- Kapitel V –
- Blut aus der Borke -
„Mein Herz das zweifelt“
Die lastende Stille um euch herum fällt euch jetzt besonders auf. Auch wenn Irian eine unheimliche Gestalt war mit einer noch unangenehmeren krächzenden Stimme und schwarzem verrottendem Zahnfleisch, das kaum die gelben Zähne zu halten vermag, so war er doch eine Abwechslung aus der Monotonie.
Schon nach wenigen Stunden wird euch klar, dieser Pfad führt vielleicht am Ende zum Zwergengrabmal, aber er scheint nicht erneut an der Felsnadel mit dem Dorf und der goldenen Heckenrose vorbeizuführen. Spät am Tag verzieht sich der Nebel aber es ist als liege ein Schatten auf diesem Teil des Waldes durch den der Pfad euch leitet. Das Licht ist weniger hell und die Schatten tiefer. Dann kommt ihr unvermittelt an den Rand einer kleinen Lichtung.
Vor euch in der Mitte der Lichtung steht eine einzelne uralte Turmeiche. Ihr Stamm ist so dick wie der namensgebende Turm. Die Krone so ausladend das sie selbst die allgegenwärtigen Fichten verdrängt hat. Der Boden hier ist schwarz und matschig, überall wühlen sich die knorrigen Wurzeln der Eiche durch das Erdreich und nichts anderes scheint hier zu wachsen.
Kein Moos, kein Gras, kein Unterholz.
Dünn fallen ein paar Sonnenstrahlen durch das Blätterdach der Turmeiche deren Rinde fast so schwarz ist wie der Boden.
Einer der Lichtstrahlen fällt auf eine Axt welche sich tief in die Borke des Baumes gegraben hat. Um die Einschlagsstelle drum herum könnt ihr sehen das eine Reihe tiefer Kerben davon Zeugen das die Axt wieder und wieder in den Baum geschlagen wurde. Dort wo die Borke durchbrochen ist sickert dickflüssiges, dunkles Blut am Baum herab.
Aino erkennt die Axt sofort. Es ist die rituelle Waffe eines Dämonenjägers der Tenet von Nid. Geschmiedet aus Torsilber, überzogen mit den heiligen Symbolen des einen Gotts Gave, dem Allvater, dem Weltenerbauer. Er kam aus dem Nichts um Licht und Dunkelheit zu spalten.
Das Silber glänzt unter dem Sonnenstrahl wie am ersten Tag als die Waffe die Esse verließ.
Ein Funken Licht in der trüben Welt.
Ein erschrockenes Keuchen ertönt als Aino die Gestalt direkt anspricht. Dann bricht mit einem wilden Schrei ein in die Rüstung eines Ritters der Tenet von Nid gehüllter Mann aus dem Unterholz hervor. Wild schwingt er eine schartige Dropi Axt, seine ehemals langen Zöpfe sind einer Wilden, verfilzten Mähne gewichen, in den wässrig blauen Augen glänzt der Wahnsinn. Das Gesicht von Alter zerfurcht und von Wut verzerrt.
„Sterbt Frevler…“ brüllt er euch entgegen, Speichel rinnt ihm über das Kinn.
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Azlahn nickt dem alten Skwilden zu.
„Ich werde Holz schlagen und Emangisura wird mich dabei im Auge behalten, sollte der Pfad weiter in den Wald hineinreichen als sie uns sehen kann, mich und euch, komme ich nach und werde später Holz für das Begräbnis schlagen!“
Ihr folgt dem kurzen Pfad. Welcher wirklich nur ein paar Meter in den Wald hineinführt. Hinter euch könnt ihr die Elfe sehen welche an einer Biegung darauf achtgibt, dass weder ihr noch der Barkbrule außer Sicht geraten. Aus der Entfernung könnt ihr das Schlagen der Axt hören das immer wieder dumpf die Stille durchbricht.
Vor euch im Unterholz befindet sich ein erbärmliches Lager, das dem Ritter als Zuhause gedient haben muss. Unrat auf der einen Seite, eine Schlafgelegenheit, abgedeckt mit einer löchrigen Plane auf der anderen Seite. In der Mitte eine Feuerstelle, welche dutzende, wenn nicht hunderte mal ein kleines Feuer beherbergt hat. Ein Vorrat an schimmligen Wurzeln und ein paar wenigen Tierkadavern, meist Mäuse oder Eichhörnchen, sind das einzig essbare im Lager. Etwas abseits wird Tau in einem Helm aufgefangen um etwas zu Trinken zu haben.
Als einzig wertvollen und noch zu gebrauchenden Gegenstand findet ihr ein altes Buch in dem der Ritter sein Tagewerk notiert hat. Über die Jahre hat sich die Schrift kaum verändert als wäre es seine heilige Pflicht seinen Niedergang zu dokumentieren. Stumm überfliegt ihr die Zeilen.
Der zweite Tag
Ich habe gesucht und tatsächlich gefunden. Nicht mal mein Herz wagte zu hoffen, dass ich erfolgreich sein werde. Er steht vor mir.
Der fünfte Tag
Ich habe den Dämon mit großer Vorsicht studiert und beobachtet. Sein Antlitz ist nicht das was ich erwartet hatte. Nicht einmal etwas so böses kann sich in den Schatten der Angst hüllen.
Der zwölfte Tag
Ich habe meine Axt in die Borke geschlagen. Vielleicht irre ich mich, aber ich meine ein unterdrücktes Stöhnen vernommen zu haben.
Der dreißigste Tag
Kein Anzeichen das ihn das schwächen würde. Einen üblen Gestank verströmend sickert der Saft aus der Wunde auf die Blumenwiese.
Das dritte Jahr, der sechsundsechzigste Tag
Sieben Geheimnisse braucht es um diesem Ort zu entfliehen.
Das zehnte Jahr, der dritte Tag
Sie haben mir erzählt das Grunfeid der Drachenmeister nicht gestorben ist.
Das elfte Jahr, der zweihundertundsiebte Tag
Die Axt hat sich in der Borke verkantet und ich kann sie nicht befreien. Der Dämon wirkt geschwächt.
Das zwanzigste Jahr, der letzte Tag
Mein Herz das zweifelt. Ist es ein Dämon?
Das dreiundzwanzigste Jahr, der fünfzehnte Tag
Ich werde diesen Ort hier nicht verlassen. Nun sehe ich klar. Der Dämon wirkt stärker denn je. Er wird mich bezwingen. Oh Gave schütze mich vor seiner Rache!
Weder Emangisura noch der Barkbrule können mit Sicherheit sagen in welche Richtung die Felsspitze liegt. Das letzte mal seit ihr von dem Vidrjotun aus dem Pfad gefolgt. Diesmal von Irian aus, aber jedes Mal hat euch der Wald den weg gewiesen. Jetzt jedoch ist von den einst so deutlichen Pfaden nichts mehr zu sehen. Mit Erreichen des Grabmals hat der Wald auch den Weg hinter euch, der von der Lichtung aus führte verschlossen und um euch herum ist nur Wildnis. Nichts erinnert mehr an den Pfad der euch herführte.
So macht ihr euch in die Richtung auf die euch am ehesten nach der Aussieht in der das Dorf mit den goldenen Heckenrosen sein könnte und lasst die schmale Steintreppe hinter euch.
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