Tanelorn.net

Pen & Paper - Spielsysteme => Systemübergreifende Themen => Thema gestartet von: haste nicht gesehen am 29.04.2024 | 19:39

Titel: Meaningful Choices
Beitrag von: haste nicht gesehen am 29.04.2024 | 19:39
Ich stoße in Regelwerken und in YouTube-Videos zum Thema Spielleiten sehr häufig auf die Phrase "Meaningful Choices". Was eine bedeutungsvolle Entscheidung genau ist, bleiben sie aber schuldig. Jetzt könnte man sagen, ist doch klar, benutz halt Deinen gesunden Menschenverstand, aber irgendwie würde ich es schon gerne mal genauer wissen. Vor allem, wie das andere Spielleiter so sehen.

Um mal ein paar Beispiele zu nennen:

Justin Alexander ("The Alexandrian" und "So you want to be a Game Master") behauptet, dass das "Node-based scenario design" mit der "Three Clue Rule" eine Methode sei, Abenteuer mit bedeutungsvollen Entscheidungen zu entwerfen. Auch die Technik "Xandering the Dungeon" geht in diese Richtung. Hier habe ich den Eindruck, dass sich "meaningful choice" darauf bezieht, dass die Spieler entscheiden können, wohin sie als nächstes gehen, bzw. welchen Spuren sie als nächstes folgen.


Luke Hart ("The DM Lair") hat in mehreren seiner Videos darauf hingewiesen, dass ein Rollenspielabenteuer aus einer Aneinanderreihung von bedeutungsvollen Entscheidungen besteht. Beispielsweise sollten Szenen so eingeführt werden, dass das "framing" an einem Punkt endet, an dem die Spieler eine bedeutungsvolle Entscheidung treffen müssen (etwas vereinfacht).

Im Regelwerk The One Ring heißt es: "Once a session has started, the gameplay transitions
from one scene to another, with each scene describing a situation requiring the players to make meaningful decisions." Man bemerke den Plural. Es steht also nicht eine einzelne Entscheidung im Zentrum der Szene.

Die beiden letzten Beispiele sind für mich recht vage. Ist es eine bedeutungsvolle Entscheidung, wenn ich in einem Dungeon-Raum die linke, statt der rechten Türe wähle? Auch dann, wenn ich in beiden Fällen keine Ahnung habe, was mich dahinter erwartet?

Dann wäre da noch die Unterscheidung zu "Harten Entscheidungen (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,126781.0.html)". Gibt es einen? Vermutlich ja, aber wo zieht man die Grenze?

Dann bin ich noch über einen Blog-Post von Brice Morrison gestolpert. Hier ging es eigentlich um Spieldesign, trifft aber vielleicht auch auf Rollenspiele zu. Er sagt, dass  bedeutungsvolle Entscheidungen 4 Kriterien erfüllen müssen:


Das wirkt auf mich schon eher bedeutungsvoll. Aber kann wirklich jede Szene so gestaltet werden? Oder anders herum gefragt, sind alle anderen Entscheidungen dann bedeutungslos?
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 29.04.2024 | 19:54
Zur letzten Frage zuerst: natürlich können Entscheidungen mehr oder weniger bedeutungsvoll sein. Sonst müßte man da ja erst gar nicht mit unterschiedlichen Etiketten hantieren. ;)

Was genau jetzt eine "bedeutungsvolle" Entscheidung darstellt und wieviele davon ein typisches Abenteuer eigentlich so "braucht"...puh, da müßte ich auch erst mal überlegen. Klar ist, daß es fürs Spiel keine große Bedeutung haben wird, ob mein Charakter sich heute für seine blauen oder seine braunen Socken entschieden hat, und auch die bloße Wahl zwischen verschiedenen Dungeontüren oder -gängen, von denen man nicht schon weiß, wohin sie führen, fühlt sich für mich erst mal nicht wirklich bedeutend an -- theoretisch könnte sie es sein, wenn sich die getroffene Wahl als unwiderruflich herausstellen sollte, aber in der Praxis, denke ich, geht man doch meist davon aus, daß man früher oder später auch die zweite Tür zumindest ausprobiert, also ist das generell bloß eine Frage der Reihenfolge und kein "richtiges" Entweder/Oder.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Irian am 29.04.2024 | 20:04
Ich würde das für eine Spielstil-Frage halten. Wenn man einen reinen Dungeon-Crawl, wo der Action/Taktik-Faktor, das Lösen von Rätseln, Loot, etc. primäre Anreize sind, sind "meaningful choices" evtl. nicht so bedeutsam wie in einer stark charakter-driven Runde, in welcher schwierig ethische grau-grau Entscheidungen getroffen werden müssen.

Dementsprechend halte ich das evtl. bei "einfachen" Dungeon Runs für nicht sooo anwendbar wie bei anderen Szenarien. Klar, kann es in einem Dungeon auch geben ("Rette ich die unschuldigen Goblins vor den Orks oder verwende sie als Kanonenfutter"), aber wenn sowohl Orks als auch Goblins eh nur "Encounter" sind, die überwunden werden müssen, spielt das keine große Rolle: Sobald sie weg sind, ist man erfolgreich. Dementsprechend sollte die Frage evtl. erstmal lauten "Braucht das Szenario meaningful choices" und weniger "Wie kriegt ein Dungeon solche"?
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Isegrim am 29.04.2024 | 20:14
Action/Taktik-Faktor (...) Dementsprechend halte ich das evtl. bei "einfachen" Dungeon Runs für nicht sooo anwendbar wie bei anderen Szenarien.

Aber ohne solche Entscheidungen gibt es keine Taktik. Die verlangt ja geradezu nach den richtigen Entscheidungen, um zu funktionieren.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 29.04.2024 | 20:15
...und auch die bloße Wahl zwischen verschiedenen Dungeontüren oder -gängen, von denen man nicht schon weiß, wohin sie führen, fühlt sich für mich erst mal nicht wirklich bedeutend an -- ...
Daher würde ich
"zumindest grobe Abschätzbarkeit der Folgen"
zu den notwendigen Kriterien hinzufügen.

Als weitere:
- nicht trivial. Wenn eine Entscheidung dermaßen richtiger ist, dass die Alternative quasi automatisch ausscheidet, dann war es auch keine echte Entscheidung.

Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: manbehind am 29.04.2024 | 20:17
Eine Entscheidung ist dann per Definition bedeutungslos, wenn sie keine Kosten in termini von Optionen hat.

edit:
Das ist das, was Brice Morrison als "Dauerhaftigkeit" bezeichnet. Die anderen Kriterien sind für mich entbehrlich und z. T. trivial.

Der Begriff "harte Entscheidung" bedeutet im Regelfall, dass jemand anders die Kosten der Entscheidung trägt. Politiker oder Unternehmenslenker nutzen die Phrase gerne, um sich als "Entscheider" zu gerieren, was natürlich Unsinn ist, da sie selbst im Regelfall (wie z. B. Boris Johnson den Folgen des Brexits oder ein Vorstand den Folgen der Entlassung von Mitarbeitern) den Folgen ausweichen können und nicht von ihnen betroffen sind.

Im Rollenspiel ist das natürlich ein bisschen anders, weil der Held selbstverständlich zu echtem Mitleid fähig ist :)
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Radulf St. Germain am 29.04.2024 | 20:30
Zitat
Dann bin ich noch über einen Blog-Post von Brice Morrison gestolpert. Hier ging es eigentlich um Spieldesign, trifft aber vielleicht auch auf Rollenspiele zu. Er sagt, dass  bedeutungsvolle Entscheidungen 4 Kriterien erfüllen müssen:

    Bewusstsein - Der Spieler muss sich einigermaßen bewusst sein, dass er eine Wahl trifft.
    Konsequenzen - Die Wahl muss Konsequenzen haben (im Gameplay und idealerweise auch ästhetisch)
    Erinnerungen - Der Spieler muss an seine Entscheidung erinnert werden, nachdem er sie getroffen hat.
    Dauerhaftigkeit - Der Spieler kann nicht zurückgehen und seine Entscheidung rückgängig machen, nachdem er die Konsequenzen erkundet hat.


Das wirkt auf mich schon eher bedeutungsvoll. Aber kann wirklich jede Szene so gestaltet werden? Oder anders herum gefragt, sind alle anderen Entscheidungen dann bedeutungslos?

Das erscheint mir die beste Definition einer bedeutungsvollen Entscheidung.

Ich glaube nicht, dass man das in jeder Szene braucht. Tatsächlich sind solche Entscheidungen auch nicht leicht zu gestalten und viele davon führen evtl dazu, dass man entweder sehr gut improvisieren oder sehr viel vorbereiten muss. Ich glaube aber auch, dass die Spieler mit 1-3 gut durchdachten Dilemmas gut bedient sind. Qualität vor Quantität.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Irian am 29.04.2024 | 20:35
Aber ohne solche Entscheidungen gibt es keine Taktik. Die verlangt ja geradezu nach den richtigen Entscheidungen, um zu funktionieren.

Ich muss gestehen, ich würde, rein intuitiv, "meaningful choice" nicht mit "welche Taktik verwende ich nu?" übersetzen. Anders gesagt, wenn ich mir einen Film oder ein Buch vorstelle, dann ist die "meaningful choice" weniger, mit welcher Seite seines Schwertes der Protagonist die Orks besiegt (also welche Taktik er anwendet um zum ohnehin gesetzten Ziel "Orks tot" zu kommen), sondern eher "größere" Dinge (z.B. "was wird geopfert? wem wird geholfen? etc."). Reine "Taktik-Entscheidungen" in einem gamistischen Spiel die auf "Funktioniert es? Ja=Sieg, Nein=Niederlage" hinauslaufen sind für mich keine "meaningful" choice. Klar sind es Entscheidungen. Da gibt es dann "erfolgreiche" Entscheidungen und eben nicht erfolgreiche, aber keine davon ist richtig "meaningful".
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Quaint am 29.04.2024 | 20:56
Schwierig. Idealerweise ist der Kampf halt die Fortsetzung des Rollenspiels mit anderen Mitteln. Und da kann Taktik z.B. auch bedeuten wer ein großes Risiko eingeht und ggf. stirbt. Was ja zumindest eine meaningful choice sein kann. Muss ja deswegen nicht gleich komplett im Scheitern oder TPK enden.

Aber ich finde man muss auch nicht immer alles auf solche Entscheidungen ausrichten. Zumal letztlich ja viele Entscheidungen dann auch über den Gruppenkonsens laufen und man da als einzelner Spieler zwar mitreden kann aber je nach Gruppendynamik nicht notwendigerweise entscheidet. Und auch sowas wie Trailblazing als Stil mit wenig oder keinen Entscheidungen kann ja durchaus zu unterhalten wissen.
Andere Stile sind ja von vornherein offen angelegt (z.B. Sandbox Hexcrawl) und da macht man dann als SL eh nix mit groß Plot und Entscheidungspunkten und Framing. Wobei natürlich trotzdem viel entschieden wird, nur halt nicht im Sinne eines Plots mit "Abzweigungen".
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Isegrim am 29.04.2024 | 21:01
(...) mit welcher Seite seines Schwertes der Protagonist die Orks besiegt (also welche Taktik er anwendet um zum ohnehin gesetzten Ziel "Orks tot" zu kommen), sondern eher "größere" Dinge

Ich dacht da auch eher an die größeren Entscheidungen, zB "Greifen wir die Orks jetzt an, oder durchsuchen wir erst noch die anderen Räume nach diesen Anti-Ork-Klingen". Ich kann hier weniger aus meiner eigenen Spielpraxis denn aus Tanelorn-Beiträgen schöpfen, hatte aber den Eindruck, sowas gehört durchaus zum Dungeon Crawl. Gut, mag man eher strategisch denn taktisch nennen.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 29.04.2024 | 21:03
Ich denke Rollenspiel lebt "technisch" von eben auch technisch definierten "Meaningful Choices".

Was dann jemand  unter diesen dann als interessante Entscheidungen ansieht, ist dann Geschmacks-/Stilfrage.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Swanosaurus am 29.04.2024 | 21:46

Aber kann wirklich jede Szene so gestaltet werden? Oder anders herum gefragt, sind alle anderen Entscheidungen dann bedeutungslos?

Ich glaube, die erste dieser beiden Fragen führt ein bisschen in die Irre (und die zweite würde ich sofort mit "Nein!" beantworten).

Wenn eine Szene bereits im Vorhinein um eine "Meaningful Choice" gestaltet wird (greifen wir NSC X an, oder verbünden wir uns mit ihm?), dann ist dabei ja bereits angelegt, Entscheidungen, die nicht ins Raster der vorgeplanten Entscheidung passen, möglichst zu entwerten.

