogar Pazifist! Ihre Hintergrundgeschichten sind hölzern wie eine ARD-Produktion.
Schließlich haben wir noch Luisa Grünfeld, eine wohlhabende Jüdin, die mit diesem Luxusreisemittel in die USA reist, um die Übersiedlung ihrer Familie in die USA zu organisieren. Moment mal – in dieser exklusiven Gesellschaft auf der Hindenburg, die von einem NSDAP-Mitglied geflogen wird, sind im Jahr 1937 Juden geduldet? Ist vor dem Abflug das Schild mit der Aufschrift "Judenfreies Luftschiff" heruntergefallen und keiner hat es gemerkt? Dieser Figur zu dieser Zeit an diesem Ort ist völlig unglaubwürdig. Würde das Szenario nur 10-15 Jahre früher spielen ... Nachtrag: Inzwischen habe ich gelernt, dass sich tatsächlich zwei jüdische Reisende an Bord befanden, William Leuchtenberg und Moritz Feibusch. Beide waren US-Bürger, im Unterschied zu unserer fiktiven Luisa Grünfeld. Denoch ziehe ich diesen Einwand zurück, schließlich war es Nazi-Politik, Juden zur Ausreise zu nötigen, warum ihnen also ein Reisemittel verwehren, das von internationalen Reisenden genutzt wird.

Im Szenario sollen die Spieler-Personnagen innerhalb des technischen Bereichs bleiben. Sie sind alle drei so angelegt, dass sie im Szenario jeweils nur eine Funktion ausüben sollen. Der Deserteur darf auf Nazis schießen – klar. Der Ingenieur darf an einer tickenden Zeitbombe herumbasteln, klar. Die Frau darf nur hilflos schreien – leider klar. Leute, wenn es für ein Szenario vorgefertigte Personnagen gibt und nur eine davon ist weiblich – nehmt sie nicht! Die Frau hat immer die Arschkarte! Wenigstens ist Luisa Grünfeld nicht schwanger. Aber sie hat mit ihrem Hintergrund  eigentlich keine Chance, nicht am Shoggothen zu kleben und das Szenario über vollkommen nutzlos zu sein.
Es gibt insgesamt nicht viel zu tun außer der Entscheidung über das Schicksal der Hindenburg und des Shoggoths. 5 Minuten Bombe entschärfen und auf Kultisten schießen, 5 Minuten Entscheidung ob die Bombe doch wieder scharf gestellt werden soll oder nicht. Bleiben 50 Minuten Charakterspiel mit langweiligen Hintergrundgeschichten und gegen Nazis.

Was man zugute halten muss: Für Spieler ist das ganze nach einer Stunde überstanden. Der Autor aber gibt an, das Szenario vor Veröffentlichung 40 Mal auf Conventions geleitet zu haben. Das muss der wahre Horror sein – gefangen in ULTIMA RATIO, der Murmeltierstunde des Grauens.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: nobody@home am 9.06.2024 | 12:31
Dass beim Titel des Szenarios in mir die "Endlösung" resoniert, liegt vielleicht an mir – ist der Titel also ungeschickt gewählt oder klug?

Das liegt wohl an dir -- der Begriff (https://de.wikipedia.org/wiki/Ultima_Ratio) ist deutlich älter und meines Wissens auch (anders als z.B. das Hakenkreuz) von den Nazis später nicht großartig eigens vereinnahmt worden.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Prisma am 9.06.2024 | 12:37
Mein Gott, das ist ja eine Vollkatastrophe! Da sind schon Offensichtlichkeiten kaputt. Leider nicht untypisch für deutsches Cthulhu.

Der Autor aber gibt an, das Szenario vor Veröffentlichung 40 Mal auf Conventions geleitet zu haben.
Normalerweise würde ich fragen: Hat der Autor denn nie Feedback bekommen, bei 40 Durchläufen muss es doch Spieler gegeben haben, die auf die Missstände hingewiesen haben? Aber auf Conventions ist das schwierig. Da laufen die Spieler eher schnell zur nächsten Runde, als sich noch lange mit dem Spielleiter über das Abenteuer zu unterhalten. Da sind private Runden besser geeignet.   
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 9.06.2024 | 12:46
Das liegt wohl an dir -- der Begriff (https://de.wikipedia.org/wiki/Ultima_Ratio) ist deutlich älter und meines Wissens auch (anders als z.B. das Hakenkreuz) von den Nazis später nicht großartig eigens vereinnahmt worden.

Ja, das ist mir klar.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: sma am 9.06.2024 | 13:44
Ich muss sagen, am meisten (die Probleme, in der NS-Zeit zu spielen will ich nicht weiter thematisieren) stört mich dieser Satz aus der Ankündigung: "Über die bis heute ungeklärten Ursachen gibt es zahlreiche Spekulationen ..." der mal wieder Verschwörungsmythen schürt. Hätte man nicht schreiben können "Dieses Szenario erfindet inspiriert durch den tragischen Unfall eine neue fantastische Erklärung."?

Es gab 1937 zwei unabhängige Ermittlungsberichte einer amerikanischen und einer deutschen Kommission, die wie bei solchen Berichten üblich, keine absoluten Aussagen treffen, sondern von wahrscheinlichsten Szenarien sprechen und daher leider immer falsch als "wir wissen es nicht" verstanden werden. Wahr ist natürlich, dass viel spekuliert und geschwurbelt wird, aber muss man sich dem anschließen? Ich finde nicht.

Und wo der große Konflikt der SCs, der das Spiel so eindrücklich machen soll, erschließt sich mir nicht. Für mich wäre klar, dass wenn mein SC schon einmal beschlossen hat, das Schiff zu sprengen, dies auch nach einer zeitweiligen Amnesie noch gilt, denn die Ausgangssituation ist doch dieselbe. Und da ich als Spieler nun mal weiß, wie sich der Unfall zugetragen hat, würde ich meinen SC die Bombe dann auf 19:25 einstellen lassen, dann passt es zur Zeitlinie und 61 der 97 Leute an Bord werden überleben.

Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 13.06.2024 | 09:18
Korrektur eingefügt. Dank an Tippgeber bobibob bobsen!
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: seanchui am 13.06.2024 | 09:41
Ich muss sagen, am meisten (die Probleme, in der NS-Zeit zu spielen will ich nicht weiter thematisieren) stört mich dieser Satz aus der Ankündigung: "Über die bis heute ungeklärten Ursachen gibt es zahlreiche Spekulationen ..." der mal wieder Verschwörungsmythen schürt. Hätte man nicht schreiben können "Dieses Szenario erfindet inspiriert durch den tragischen Unfall eine neue fantastische Erklärung."?

Es gab 1937 zwei unabhängige Ermittlungsberichte einer amerikanischen und einer deutschen Kommission, die wie bei solchen Berichten üblich, keine absoluten Aussagen treffen, sondern von wahrscheinlichsten Szenarien sprechen und daher leider immer falsch als "wir wissen es nicht" verstanden werden. Wahr ist natürlich, dass viel spekuliert und geschwurbelt wird, aber muss man sich dem anschließen? Ich finde nicht.

Und wo der große Konflikt der SCs, der das Spiel so eindrücklich machen soll, erschließt sich mir nicht. Für mich wäre klar, dass wenn mein SC schon einmal beschlossen hat, das Schiff zu sprengen, dies auch nach einer zeitweiligen Amnesie noch gilt, denn die Ausgangssituation ist doch dieselbe. Und da ich als Spieler nun mal weiß, wie sich der Unfall zugetragen hat, würde ich meinen SC die Bombe dann auf 19:25 einstellen lassen, dann passt es zur Zeitlinie und 61 der 97 Leute an Bord werden überleben.

Naja: das Abenteuer erfindet die "Verschwörungstheorie", dass ein Schoggothe an Bord ist ... wenn das jetzt Querdenker und Co. zu neuen Höchstleistungen anspornt, dann weiß ich aber wirklich nicht...

