ALIEN
Fade Away
Akt I
Süsse Träume
This is a black hole. It consumes matter, sucks it in, and crushes it beyond existence. When I first heard that, I thought, that's evil in its most pure.
Alice Morgan (Luther)
Mit der Erfindung des Kälteschlafes öffnete sich für den Mensch die Weite des Weltraums. Der Kälteschlaf machte die FTL-Phase der Reise zwischen den Sternen für die Psyche erträglich und minderte die körperlichen Nebenwirkungen. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass ihr träumt. Wie eure Körper auch sind die Funktionen des Gehirns im Kälteschlaf stark verlangsamt, ein einziger Traum kann Stunden, Tage oder Monate andauern. Die Wissenschaft ist sich sicher, dass Träumen gut für die geistige Gesundheit im Kälteschlaf ist. Doch gibt es immer wieder Berichte, dass Personen in einem Albtraum gefangen waren, aus dem es kein Erwachen gab. Kein Aufschrecken in durchschwitzten Laken, kein Schreien und Vergessen um anschließend wieder in ruhigen Schlaf zu fallen. Man ist Gefangener seiner eigenen Gedanken, seiner Körperchemie, die nicht so reagieren kann wie sie es gewohnt ist.
Manchmal, aber auch das ist wohl nur Seemannsgarn von Leuten in zwielichtigen Spelunken die bezeugen können die letzten drei Jahrzehnte für irgendeine Firma „…da draußen Ware…“ verschifft zu haben, hieß es, dass diese Alpträume nicht mit dem Aufwachen endeten. Sie begannen dann erst.
Beißend helles Licht (https://www.youtube.com/watch?v=_AmQbNItyko) blendet eure Iris, als sich die Deckel der Kälteschlafkammern leise summend über euch öffnen. Die Haut brennt wie unter den Stichen von tausenden kleinen Nadeln die sie durchbohren, eure Schädel dröhnen und eure Gliedmaßen fühlten sich schwer wie Blei an. Das Aufwachen aus dem Kälteschlaf ist jedes Mal wieder wie neu geboren zu werden und fiel euch von Mal zu Mal schwerer. Auch wenn die Luft warm ist, so besteht die Umgebung doch aus kalter, weißer Verkleidung, Stahl und Plastik. Nur langsam sickert wieder Leben in eure Körper. Die Kleidung die ihr im Kälteschlaf getragen habt, wird in wenigen Minuten in den Müllschacht wandern. Vernichten und neuausstatten ist günstiger als zu reinigen, was ihr die letzten Wochen oder Monate am Körper hattet. Mit jedem Aufwachen kommt das unangenehme Gefühl der Desorientierung: wieviel Zeit war vergangen?
Um euch herum herrscht Stille nur das ewige Hintergrundrauschen der Station überlagert alles. Nach ein paar Stunden werdet ihr euch wieder daran gewöhnt haben, dann hört ihr es nicht mehr. Doch nach jedem aufwachen ist es das Erste was euch begleitet, neben der Orientierungslosigkeit, den Schmerzen und den Gerüchen von Körpern welche gerade mal wieder Monate vielleicht sogar Jahre im eigenen Saft geschmort haben.
Deck I MU/TH/UR
„Bei mir ist alles klar!“ sagt Aviles auf Ians Frage hin. Ihr Tonfall ist gemäßigt, sie hat echten Respekt vor dem ehemaligen Colonial Marshall. Jeder hat seine Vorgeschichte und jeder Trägt ein Sack voller Sünden und schlechten Entscheidungen mit sich herum, dass er es zurück geschafft scheint sie zu beeindrucken. Und natürlich die Tatsache, dass er wirklich nur helfen will, ohne Hintergedanken.
„Ich kann es kaum erwarten wieder da draußen zu sein!“ damit meint sie den Weltraum, in einem Mule um die Tanks zu prüfen, der Raffinerie einen Besuch abzustatten oder einfach zum ankommenden Schiff überzusetzen und es an den Tank-Arm heran zu lotsen.
Von der Messe nimmt Ian den Weg nach oben, Aviles Worte immer noch im Ohr. Das Deck I ist jetzt ungewöhnlich Still. Der Geruch nach nasser Dusche hängt in der Luft und im Zugang zu den Duschen hat sich der feine Nebel aus Wasserdampf in Tropfen an den Wänden abgesetzt. In diesem Stadium ist immer wieder ein Knacken und Knistern in der Station zu hören. Durch das beheizen der Räume dehnt sich Material aus, trifft auf die Eiseskälte des Weltalls und irgendwo in der Mitte der Außenwände kommt es zu mechanischen Spannungen die sich langsam abbauen.
„Da sind sie ja.“ Empfängt Weeks Ian mit kühler Distanziertheit. Er kann sehen dass es der Leiterin überhaupt nicht passt, dass sie beide zu MU/TH/UR kommen sollen. Die traute Zweisamkeit von Weeks und der KI mit ihren Nachrichten des Konzerns wird gestört durch einen unwillkommenen Eindringling wie McGarrill. Aber wer widerspricht schon seinem Arbeitgeber.
Mit Codekarte und Pin entriegelt Weeks den Zugang zu der KI und ihr taucht ein in das Gehirn der Station.
(https://www.gamehype.co.uk/wp-content/uploads/2017/07/Alien_-Isolation%E2%84%A2_20170629233558-1280x720.jpg)
Der Raum ist ein Meer aus blinkenden kleinen Lichtern welche aufleuchten und verblassen, ohne das ihr einen Rhythmus darin feststellen könnt. Aber er ist da, die KI schläft nicht, sie wacht über alles auf der Station, aber sie ist auch der verlängerte Arm des Konzerns. Die Vorstellung abhängig zu sein von so einer Maschine ist unangenehm aber ein notwendiges Übel.