Dazu kommt, dass die Frage, was eine "meaningful Choice" ist, oft extrem charakterabhängig sein kann. Wenn ein Paladin sich entschließt, seinen eigenen Orden zu bestehlen, dann dürfte das für ihn persönlich wie auch sonst deutlich schärfere Konsequenzen für ihn haben als für einen Dieb, der denselben Orden bestiehlt. Das lässt sich überhaupt nur sehr begrenzt im Abenteuer anlegen.

Die Aufgabe guten Abenteuermaterials ist es eher, so konsistent, übersichtlich und informationsreich zu sein, dass die Spielleitung gerade mit unerwarteten "Meaningful Choices" leicht fertig wird.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 29.04.2024 | 22:24
Ich denke, eine ziemlich offensichtliche Kategorie von Kandidaten für "bedeutungsvolle" Entscheidungen sind Verzichtsfragen. Also das Grundmuster "Es gibt zwei oder mehr Dinge, die mir alle wirklich wichtig sind, die ich aber nicht (gerne auch mal 'nicht mehr') alle haben kann -- was davon gebe ich auf?". Dabei muß es nicht zwingend um materiellen Besitz gehen, sondern kann sich auch um Abstrakta wie Ziele oder Prinzipien handeln: wenn ich beispielsweise gegen einen gemeinsamen Feind auch beim besten Willen nur eine von zwei in etwa gleich starken Fraktionen, die sich gegenseitig ebenfalls nicht grün sind, als Verbündete gewinnen kann, wen nehme ich dann und mit wessen dadurch eventuell neu erworbener Feindschaft kann ich für den potentiellen Rest meines Lebens eher klarkommen?

Ich vermute stark, daß es noch andere Kategorien gibt, aber die fällt mir als erste ein und deckt in sich schon eine ganze Reihe von möglichen Szenarien ab.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: YY am 29.04.2024 | 23:12
Aber ohne solche Entscheidungen gibt es keine Taktik. Die verlangt ja geradezu nach den richtigen Entscheidungen, um zu funktionieren.

Da kommt etwas ins Spiel, das mir bei den obigen vier Faktoren fehlt: Information/(Teil-)Transparenz.

Sprich, der Spieler braucht zumindest einen groben Überblick, wohin welche Entscheidung jeweils führt. Es braucht nicht immer alle Informationen (tatsächlich kann das Sammeln solcher Informationen bereits relevanter Spielinhalt sein), aber es ist andersrum schnell entschieden unspaßig, wenn man Entscheidungen ohne nennenswerte Informationen treffen muss und dann auch noch an diese umständehalber beliebige und mangelbehaftete Entscheidung erinnert wird.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: haste nicht gesehen am 30.04.2024 | 09:50
Vielen Dank für die vielen konstruktiven Beiträge. :D

Je länger ich darüber nachdenke, desto wichtiger wird für mich die Abgrenzung der bedeutungsvollen Entscheidung von harten Entscheidungen und den moralischen Dilemmata. Ich glaube, dass harten Entscheidungen und moralische Dilemmata eine Untermenge von bedeutungsvollen Entscheidungen sind.

Der nächste Punkt ist für mich die praktikable Anwendung einer Begriffsdefinition. Ich glaube, dass moralische Maßstäbe hier nicht weiter führen.
Könnte eine Bedeutungsvolle Entscheidung nicht auch sehr viel simpler betrachtet werden? Ist eine Entscheidung, die das Spiel in eine bestimmte Richtung lenkt, nicht bereits bedeutungsvoll? Außerdem denke ich, dass die Spieler-Autonomie eine wichtige Rolle spielt. Ohne Autonomie keine Entscheidung. Es geht also darum, dass der Spieler (oder auch die Gruppe von Spielern gemeinsam) eine Wahl hat und diese selbständig trifft.

Der Grad der Informiertheit scheint mir auch eine Rolle zu spielen. Allerdings glaube ich auch, dass eine vollständige Transparenz weder erforderlich, noch gewünscht ist.

Von daher hier meine Meckervorlage für eine Begriffsdefinition.

Bedeutungsvolle Entscheidung
Eine bedeutungsvolle Entscheidung im Rollenspiel ist eine Wahl, die Spieler autonom treffen und die direkt den Verlauf sowie das Ergebnis des Spiels beeinflusst. Bedeutungsvolle Entscheidungen führen zu neuen Handlungsebenen, verursachen signifikante Veränderungen in der Spielwelt oder eröffnen neue Optionen für die Spieler. Der Grad der Informiertheit bestimmt, wie weit die Spieler die Bedeutung ihrer Wahl verstehen und die möglichen unmittelbaren Auswirkungen abschätzen können. Vollständige Transparenz ist nicht erforderlich, jedoch führt eine zunehmende Transparenz zu einer erhöhten strategischen Tiefe des Spiels und stärkt damit auch die Autonomie der Spieler.

Hier noch der Versuch dies an praktischen Beispielen zu prüfen.

Situation 1:
Die Spielercharaktere (SC) möchten in eine Burg gelangen. Vor dem Tor stehen Wachen, die den Zugang versperren.

In dieser Situation entscheiden die Spielercharaktere (SC), wie sie an den Wachen vorbeikommen, um in die Burg zu gelangen. Die Entscheidung bestimmt direkt den Verlauf des Spiels und führt zu neuen Möglichkeiten, da die Vorgehensweise (Überreden, Bekämpfen, Überlisten usw.) darüber entscheidet, ob sie Zugang zur Burg erhalten und wie sich die Beziehung zu den NSCs entwickelt.
Die Spieler haben genügend Informationen über das Hindernis und können basierend auf ihren Fähigkeiten und der Situation eine informierte Wahl treffen.

Situation 2:
Die SC befinden sich in einem Dungeon-Raum, offenbar das Labor des Bösewichts. In dem Raum befinden sich viele Alchemistische Gerätschaften und Materialien, sowie Schriftstücke und vieles mehr. Der Spielleiter hat in diesem Raum einige Hinweise versteckt. Diese müssen aber durch die SC erst gefunden werden.

In dieser Situation befinden sich die SC in einem Raum voller potenziell wichtiger Gegenstände und Informationen. Ihre Entscheidung, was sie untersuchen (oder auch nicht), kann entscheidend dafür sein, welche Hinweise sie finden und wie diese den weiteren Verlauf des Abenteuers beeinflussen. Die unmittelbaren Auswirkungen sind nicht offensichtlich, aber entdeckte Hinweise eröffnen neue Optionen oder verändern die Pläne der SCs.

Situation 3:
Die SC betreten das Wartezimmer des Fürsten. In der Mitte des Raumes liegt der Fürst in einer Blutlache, über ihn gebeugt eine Frau mit einem blutigen Dolch in der Hand. Als die SCs hereinkommen schreckt sie auf.

Die SC sehen die Situation, aber die genauen Hintergründe und Motive sind unklar.
Die Entscheidung, wie sie reagieren, ob sie die Frau konfrontieren, Hilfe suchen oder eine andere Aktion wählen, verändert direkt das Ergebnis und die weiteren Ereignisse im Spiel.

Situation 4:
Die SCs haben vor einen geheimen Prototypen aus den Laboren eines Megakonzerns für die Konkurrenz zu stehlen. Es ist ihnen gelungen die Gebäude- und Wachpläne zu besorgen. Sie haben nun die Möglichkeit verschiedene Zugangsarten und Wege durch das Gebäude auszuarbeiten.

Die Planung und Durchführung des Diebstahls erfordert strategische Entscheidungen von den SC. Ihre Wahl des Zugangsweges und der Methoden beeinflusst direkt, wie erfolgreich der Diebstahl durchgeführt wird und welche Konsequenzen dies für sie hat.

Für mich persönlich funktioniert die Definition. Ich bin mir sicher hier Gegenwind zu bekommen. Also schießt los  ;D
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: ghoul am 30.04.2024 | 10:10
Ich wollte erst schreiben, die Diskussion sei verkopft, da in der Praxis, wenn man ohne Railroading und Illusionismus leitet, jede Entscheidung potentiell bedeutungsvoll ist, egal ob groß, klein, hart, weich ...
Aber offenbar ist es eine Besonderheit des szenebasierten Leitens (das habe ich jetzt 20 Jahre nicht mehr gemacht), dass man sich Gedanken über Bedeutsamkeit der Szene machen muss. Dann verstehe ich auch die Frage.
Im klassischen (nicht-szenischen) Spielleiten geht man einfach mehr ins Detail, wenn etwas interessant ist, und handelt Dinge grob ab, die eher langweilig sind (das kann man dann "pacing" nennen, wenn man mag).
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 30.04.2024 | 10:20
Ich wollte erst schreiben, die Diskussion sei verkopft, da in der Praxis, wenn man ohne Railroading und Illusionismus leitet, jede Entscheidung potentiell bedeutungsvoll ist, egal ob groß, klein, hart, weich ...
Aber offenbar ist es eine Besonderheit des szenebasierten Leitens (das habe ich jetzt 20 Jahre nicht mehr gemacht), dass man sich Gedanken über Bedeutsamkeit der Szene machen muss. Dann verstehe ich auch die Frage.
Im klassischen (nicht-szenischen) Spielleiten geht man einfach mehr ins Detail, wenn etwas interessant ist, und handelt Dinge grob ab, die eher langweilig sind (das kann man dann "pacing" nennen, wenn man mag).

Na, ob das nicht einfach dasselbe in grün ist? In jedem Fall bezweifle ich stark, daß sich "Interessantheit" irgendwie objektiver messen läßt als "Bedeutung". ;)
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: ghoul am 30.04.2024 | 10:30
Na, ob das nicht einfach dasselbe in grün ist? In jedem Fall bezweifle ich stark, daß sich "Interessantheit" irgendwie objektiver messen läßt als "Bedeutung". ;)
Ich muss mir als DM nicht im Voraus den Kopf zerbrechen, welche Überlegungen die Spieler durchführen müssen und was später einmal Konsequenzen haben wird.
Ich handle einfach Konsequenzen ab, sobald sie sich ergeben. Das wollte ich ausdrücken.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 30.04.2024 | 10:52
Ich muss mir als DM nicht im Voraus den Kopf zerbrechen, welche Überlegungen die Spieler durchführen müssen und was später einmal Konsequenzen haben wird.
Ich handle einfach Konsequenzen ab, sobald sie sich ergeben. Das wollte ich ausdrücken.

Hm. Und wo steht noch mal geschrieben, daß "bedeutungsvolle" Entscheidungen unbedingt geskriptet sein müssen und sich nicht auch einfach aus dem Spielfluß ergeben können? Wenn das nämlich unbedingt dazugehören soll, muß mir diese Tatsache bisher entgangen sein... :think:

Klar: mit "spontanen" bedeutungsvollen Entscheidungen läßt sich ggf. schlechter im Voraus planen (geschweige denn die Erfüllung irgendwelcher willkürlicher Quoten festlegen...wem's halt Spaß macht). Aber darum geht's zumindest mir als SL ohnehin weniger als um das schlichte Anbieten von Möglichkeiten dazu -- irgendwelche Konsequenzen hat das Handeln der SC ohnehin so oder so praktisch immer, interessant ist also eher, welche Form die dann annehmen.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Suro am 30.04.2024 | 11:01
Ich muss mir als DM nicht im Voraus den Kopf zerbrechen, welche Überlegungen die Spieler durchführen müssen und was später einmal Konsequenzen haben wird.
Ich handle einfach Konsequenzen ab, sobald sie sich ergeben. Das wollte ich ausdrücken.

Ich leite ja auch eher reaktiv in letzter Zeit (und in den meisten Systemen), aber trotzdem bereite ich mich auf individuelle Sitzungen (unter anderem) vor, in dem ich überlege, welche Entwicklungen wahrscheinlich sind und welche Konsequenzen bestimmte Spielverläufe (und damit auch Entscheidungen der Spieler:innen) wahrscheinlich und besonders interessant sind. Der oder die perfekte SL ist natürlich darauf vorbereitet, alle möglichen interessanten Entwicklungen "im Detail" zu bespielen, ich bin aber faul und beschränke mich auf die Dinge, die mir naheliegend erscheinen (wenn es doch in eine andere Richtung geht, muss ich dann natürlich mglw. improvisieren).