Und der Konflikt entsteht ja nicht primär bei den SC, sondern beim Spieler: der SC hat längst beschlossen, dass eine Sprengung das richtige wäre. Der Spieler weiß jedoch - genauso wie sein SC - zu Beginn des Spiels nicht davon. Man weiß ja nicht einmal, wo man ist - weder, dass es um ein Luftschiff geht, geschweigedenn um die Hindenburg. Man muss selbst "zum zweiten Mal" auf die Idee kommen, dass eine Sprengung die richtige Entscheidung ist.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: sma am 13.06.2024 | 12:41
Naja: das Abenteuer erfindet die "Verschwörungstheorie", dass ein Schoggothe an Bord ist ... wenn das jetzt Querdenker und Co. zu neuen Höchstleistungen anspornt, dann weiß ich aber wirklich nicht...
Dass das Abenteuer etwas erfindet, stört mich überhaupt nicht, aber dass in der Einleitung Zweifel an dem historischen Unglück geschürt wird, ist nicht nötig. Vielleicht bin ich da zu kleinlich. Ich würde auch eine Verschwörungserzählung nicht "Theorie" nennen, weil das fälschlich implizieren würde, dass dies ein wissenschaftlich fundiertes widerspruchsfreies Erklärungsmodell sei. Jeder hat da so seine eigenen Windmühlen.

Zitat
Und der Konflikt entsteht ja nicht primär bei den SC, sondern beim Spieler:
Da schrieb ich ja schon, dass ich diesen Konflikt nicht sehe, denn wenn ich die Rolle von einem Pregen-Charakter spiele, der überzeugt war, dass das mit dem Bombe korrekt war, dann akzeptiere ich das als Spieler.

Und ist es wirklich so schwer, herauszufinden, wo man ist? 1937. Luftschiff (was ein Blick aus dem Fenster bestätigen sollte oder aber die Strebenkonstruktion im Inneren). Und da da noch 94 andere Leute sind, kann man die doch fragen "Wie hieß noch gleich das Schiff hier… Ah Hindenburg, natürlich." Ich könnte mir auch vorstellen, dass das irgendwo im Schiff auch steht, mindestens doch mal die Seriennummer LZ-129. Aber ich vermute, Spieler sind da unterschiedlich nerdig drauf :)
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 13.06.2024 | 13:04
Ich glaube, sma, ohne das Abenteuer gelesen zu haben, solltest du vielleicht nicht weitere Kritikpunkte hinzuerfinden.
Glaube mir, ich habe nichts ausgespart!
 ;)
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: seanchui am 13.06.2024 | 14:20
Da schrieb ich ja schon, dass ich diesen Konflikt nicht sehe, denn wenn ich die Rolle von einem Pregen-Charakter spiele, der überzeugt war, dass das mit dem Bombe korrekt war, dann akzeptiere ich das als Spieler.

Und ist es wirklich so schwer, herauszufinden, wo man ist? 1937. Luftschiff (was ein Blick aus dem Fenster bestätigen sollte oder aber die Strebenkonstruktion im Inneren). Und da da noch 94 andere Leute sind, kann man die doch fragen "Wie hieß noch gleich das Schiff hier… Ah Hindenburg, natürlich." Ich könnte mir auch vorstellen, dass das irgendwo im Schiff auch steht, mindestens doch mal die Seriennummer LZ-129. Aber ich vermute, Spieler sind da unterschiedlich nerdig drauf :)

Noch einmal: weder Charakter NOCH Spieler WISSEN zu Beginn des Szenarios, dass die Charaktere davon überzeugt waren, dass das mit der Bombe korrekt war. Sie wachen auf und starren auf eine tickende Zeitbombe.
Und ja: auch wo man ist, ist nicht ohne Weiteres herauszufinden. Die Situation eskaliert viel zu schnell, als das man mal bequem zur Brücke spazieren könnte (mal davon ab, dass keiner weiß, wo die sein soll, geschweigedenn überhaupt eine vermutet) und von "Du liegst auf einem Gitter und über Dir sind Stahlstreben" sicher auf ein Luftschiff rückschließen kann man nun auch nicht zwangsweise.

Ob nun die Annahme, eine derartige Total- bzw. Teil-Amnesie bzgl. bestimmter Informationen (welche man den Spielern schlicht vorenthalten will), realistisch ist oder nicht bzw. medizinisch korrekt: keine Ahnung. Aber sie ist ein guter Kniff  ;)
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Teylen am 13.06.2024 | 14:39
Hat jemand den weiblichen Charakter genommen und wie war da das Feedback?
Klingt ansonsten so wie eine Bestätigung all meiner Vorurteile gegen Cthulhu Spiele. ^^;
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Katharina am 13.06.2024 | 14:44
Hat jemand den weiblichen Charakter genommen und wie war da das Feedback?
Klingt ansonsten so wie eine Bestätigung all meiner Vorurteile gegen Cthulhu Spiele. ^^;

Der weibliche Charakter kennt sich mit Okkultismus aus und ist dadurch als einziger in der Lage, den Shogoten unter Kontrolle zu halten. Bei uns verlief das recht dramatisch, inklusive abgebissenem Arm. Darüber hinaus war der Charakter in meiner Runde ganz vorne mit dabei, als die Gruppe sich zu Beginn auf die Suche nach dem Kapitän machte, dem man erklären wollte, dass hier etwas Komisches vor sich geht…

Welche Vorurteile du hast, weiß ich nicht - dazu kann ich also nichts sagen ;-)
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Alexandro am 15.06.2024 | 21:49
Das ist ein guter Punkt, welcher ein deutlich anderes Bild als "Die Frau darf nur hilflos schreien" liefert.

Zusammen mit "die Entscheidung ist in 10 Minuten zu treffen" (basierend auf Infos, welche die Spielenden nur haben, wenn sie das Abenteuer gelesen haben, und für deren Beschaffung und Interpretation im Spiel 30 Minuten mEn schon realistisch sind) und "in den USA gibt es genug Monster - was soll ein einzelner Shogotte dort ausrichten" (ein Shogotte ist nochmal ein anderes Kaliber, als das was man selbst in Innsmouth antreffen kann, plus wissen ja die meisten nichts von den in den USA vorhandenen Monstern - dieser Plan ist also glaubwürdig, auch wenn er (wie etwa der Plan mit der Bundeslade bei Indiana Jones) schlechte Erfolgsaussichten hat) hat mich das dazu gebracht, mir das Abenteuer mal zuzulegen.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Teylen am 16.06.2024 | 17:11
Der weibliche Charakter kennt sich mit Okkultismus aus und ist dadurch als einziger in der Lage, den Shogoten unter Kontrolle zu halten. Bei uns verlief das recht dramatisch, inklusive abgebissenem Arm. Darüber hinaus war der Charakter in meiner Runde ganz vorne mit dabei, als die Gruppe sich zu Beginn auf die Suche nach dem Kapitän machte, dem man erklären wollte, dass hier etwas Komisches vor sich geht…
Das klingt recht gut.

Zitat
Welche Vorurteile du hast, weiß ich nicht - dazu kann ich also nichts sagen ;-)
In Bezug auf Cthulhu das man als Charaktere spielt die Nieten vor dem Herrn sind und am Ende entweder wahnsinnig sind, draufgehen oder beides.
Das in Bezug auf weibliche Charaktere ein Rollenbild aus den amerikanischen 50ern vermittelt bzw. bespielt wird wonach eine Frau nichts darf, nichts kann und eigentlich nur schmückendes Beiwerk ist. Wo wenn man weibliche Ermittler spielen mag, die so im groben dem entsprechen was männliche Ermittler machen, man pseudo-historische Belehrungen bekommt weshalb das so gar nicht geht (und man quasi froh sein darf wenn Frau lesen gelernt haben darf).

Im Grunde das was Ghoul in Bezug auf die weibliche Figur beschrieben hat.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 16.06.2024 | 17:29
Die meisten Cthulhu-Abenteuer spielen ja in den 20erJahren. Da hat der 1. Weltkrieg ja einiges verändert und Frauen geben sich nicht zwangsläufig damit zufrieden, nur passiv und häuslich zu bleiben. Daher stellt sich dieses Problem nicht per se - man kann Frauen ganz normal am gesellschaftlichen Leben teilnehmend spielen.
Was ich meinte ist vielmehr eine seltsame Tendenz in One Shots, Frauen-Personnagen besonders leidensvoll zu inszenieren: schwanger, bettlägerig, etc. In Ultima Ratio denkt man dagegen erst "Cool, die kennt sich mit Okkultismus aus, die kann jetzt etwas herausfinden - und dann
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Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: JaneDoe am 18.06.2024 | 05:54
Wo wenn man weibliche Ermittler spielen mag, die so im groben dem entsprechen was männliche Ermittler machen, man pseudo-historische Belehrungen bekommt weshalb das so gar nicht geht (und man quasi froh sein darf wenn Frau lesen gelernt haben darf).