Weeks setzt sich in den Sessel, betätigt ein paar Tasten und die Monitore erwachen zum Leben. Eine Buchstabenreihe kündigt eine Nachricht des Konzerns an.
Klackend erscheint der Text auf dem Interaktionsbildschirm und mit jeder Zeile zieht sich Ians Magen mehr zusammen. Selbst Weeks, die äußerlich sonst kaum etwas erschüttert zieht scharf die Luft ein und blickt zu Ian auf, der hinter ihr steht. Noch erschreckender als der Text ist das was McGarrill in ihren Augen sieht.
Echte Hilflosigkeit. Die Arroganz ist einer Schwäche gewichen die er so bei ihr noch nie gesehen hat.
Die Nachricht lautet:
Es tut uns leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass in Ihrer letzten Kälteschlafphase Umstände eingetreten sind, welche es notwendig machen, dass die Einrichtung Nexus Three aus der Bilanz der EXOR Corporation entfernt werden muss. Eine Rückführung der Einrichtung sowie des Personals übersteigt unsere derzeitigen Möglichkeiten und würde den Konsolidierungsbemühungen zuwiderlaufen. Order 011.b.23 wurde eingeleitete. Wir bedanken uns für die von Ihnen geleistete Arbeit und versichern Ihnen, dass die in Ihren Verträgen enthaltene Abfindung für Ihre Hinterbliebenen weiter Bestand hat.
Gez. Tetsuo Kaneda, CEO Deep Space Resort EXOR Corp.
Deck II Messe
Es dauert nicht lange nachdem McGarrill nach oben verschwunden ist und die Aufforderung auf den Bildschirmen erlischt. Zurück bleibt nur eine nichtssagende Schwärze.
Ricks Anstachelung prallt an Weeks ab wie ein Staubkoren das auf die Außenhülle der Nexus Three trifft. Vielleicht weil es nicht seine übliche Rolle ist, oder weil Weeks sich gefangen hat. Auch wenn die Drohung die Boni zu streichen in der jetzigen Situation keinen Sinn ergibt, macht es das Gezanke um die Führung nicht nicht besser. Immerhin hat sie mit Rollmann den leitenden Ingenieur mit der Problemlösung beauftragt, auch wenn das mal wieder viel zu spät kam.
Eure Zeit läuft ab.
Versammelt um den Tisch in der Messe, mit allem an Lebensmitteln ausgestattet was ein Brainstorming braucht macht ihr euch daran einen Weg auszutüfteln eure Haut zu retten. Weeks hat da wenig beizutragen, außer im Hintergrund nervös auf und ab zu gehen. Euch hin und wieder über die Schulter zu schauen, den Kopf zu schütteln und wieder auf und ab zu laufen.
Ihr seit erst ein paar Stunden dabei als eure Überlegungen jäh unterbrochen werden. Die rote Notbeleuchtung springt an und auf den Monitoren der Messe erscheint ein Countdown. Eine schrille Computerstimme und Sirenen erinnern (https://www.youtube.com/watch?v=EO9x0y5lqD0) euch unangenehm daran dass ihr auf einem Pulverfass sitzt. Nervtötend und schrill hallt der Alarm in der Station wieder. Die KI warnt euch davor, dass in der Raffinerie der Prozess zur Selbstzerstörung der Station voranschreitet.
Erst mit ein paar Tricks und ein wenig Geschick könnt ihr den Alarm wieder abschalten welcher sonst stündlich losgegangen wäre. Ein außerkraftsetzen der Sicherheitsprotokolle sollte aber Abhilfe schaffen.
So aus der Konzentration gerissen müsst ihr euch erst wieder sammeln. Jeder auf seine Art, aber es zeichnet sich ab das es nicht besser werden wird. Ihr könnt fast körperlich spüren wie die Zeit verrinnt als würden sich eure Körper bereits jetzt ausdünnen, bis ihr nur noch Geister in einer Stahlhülle seid.
Am Ende des Brainstormings steht folgendes Fest. Egal wie ihr es dreht und wendet eure Ideen kosten zu viel Zeit oder ihr findet überhaupt keine praktikable Lösung. Die Selbstzerstörung ist nicht mehr auf das System angewiesen. Was euch umbringt läuft über Relais, Ventile, Tanks und Rohrleitungen einen Kilometer von euch entfernt ab. Der Mechanismus ist so entwickelt das er keine Unterbrechung duldet. Wer auch immer ihn implementiert hat, war sich wohl sicher, dass in der Abwägung der Selbsterhaltungstrieb der Besatzung möglicherweise größer sein würde als der Schaden den die Station anrichten könnte.
Alles was die KI dazu zu sagen hat lässt sich auf einen einzigen Satz zusammenstreichen.
D I E B E S A T Z U N G I S T E N T B E H R L I C H
Shawns Idee, teile der Station abzukoppeln, die Lebenserhaltung dahin zu verlegen und die Zeit ohne Nahrung, Wasser oder Atemluft in den Kälteschlafkammern zu verbringen bis Hilfe eintrifft scheitert ebenfalls an der Zeit. Es ist machbar. Aber nicht mit den beschränkten Möglichkeiten die ihr habt, nicht ohne Trockendock, nicht ohne mehr Leute die 24/7 die nächsten Tage durchackern. Ihr seit nur Sieben, viel zu wenige für den Plan.
Und so geht ihr auseinander. Nervös. Verunsichert. Jeder für sich alleine mit den Gedanken das all eure Ideen euch nicht die Lösung waren.
Weiter geht’s im nächsten Akt (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,128360.0.html)