Edit: Noch ein kurzer Kommentar zum Threadthema im Allgemeinen: Ich würde "meaningful" als "difference-making" interpretieren, d.h. es geht um Entscheidungen, die den Handlungsverlauf beeinflussen: Wenn Tür A und Tür B von Raum 1 in Raum 2 führen, und sich die Handlungsoptionen und Gefahren/Vorteile für die Charaktere dadurch auch nicht ändern, macht sie praktisch keinen Unterschied - vgl. auch "Railroading" und "Illusionismus". "Bedeutsam" ist hier offensichtlich nicht als binäres, sondern als graduelles Konzept zu verstehen, d.h. alle Entscheidungen haben irgendeine Auswirkung, aber es gibt durchaus große Unterschiede, was die Bedeutsamkeit angeht.

Da kann es einerseits z.B. darum gehen, wie bedeutsam die Entscheidung für den oder die SL ist (oben angesprochen wurde ja beispielsweise, welche "Szenen" gespielt werden, d.h. auch, was der oder die SL vorbereitet haben muss) und andererseits, wie bedeutsam die Entscheidung für die Spieler:innen ist. Das hängt bei den Spieler:innen natürlich damit zusammen, welche Ziele sie verfolgen, und ob die Entscheidung einen merklichen Unterschied für ihre Ziele haben (seien es jetzt bestimmte angestrebte Spielweltentwicklungen, die "Unversehrtheit" der Charaktere oder aber auch "mechanisch-taktktisch-gamistische" Auswirkungen, wie die Verbesserung der Spielwerte der Charaktere oder der Sieg in bestimmten Konflikten).

Ich würde mich nicht wundern, wenn der Begriff der "meaningful choices" aus dem allgemeinen Game Design kommt - ich meine, den Begriff z.B. auch gehört zu haben, wenn es um Boni (z.B. in Videospielen mit Rollenspielelementen) geht, also z.B. wird eine Auswahl zwischen +1% Elementarschaden durch den ein oder anderen Perk als nicht so "meaningful" wahrgenommen, wie eine gänzlich neue Fähigkeit oder die Verdoppelung des Schadens. Aber auch in diesem Bereich geht es nicht nur um mechanische, sondern auch um "narrative" Bedeutsamkeit und es geht afaik viel um wahrgenommene Bedeutsamkeit für die Spielenden.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: ghoul am 30.04.2024 | 11:37
Hm. Und wo steht noch mal geschrieben, daß "bedeutungsvolle" Entscheidungen unbedingt geskriptet sein müssen und sich nicht auch einfach aus dem Spielfluß ergeben können? Wenn das nämlich unbedingt dazugehören soll, muß mir diese Tatsache bisher entgangen sein... :think:

Klar: mit "spontanen" bedeutungsvollen Entscheidungen läßt sich ggf. schlechter im Voraus planen (geschweige denn die Erfüllung irgendwelcher willkürlicher Quoten festlegen...wem's halt Spaß macht). Aber darum geht's zumindest mir als SL ohnehin weniger als um das schlichte Anbieten von Möglichkeiten dazu -- irgendwelche Konsequenzen hat das Handeln der SC ohnehin so oder so praktisch immer, interessant ist also eher, welche Form die dann annehmen.

Dann sind wir offenbar einer Meinung?
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: ghoul am 30.04.2024 | 11:39
Ich würde mich nicht wundern, wenn der Begriff der "meaningful choices" aus dem allgemeinen Game Design kommt - ich meine, den Begriff z.B. auch gehört zu haben, wenn es um Boni (z.B. in Videospielen mit Rollenspielelementen) geht, also z.B. wird eine Auswahl zwischen +1% Elementarschaden durch den ein oder anderen Perk als nicht so "meaningful" wahrgenommen, wie eine gänzlich neue Fähigkeit oder die Verdoppelung des Schadens. Aber auch in diesem Bereich geht es nicht nur um mechanische, sondern auch um "narrative" Bedeutsamkeit und es geht afaik viel um wahrgenommene Bedeutsamkeit für die Spielenden.

In diesem Fall geht es um Vorausplanung durch den Programmierer (analog szeneplanende SL).
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 30.04.2024 | 11:40
Dann sind wir offenbar einer Meinung?

Gut möglich. Die Frage nach "demselben in grün" kam ja nicht ganz von ungefähr. :)
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: ghoul am 30.04.2024 | 11:44
Zitat
Noch ein kurzer Kommentar zum Threadthema im Allgemeinen: Ich würde "meaningful" als "difference-making" interpretieren, d.h. es geht um Entscheidungen, die den Handlungsverlauf beeinflussen: Wenn Tür A und Tür B von Raum 1 in Raum 2 führen, und sich die Handlungsoptionen und Gefahren/Vorteile für die Charaktere dadurch auch nicht ändern, macht sie praktisch keinen Unterschied - vgl. auch "Railroading" und "Illusionismus". "Bedeutsam" ist hier offensichtlich nicht als binäres, sondern als graduelles Konzept zu verstehen, d.h. alle Entscheidungen haben irgendeine Auswirkung, aber es gibt durchaus große Unterschiede, was die Bedeutsamkeit angeht.

Was die bedeutsame Struktur von Räumlichkeiten betrifft, so lautet das Stichwort "Jaquaysing the dungeon". D.h. komplexe, non-lineare Räumlichkeiten in 3 Dimensionen mit nicht-offensichtlichen Querverbindungen (Geheimtüren oder besonderes Gelände), die u.a. taktische Überlegungen ermöglichen.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Namo am 30.04.2024 | 12:25
Mir wirkt das tatsächlich auch etwas zu theoretisch - oder anders gefragt, welche Auswirkung bringt uns am Ende eine Definition des Begriffs auf unsere Abenteuer?

Entscheidungen werden doch ständig getroffen innerhalb eines Abends. Bedeutsame Entscheidungen wären für mich tatsächlich eher wesentliche Entscheidungen für den weiteren Kampagnenverlauf oder eben auch echte Dilemma Situationen, die die Entscheidung eben auch schwer machen sollen. Wobei ich gerade dieses Instrument (Dilemma) wiederum nicht zu häufig einsetzen mag, da es sich sonst abnutzt bzw. die Kampagne dadurch zu schwermütig werden kann und damit durchaus auch mal den Spaß rauben kann. Meistens enthalten diese je Entscheidungen für das geringere von zwei oder mehreren Übeln. Als strahlender Held geht man da also selten heraus. Kommt insofern dann natürlich auch auf den Kampagnenton an.

Aber eigentlich mache ich mir da jetzt auch keine bewussten Gedanken, wie bedeutsam die Entscheidung nun ist. Das ergibt sich ja üblicherweise organisch. Oder soll sich aus der Fragestellung ergeben, dass man als SL gegebenenfalls vermehrt auf bedeutsame Entscheidungen hinarbeiten soll?
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 30.04.2024 | 12:54
Aber eigentlich mache ich mir da jetzt auch keine bewussten Gedanken, wie bedeutsam die Entscheidung nun ist. Das ergibt sich ja üblicherweise organisch. Oder soll sich aus der Fragestellung ergeben, dass man als SL gegebenenfalls vermehrt auf bedeutsame Entscheidungen hinarbeiten soll?

Ich vermute, das angedachte Gegenteil sind dabei bedeutungslose oder gar nicht anfallende Entscheidungen im Abenteuer -- also gerade Illusionismus/Railroading. Die Grundidee wäre also erst mal, daß die Spieler durchaus überhaupt wenigstens ein paar Entscheidungen treffen "dürfen" sollen, die dann tatsächlich einen Unterschied fürs Spiel ausmachen...was wohl in erster Linie eine Überlegung für die SL-Seite des Schirms ist, denn als Spieler kriegt man ja nicht unbedingt immer mit, was die ihrerseits denkt und welche "Art" von Entscheidung man also gerade nominell getroffen hat.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Irian am 30.04.2024 | 13:24
Ich würde vermuten, zumindest bei mir, hängt es an der Definition von "meaningful". Wenn ich so an meinen eigenen Tag denke, dann sind da zahlreiche Entscheidungen erfolgreich oder eben auch nicht, egal ob privat, beruflich oder sonstwo, aber nicht besonders viele sind in irgendeiner Art und Weise "sinnstiftend", also von wirklicher "Bedeutung". Klar, sie tragen alle so ein wenig dazu bei, dass ich morgen noch was zu essen habe, etc. aber an und für sich, beinhalten sie oder erzeugen keinen tieferen "Sinn". Das waren eher größere Entscheidungen und nicht "Mache ich meinen Job nun auf Art A oder B?". Ähnlich würde ich das auch z.B. bei nem Dungeon-Run sehen. Klar, für den Paladin mag der Dungeon Teil des Lebensinhalts sein, das Böse zu vernichten, Unschuldige schützen, etc. also mag zumindest die Entscheidung, reinzugehen, durchaus "bedeutsam" sein, aber für viele Abenteurer ist es halt nur die nächste Höhle mit Gold drin.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Feuersänger am 30.04.2024 | 13:44
Hmmh, ich würde die Knackpunkte ein bisschen anders definieren, auch wenn die o.g. Liste sicherlich gut brauchbar ist.

Zitat
Bewusstsein - Der Spieler muss sich einigermaßen bewusst sein, dass er eine Wahl trifft.
Konsequenzen - Die Wahl muss Konsequenzen haben (im Gameplay und idealerweise auch ästhetisch)
Erinnerungen - Der Spieler muss an seine Entscheidung erinnert werden, nachdem er sie getroffen hat.
Dauerhaftigkeit - Der Spieler kann nicht zurückgehen und seine Entscheidung rückgängig machen, nachdem er die Konsequenzen erkundet hat.

A und O ist für mich das Bewusstsein, und hier würde ich genauer aufdröseln. Dem Spieler muss nicht nur bewusst sein, _dass_ er eine Wahl trifft, sondern auch, _welche_ Wahl das ist und welche Konsequenzen - wenigstens so ungefähr - seine Entscheidung haben kann oder wird.
Vielleicht ist das eigentlich schon bei Punkt 2 mitgemeint, aber so steht es halt nicht geschrieben.

Erinnerung und Permanenz, naja. Es muss nicht jede Entscheidung einen ewigen Rattenschwanz hinter sich herziehen. Eine Entscheidung kann auch bedeutsam sein, wenn sie nur in dieser und vllt der nächsten Sitzung spürbare Konsequenzen hat. Freilich dürften kluge Entscheidungen weniger negative Nachwirkungen haben als dumme.

Um das Ganze mal andersrum aufzudröseln:
- Wichtig ist für mich eigentlich vor allem, dass die Entscheidungen nicht von der SL entwertet werden. Indem zB eine vermeintlich bedachte Entscheidung getroffen wird, und dann die SL eine vorher absolut nicht absehbare, negative Konsequenz aus dem Hut gezaubert wird. Das ist dann halt einfach Bait and Switch.
- Dazu ist natürlich wie oben schon gesagt notwendig, dass die Spieler die Möglichkeit haben, an die relevanten Informationen zu kommen, um eine bedeutsame Entscheidung treffen zu können.

Als ein Negativbeispiel fällt mir etwa eine Unsitte aus diversen Printabenteuern ein, in denen man zwar explizit die Möglichkeit hat, mit NSCs zu verhandeln (was dann etwa über einen Diplomacy Check bewertet wird), und eine _gelungene_ Probe dazu führt, dass die NSCs hinterher Verrat begehen und den Spielern in den Rücken fallen. Solche Abenteuerautoren möchte ich mit Honig eingeschmiert auf einen Ameisenhügel fesseln.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 30.04.2024 | 13:48
Ich hätte das meaningfull eher als "echte" Entscheidung oder "bedeutungsvoll" im Gegensatz zu Scheinentscheidungen gelesen.
Sprich "unechte" Entscheidungen sind solche ohne praktische Auswirkungen, sei es das es nur Color ist ohne effektive Wirkung auf das Spiel ("Quantenoger", "Was bestell ich in der Taverne", Axt oder Schwert mit gleichen Kampfwerten benutzen) oder auch Entscheidungen, welche nicht wirklich eine qualifizierte Entscheidung aus Sicht des Spielers sind, weil sie entweder keine Basis haben die Entscheidungen gegeneinander abzuwägen, sei es weil keine Infos vorhanden sind oder eine Entscheidung so ungleich besser ist, dass alles andere Irrsinn wäre.

Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: tartex am 30.04.2024 | 15:01
Klar, für den Paladin mag der Dungeon Teil des Lebensinhalts sein, das Böse zu vernichten, Unschuldige schützen, etc. also mag zumindest die Entscheidung, reinzugehen, durchaus "bedeutsam" sein, aber für viele Abenteurer ist es halt nur die nächste Höhle mit Gold drin.