Was ich meinte ist vielmehr eine seltsame Tendenz in One Shots, Frauen-Personnagen besonders leidensvoll zu inszenieren: schwanger, bettlägerig, etc. In Ultima Ratio denkt man dagegen erst "Cool, die kennt sich mit Okkultismus aus, die kann jetzt etwas herausfinden - und dann
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Es gibt einige vor allem ältere Szenarien die einen weiblichen Charakter in eine solche Rolle wie von Ghoul beschrieben bringen, keine Frage. Da gehört Abwärts dazu oder auch Nebel der Wahrheit. Das kann dennoch eine Menge Spaß am Spieltisch machen, hängt aber sicher auch von der spielenden Person ab.

Bei Ultima Ratio muss man sagen, dass der von Ghoul beschriebene Punkt in den letzten Paar MInuten des Szenarios, im absoluten Finale passiert und schlicht die weitere Eskalation befeuert.... ob man das jetzt mit der obigen Kritik gleichsetzen mag sei jede/m selbst überlassen.

Und zu Teylen: wenn du 2024 immer noch so Cthulhu geleitet bekommst, wie du es beschrieben hast, dann bei jemandem der seit 1995 nicht unter dem Stein hervorgekrochen ist. Moderne Szenarien machen keine wesentlichen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Charakteren. Das ist ein Punkt an dem man am Spieltisch ganz klar von historischer Authenizität abweichen darf und muss. Und FHTAGN macht das noch viel weniger. Im Gegenteil... alle am Tisch sollten dasselbe Recht und dieselben Möglichkeiten am Spieltisch haben. Wenn die Leute mit denen du spielst das so spielen liegt das eher an denen.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Alexandro am 21.06.2024 | 17:52
Der Charakter hat die besten Möglichkeiten herauszufinden dass die Kiste gefährlich ist, und gleichzeitig (wegen niedriger Stärke) die schlechtesten Chancen diese ohne Hilfe aufzukriegen. Warum ausgerechnet dieser Charakter an der Schogettenkiste festhängen soll, erschließt sich mir nicht.

Ich muss andere Abenteuer gelesen haben, aber ich habe die Tendenz im Bezug auf weibliche Charaktere nicht so sehr wahrgenommen. Sicher hat man immer mal wieder Charaktere mit Beeinträchtigungen*, aber eben auch männliche mit fehlenden Gliedmaßen, bereits zu Spielbeginn ausgeprägten Geistesstörungen, oder halt den immer beliebten "shell shock" (welcher dafür sorgt, dass der Investigator bei der ersten Autofehlzündung katatonisch in der Ecke liegt). Ich sehe das als "Rollenspiel mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad", muss jeder selbst entscheiden, ob man das will.

*wobei es auch eine Frage der Interpretation ist, inwieweit das relevant ist: nur weil eine Figur z.B. zufällig schwanger ist, bedeutet das nicht, dass diese ständig und immer unter Beeinträchtigungen "leidet".
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Nazir ibn Stonewall am 22.06.2024 | 13:50
Schogettenkiste
;D
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 8.07.2024 | 19:23
Don't Fuck the Priest

(Zur Vollversion der Rezension mit Hyperlinks und Produktfoto)
(https://ghoultunnel.wordpress.com/2024/07/08/dont-fuck-the-priest/)

König James hat eine neue Horror-Bibel drucken lassen, ein Kerker-Modul für Lamentations of the Flame Princess, das gedacht ist, sich Spielern unerbittlich ins gemarterte Hirn zu brennen.
Treten wir aber erst einmal einen Schritt zurück und philosophieren wir darüber, worum es im Fantasy-Rollenspiel eigentlich geht:
Basic-OSR-Spielern geht es häufig primär um ein kurzweiliges Erkunden von Dungeons, im tödlichen Hack'n'Slash-Stil, gerne auf den unteren Stufen, zur Unterhaltung oder als intellektuelle Herausforderung.
Advanced-OSR-Spielern geht es um die unvorhersehbare Entwicklung der Spielwelt durch Aktionen von Spieler- und Nicht-Spieler-Personnagen, das nennen sie "Kampagne" analog zu den großen Wargaming-Kampagnen.
Moderne Mainstream-Spiele (AD&D2 und spätere) drehen sich dagegen in den meisten Fällen um die Entwicklung der Spieler-Personnagen (was verwirrenderweise auch als "Kampagne" bezeichnet wird).
Bei LotFP geht es auf tieferer Ebene weder um die Veränderung der Welt (die geht sowieso ständig unter in den Modulen) noch der Spieler-Personnagen (vordergründig schon - es ist normal bei LotFP, dass Personnagen mutieren). Meta-Effekte auf Teilnehmer-Ebene sind bei LotFP eingepreist - Verändert werden sollen die Spieler selbst durch abgründige Erfahrungen, die intensiv, erschreckend und einmalig sind! Zu diesem Zweck werden LotFP-Module konzipiert.

[Spoiler-Alarm] Don't Fuck the Priest kommt als Box und enthält neben einem auffällig designten Hardcover-Buch ein Set Karten zur Gestaltung eines sehr speziellen Dungeons (für generische Dungeons sind sie nicht gedacht) und ein Set spezieller W4, die im Verlauf des Don't-Fuck-Spiels immer wieder benötigt werden. All dies treibt den Preis dieses Moduls in die Höhe, aber es gibt ja LotFP-Module für unterschiedlichste Spendierhosenkonfektionsgrößen.
Und das passiert: Die Spieler-Personnagen befinden sich in einem Gang aus Leichen und Moder und es gibt kein zurück. Warum, das muss der Dungeon Master wissen, vielleicht sind sie ja durch einen vermoderten Boden nach unten gestürzt. Von nun an geht es nur tiefer hinein in eine Welt aus Kadavern und Verfall, Verseuchung und Veränderung. Um zu entkommen, werden die Spieler erkunden müssen, und vielleicht herausfinden, was es auf sich hat mit diesem parasitären Kreislauf von Tod und Leben, und einem Zwist zwischen Kollektiv und Individualität. Es wird sehr körperlich werden, mit allerlei Fleisch und Säften! Bedeutet der Body Horror den Untergang und das Vergessen oder Macht und Erleuchtung? Ist es gar besser, zu sterben und zu verwesen, als zu entkommen? Kein Spieler wird dies herausfinden können, ohne von dem Schrecken jener Welt unversehrt zu bleiben.

Das Modul fordert dem Dungeon Master einiges an Verwaltungsaufwand während des Spiels ab. Es muss Buch geführt werden über Veränderungen der Spieler-Personnagen, ihrer Begleiter (deren Anzahl wachsen wird), ihrer Ausrüstung (besondere Gegenstände können erbeutet werden) und der sich verändernden Regeln zur Veränderung der Umgebung. Klingt das verwirrend? Glücklicherweise kann ich bezeugen, dass der Autor sein Modul auf der Cauldron 2023 persönlich geleitet hat – es ist also möglich dieses Modul zu leiten. Das Buch ist zum Glück übersichtlich aufgebaut und leicht in Kombination mit den beiliegenden Karten nutzbar. Es ist auch nicht vollkommen unmöglich, dass die Spieler-Personnagen entkommen. Die Cauldron-Gruppe hatte die Rettung vor Augen, ihre fatale Fehlentscheidung kann dem armen James nicht angelastet werden.
Naive oder unbedarfte Spielleiter könnten natürlich versucht sein, am Zufallsprinzip herumzupfuschen, vielleicht, um besondere Orte schneller auftauchen zu lassen und für sich selbst das Entrinnen aus diesem Horror zu beschleunigen. James Edward Raggi verbietet dies ausdrücklich! Und mit seinen Argumenten spricht er mir aus der Seele – Schummelei hat am Spieltisch nichts zu suchen.
Auch gilt zu bedenken: Ein Raggi-Modul kann nicht nachträglich glattgeschliffen werden! An anderen Kaufabenteuern mag die Spielleitung herumpfuschen wie sie will und es ihren Bedürfnissen anpassen. Doch wo würde man bei Raggis Werken beginnen und wo enden wollen? Man nehme sie als ganzes oder lasse die Finger davon, so lautet das Gesetz.

Ein Hinweis noch zum Abschluss: Vielleicht ist es wirklich keine gute Idee, mit einer klerikalen Person fleischlich zu verkehren. Vielleicht bleibt keine Wahl ...

4 von 5 Sporenwolken.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: tartex am 10.07.2024 | 08:04
Also €111 ist schon ein Preisansage.

366 Stück sind noch verfügbar. Was wohl die Auflage war?

500 Stück?
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 10.07.2024 | 08:41
Also €111 ist schon ein Preisansage.
Allerdings.
Deshalb mein Verweis auf die unterschiedlichen Preisklassen im Sortiment (Hyperlinks im Ghoultunnel-Originaltext).
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 10.11.2024 | 12:23
Im Reich der Nibelungen
Eine Fantasy-Rollenspiel-Umgebung im Königreich Burgund und der magischen Welt der Nibelungen


Original inkl. Hyperlinks im Ghoultunnel (https://ghoultunnel.wordpress.com/2024/11/10/im-reich-der-nibelungen/).

Du musst nicht Mittelhochdeutsch lernen und das Nibelungenlied in den alten Handschriften studieren, damit die Personnagen deiner Spieler in Drachenblut baden, Walküren freien und magische Schwerter schmieden können - Johann Mitland hat für uns die Essenz des Nibelungenlieds extrahiert und in ein handliches, spielfertiges Büchlein gepackt.
Er beschreibt stets prägnant und für den OSR-Leichtkost-Sammler mit geringer Aufmerksamkeitsspanne schnell erfassbar aufbereitet Burgund als ahistorisches Dichtkunstwerk aus 5. und 13 Jahrhundert mitsamt einer Karte im genreüblichen Hexfeldformat, die Tugenden des Rittertums, Heidentum und Christenheit, sowie die magische Wildnis und Unterwelt der Nibelungen. Es folgt die Personnagenerschaffung in den Charakterklassen Ritter, Hexe, Pfaffe, Schlitzohr, Jäger*in, Spielmann und Walküre.

Die Regeln basieren auf dem Ultraleicht-Regelwerk Swords & Wizardry Continual Light (auch auf Deutsch erhältlich in der Übersetzung des viel zu wenig gepriesenen Rorschachhamsters), man kann jedoch genauso gut ein fortgeschrittenes ("Advanced") Regelwerk wie bspw. ALRIK als Grundgerüst verwenden, die spielmechanischen Anpassungen schüttelt sich ein versierter Spielleiter rasch aus dem Ärmel – die eigentliche Fleiß- und Denkarbeit für das Nibelungen-Setting nimmt uns dieses Büchlein ja ab.

Darin tritt auch das kreative Geschick des Autors hervor: Um die magisch-mystische Atmosphäre des Heldenepos einzufangen, hat er sieben magische Gesetze erstellt, die zu beachten Helden auf Fahrt ins Reich der Nibelungen angehalten sind: "Grenzgänger", "Allein oder zu siebt", "Nur drei Dinge", "Schonung und Schuld", "Der dritte Streich", "Verloren im Nebel" und "Wundersamer Wandel" bestimmen auf spielerisch interessante Weise die Anderwelt der Zwerge und Ungeheuer.

Es folgen einige Regelergänzungen für S&WCL für die Abhandlungen von Nibelungen-Abenteuern sowie ein kurzer Ausblick auf das Kampagnenspiel, ein Glossar, ein wohlfeiler Charakterbogen und  Danksagungen und Leseempfehlungen.

"Oh Schreck!" entfährt es dem Ghoul. Hier stoßen wir auf "Consulting: Ron Edwards", "Mentor: Eero Tuovinen". Nun ist es durchaus herzerwärmend, wenn jene, die früher den urtümlichen Rollenspielmodus des Dungeon Crawls Unverständnis und Verachtung gegenüberbrachten, heute Interessierten den Einstieg in die Old School Renaissance ermöglichen, doch unter Leseempfehlungen finden wir sowohl Philotomys Betrachtungen als auch Eeros Muster: A Primer for War.
Ich weise hiermit energisch darauf hin: Ultraleichtkost-Regelwerke wie S&WCL haben ihren Daseinszweck als Einführung, sie sind jedoch nicht als vollständige Regelwerke zu betrachten, da es in ihnen nur so von Lücken klafft. Zu oft halten sich Suchende nach dem Pfad der Erkenntnis dann an sogenannte Primer wie ebenjenes wortreiche aber geistesarme Muster, aus denen sich jedoch keine sinnvollen Lektionen für echtes Kampagnenspiel extrahieren lassen.

Auf Nachfolgeveröffentlichungen zum Reich der Nibelungen bin ich hoffnungsvoll gespannt. Der Autor deutet an, durchaus ein Kampagnenspiel vorzusehen, in welchem es möglich ist, zum Herrn aufzusteigen. Wird es möglich sein, Ländereien und eine Burg nach konkreten Regeln zu verwalten? Wird es erforderlich sein, eine mundäne oder magische Streitmacht aufzustellen, um dem drohenden Hunnensturm standzuhalten? Auch Ehe- und Nachkommen-Spielregeln sind denkbar, sowohl was menschliche als auch übernatürliche Partner und Sprösslinge betrifft.

Abschließend möchte ich noch die zurückhaltende Gender-Sprache loben. Hier und da taucht mal ein Sternchen auf, nicht aber in einem Maß, dass den Textfluss auch nur annähernd stören würde, sondern bewusst und sinnstiftend angebracht statt ideologisch-kämpferisch. Auch inhaltlich wird hier nicht amazonprimisiert: Nur ein Mann kann Ritter werden, nur eine Frau Hexe oder Walküre – die Setzungen des dichterisch-historischen Settings werden respektiert. Da können sich manche Rollenspielautoren der Gegenwart etwas abschauen.

Dieses OSR-Setting ist insgesamt empfehlenswert – ich gestehe diesem sagenhaften Setting-Band 5 von 5 verräterische Zwerge zu.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Blechpirat am 11.11.2024 | 15:07
Ich habe die Rezi schon via rsp-blogs.de gesehen - sehr reizvolles Thema. OSR ist ja nicht so meins - würdest du sagen, dass das Quellenmaterial so aufbereitet ist, dass man es auch für andere, erzählerischere Spiele verwenden kann?
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Tintenteufel am 11.11.2024 | 15:20
Im Reich der Nibelungen
Eine Fantasy-Rollenspiel-Umgebung im Königreich Burgund und der magischen Welt der Nibelungen


Original inkl. Hyperlinks im Ghoultunnel (https://ghoultunnel.wordpress.com/2024/11/10/im-reich-der-nibelungen/).

Du musst nicht Mittelhochdeutsch lernen und das Nibelungenlied in den alten Handschriften studieren, damit die Personnagen deiner Spieler in Drachenblut baden, Walküren freien und magische Schwerter schmieden können - Johann Mitland hat für uns die Essenz des Nibelungenlieds extrahiert und in ein handliches, spielfertiges Büchlein gepackt.
Er beschreibt stets prägnant und für den OSR-Leichtkost-Sammler mit geringer Aufmerksamkeitsspanne schnell erfassbar aufbereitet Burgund als ahistorisches Dichtkunstwerk aus 5. und 13 Jahrhundert mitsamt einer Karte im genreüblichen Hexfeldformat, die Tugenden des Rittertums, Heidentum und Christenheit, sowie die magische Wildnis und Unterwelt der Nibelungen. Es folgt die Personnagenerschaffung in den Charakterklassen Ritter, Hexe, Pfaffe, Schlitzohr, Jäger*in, Spielmann und Walküre.

Die Regeln basieren auf dem Ultraleicht-Regelwerk Swords & Wizardry Continual Light (auch auf Deutsch erhältlich in der Übersetzung des viel zu wenig gepriesenen Rorschachhamsters), man kann jedoch genauso gut ein fortgeschrittenes ("Advanced") Regelwerk wie bspw. ALRIK als Grundgerüst verwenden, die spielmechanischen Anpassungen schüttelt sich ein versierter Spielleiter rasch aus dem Ärmel – die eigentliche Fleiß- und Denkarbeit für das Nibelungen-Setting nimmt uns dieses Büchlein ja ab.