Es wird allerdings eine existenzielle und existenziell interessante Frage, wenn es darum geht "Überlebe ich oder nicht?"
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: 1of3 am 30.04.2024 | 15:37
Nicht in jeder Szene trifft eine Spieler*in eine Entscheidung. Und auch nicht notwendig ein SC. Also sicherlich kommt beides vor. Und manchmal passiert sogar beides zusammen. Aber der Sinn und Zweck einer Szene im Allgemeinen ist, dass wir etwas imaginieren, was wir für interessant halten. Entweder alle oder so, dass alle mal bekommen, was sie mögen. Das kann natürlich sein, dass ein SC eine Entscheidung trifft. Oder irgendwas anderes.

Aber das ist eben nicht das selbe, ob wer den SC spielt, eine Entscheidung trifft. Also wenn ein Auftraggeber einen Auftrag gibt, können sich die SC natürlich entscheiden Auftrag anzunehmen. Aber die Spielenden? Die sind doch genau dafür gekommen. Im Zweifelsfall haben wir sogar vorher schon darüber gesprochen, was wir spielen werden. Da waren dann natürlich die Spielenden an der Entscheidung beteiligt, die Charaktere aber noch lange nicht. Also letzte Woche waren nur zwei Leute da und die wollten ein "Buddy Cop Movie". Habe ich geliefert. Die Frage, was die Charaktere tun, ergab sich da nicht mehr so. In dem Fall ermitteln halt.

Also wen sie bei ihren Ermittlungen ansprechen und in welcher Reihenfolge, das wurde wohl gleichzeitig von den Spielerinnen und den Charakteren während des Spielabends entschieden. Aber damit hatte ich als SL nichts zu tun. Ich hab nur vorher initial eine Autobombe explodieren lassen.

Ich würde auch nicht sagen, dass das Spiel aus diesen Entscheidungen "bestand". Viel interessanter war die gespielte Entrüstung von SC2, der Kontakt den S2 eingeführt hat, die Diskussion mit einem NSC, dass sich SC1 eine Psychotherapie suchen solle, und SC1 Anfrage bei einem befreundeten Alien, ob es auch als Psychotherapeut arbeiten würde. Buddy Cop Movie halt. Das gucken wir ja auch für die Interaktion zwischen beteiligten. Das eigentliche Cop-Problem ist gewöhnlich eher austauschbar.

Ich bin da bei ghoul. Die Fragestellung ist unpassend. Wenn du nen guten Dungeon machen willst, mach nen guten Dungeon und keine bedeutungsvollen Entscheidungen, was immer das sein mag. Ich glaube die Theorie von Spieldesign lässt sich demnach auch nicht auf Handeln am Spieltisch übertragen. Spieldesign ist dafür, das Verhalten von Leuten anzuleiten, die man nicht vor sich hat. Am Spieltisch kann ich im Zweifelsfall einfach fragen, was sie wollen.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 30.04.2024 | 17:37
Ich denke, die Frage danach, ob man ein bestimmtes Abenteuer nun antreten möchte oder nicht, ist in den meisten Fällen tatsächlich nicht besonders "bedeutungsvoll" -- zum Spielen ist man ja da und wenn die Stimmung nicht gerade in Richtung "Heute wischen wir der SL mal eins aus und rennen vor allen Abenteuern weg" geht, dann ist die Entscheidung eigentlich eh schon gefallen.

Bedeutungsvoll werden kann sie allerdings, wenn die Spieler wirklich mal die echte Wahl haben, sich beispielsweise um die Goblinplage im Dorfumfeld zu kümmern oder lieber auf ihrer "eigentlichen" Mission weiterzuziehen, und wenn diese Wahl dann auch plausible Konsequenzen nach sich zieht. Im Beispiel könnte das darauf hinauslaufen, daß, wenn die Spieler sich nicht einmischen wollen, das eben nächste Woche die Schergen des örtlichen Landesherrn mit dem Holzhammer (und unter Pflichtrekrutierung der erwachsenen männlichen Dorfbewohner) selbst erledigen, während umgekehrt ihr nächstes "richtiges" Teilziel um so schwieriger erreichbar wird, je mehr sie auf dem Weg dorthin trödeln...
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Tudor the Traveller am 30.04.2024 | 19:07
So, alles so gut wie möglich quergelesen.

These von mir: ob eine Entscheidung bedeutungsvoll ist oder nicht, lässt sich zum Zeitpunkt des Treffens gar nicht sagen, da die Bedeutung davon abhängt, was danach passiert. Bezüglich der Informationslage über die Auswirkung der Entscheidung muss man sagen, dass diese lediglich eine Erwartungshaltung ist, die eintreten kann oder auch nicht. Außerdem müsste die Kausalität der nachfolgenden Entwicklung in Bezug auf die Entscheidung überhaupt klar sein.

Insofern kann man auch keine bedeutungsvollen Entscheidungen vorbereiten, ohne die Ereignisse danach AUCH festzuschreiben.

Davon zu trennen wären dann Entscheidungen, die sich auf Grund der Erwartungshaltung bedeutsam anfühlen.

Ich kann also eine uninformierte zufällige Entscheidung treffen, die sich danach als äußerst bedeutsam erweist, sich aber nicht so anfühlte. Oder ich kann eine Entscheidung treffen, die sich bedeutsam anfühlt, es aber in der Entwicklung danach gar nicht ist.

Da wäre dann meine Frage: geht es um tatsächlich bedeutsame Entscheidungen oder um gefühlt bedeutsame Entscheidungen?
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Trollkongen am 30.04.2024 | 19:18
Ich hätte das meaningfull eher als "echte" Entscheidung oder "bedeutungsvoll" im Gegensatz zu Scheinentscheidungen gelesen.
Sprich "unechte" Entscheidungen sind solche ohne praktische Auswirkungen, sei es das es nur Color ist ohne effektive Wirkung auf das Spiel ("Quantenoger", "Was bestell ich in der Taverne", Axt oder Schwert mit gleichen Kampfwerten benutzen) oder auch Entscheidungen, welche nicht wirklich eine qualifizierte Entscheidung aus Sicht des Spielers sind, weil sie entweder keine Basis haben die Entscheidungen gegeneinander abzuwägen, sei es weil keine Infos vorhanden sind oder eine Entscheidung so ungleich besser ist, dass alles andere Irrsinn wäre.

Sehe ich ähnlich. Nur: Es besteht, wie schon geschrieben wurde, nicht selten das Problem, dass man die Bedeutung nicht recht abwägen kann, weil man nicht genau weiß, was die Alternative wäre. Wenn man sich als SL einen Plot überlegt, bei dem man sich z. B. zwischen zwei Gruppen entscheiden kann/muss (die beide okay sind, so dass die Wahl nicht direkt klar ist), und daraus folgend das Abenteuer jeweils einen anderen Verlauf nimmt, so werden die Spieler wie SC nur eben diesen Verlauf kennenlernen.

Man müsste also auch im Nachhinein aufzeigen, was die Entscheidung geändert hat. Sonst ist es ja egal, ob es ein Quantenoger ist oder nicht.  ;)
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 30.04.2024 | 19:27
Sehe ich ähnlich. Nur: Es besteht, wie schon geschrieben wurde, nicht selten das Problem, dass man die Bedeutung nicht recht abwägen kann, weil man nicht genau weiß, was die Alternative wäre. Wenn man sich als SL einen Plot überlegt, bei dem man sich z. B. zwischen zwei Gruppen entscheiden kann/muss (die beide okay sind, so dass die Wahl nicht direkt klar ist), und daraus folgend das Abenteuer jeweils einen anderen Verlauf nimmt, so werden die Spieler wie SC nur eben diesen Verlauf kennenlernen.

Man müsste also auch im Nachhinein aufzeigen, was die Entscheidung geändert hat. Sonst ist es ja egal, ob es ein Quantenoger ist oder nicht.  ;)

Ja, manchmal ist das nicht sofort erkennbar und manchmal muss man als Spieler auch ins kalte Wasser springen, um etwas in Bewegung zu setzen.

Aber eine befriedigende Entscheidung ist letzteres das meiner Erfahrung nach nicht, doppelt, wenn das dann unerfreuliche Folgen hat und ersteres wäre dann doch eher eine Aufforderung zum Nachforschen, damit die Chancen zumindest abschätzbar werden. Aber wenn dann alle Gruppen wiederum gar (über)mächtig und dyster sind und jeder mögliche Fehler zum unkontrollierbaren Desaster zu werden droht, hat ist das mit dem Nachforschen oft ebenfalls keine Lösung.  :gasmaskerly: :ctlu:
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Boba Fett am 30.04.2024 | 19:37
Er sagt, dass  bedeutungsvolle Entscheidungen 4 Kriterien erfüllen müssen:

  • Bewusstsein - Der Spieler muss sich einigermaßen bewusst sein, dass er eine Wahl trifft.
  • Konsequenzen - Die Wahl muss Konsequenzen haben (im Gameplay und idealerweise auch ästhetisch)
  • Erinnerungen - Der Spieler muss an seine Entscheidung erinnert werden, nachdem er sie getroffen hat.
  • Dauerhaftigkeit - Der Spieler kann nicht zurückgehen und seine Entscheidung rückgängig machen, nachdem er die Konsequenzen erkundet hat.

Das wirkt auf mich schon eher bedeutungsvoll. Aber kann wirklich jede Szene so gestaltet werden? Oder anders herum gefragt, sind alle anderen Entscheidungen dann bedeutungslos?

Ich finde, die vier Punkte treffen es schon ganz gut.
Was ich nicht finde, ist, dass jede Szene sowas beinhalten muss. Einigen wir uns auf eine „hinreichend große Anzahl an Szenen mit ‚bedeutenden Entscheidungen‘, wobei hinreichend von jeder Runde individuell zu definieren ist.

In Punkte „Erinnerungen“ würde ich im übrigen eher auf „prägend“ wechseln. Also, dass die erlebte Situation der „muss mich entscheiden“ und der daraus folgenden Konsequenzen denjenigen in prägender Form verändert - wobei die Veränderung vom Spieler definiert werden kann.
Die Prägung ist eigentlich auch eine Konsequenz, aber eben eine im Charakter verankerte… und letztendlich impliziert diese ja auch, dass es eine Erinnerung gibt.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Alexandro am 30.04.2024 | 23:12
Klingt prinzipiell OK, ich habe allerdings ein paar Probleme mit Punkt 3+4:

Zitat
3. Erinnerungen - Der Spieler muss an seine Entscheidung erinnert werden, nachdem er sie getroffen hat.

Würde sagen, wenn es eine echte bedeutungsvolle Entscheidung ist, dann müssen Spielende eben nicht an die Entscheidung erinnert werden - sollte dies doch der Fall sein, dann hat die SL wahrscheinlich in Schritt 1 Mist gebaut, und die Tragweite der Entscheidung nicht deutlich genug gemacht.

Zitat
4. Dauerhaftigkeit - Der Spieler kann nicht zurückgehen und seine Entscheidung rückgängig machen, nachdem er die Konsequenzen erkundet hat.

Sehe ich nicht notwendigerweise.

Bei einigen Rollenspielen gibt es z.B. die Möglichkeit, eine Entscheidung die zum Tod des Charakters geführt hat durch Wiederbelebung "zurückzunehmen". Trotzdem ist der Tod in diesen Spielen immer noch bedeutungsvoll, weil es in der Regel mehr Aufwand ist einen Charakter wiederzubeleben, als es für die Gegner war den Charakter zu töten - dadurch zieht das "Neutralisieren" einer falschen Entscheidung einen gewissen Aufwand nach sich.

Ich würde daher eher von "Verhältnismäßigkeit" sprechen: wie schwer war es die "falsche" Entscheidung zu treffen (reicht dafür schon ein kleiner Fehltritt aus, oder ist es eine Kette von katastrophalen Fehlentscheidungen, plus noch ein paar verkackte Würfelwürfe)? In der Regel ist es besser, wenn die Schwere und Permanenz der Konsequenzen direkt proportional zu den Möglichkeiten ist, diese zu vermeiden.

Das gilt natürlich in beide Richtungen: wer ernsthaft erwartet, dass ein einzelner Überreden-Wurf einen feindseligen NSC dauerhaft auf die Seite der SC zieht, der handelt unverhältnismäßig. Der Aufwand (ein einzelner glücklicher Würfelwurf) steht in keinem Verhältnis zu dem, was man zu erreichen versucht.
Dies sollte eine gute SL (im Sinne von Punkt 1) aber auch transparent machen, den Spielenden vermitteln dass diese NSC gerade nur widerwillig mit den SC zusammenarbeitet, weil es in ihrem Sinne ist. Und dass sich dies bei einer veränderten Situation ganz schnell ändern kann (außer natürlich die SC betreiben entsprechenden Aufwand, um diese NSC dauerhaft auf ihre Seite zu ziehen).
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Isegrim am 1.05.2024 | 06:28
Würde sagen, wenn es eine echte bedeutungsvolle Entscheidung ist, dann müssen Spielende eben nicht an die Entscheidung erinnert werden - sollte dies doch der Fall sein, dann hat die SL wahrscheinlich in Schritt 1 Mist gebaut, und die Tragweite der Entscheidung nicht deutlich genug gemacht.

Interpretier es so, dass das "Erinnern" in den Folgen besteht, die die Entscheidung hat, nicht in einem "Wisst ihr noch, damals...?" vom SL. ;)
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: manbehind am 1.05.2024 | 09:10
Hmmh, ich würde die Knackpunkte ein bisschen anders definieren, auch wenn die o.g. Liste sicherlich gut brauchbar ist.

A und O ist für mich das Bewusstsein, und hier würde ich genauer aufdröseln. Dem Spieler muss nicht nur bewusst sein, _dass_ er eine Wahl trifft, sondern auch, _welche_ Wahl das ist und welche Konsequenzen - wenigstens so ungefähr - seine Entscheidung haben kann oder wird.

Vielleicht ist das eigentlich schon bei Punkt 2 mitgemeint, aber so steht es halt nicht geschrieben.

Erinnerung und Permanenz, naja. Es muss nicht jede Entscheidung einen ewigen Rattenschwanz hinter sich herziehen. Eine Entscheidung kann auch bedeutsam sein, wenn sie nur in dieser und vllt der nächsten Sitzung spürbare Konsequenzen hat. Freilich dürften kluge Entscheidungen weniger negative Nachwirkungen haben als dumme.

Um das Ganze mal andersrum aufzudröseln:
- Wichtig ist für mich eigentlich vor allem, dass die Entscheidungen nicht von der SL entwertet werden. Indem zB eine vermeintlich bedachte Entscheidung getroffen wird, und dann die SL eine vorher absolut nicht absehbare, negative Konsequenz aus dem Hut gezaubert wird. Das ist dann halt einfach Bait and Switch.
- Dazu ist natürlich wie oben schon gesagt notwendig, dass die Spieler die Möglichkeit haben, an die relevanten Informationen zu kommen, um eine bedeutsame Entscheidung treffen zu können.

Als ein Negativbeispiel fällt mir etwa eine Unsitte aus diversen Printabenteuern ein, in denen man zwar explizit die Möglichkeit hat, mit NSCs zu verhandeln (was dann etwa über einen Diplomacy Check bewertet wird), und eine _gelungene_ Probe dazu führt, dass die NSCs hinterher Verrat begehen und den Spielern in den Rücken fallen. Solche Abenteuerautoren möchte ich mit Honig eingeschmiert auf einen Ameisenhügel fesseln.

Aha. Ich stand vorhin in der Küche, habe mir einen Kaffee gekocht, anschließend den Kaffee in einen Becher gefüllt und stand dann vor der der sehr bedeutungsvollen Entscheidung, ob der Spritzer Milch, der anschließend hinzukam, für meine Zwecke ausreichend ist oder nicht. Ich war mir der möglichen Konsequenzen voll bewusst: da ich zu faul zum Umrühren war, würde ich erst am Schreibtisch merken, ob das der Fall ist oder nicht. Eine Fehlentscheidung hätte hier also bedeutet, meinen Pöscher vom Stuhl zu erheben, in die Küche zu schlurfen und etwas mehr Milch hinzuzufügen zu müssen, um dann den Rückweg anzutreten und die Prozedur wiederholen oder mir gar einen neuen Kaffee kochen zu müssen.

Dass das Ganze hier zu einer "bedeutungsvollen Entscheidung" wird, weil ich hier eine Entscheidung getroffen habe und mir über die Konsequenzen der Entscheidung vollkommen bewusst gewesen bin, bezweifle ich.

Ein anderes Beispiel ist die Szene, in der Luke Skywalker in Episode IV zu Obi-Wan Kenobi sieht und sagt: "Ich gehe mit nach Alderaan, es hält mich nichts mehr hier. Ich will mich mit der Macht vertraut machen und ein Jedi, wie mein Vater, werden." George Lucas fand diese Entscheidung seines Protagonisten offensichtlich sehr bedeutsam, ansonsten hätte er selbst wohl nicht die ebenso bedeutsame Entscheidung getroffen, das Publikum durch diesen Monolog über diese Entscheidung Lukes zu informieren.

In dieser Szene finden sich alle vier Punkte, die nach der Definition von Brice Morrison (s. Eingangspost) eine "bedeutungsvolle Entscheidung" ausmachen , wobei sich meine erste Szene (Kaffee) von der zweiten Szene (Luke) wesentlich durch Kriterium Nr. 2 (Konsequenzen) unterscheidet. Mögliche Konsequenzen sind hier für Luke erkennbar, er kann den Tod finden, genau wie sein Onkel und seine Tante. Dennoch gewinnt die Entscheidung ganz wesentlich Bedeutung dadurch, dass Luke später Darth Vader bekehren und den Tod des Imperators und den Fall des Imperiums herbeiführen wird, d. h. gerade durch Konsequenzen, die Luke zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen kann.

Hieraus lässt sich lernen, dass Morrisons Punkt 4 = die Erkenntnis des handelnden Protagonisten, dass seine Entscheidung Konsequenzen hat, die er nicht rückgängig machen kann, Einfluss auf das Verständnis von Punkt 1 haben muss, denn zum Zeitpunkt seiner Entscheidung konnte er offensichtlich diese Konsequenzen, die er erst später erkannt hat, noch nicht kennen. Jedes der 4 Kriterien muss erfüllt sein, damit man nach Morrison von einer "meaningful choice" sprechen kann. Die vier Kriterien oder Bedingungen einer bedeutungsvollen Entscheidungen sind dabei zwar zeitlich so angeordnet, dass sie dem Erleben des Protagonisten entsprechen, aber offensichtlich muss das nicht bedeuten, dass die Entscheidung sozusagen mit Punkt 4 beendet ist.

D. h. ein eigentlich sehr wichtiger Punkt, nämlich die Dimension der Konsequenzen, wird von Morrison nicht explizit genannt, ergibt sich aber implizit daraus, dass seine Definition richtig verstanden und richtig anwendet wird.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 1.05.2024 | 09:28
... Dennoch gewinnt die Entscheidung ganz wesentlich Bedeutung dadurch, dass Luke später Darth Vader bekehren und den Tod des Imperators und den Fall des Imperiums herbeiführen wird, d. h. gerade durch Konsequenzen, die Luke zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen kann.
...
Dieser Punkt wäre in einem ergebnisoffenen Rollenspiel auch nicht umzusetzen, da zukünftige Entwicklungen eben nicht gesichert sind. Die Entscheidung kann daher im Rollenspielbezug denke ich immer nur für sich im Horizont ihrer Figur genommen werden.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: manbehind am 1.05.2024 | 09:41
Dieser Punkt wäre in einem ergebnisoffenen Rollenspiel auch nicht umzusetzen, da zukünftige Entwicklungen eben nicht gesichert sind. Die Entscheidung kann daher im Rollenspielbezug denke ich immer nur für sich im Horizont ihrer Figur genommen werden.

In der Diskussion geht es für mich darum, was eigentlich "meaningful choices" sind; dahinter steht für mich ebenfalls die Frage, ob und wie das Konzept eingesetzt werden kann, um das Spielerlebnis zu verbessern.

Und so wie ich das sehe, kann es eingesetzt werden, damit der Spielleiter den choices seiner Spieler meaning geben kann, um damit die Spieltiefe zu erhöhen und das Spielerlebnis zu verbessern, d. h. sie sind ein dramaturgisches Mittel. Dazu gehört natürlich die Bereitschaft der Spieler, sich auf die Geschichte, die dadurch konzipiert wird, einzulassen. Wer als Spieler sozusagen lieber in einer sterilen Entscheidungswelt, in der die Entscheidungen nicht ex ante mit durch den Spielleiter erdachten Konsequenzen infizieren werden können, spielen möchte, für den ist das wohl weniger was :)
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 1.05.2024 | 09:49
In der Diskussion geht es für mich darum, was eigentlich "meaningful choices" sind; dahinter steht für mich ebenfalls die Frage, ob und wie das Konzept eingesetzt werden kann, um das Spielerlebnis zu verbessern.

Und so wie ich das sehe, kann es eingesetzt werden, damit der Spielleiter den choices seiner Spieler meaning geben kann, um damit die Spieltiefe zu erhöhen und das Spielerlebnis zu verbessern, d. h. sie sind ein dramaturgisches Mittel. Dazu gehört natürlich die Bereitschaft der Spieler, sich auf die Geschichte, die dadurch konzipiert wird, einzulassen. Wer als Spieler sozusagen lieber in einer sterilen Entscheidungswelt, in der die Entscheidungen nicht ex ante mit durch den Spielleiter erdachten Konsequenzen infizieren werden können, spielen möchte, für den ist das wohl weniger was :)

Das "dramaturgie" das Spielerlebnis verbessern würde, ist eine deutliche Geschmacksfrage.
Und was soll in den Fall "auf die Geschichte einlassen" bedeuten?

Natürlich setzt der Spielleiter die Konsequenzen. Die Unterscheidung liegt aber darin, nach welchen Kriterien er diese setzt.

Ansonsten ist das aber an meinem Post davor vorbei.
Die langfristige "Bedeutung" wie im Starwars Beispiel angedeutet kann es in einem Rollenspiel nicht geben, da sich diese Entwicklung noch vielfach ändern kann im Laufe des Spiels, sei es durch ein Scheitern der SC oder dass diese beschließen ihr Ziel selber zu ändern.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: manbehind am 1.05.2024 | 11:18
Das "dramaturgie" das Spielerlebnis verbessern würde, ist eine deutliche Geschmacksfrage.
Und was soll in den Fall "auf die Geschichte einlassen" bedeuten?

Natürlich setzt der Spielleiter die Konsequenzen. Die Unterscheidung liegt aber darin, nach welchen Kriterien er diese setzt.

Ansonsten ist das aber an meinem Post davor vorbei.
Die langfristige "Bedeutung" wie im Starwars Beispiel angedeutet kann es in einem Rollenspiel nicht geben, da sich diese Entwicklung noch vielfach ändern kann im Laufe des Spiels, sei es durch ein Scheitern der SC oder dass diese beschließen ihr Ziel selber zu ändern.

Ob "Dramaturgie" das Spielerlebnis verbessert oder nicht, ist hinsichtlich der Tatsache - und ich meine, dass es sich hierbei um eine handelt - dass meaningful choices dramaturgische Mittel sind, für mich ohne erkennbare Relevanz.

"Sich auf die Geschichte einzulassen" bedeutet, die Konsequenzen zu akzeptieren, und zwar unabhängig davon, nach welchen Kriterien der Spielleiter sie setzt.

Und doch, Bedeutung wie im Star Wars Bespiel skizziert kann es auch im Rollenspiel geben.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 1.05.2024 | 11:27
Ob "Dramaturgie" das Spielerlebnis verbessert oder nicht, ist hinsichtlich der Tatsache - und ich meine, dass es sich hierbei um eine handelt - dass meaningful choices dramaturgische Mittel sind, für mich ohne erkennbare Relevanz.

"Sich auf die Geschichte einzulassen" bedeutet, die Konsequenzen zu akzeptieren, und zwar unabhängig davon, nach welchen Kriterien der Spielleiter sie setzt.

Und doch, Bedeutung wie im Star Wars Bespiel skizziert kann es auch im Rollenspiel geben.

Das sehe ich als extrem auf die Storytellerschiene verengte Sichtweise.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: tartex am 1.05.2024 | 11:42
Ob "Dramaturgie" das Spielerlebnis verbessert oder nicht, ist hinsichtlich der Tatsache - und ich meine, dass es sich hierbei um eine handelt - dass meaningful choices dramaturgische Mittel sind, für mich ohne erkennbare Relevanz.

Man kann Dramaturgie aber auch als Herausforderung verstehen - meistens halt hauptsächlich auf der Spielleitungsseite: schaffe ich es eine tolle Dramaturgie zu vermitteln? Schaffe wir es alle bisherigen Spielsitzungen zu toppen? Wähle ich die richtigen Tools oder Ideen um alle zu begeistern?