Darin tritt auch das kreative Geschick des Autors hervor: Um die magisch-mystische Atmosphäre des Heldenepos einzufangen, hat er sieben magische Gesetze erstellt, die zu beachten Helden auf Fahrt ins Reich der Nibelungen angehalten sind: "Grenzgänger", "Allein oder zu siebt", "Nur drei Dinge", "Schonung und Schuld", "Der dritte Streich", "Verloren im Nebel" und "Wundersamer Wandel" bestimmen auf spielerisch interessante Weise die Anderwelt der Zwerge und Ungeheuer.

Es folgen einige Regelergänzungen für S&WCL für die Abhandlungen von Nibelungen-Abenteuern sowie ein kurzer Ausblick auf das Kampagnenspiel, ein Glossar, ein wohlfeiler Charakterbogen und  Danksagungen und Leseempfehlungen.

"Oh Schreck!" entfährt es dem Ghoul. Hier stoßen wir auf "Consulting: Ron Edwards", "Mentor: Eero Tuovinen". Nun ist es durchaus herzerwärmend, wenn jene, die früher den urtümlichen Rollenspielmodus des Dungeon Crawls Unverständnis und Verachtung gegenüberbrachten, heute Interessierten den Einstieg in die Old School Renaissance ermöglichen, doch unter Leseempfehlungen finden wir sowohl Philotomys Betrachtungen als auch Eeros Muster: A Primer for War.
Ich weise hiermit energisch darauf hin: Ultraleichtkost-Regelwerke wie S&WCL haben ihren Daseinszweck als Einführung, sie sind jedoch nicht als vollständige Regelwerke zu betrachten, da es in ihnen nur so von Lücken klafft. Zu oft halten sich Suchende nach dem Pfad der Erkenntnis dann an sogenannte Primer wie ebenjene Philotomys Betrachtungen oder das wortreiche aber geistesarme Muster, aus denen sich jedoch keine sinnvollen Lektionen für echtes Kampagnenspiel extrahieren lassen.

Auf Nachfolgeveröffentlichungen zum Reich der Nibelungen bin ich hoffnungsvoll gespannt. Der Autor deutet an, durchaus ein Kampagnenspiel vorzusehen, in welchem es möglich ist, zum Herrn aufzusteigen. Wird es möglich sein, Ländereien und eine Burg nach konkreten Regeln zu verwalten? Wird es erforderlich sein, eine mundäne oder magische Streitmacht aufzustellen, um dem drohenden Hunnensturm standzuhalten? Auch Ehe- und Nachkommen-Spielregeln sind denkbar, sowohl was menschliche als auch übernatürliche Partner und Sprösslinge betrifft.

Abschließend möchte ich noch die zurückhaltende Gender-Sprache loben. Hier und da taucht mal ein Sternchen auf, nicht aber in einem Maß, dass den Textfluss auch nur annähernd stören würde, sondern bewusst und sinnstiftend angebracht statt ideologisch-kämpferisch. Auch inhaltlich wird hier nicht amazonprimisiert: Nur ein Mann kann Ritter werden, nur eine Frau Hexe oder Walküre – die Setzungen des dichterisch-historischen Settings werden respektiert. Da können sich manche Rollenspielautoren der Gegenwart etwas abschauen.

Dieses OSR-Setting ist insgesamt empfehlenswert – ich gestehe diesem sagenhaften Setting-Band 5 von 5 verräterische Zwerge zu.

Verdammt! Deine Rezi macht das Ding nicht weniger interessant für mich. Danke für die Einschätzung! Bleibt weiterhin im Einkaufswagen. (Druckversion ist ja immer noch nicht verfügbar, oder?)
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 11.11.2024 | 15:39
Ich habe die Rezi schon via rsp-blogs.de gesehen - sehr reizvolles Thema. OSR ist ja nicht so meins - würdest du sagen, dass das Quellenmaterial so aufbereitet ist, dass man es auch für andere, erzählerischere Spiele verwenden kann?

Ja, es ist ja regelarm. Du kannst daher deine eigenen Regeln verwenden. Wie sich die Klassen in dein Erzählsystem übersetzen - keine Ahnung ob das viel Arbeit macht oder wenig. Erzählspiel ist ja nicht so meins.
Das gute ist ja, dass Im Reich der Nibelungen der Grips steckt, um die Spielinhalte bereitzustellen. Gerade was Ungeheuer und ihre Bedürfnisse angeht oder die 7 Gesetze, da wirst du mit Erzählspiel anknüpfen wollen.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 11.11.2024 | 15:45
Verdammt! Deine Rezi macht das Ding nicht weniger interessant für mich. Danke für die Einschätzung! Bleibt weiterhin im Einkaufswagen. (Druckversion ist ja immer noch nicht verfügbar, oder?)

Offenbar nicht. Auf der Cauldron-Con hat er Papierexemplare verschenkt, die er wohl selbst ausgedruckt hat (getuckerte Bindung).
Es ist ja nicht arg dick, es müssten 9 beid- und doppelseitige A4-Blätter sein, wenn du es als A5-Heft ausdruckst.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Blechpirat am 11.11.2024 | 15:46
Ja, es ist ja regelarm. Du kannst daher deine eigenen Regeln verwenden. Wie sich die Klassen in dein Erzählsystem übersetzen - keine Ahnung ob das viel Arbeit macht oder wenig. Erzählspiel ist ja nicht so meins.
Das gute ist ja, dass Im Reich der Nibelungen der Grips steckt, um die Spielinhalte bereitzustellen. Gerade was Ungeheuer und ihre Bedürfnisse angeht oder die 7 Gesetze, da wirst du mit Erzählspiel anknüpfen wollen.
Die sieben Gesetze sind eine tolle Idee - wenn sie funktionieren, könnten Sie der Schlüssel zu diesem Setting sein.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 11.11.2024 | 15:49
Die sieben Gesetze sind eine tolle Idee - wenn sie funktionieren, könnten Sie der Schlüssel zu diesem Setting sein.

Sie sind so gedacht, ja. Ich denke aber, dass der Autor mit dem geplanten Rheingold-Band noch einige Interessante Ideen zu Ungeheuern ausarbeiten wird, die sich von herkömmlicher OSR unterscheiden. Er deutet das an.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Blechpirat am 11.11.2024 | 15:51
Offenbar nicht. Auf der Cauldron-Con hat er Papierexemplare verschenkt, die er wohl selbst ausgedruckt hat (getuckerte Bindung).
Es ist ja nicht arg dick, es müssten 9 beid- und doppelseitige A4-Blätter sein, wenn du es als A5-Heft ausdruckst.

Wenn du den Autor kennst - welche der beeindruckenden drei (!) Sprachfassungen ist denn in seiner Muttersprache?
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 11.11.2024 | 16:08
Wenn du den Autor kennst - welche der beeindruckenden drei (!) Sprachfassungen ist denn in seiner Muttersprache?

Die deutsche.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Blechpirat am 11.11.2024 | 16:09
Danke.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: JollyOrc am 11.11.2024 | 16:25
ich hab da mal mit meinen durch Mail Order Apocalypse PDF Verkäufen angehäuftem Guthaben zugeschlagen.

@Blechpirat: Ich halte das für exzellent für Fate / Dresden Files / etc. adaptierbar. Die Sonderregeln für Klassen sind im Endeffekt direkt Aspekte, und auch die 7 Regeln fügen sich in diese Art Mechanik wunderbar ein.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Feuersänger am 11.11.2024 | 16:33
Was ist eigentlich aus den Verrissen geworden? ^^
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Blechpirat am 11.11.2024 | 16:43
Ich habe es längst gekauft - der Ghoul kann sich also rühmen, hier einen erfolgreichen Vertriebsweg geschaffen zu haben; jedenfalls in meinem Fall auch über die OSR-Bubble hinaus  ~;D
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 11.11.2024 | 17:56
Was ist eigentlich aus den Verrissen geworden? ^^

Soll ich stärker gegen Leichtregelwerke austeilen? Oder lieber mehr gegen Primer?
 ~;D
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Tintenteufel am 11.11.2024 | 19:17
Soll ich stärker gegen Leichtregelwerke austeilen? Oder lieber mehr gegen Primer?
 ~;D

Am besten zwei Fliegen mit einer Klappe!  :headbang:

(Ich persönlich mag ja beide und bin echt auf deine Kritik gespannt!)
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 11.11.2024 | 23:16
Nein, nein, jetzt wäre erstmal noch ein gewisses Artpunk-Buch an der Reihe ...
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Johann am 13.11.2024 | 19:19
Dieses OSR-Setting ist insgesamt empfehlenswert – ich gestehe diesem sagenhaften Setting-Band 5 von 5 verräterische Zwerge zu.