Könnte man natürlich bei Charakterspiel ähnlich sehen.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Feuersänger am 1.05.2024 | 13:34
@manbehind: das ist ja Quatsch, um nicht zu sagen ein Strohmann. Ob du einen Spritzer Milch in deinen Kaffee tust oder nicht, hat _überhaupt keine_ Konsequenzen. Im rollenspielerischen Kontext würde man sagen: es ist reine Colour. Und somit quasi die Quintessenz der nicht-Entscheidungen.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Tudor the Traveller am 1.05.2024 | 14:16
@manbehind: das ist ja Quatsch, um nicht zu sagen ein Strohmann. Ob du einen Spritzer Milch in deinen Kaffee tust oder nicht, hat _überhaupt keine_ Konsequenzen. Im rollenspielerischen Kontext würde man sagen: es ist reine Colour. Und somit quasi die Quintessenz der nicht-Entscheidungen.

Das ist nun auch nicht richtig. Alle Entscheidungen haben Konsequenzen. Wir können uns über den Grad austauschen, nur dürfte der eben auch nicht schwarz weiß sein.

Um bei dem Beispiel zu bleiben: die Konsequenz wäre zunächst wohl, dass der Kaffee nicht schmeckt. Ob und was da dann vielleicht mehr dran hängt, ist die entscheidende Frage.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: manbehind am 1.05.2024 | 16:18
Das ist nun auch nicht richtig. Alle Entscheidungen haben Konsequenzen. Wir können uns über den Grad austauschen, nur dürfte der eben auch nicht schwarz weiß sein.

Um bei dem Beispiel zu bleiben: die Konsequenz wäre zunächst wohl, dass der Kaffee nicht schmeckt. Ob und was da dann vielleicht mehr dran hängt, ist die entscheidende Frage.

Ja, und in dem Beitrag steht ja auch noch etwas mehr, nicht nur das Kaffee-Beispiel :)

Das sehe ich als extrem auf die Storytellerschiene verengte Sichtweise.

Das verstehe ich nicht. Welche Sichtweisen gibt es denn noch?
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Tudor the Traveller am 1.05.2024 | 17:27
Das verstehe ich nicht. Welche Sichtweisen gibt es denn noch?

Z.B. die (kampf)taktische. Nehme ich lieber das Feuerschwert oder die Eislanze? Das kann von großer Bedeutung sein oder von sehr geringer (z.B. je nach Kampagne, wenn gehäuft bestimmte Kreaturen zu bekämpfen sind).
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 5.05.2024 | 11:42
Man kann Dramaturgie aber auch als Herausforderung verstehen - meistens halt hauptsächlich auf der Spielleitungsseite: schaffe ich es eine tolle Dramaturgie zu vermitteln? Schaffe wir es alle bisherigen Spielsitzungen zu toppen? Wähle ich die richtigen Tools oder Ideen um alle zu begeistern?

Könnte man natürlich bei Charakterspiel ähnlich sehen.

Sehe ich ähnlich; letztendlich kann ich mir schwer vorstellen, daß es wirklich Rollenspieler geben soll, die standardmäßig am Tisch ausdrücklich undramatische (also langweilige?) "Abenteuer" erleben wollen. ;)

Die Herausforderung besteht dabei mMn im Spezialfall Rollenspiel wie sonst auch halt darin, daß man, egal, ob nun Spieler oder SL, vor einer gegebenen Sitzung höchstens ganz grob abschätzen kann, was in ihr konkret passieren wird, und es sich also nicht auszahlt, im Vorfeld allzu lang planen und machen und am besten noch das Szenario mit dem Rest der Gruppe schon mal einüben zu wollen, damit es dann am konkreten Spieltermin auch garantiert "richtig" abläuft. Darum geht's in diesem Hobby normalerweise ganz einfach nicht, also muß auch die Dramaturgie einigermaßen spontan, in Echtzeit, und als Reaktion auf die sonstigen Ereignisse im Spiel gehandhabt werden -- gerade auch, wenn (um den Bogen zum Fadenthema zurückzuschlagen) die Spieler gleichzeitig ein anständiges Maß an Entscheidungsfreiheit haben sollen.

Auf der anderen Seite sollte das natürlich auch keiner allein stemmen müssen, auch die Spielleitung nicht. Es sitzen ja noch ein paar andere Leute mit am Tisch, die gerne auch ein wenig "Drama" haben möchten, da müßte es doch mit diesem oder jenem zugehen, wenn da so rein gar nichts praktisch schon von selbst zusammenkäme...schön, man sollte keine überhöhten Ansprüche stellen, aber das ist aus meiner Sicht ohnehin in Ordnung so. Die meisten von uns sind ja keine hochbezahlten Berufsrollenspieler, die ein regelrechtes Millionenpublikum unterhalten sollen, sondern machen das nur zum Spaß und im kleinen Kreis. :)
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: tartex am 6.05.2024 | 18:48
Sehe ich ähnlich; letztendlich kann ich mir schwer vorstellen, daß es wirklich Rollenspieler geben soll, die standardmäßig am Tisch ausdrücklich undramatische (also langweilige?) "Abenteuer" erleben wollen. ;)

Ich kenne tatsächlich (einen) Spieler des Typs Taktiker oder Planners, der behauptet er mag es am liebsten, wenn die Herausfoderung ohne Spannung möglichst undramatisch gelöst wird.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 6.05.2024 | 19:51
Ich kenne tatsächlich (einen) Spieler des Typs Taktiker oder Planners, der behauptet er mag es am liebsten, wenn die Herausfoderung ohne Spannung möglichst undramatisch gelöst wird.

Ich vermute mal frech unbekannterweise, daß es selbst bei dem trotzdem noch eine lohnende Herausforderung sein soll, weil's ja langweilig wäre, wenn er automatisch immer gewinnen würde, ohne daß sein taktisch-planerisches Können überhaupt zum Tragen käme...okay, ich kann mich natürlich auch irren. ;)
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Tudor the Traveller am 6.05.2024 | 19:56
Hmm, also Dramaturgie, Spannung und Spaßfaktor sind imo schon verschiedene Dinge.

Insofern ist undramatisch = langweilig imo nicht zwingend.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 6.05.2024 | 20:55
Hmm, also Dramaturgie, Spannung und Spaßfaktor sind imo schon verschiedene Dinge.

Insofern ist undramatisch = langweilig imo nicht zwingend.

Ich weiß nicht, ob sich insbesondere Dramaturgie und Spannung tatsächlich so einfach trennen lassen...aber da landen wir unter Umständen schnell wieder in der Semantik. Soweit ich das jedenfalls überhaupt beurteilen kann, scheinen Menschen schon ganz von sich aus stark dazu zu neigen, in Geschichten zu denken und zu kommunizieren -- im Sinne von "Laß ein menschliches Gehirn eine prinzipiell beliebige Abfolge von Ereignissen verarbeiten und es wird ihm geeignet erscheinende dramatische Elemente praktisch schon im Reflex dazupacken, um ihnen mehr 'Sinn' geben, sie besser im Gedächtnis abspeichern, und sie bei Bedarf durch Erzählen weitervermitteln zu können".

"Dramaturgie" wäre nach diesem Verständnis also nicht einfach bloß ein Fach, das man vielleicht sechs Semester lang an der Elfenbeinturmuni studieren kann (auch wenn das möglicherweise beim Verbessern der individuellen Technik helfen mag ;)), sondern zuallererst mal ein alltäglicher Teil der menschlichen Denk- und Erfahrungswelt -- und entsprechend mit anderen Aspekten derselben wie z.B. "Spannung" oder "Spaß" durchaus mal mehr, mal weniger eng verknüpft.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Tudor the Traveller am 6.05.2024 | 21:09
Ich weiß nicht, ob sich insbesondere Dramaturgie und Spannung tatsächlich so einfach trennen lassen...aber da landen wir unter Umständen schnell wieder in der Semantik.

Ja, wahrscheinlich. Was ich meine: ein Fußballspiel (als Beispiel) kann sehr spannend sein, sowohl auf dem Feld als auch als Zuschauer. Man mag das als dramatisch bezeichnen, aber das ist imo im übertragenen Sinn gemeint, da das Fußballspiel ja keiner Dramaturgie folgt. Es entwickelt sich spontan.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Alexandro am 6.05.2024 | 21:20
Ja, aber die guten Spiele (die, welche man sich immer wieder anschaut, auch wenn man das Ergebnis schon kennt) sind halt diejenigen, bei denen eine gewisse Dramaturgie entsteht (wenn auch ungeplant). Die restlichen Spiele (ohne Spannung und dramatischen Ablauf) nimmt man halt mit, aber diese schaut man sich eher nicht in der Wiederholung an, oder wenn man schon einen Zusammenschnitt in der Sportschau gesehen hat.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 6.05.2024 | 21:51
Ja, aber die guten Spiele (die, welche man sich immer wieder anschaut, auch wenn man das Ergebnis schon kennt) sind halt diejenigen, bei denen eine gewisse Dramaturgie entsteht (wenn auch ungeplant). Die restlichen Spiele (ohne Spannung und dramatischen Ablauf) nimmt man halt mit, aber diese schaut man sich eher nicht in der Wiederholung an, oder wenn man schon einen Zusammenschnitt in der Sportschau gesehen hat.

Und was ein anständiger Spieler oder Fan noch weitaus mehr hasst als ein lahmes 0:0 ist ein verschobenes Spiel.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Alexandro am 6.05.2024 | 22:24
Verschobene Spiele sind auch nicht dramatisch (außer natürlich das "Verschieben" (welches dann keines ist) erfolgt nicht nur einseitig, sondern sämtliche Spielende sind daran beteiligt - dann nennt sich das Sportfilm oder Live-Performance, und das kann durchaus genauso spannend (wenn nicht sogar mehr) sein, wie ein tatsächliches Spiel).
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Shao-Mo am 9.05.2024 | 17:52
Ich würde gerne Mal wissen, ob es einen Unterschied macht, ob die Entscheidung direkt oder indirekt einfluss auf die Situatiin hat.
ZB die Spieler überlegen einen Verbrecher zu befreien, weil er im Besitz von Wissen ist das sie brauchen. Sie Wissen das es evtl. mit der Freilassung zu Problemen in der Zukunft kommen kann, aber genau bekannt (Transparent) ist es nicht. Der SL weiß das ggf ebenfalls noch nicht.

Der Verbrecher kann in einem späteren Abenteuer zurück kehren und das Abenteuer positiv (Unterstützt) oder negativ (hilft der Gegenseite) für die Spieler beeinflussen.

Oder muss es direkt Einfluss haben, wie zB das Raumschiff explodiert, wenn die Türen zum Weltraum nicht sofort geöffnet werden - aber in dem Raum sind noch Personen eingeschlossen.
Transparenz: Hip oder Hop
Für eine "böse" Gruppe ist diese moralische Entscheidung weniger schwer. Für die "guten" ist das Abwägen der Personen im Raum, gegen alle anderen auf dem Schiff.
Aber welche Konsequenzen hat die Entscheidung? Das Schiff explodiert nicht. Toll! Ansonsten? Vielleicht sind da Personen drinnen die später helfen könnten ... Wissen die Spieler aber nicht (Transparenz).

Transparenz würde ich nur auf den Moment anwenden.

Sind beides meaningful choices?
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: nobody@home am 9.05.2024 | 18:45
Ich überlege mittlerweile, ob es sich vielleicht lohnt, "meaningful choices" in spieler- und SL-seitige aufzuteilen. Soll heißen: als Spieler habe ich ja meist eh nicht den kompletten Überblick, "bedeutungsvoll" sind für mich da also noch am ehesten die Entscheidungen, die sich im konkreten Augenblick, in dem sie anstehen, für mich persönlich am meisten danach anfühlen. Das können aber ganz andere sein als die, die ich andererseits als Spielleitung mit meinen kompletten Vorbereitungen im Kopf als bedeutungsvoll für die weitere Entwicklung des Szenarios im Spiel einschätzen würde, potentiell völlig unabhängig davon, wie leicht oder schwer sich wiederum die Spieler mit ihnen tun mögen...
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Maarzan am 9.05.2024 | 20:06
Das meaningful scheint mir hier nahe an einem "false friend" bei der Übersetzung, also nicht Bedeutung im Sinne von bedeutsam oder folgeschwer sondern "bewusste und sinnvolle Entscheidungen zu treffen."
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: manbehind am 10.05.2024 | 09:59
Ich komme hier noch mal auf die u. a. eingangs zitierte Quelle von Brice Morrison zurück. Das mache ich nicht, weil ich ein großer Fan von Brice Morrison bin (ich kenne ihn nicht), sondern weil mich die Konzepte überzeugt haben.