Vielen Dank für diese feine Rezension -- ich freue mich, dass dir das gefällt, insbesondere da Du es auch gespielt hast!

*-*-*

Anfangs (https://imreichdernibelungen.blogspot.com/2021/09/das-projekt.html) war Im Reich der Nibelungen sogar für alle alten Fassungen von D&D sowie deren Retroklone gedacht, aber es war dann doch einfacher mich auf ein Grundregelwerk festzulegen.

Ich mag Swords & Wizardry Continual Light und es ist sogar gratis verfügbar bei System Matters (https://www.system-matters.de/21483/swords-wizardry-continual-light/), wo freilich auch die rund zehnmal so umfangreiche 'Mutter' Swords & Wizardry Gesamtregelwerk (https://www.system-matters.de/shop/swords-wizardry/) zu Hause ist.

Die Verwendung mit anderen Regeln (wie z.B. ALRIK (https://alrik.snafu.zone/wiki/Alrik), LL oder natürlich S&W) ist, wie du sagst, rasch aus dem Ärmel geschüttelt. Das Herz des Projekts - die sieben Gesetze - sind weitgehend systemunabhängig. Die paar Male, wo die Zahl der Trefferpunkte halbiert, ein beliebiger Eigenschaftspunkt bis maximal 18 vergeben oder ein 2W6 Reaktionswurf modifiziert wird, sind klassisches D&D, aber auch in anderen Systemen abbildbar.

(Die italienische Übersetzung eines Fans steht noch ganz am Anfang, ist aber für La Scatola Bianca (https://www.amazon.de/Scatola-Bianca-medievale-davventura-Translation/dp/B09G9PWL7Z), einen Retroklon von S&W White Box.)

*-*-*

Das Kampagnenspiel wird bei Im Reich der Nibelungen nur stiefmütterlich behandelt. Auf dem Spielleitungsschirm ist der Ablauf einer Queste umrissen, d.h. mit Zufallsereignissen für Reisen, Wetter und eben auch einem kurzen Abschnitt für die Zeit zwischen Questen. Da vergehen dann W6 Jahreszeiten und man kann eigene Ziele wie die Brautwerbung verfolgen, was indes nur ganz kurz abgehandelt wird.

Ich vermute auch, dass da so schnell nichts von mir kommen wird -- denn ich habe schlicht nichts Neues zu sagen. Auch wenn es meine Spielerunde zweimal in den Wilderlands zu Burg bzw. Magierturm (eigtl. eine Magierhöhle) samt Untertanen und Gefolgsleuten gebracht hat, so habe ich (zu) wenig Erfahrung in diesen Dingen. Da müsste ich wohl erst mal eine ganze Weile in den Wilden Gestaden spielen (https://pesa-nexus.de/addkon-die-wilden-gestade/)…

Wer da also mehr will, der sollte wahrscheinlich mit AD&D bzw. ALRIK oder ACKS an die Sache herangehen, wobei ich anfügen möchte, dass ich AD&D nicht gut kenne - obschon ich die Begegnungstabellen von 2e nutze - und ACKS nur gelesen habe.

*-*-*

Feindseligkeit für Dungeoncrawls sehe ich allenfalls bei selbsternannten Jüngern von Ron Edwards, aber das wäre ein Thema für einen anderen Thread.

Deine Mahnung nicht bei leichten Regelwerken stehenzubleiben, kann ich indes gut nachvollziehen -- aber der Alltag macht mir da einen Strich durch die Rechnung:

Ich habe acht Spieler*innen, von Casual bis Hardcore, von 19 bis 59 und in wechselnder Besetzung. Im Reich der Nibelungen ist genau für diese Situation geeignet, u.a. wegen der einfachen Regeln, aber auch wegen den magischen Nebeln, die am Ende des Spieleabends alle Recken packen und - meistens - aus dem Zwergenreich rauswerfen...
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Johann am 13.11.2024 | 19:27
[Ist] das Quellenmaterial so aufbereitet [...], dass man es auch für andere, erzählerischere Spiele verwenden kann?

Ich weiß nicht genau, was dir vorschwebt, aber die Spielwelt wird nur sehr knapp skizziert, d.h. Orte und NSCs gibt's gar nicht. Die Vorschau bei DriveThruRPG (https://www.drivethrurpg.com/de/product/489589/im-reich-der-nibelungen) gibt einen ganz guten Einblick -- z.B. ein kurzer Absatz zur Epoche, drei zur Lage Burgunds…

Die Stimmung ergibt sich für mich aus den sieben Gesetzen, z.B. wenn mal wieder ein Ungeheuer zufällig bewusstlos geschlagen wird -- und die Recken es verschonen, damit es ihnen einen Dienst erweisen muss.

Die Ungeheuer sind stets durch ein Begehr definiert - Zwerge horten Gold, Oger gieren nach Menschenfleisch usw. - und wie ghoul sehe ich da Potenzial. Es sind indes nur ein Dutzend, aber in einem neuen Thread gibt es eine kleine Kostprobe (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,129326.0.html), wenn auch mit eher prosaischen Begehren.

Deshalb hier das Begehr von (vielen) Riesen: der Exzess! Ich dekliniere das für die klassischen D&D-Riesen durch (da ich viele alte Module verwende und auch ein paar Ratschläge zu deren Anpassung biete), aber ansonsten gibt's ganz überwiegend neue Ungeheuer (siehe den oben erwähnten Thread).

Hügelriese: Völlerei bis zum Erbrechen
Frostriese: Saufen bis zur Besinnungslosigkeit
Steinriese: Ungestörtheit bis zur völligen, auch inneren Stille
Feuerriese: Töten bis zur völligen Besudelung mit Blut
Wolkenriese: Kunstgenuss bis zur Verzückung
Sturmriese: Verheerung (z. B. einer Stadt) bis zum Untergang
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Johann am 13.11.2024 | 19:35
(Druckversion ist ja immer noch nicht verfügbar, oder?)

Eine Druckfassung ist derzeit nicht geplant, aber wer es nicht selbst zu Hause ausdrucken & tackern möchte (Vorsicht! Für letzteres benötigt man einen Langarmhefter!), der kann einfach mit dem .pdf zu einem Copyshop oder einer Druckerei gehen (oder es denen per E-Mail schicken). Das sollte dann knapp €5 kosten (Hochglanz & Farbe, wobei beides nicht nötig ist).

Wie ghoul schon sagte, braucht man nur 9 DIN A4-Bögen, die dann im Broschürendruck (idealerweise mit der Option 'randlos drucken') das Bändchen ergeben. Steht aber auch alles in der Liesmich-Datei.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Johann am 13.11.2024 | 19:47
Hügelriese: Völlerei bis zum Erbrechen
Frostriese: Saufen bis zur Besinnungslosigkeit
Steinriese: Ungestörtheit bis zur völligen, auch inneren Stille
Feuerriese: Töten bis zur völligen Besudelung mit Blut
Wolkenriese: Kunstgenuss bis zur Verzückung
Sturmriese: Verheerung (z. B. einer Stadt) bis zum Untergang

Dazu wäre noch anzumerken, dass die Erfüllung eines Begehrs (voll entwickelte) Nachkommen entstehen lassen kann!

Nach dem großen Gelage gibt's also vielleicht ein paar ausgewachsene Riesen mehr! Bei den Frostriesen stelle ich mir das so vor, dass ihnen ein monströser Kater (vorübergehend) den Kopf platzen lässt, aus dem dann die neuen Riesen hervorkriechen...

Tja, und bei den Hügelriesen... :puke:
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 13.11.2024 | 21:25
Zitat
Hügelriese: Völlerei bis zum Erbrechen
Frostriese: Saufen bis zur Besinnungslosigkeit
Steinriese: Ungestörtheit bis zur völligen, auch inneren Stille
Feuerriese: Töten bis zur völligen Besudelung mit Blut
Wolkenriese: Kunstgenuss bis zur Verzückung
Sturmriese: Verheerung (z. B. einer Stadt) bis zum Untergang

Woah! Genial! 😁
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 14.11.2024 | 11:03
Tja, und bei den Hügelriesen... :puke:

Man kann gar nicht so viele Hügelriesen erzeugen, wie man kotzen möchte?  ;D
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 30.11.2024 | 10:54
Wind Wraith - mörkdysterer Setting-Generator (für OSE)

Ausnahmsweise habe ich eine Rezension auf Englisch geschrieben. Falls ich sie übersetze, kopiere ich wie gewohnt den Text hier ins Forum. In der Zwischenzeit verknüpfe ich hier nur meine Blog-Artikel:
https://ghoultunnel.wordpress.com/2024/11/29/wind-wraith-a-morkdark-wavecrawl-generator-for-ose-an-in-depth-review-part-1-2/
https://ghoultunnel.wordpress.com/2024/11/30/wind-wraith-a-morkdark-wavecrawl-generator-for-ose-an-in-depth-review-part-2-2/
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Jenseher am 30.11.2024 | 13:32
Wind Wraith - mörkdysterer Setting-Generator (für OSE)

Ausnahmsweise habe ich eine Rezension auf Englisch geschrieben. Falls ich sie übersetze, kopiere ich wie gewohnt den Text hier ins Forum. In der Zwischenzeit verknüpfe ich hier nur meine Blog-Artikel:
https://ghoultunnel.wordpress.com/2024/11/29/wind-wraith-a-morkdark-wavecrawl-generator-for-ose-an-in-depth-review-part-1-2/
https://ghoultunnel.wordpress.com/2024/11/30/wind-wraith-a-morkdark-wavecrawl-generator-for-ose-an-in-depth-review-part-2-2/

Klingt insgesamt interessant. Als Inspirationen für eine eigene Entwicklung würden mir bereits der Klappentext und die Einleitung deiner Rezension reichen.

Hast du die Einleitung selbst geschrieben? Das ist gut.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 30.11.2024 | 13:55
Ja, ganz alleine ohne ChatGPT.

Inspiration findet man darin, es ist schon ganz brauchbar zum Weltenbau, wenn man nicht mehr erwartet.

Alliterationssätze findet man in dem Buch so einige, das ist teilweise anstrengend.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 2.12.2024 | 14:18
Oh! Gerade bemerkt, dass ich auch Woodfall vom gleichen Autoren im Regal habe.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 20.12.2024 | 20:48
Das Uniko-Atoll – der Versuch einer Rezension
Originalartikel inkl. Hyperlinks: https://ghoultunnel.wordpress.com/2024/12/20/das-uniko-atoll-der-versuch-einer-rezension/

Seba vom Kritischen Fehlschlag veröffentlicht als "Seifenkiste-Projekt" einen kostenlosen Abenteuerschauplatz für OSR-Systeme, insbesondere für Sword & Wizardry. Es geht um Inseln und um Seefahrt! Gerade erst habe ich ein solches Setting rezensiert, da muss ich mir dieses ebenfalls unter die Lupe nehmen.

Meine erster neugieriger Blick gilt den Karten. Auf Seite 8 sowie noch einmal ganz hinten im PDF sehen wir eine schöne Farbzeichnung von 19 stilisierten Inseln, die über der Meeresoberfläche fliegen. Aha, was für ein hübsches künstlerisches Symbolbild, denke ich, man soll wohl die Inseln auf seiner eigenen Kampagnenweltkarte beliebeig platzieren, deshalb "fliegen" sie wohl. Andere Leser dachten, es gehe wirklich um fliegende Inseln. Weit gefehlt! Seba bezeichnet dieses Kunstwerk als Karte, die Inseln bilden ein Atoll und von Fliegen ist nicht die Rede. Schade um die vertane Chance, wer fliegenden Inseln will, muss Wind Wraith spielen. Schade noch mehr um die Verweigerung der Verräumlichung. Es gibt keine realistisch anmutende Anordnung der Inseln, keinen Maßstab, keine Möglichkeit, vernünftig strategische Überlegungen anhand der Seekarte zu fällen. Aber darum geht es dem Autoren auch gar nicht.

Seba spielt nach eigener Angabe gerne episodenhaft statt in Form einer Weltkampagne, auch hier im Vorwort betont er die Bedeutung der Episode. Was er spielen will und wozu er dieses Insel-Setting geschrieben hat, ist der Manga One Piece! Und daraus ergeben sich die Probleme.

Sind OSR-Systeme die richtigen Mittel, um einen leichtfüßigen, absurd-witzigen Manga umzusetzen, in dem es um Charaktere geht, ihre Questen, ihr Innenleben, ihre Superkräfte, nicht aber um eine glaubwürdig simulierte Welt? Exalted fällt mir dazu beispielsweise als geeignetes System ein. Tatsächlich muss Seba jetzt einiges über Bord werfen, z.B. die üblichen Schiffstypen und Schiffsregeln herkömmlicher D&D-artiger Systeme, wir brauchen für One Piece modernere Schiffe, die aber nur von einer handvoll Mann betrieben werden. Entsprechend heißt das aber, Garnisonen und Milizen auf Inseln bestehen auch nur aus etwa 6 Mann. Mit dieser Setzung fällt es schwer, das Uniko-Atoll als Modul in eine bestehende Kampagnenwelt einzupflegen. Es ist wirklich nur für Leute gedacht, die One Piece spielen wollen, aber nicht cineastisch oder erzählerisch, sondern als old-school D&D-System. Das dürfte eine überschaubar kleine Schnittmenge an Spielern sein. Macht aber nichts, wenn es nur gut ist. Ein Seba, eine Vision!

Die Schiffsregeln: Es gibt ein kurzes einfaches Schiffskampfsystem, das ist für die Zwecke ganz vernünftig. Löblich auch, dass an die Ladekapazität gedacht wurde, und die Inseln ein Handelsspiel erlauben! Für die bewohnten Inseln gibt es Angaben von verfügbaren Resourcen, Bedarf und Preisen pro Kiste. Was aber bedeutet bei den Schiffen die Ladekapazität von 1 bis 3? Ist das die Anzahl der Kisten, die Platz hat? Wo wir schon mit comichaft reduzierten Mannschaften arbeiten, ist das auch für die Ladekapazität nicht auszuschließen.

Wir bekommen nun sehr viele Elemente geboten, die ein dynamisches Minikampangenspiel erlauben: Verschiedene Fraktionen - konkurrierende Reiche, Händler, Piraten, ihre Vorgeschichte, ihre gegenwärtigen Stützpunkte und Vorschläge für zukünftige Ereignisse, die für dramatische Änderungen sorgen werden. Leider torpediert unser Autor sich selbst durch die Verweigerung der Verräumlichung, bizarr winzigen Truppenstärken und fehlende Stufenangaben bei wichtigen NSCs wie Klerikern oder Zauberkundigen – wir haben überhaupt keine Chance, ihre Macht und Möglichkeiten abzuschätzen! Die albernen Konzepte und Namen der NSCs passen sehr gut zu One Piece – oder zu Käpt'n Blaubär.

Betrachten wir nun die ersten der 19 Inseln. SPOILER-Alarm ab hier!

1. Insel von Reuben

Die Insel eines verschollenen Piraten, der experimentierfreudig versucht hat, den Tod zu überwinden. Hier gibt es ein Versteck nach Konzept der sogenannten "5-Room-Dungeons", welches man auf keinen Fall mit einem traditionellen Dungeon alter Schule verwechseln darf. Wir bekommen hier, ganz nach dem Episodengeschmack des Autors, eine Anhäufung weniger Räume, die geknackt werden sollen. Es gibt komische Skelette, mit denen man verhandeln soll (obwohl wir im Vorwort belehrt werden, dass Untote nicht vernunftbegabt sind) in Raum 1, eine Falle in Raum 2 und einen Geheimraum 3, in dem Schmuck im Wert von 50000 GM lagert, und weitere Räume voller Fallenpuzzles inkl. dem verschollenen Piraten ohne Herz. Für Zweitstüfler 50000 Erfahrungspunkte im dritten Raum! Die bleiben nicht lange auf Stufe 2.