Morrison selbst ist Videospiel-Designer und hat seine Gedanken hier in einem Blog (https://www.gamedeveloper.com/design/meaningful-choice-in-games-practical-guide-case-studies) präsentiert; der Beitrag stammt aus 2013. Er hat beim Spielen u. a. von „The Walking Dead“ die Feststellung gemacht, dass bestimmte Entscheidungen bedeutsamer sind als andere und geht der Frage nach, was genau eine bedeutsame Entscheidung ausmacht und wie sie sich also von nicht-bedeutsamen Entscheidungen unterscheidet.

In seinem Blog schreibt er:

Zitat von: Brice Morrison
Meaningful choice requires the following four components:

1.   Awareness - The player must be somewhat aware they are making a choice (perceive options)
2.   (Gameplay) Consequences – The choice must have consequences (that are both gameplay and aesthetically oriented)*
3.   Reminders – The player must be reminded of the choice they made after thay made it
4.   Permanence - The player cannot go back and undo their choice after exploring the consequences

* Klammersetzung von mir

D. h. wenn jeder der vier Punkte erfüllt ist, dann ist die Entscheidung per Definition bedeutsam. Wenn einer oder mehrere der vier Punkte nicht erfüllt sind, dann ist die Entscheidung per Definition nicht bedeutsam.

Auf mein Kaffee-Beispiel aus diesem Beitrag (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,128181.msg135219100.html#msg135219100) würde Morrison also erwidern:

„Hier sind die Punkte 1, 2 und 4 erfüllt, aber weil Punkt 3 nicht erfüllt ist, handelt es sich per Definition nicht um eine bedeutsame Entscheidung.“

Mit dieser Definition kann man arbeiten und konkrete Antworten auf ebenso konkrete Fragen finden:

Ich würde gerne Mal wissen, ob es einen Unterschied macht, ob die Entscheidung direkt oder indirekt einfluss auf die Situation hat.

*snip*

Laut obiger Definition:

1)   Der Begriff “Situation” kommt in der Definition nicht vor, trotzdem wäre das „Verbrecher-Beispiel“ nach Morrison eine bedeutsame Entscheidung.
2)   Die Definition unterscheidet auch nicht zwischen „direktem oder indirektem Einfluss auf die Situation“. Die Entscheidung muss Konsequenzen haben, und die Spielwelt muss die Spieler daran erinnern, dass sie die Entscheidung getroffen haben. Im zweiten Beispiel kommt es darauf an, ob die Entscheidung für die Spieler Konsequenzen hat. Das könnte z. B. dann der Fall sein, wenn ein Dritter sich später an anderen für die Entscheidung rächt. Wichtig ist, dass sich jeder der vier Punkte identifizieren lässt.

Ich überlege mittlerweile, ob es sich vielleicht lohnt, "meaningful choices" in spieler- und SL-seitige aufzuteilen. Soll heißen: als Spieler habe ich ja meist eh nicht den kompletten Überblick, "bedeutungsvoll" sind für mich da also noch am ehesten die Entscheidungen, die sich im konkreten Augenblick, in dem sie anstehen, für mich persönlich am meisten danach anfühlen. Das können aber ganz andere sein als die, die ich andererseits als Spielleitung mit meinen kompletten Vorbereitungen im Kopf als bedeutungsvoll für die weitere Entwicklung des Szenarios im Spiel einschätzen würde, potentiell völlig unabhängig davon, wie leicht oder schwer sich wiederum die Spieler mit ihnen tun mögen...

Die Idee dahinter ist ja, das Spielerlebnis zu verbessern. In dem o. g. Blog findet sich eine Beschreibung des Problems:

Zitat von: Kyle Orland from Ars Technica
I rarely if ever stopped to consider a choice in Beyond: Two Souls...Instead, I mainly sleepwalked through a seemingly endless sequence of practically preordained story beats, struggling to care as I was dragged through a clichéd plot with no sense of meaningful agency.

D. h. eine Aneinanderreihung nicht-bedeutsamer Entscheidungen führt zu einem nicht-bedeutsamen Spielerlebnis; das ist jedenfalls die Prämisse hinter dem Konzept der "meaningful choice". Meiner Ansicht nach macht es immer Sinn, als Spielleiter zu überlegen, welche Konsequenzen die Handlungen von Spielern für sie zu einem späteren Zeitpunkt haben können, auch wenn sie diese Konsequenzen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht absehen konnten.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: haste nicht gesehen am 10.05.2024 | 10:15
Das meaningful scheint mir hier nahe an einem "false friend" bei der Übersetzung, also nicht Bedeutung im Sinne von bedeutsam oder folgeschwer sondern "bewusste und sinnvolle Entscheidungen zu treffen."

Ja, der Gedanke ist mir auch gekommen. Vermutlich ist es einfach dem amerikanischen Sprachgebrauch geschuldet, starke Wörter zu nutzen. Im Deutschen ist das unüblich(er) und wird daher anders assoziiert. Ungefähr so, wie wenn im Englischen "I love..."  verwendet wird. Wir würden eher "mögen" verwenden, statt "lieben".

Ich denke daher, dass damit einfach "nur" gemeint ist, dass die Spieler Entscheidungen treffen können sollen, die Einfluss auf das Spielgeschehen haben. (Thema railroading, player agency usw.)

Und damit ist es dann auch praxistauglich, da es eben nicht immer um vorab konstruierte schwere Entscheidungen oder moralische Dilemmata geht, sondern darum die Freiheit zu haben zu wählen, was und wie man es tut und dass der SL das respektiert.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: 1of3 am 12.05.2024 | 19:39
Ich komme hier noch mal auf die u. a. eingangs zitierte Quelle von Brice Morrison zurück. Das mache ich nicht, weil ich ein großer Fan von Brice Morrison bin (ich kenne ihn nicht), sondern weil mich die Konzepte überzeugt haben.

Interessant ist da das Eingangsbeispiel mit dem toten NPC. Die Sache ist, wo war da die Entscheidung? Ich vermute das Spiel hat nicht gefragt "Möchtest du Boyd sterben lassen oder..." Im Gegenteil. Der Spieler hätte nur besser spielen müssen. Beim Spielen wurden möglicher Weise Entscheidungen getroffen, ich kenne das Spiel nicht.  Vielleicht hatte der Autor sogar genau eine Sache im Sinn, als er das aufgeschrieben hat. Das bleibt aber unbestimmt. Tendenziell nehme ich an, dass eine Reihe Dinge schief gehen müssen, bis eine solche Figur stirbt.

Die weiteren Beispiele sind, soweit ich das sehe, Dialog-Optionen, die gibt es in diesem Hobby so nicht.

Wir müssten also klären: Woran erkennen wir, dass eine Spieler*in gerade eine Entscheidung trifft?

Meiner Ansicht nach macht es immer Sinn, als Spielleiter zu überlegen, welche Konsequenzen die Handlungen von Spielern für sie zu einem späteren Zeitpunkt haben können, auch wenn sie diese Konsequenzen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht absehen konnten.

Gottbehüte, nein. Also kann man machen. Es macht aber regelmäßig keinen Sinn das zu tun, bevor sie die Entscheidung getroffen haben. Schlimmstenfalls schubse ich sie dann unbewusst in eine Richtung, die ich für interessant halte.

Ebenso klappt das mit der Awareness nicht so ganz. In einem Computerspiel muss ich Leuten kommunizieren, was sie gerade tun. Am Spieltisch kann ich umgekehrt auf sie reagieren. Es ist also eher so, dass ich wissen muss, dass sie meinen, gerade etwas entschieden zu haben.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Haukrinn am 12.05.2024 | 20:37
Ich finde den Begriff zu schwammig. Auch in den eingangs zitierten Beispielen wirkt er auf mich wie ein unscharf definiertes Sammelbecken, mit dem man vielleicht versucht, in der Retrospektive zentrale Szenen einer Handlung von weniger wichtigsten Routinevorkommnissen abzugrenzen. Das ist IMHO für Spiel- und Abenteuerdesign überhaupt nicht hilfreich.

In der simpelsten Form würde ich tatsächlich sagen, eine bedeutsame Entscheidung hat einen klar erkennbaren Einfluss auf den weiteren Spielverlauf. Das ist recht wertfrei, sagt aber tatsächlich auch nichts über die Qualität dieser bedeutsamen Entscheidung aus. Das hängt von der Erwartungshaltung der Gruppe ab. Für die Taktiker mag es ja relevant sein, durch welchen Eingang man in die Festung kommt, aber die Storyteller kümmert das nicht.

Was ich sinnvoll finde ist sicherlich die Kostenfrage. Eine bedeutsame Entscheidung sollte unterschiedliche Kosten für die Gruppe mit sich bringen. Seien es taktische, strategische  oder soziale Ressourcen. Entscheidend wäre dabei für mich, dass es im Idealfall immer bei einer bedeutsamen Entscheidung auch um ein Dilemma geht. Es darf keine richtige und falsche Entscheidung geben. Das sind die schon mehrfach vorgebrachten Konsequenzen. Das wäre das klassische “what’s at stake”.

Für mich ist letzteres der zentrale Anker der Bedeutsamkeit. Dass kann ich designen und planen, egal, ob ich jetzt Abenteuer- oder Dramaspiel mache.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: manbehind am 12.05.2024 | 21:21
Interessant ist da das Eingangsbeispiel mit dem toten NPC. Die Sache ist, wo war da die Entscheidung? Ich vermute das Spiel hat nicht gefragt "Möchtest du Boyd sterben lassen oder..." Im Gegenteil. Der Spieler hätte nur besser spielen müssen. Beim Spielen wurden möglicher Weise Entscheidungen getroffen, ich kenne das Spiel nicht.  Vielleicht hatte der Autor sogar genau eine Sache im Sinn, als er das aufgeschrieben hat. Das bleibt aber unbestimmt. Tendenziell nehme ich an, dass eine Reihe Dinge schief gehen müssen, bis eine solche Figur stirbt.

Die weiteren Beispiele sind, soweit ich das sehe, Dialog-Optionen, die gibt es in diesem Hobby so nicht.

Der Autor schildert hier ja seine Motivation für die Beschäftigung mit dem Thema, die Erfahrung, dass bestimmte Entscheidungen länger oder stärker im Spieler nachwirken als andere; im Falle von Boyd (Charakter im Spiel Fire Emblem = RPG, in dem man eine Party spielt) halt so, dass sich der Autor auf 10 Jahre später noch daran erinnert. Dass die Situation, in der der Charakter dann gestorben ist, aus irgend einer Entscheidung resultiert, halte ich hier grundsätzlich für nachvollziehbar.

Zitat
Wir müssten also klären: Woran erkennen wir, dass eine Spieler*in gerade eine Entscheidung trifft?

Nach Morrison: Sie müssen Optionen abwägen. Das Gegenteil sind Dinge, die man einfach "im flow" tut; z. B. mag jemand über die Straße gehen und vergisst, nach links zu gucken, war sich hierüber in dem Moment aber nicht bewusst, wird angefahren und fragt sich später vielleicht, warum er nicht erst stehengeblieben ist und dann nach links geguckt hat anstatt einfach so loszugehen; d. h. implizit hat er hier eine Entscheidung getroffen, aber da keine Optionen abgewägt wurden, eben nicht explizit.

Zitat
Ebenso klappt das mit der Awareness nicht so ganz. In einem Computerspiel muss ich Leuten kommunizieren, was sie gerade tun. Am Spieltisch kann ich umgekehrt auf sie reagieren. Es ist also eher so, dass ich wissen, dass sie meinen, gerade etwas entschieden zu haben.

Awareness bezieht auf die Wahrnehmung von Optionen in einer Situation, d. h. hier ist es nach Morrison ausreichend, wenn den Spielern klar ist, dass sie unterschiedlich in einer Situation reagieren können.

Zitat
Gottbehüte, nein. Also kann man machen. Es macht aber regelmäßig keinen Sinn das zu tun, bevor sie die Entscheidung getroffen haben. Schlimmstenfalls schubse ich sie dann unbewusst in eine Richtung, die ich für interessant halte.

Mein Punkt ist eher, dass es sinnvoll ist, sich zu überlegen, was für Konsequenzen bestimmte Entscheidungen der Spieler haben könnten, um sie später - d. h. z. B. in einem späteren Abenteuer - damit zu konfrontieren; damit meine ich Entscheidungen, die die Spieler getroffen haben.

Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: 1of3 am 12.05.2024 | 22:14
OK. Dann gehe ich soweit mit. Dann können wir den Ratschlag auch ganz allgemein formulieren: Bau auf dem auf, was passiert ist.