2. Insel des Eises

Hier haben wir einen Märchen-Eispalast (als sub-komplexen Pseudo-Dungeon) und einen Eiskönig mit Weltvernichtungspotenzial. Der Gegner teleportiert munter umher, wie ihn der Spielleiter gerade haben möchte, denn Seba denkt nicht old-school, sondern szenisch. Das macht diese Insel trotz märchenhafter Lösungs-Elemente (Winterkönig! Sommerschwert!) sehr schwach.

Bereits in Raum 2 finden wir wieder auf dem Eisplateau serviert wertvolle Schätze: einen Schild +1, einen Telekinesering und einen mächtigen Regenerationsring! Die gehören zwar den Gefangenen aus Raum 8, aber ein wenig Dankbarkeit wird man ja wohl erwarten dürfen.

3. Distelstrand

Eine Halblingssiedlung, Fraktionen und Geheimnisse, die belanglos bis banal sind, NSCs ohne Stufen – alles was man für ein niedliches Abenteuer mit Käpt'n Blaubär so braucht.

4. Zuversicht

Dies ist die größte Insel mit der gößten Siedlung, einem Freihändler- und Piratenhafen, und gleichzeitig der Dreh- und Angelpunkt für Abenteurer. Dementsprechend ist die Ortsbeschreibung etwas ausführlicher, es gibt eine lange Liste mit Aufträgen aller Art, die ergattert werden können, und Interaktion mit verschiedenen Fraktionen oder Orten auf anderen Inseln bringen. Zuversicht ist auch ein Umschlagplatz für zahlreiche Waren für das Handelsspiel. Es gibt Tavernen, Trank- und Schriftrollenhändler etc. Gewöhnliche Waren und Dienstleistungen haben ungewöhnlich hohe Preise, etwa Bier für 2-5 GM und eine Mahlzeit für 10-20 GM. Das ist Faktor 10 gegenüber üblichen OSR-Spielen, dabei ist dort ja immer bereits die "Goldgräber"-Wirtschaftslage eingepreist. Man wundert sich, weshalb nicht einfach die Preise aus Swords & Wizardry gelten. Irgendwie wirkt das ganze mehr wie von Computerspielen inspiriert als von alten D&D-Modulen.

5. Goldhafen

Eine Zwergeninsel, natürlich ohne Karte der unterirdischen Zwergenfestung. Dafür gibt es ein paar Monsterjagdaufträge abzugreifen.

6. Sambag

Nun kommen wir zu den Inseln der "Gastautoren", hier vom Duo Lisa Beckmann und Martin J. Kramer. Den Unterschied bemerkt man sofort! Wir erhalten im ersten Satz spielrelevante räumliche Angaben! Es gibt Karten, die interessant sind! Es gibt schwierig zu bergende Schätze! Wir stoßen auf den "Entdecker", eine Abart des berüchtigten Betrachters! Leider verliert sich hier alles wieder in Niedlichkeit. Schade.

7. Fischmenschen-Wrack

Autor Grannus bedenkt uns mit lustigen Fischmenschen-Mischlingen, die den Abenteurern Möglichkeiten zur Unterwassererkundung anbieten. Und diese Tauchausflüge sind skurril. Das Wrack ist tatsächlich die erste "Insel", die mir richtig gut gefällt. Noch besser wäre es natürlich gewesen, eine Unterwasserkarte zu haben, wobei einige Orte nur unter schwierigem Resourcenaufwand erreichbar wären, statt über eine 2W6-Glockenkurven-Wahrscheinlichkeit. Ich kann mir durchaus vorstellen, dieses Wrack in meine eigene Unterwasserkampagne zu übernehmen.

Es folgen 12 weitere Inseln, wieder aus der Feder des Verfassers Seba. Doch dieser Ghoul hat bereits genug Käpt'n-Blaubär-Inseln für diesen Tag gelesen und legt das Abenteuer zu den Akten.

Seba, du entwickelst viele Ideen, du bemühst dich um Inhalte, die eine lebendige Spielwelt ermöglichen. Mach weiter, aber bitte nicht so! Lies doch die alten BECMI-Abenteuer der B-Reihe, vor allem spiele sie! Dann wirst du verstehen, was OSR ausmacht, welche Werkzeuge warum funktionieren und wo genau man noch gerne nachjustieren darf. Das Uniko-Atoll hat auf der Titelseite ein OSR-Logo, der Inhalt geht eher in eine andere Richtung.

Dabei ist dies doch laut Titelseite ein "Seifenkiste-Projekt", warum ist Moritz hier nicht seiner Mentor-Rolle nachgekommen, den jungen Padawan vor seine Fehlern zu warnen? Es hätte so vieles besser werden können. Das nächste Projekt wird hoffentlich besser.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Tintenteufel am 20.12.2024 | 22:26
Schade. Das klingt hart. Ich warte und freue mich dennoch auf die Printversion, um mir selbst ein Bild zu machen.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 21.12.2024 | 06:09
die Printversion

Die was?!!  :o
Warum? Wer tut so etwas? :'(
Das Ding gehört nochmal ein Jahr lang testgespielt und überarbeitet, dann kann man sich über eine Druckversion Gedanken machen. Es hat durchaus ganz viel Potential, um gut zu werden.
Der Autor sollte außerdem noch lernen, Abenteuer für P&P nicht zu schreiben wie für ein Computerspiel.
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: ghoul am 21.12.2024 | 09:16
Der Autor hat meinen Blog-Artikel kommentiert:

Zitat
Hi,

danke, dass du reingeschaut hast. Den Schuh, dass S&W eventuell nicht das richtige System für das ist, was entstanden ist, ziehe ich mir an. Für mich ist es in erster Linie ein leicht zu lernendes und leicht zu leitendes System.

Wer oldschool erwartet, wird mit dem Modul sicher enttäuscht. Wer einfach Spaß mit einem regelleichten System haben möchte, ohne zu spielen wie in den 70ern und 80ern, kann ihn hier finden.

Gibt es diese Schnittmenge an Leuten? Ich hoffe es 😀

MfG,

Seba
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: Seba am 31.01.2025 | 20:24
Der Autor ist auch hier ab und an. :)
Ich bin immer noch fein mit deiner Rezi, da prallt eben Erwartungshaltung auf Realität. Und wenn man OSR draufschreibt, darf der Leser auch OSR erwarten. Mea Culpa.

Das Zeug, dass ich schreibe, ist im Grunde einfach das vorbereitende Material für meine Tischrunde, dass ich ins Netz pumpe, weil ich die Mittel dazu halt hab (also Layout-tools und son Gedöns).

Und du hast mit scharfem Blick gesehen, dass wir alle aus der Generation kommen, die DnD mit Baldurs Gate und Planescape Torment gelernt haben. Da bin ich auch offen und hab es hier und da auf dem Blog auch so erwähnt und erklärt, wie sich diese Sozialisierung auf unser Spiel auswirkt. Es IST wie ein Videospiel und soll auch so sein  ^-^

Ich kann versichern, dass wir viel Spaß haben - was auch für diverse Online-Runden gilt - obwohl OSR-Puristen sicher die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden, bei dem, was wir da machen. Im Gegenzug habe ich auch schon in Runden mitgespielt, in denen die korrekten Regeln für Dungeoncrawling und Hexploration benutzt wurden. Ist okay, aber nicht wirklich mein Ding.

Also nochmal, ich finde es grundsätzlich wirklich nett, dass du überhaupt reingeschaut hast und zumindest gute Ideen attestierst. Wenn es dir wirklich gut gefallen hätte, wäre ich extrem überrascht gewesen :D

MfG,
Seba
Titel: Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
Beitrag von: tartex am 1.02.2025 | 08:18
Also nochmal, ich finde es grundsätzlich wirklich nett, dass du überhaupt reingeschaut hast und zumindest gute Ideen attestierst. Wenn es dir wirklich gut gefallen hätte, wäre ich extrem überrascht gewesen :D

Meine Aufmerksamkeit wurde jedenfalls durch die Rezension geweckt. Ich hätte sonst das ganze für mich sehr interessante PDF verpasst.