Awareness bezieht auf die Wahrnehmung von Optionen in einer Situation, d. h. hier ist es nach Morrison ausreichend, wenn den Spielern klar ist, dass sie unterschiedlich in einer Situation reagieren können.

Beim Rollenspiel nehmen wir doch an, dass man jederzeit alles tun kann oder?

Wir müssten eine Art Situation bestimmen, über die wir reden. Es gibt so Situationen, wo die SL sagt: "Möchtet ihr X, Y oder Z?" Das passiert auch implzit. Also indem zum Beispiel mehrere Auftraggeber, die offensichtlich um die selbe Sache konkurrieren, die Gruppe anheuern wollen. Oder die Gruppe hört mehrere Gerüchte mit interessantem Inhalt. Oder auf der Karte sind mehrere spannende Landmarken eingezeichnet.

Das sind dann aber sehr ausgewählte Situationen, die kommen nicht unbedingt jeden Abend vor und ganz sicher anders als Luke Hart das beschreibt, bestehen Rollenspielabenteuer nicht aus sowas.

Meistens ist es aber nicht so klar umrissen. Wenn da ein kaputtes Raumschiff ist, gebe ich als SL normalerweise keine Liste mit Dingen, die alle kaputt sind, und frage: "Welches wollt ihr denn zuerst reparieren?" Ich beschreibe grob die Situation und frage: Was wollt ihr tun? Vielleicht versuchen sie auch sich zur nächsten Siedlung durchzuschlagen und geben das Schiff auf oder Jean benutzt ihre Verbindung um Scott zu kontaktieren oder was weiß ich.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Isegrim am 12.05.2024 | 22:48
Oft sind es doch Hinweise, die die SL gibt, und die dann zu mehreren möglichen Entscheidungen führen können. Verdächtige Personen, denen die SCs mit mehr oder minder großer Priorität hinterherspüren können, mehrere Orte, die sie in einer Situation aufsuchen kann, oder mehrere NSCs, die sich Hilfe oder Ratgeber oder weitere Informationsquelle anbieten. Das ist nicht ganz so aufs Auge wie "Nehmt ihr Auftrag A, B oder C an?", aber dennoch eine implizite Wahl, vor die die SL die Spieler stellt.

Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Swanosaurus am 12.05.2024 | 23:12
Ich bin nach wie vor eher bei: "Meaningful Choices" sind beim Szenariodesign kaum planbar, vielmehr ist ein Szenariodesign, das wenig konkrete Entscheidungsbäume, aber viele Konflikte und gut strukturierte Informationen vorgibt, am besten geeignet, um "meaningful choices" zu produzieren.

Ich würde den Begriff am ehesten als "ernsthafte Entscheidungen" übersetzen, also Entscheidungen, die tatsächlich überdacht werden und bei der die entscheidende Person auch mögliche Konsequenzen in Erwägung zieht. und mit welchen Entscheidungen das geschieht und mit welchen nicht, ist halt nur sehr bedingt voraussehbar. Die Aufgabe des SL besteht also viel mehr darin, wahrzunehmen, welche Entscheidungen für die Spieler/Charaktere ernsthaft sind und ihnen und ihren Konsequenzen dann entsprechend Gewicht zu verleihen. Das hat mehr mit der SL-Ausgabe, das Spotlight auf bestimmte Aspekte des Spiels flexibel zu steuern, zu tun, als mit der Vorfertigung von Handlungsalternativen.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: tartex am 13.05.2024 | 12:00
Ich bin nach wie vor eher bei: "Meaningful Choices" sind beim Szenariodesign kaum planbar, vielmehr ist ein Szenariodesign, das wenig konkrete Entscheidungsbäume, aber viele Konflikte und gut strukturierte Informationen vorgibt, am besten geeignet, um "meaningful choices" zu produzieren.

[...]

Die Aufgabe des SL besteht also viel mehr darin, wahrzunehmen, welche Entscheidungen für die Spieler/Charaktere ernsthaft sind und ihnen und ihren Konsequenzen dann entsprechend Gewicht zu verleihen. Das hat mehr mit der SL-Ausgabe, das Spotlight auf bestimmte Aspekte des Spiels flexibel zu steuern, zu tun, als mit der Vorfertigung von Handlungsalternativen.

Also man kann schon NSCs gestalten, die höchstwahrscheinlich solche Choices triggern werden, ohne dass man Handlungsalternativen vorfertigen muss.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Tudor the Traveller am 13.05.2024 | 13:14
Ich bin da bei Swanosaurus.

Z.B. hiermit:

Oft sind es doch Hinweise, die die SL gibt, und die dann zu mehreren möglichen Entscheidungen führen können. Verdächtige Personen, denen die SCs mit mehr oder minder großer Priorität hinterherspüren können, mehrere Orte, die sie in einer Situation aufsuchen kann, oder mehrere NSCs, die sich Hilfe oder Ratgeber oder weitere Informationsquelle anbieten. Das ist nicht ganz so aufs Auge wie "Nehmt ihr Auftrag A, B oder C an?", aber dennoch eine implizite Wahl, vor die die SL die Spieler stellt.

Es geht ja darum, dass die Wahl von Bedeutung ist. Ich kann A, B und C total unterschiedlich darstellen, aber am Ende läuft es doch auf das Gleiche hinaus. Weil ich als SL alle Mittel habe, um im Prinzip jederzeit die in Aussicht gestellten Konsequenzen so hinzudrehen, wie ich will. Heißt: nur weil die Gruppe eine Wahl trifft, auf Basis bestimmter Informationen und in der Erwartung bestimmter Konsequenzen, kann ich die als SL nach der Entscheidung völlig eigenmächtig überschreiben. Wenn ich es gut mache und alle dafür sind, heißt das dann "überraschende Wendung". Wenn ich es nicht gut mache und das auf Ablehnung trifft, heißt das dann "SL Willkür" ;)

In beiden Fällen kann die Wahl aber rückblickend bedeutungslos gewesen sein, weil die Gruppe nur augenscheinlich den Fortgang bestimmt hat.

Beispiel: die Gruppe kann sich einer der beiden verfeindeten Fraktionen A oder B anschließen. Die Erwartung wäre, dass die jeweils andere Fraktion dann auch zum Feind der SC wird, was eine bedeutsame Weiche für den weiteren Verlauf der Kampagne wäre.
Ob aber B wirklich zum Feind wird, wenn sich die SC A anschließen, entscheidet ganz allein die SL.

Edit: anderes Beispiel:
Der Dungeon hat zwei Teile mit einer Stelle, wo die Gruppe sich entscheiden muss  ob sie erst links oder erst rechts lang will. Als SL habe ich mir vorher keinen Kopf über die Reihenfolge gemacht, weil irrelevant.
Jetzt fängt die Gruppe aber intensiv an über die Richtung zu diskutieren und malt Szenarien und mögliche Konsequenzen aus, die davon abhängen, ob sie links oder rechts gehen.
Als SL kann ich da sagen: "ist egal" und die ganze "schwere" Entscheidung der Gruppe war irrelevant. ODER ich greife das auf und gebe der Entscheidung doch Relevanz, anders als vorher geplant.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Isegrim am 13.05.2024 | 13:38
In beiden Fällen kann die Wahl aber rückblickend bedeutungslos gewesen sein, weil die Gruppe nur augenscheinlich den Fortgang bestimmt hat.

Sicher, wenn man das unbedingt will. Aber wenn man den Spielern Hinweise gibt, führt das eigentlich immer dazu, dass man ihnen implizit verschiedene Wahlmöglichkeiten anbietet, wie sie weitermachen können. Ob nun beim Abenteuer schreiben geplant, oder on the fly improvisiert. Und wenn  man sich dessen bewusst ist, kann das zumindest nicht schaden.

Entwerten kann man als SL so gut wie alles, aber das ist ne Binsenweisheit...
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Tudor the Traveller am 13.05.2024 | 13:49
[...] Und wenn  man sich dessen bewusst ist, kann das zumindest nicht schaden.

Entwerten kann man als SL so gut wie alles, aber das ist ne Binsenweisheit...

Ja. Imo geht es genau darum. Nenne es einen Aspekt des "Guten Spielleitens".

Ps: ich hatte dich nur als beliebiges Beispiel zitiert. Das war keine inhaltliche Antwort auf deinen Beitrag.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Swanosaurus am 13.05.2024 | 15:15
Also man kann schon NSCs gestalten, die höchstwahrscheinlich solche Choices triggern werden, ohne dass man Handlungsalternativen vorfertigen muss.

Eben das meinte ich ja mit Konflikte und gut strukturierte Informationen.
Wenn zwei NSC es auf denselben McGuffin abgesehen habe, hilft mir eine gute und präzise Beschreibung ihres jeweiligen Interesses und ihrer Vorgehensweisen mehr, als eine Szene, die darum gestrickt ist, dass die Charaktere sich zwischen den beiden entscheiden müssen - weil die Szene eventuell gar nicht erfasst, wie die Charaktere mit dem Konflikt umgehen oder ob sie den Konflikt überhaupt als relevant empfinden. Kann ja auch sein, dass sie es sofort völlig klar finden, dass sie für NSC x arbeiten und nicht für NSC Y oder das sie ihr eigenes Ding drehen und beide NSC reinlegen oder sie ganz ignorieren - eine vorgefertigte "Entscheidungsszene" kann das gar nicht in der Gänze erfassen.

Manche Abenteuer doppeln auch und liefern gute Grundinformationen und "Entscheidungsszenen" (mir fällt da das Mythras-Abenteuer "Hessarets Schatz" ein, das sie NSC und ihre Konfliktlinien wirklich vorbildlich aufbereitet und gleichzeitig extrem viele Szenen vorfertigt und ausgiebig erörtert ist). Meine Erfahrung damit ist, dass ich die Szenen einmal lese und dann nicht wieder darauf zurückgreife, sondern stattdessen in den NSC-Profilen nachlese.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: tartex am 13.05.2024 | 15:27
Meine Erfahrung damit ist, dass ich die Szenen einmal lese und dann nicht wieder darauf zurückgreife, sondern stattdessen in den NSC-Profilen nachlese.

Tja, viele Kaufabenteuer werden halt zum Großteil an Leute verkauft, die sie eher lesen als spielen werden. Und in dieser Hinsicht sind vorgefertigte Szenen wohl eher im Sinne der Käufer.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Shao-Mo am 23.05.2024 | 18:39
Die Begriffserklärung ist das eine und ich finde es wie von euch beschrieben, schwer hier etwas zu Definieren, das von der Flexibilität des SLs ausgehebelt werden kann.

Aber, für das Spielerlebnis selbst, ist es den Spielern selbst eigentlich egal. Die Spieler wollen das Gefühl vermittelt bekommen, das ihre Entscheidungen konsequenzen haben.
Wenn sie jemanden unterstützen, der dann in der Spielwelt etwas wichtiges tut, aber das die Spieler nicht erfahren oder teil haben, ist diese Entscheidung irrelevant.

Also ich würde sagen, es ziehlt nur auf das Erlebnis der Spieler ab.

Spieler sollten auch nie erfahren, ob eine Szene vermeitlich wichtig war oder nicht. Wenn die Spieler es als solches erleben, ist es eine - egal was der SL will.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: manbehind am 23.05.2024 | 19:28
Die Begriffserklärung ist das eine und ich finde es wie von euch beschrieben, schwer hier etwas zu Definieren, das von der Flexibilität des SLs ausgehebelt werden kann.

Aber, für das Spielerlebnis selbst, ist es den Spielern selbst eigentlich egal. Die Spieler wollen das Gefühl vermittelt bekommen, das ihre Entscheidungen konsequenzen haben.
Wenn sie jemanden unterstützen, der dann in der Spielwelt etwas wichtiges tut, aber das die Spieler nicht erfahren oder teil haben, ist diese Entscheidung irrelevant.

Also ich würde sagen, es ziehlt nur auf das Erlebnis der Spieler ab.

Spieler sollten auch nie erfahren, ob eine Szene vermeitlich wichtig war oder nicht. Wenn die Spieler es als solches erleben, ist es eine - egal was der SL will.

Ja, es nützt nur nichts, wenn die Spieler in einer Szene eine Entscheidung treffen und (viel) später in einer anderen Szene mit einer Konsequenz dieser Entscheidung konfrontiert werden, sie aber den Zusammenhang gar nicht verstehen. Das ist nicht trivial.

[OT]Alte-Männer-Story (https://www.youtube.com/watch?v=qSudyL20L9c)[/OT]

Aus diesem Grund kommt in dem Blog, den ich hier (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,128181.msg135220230.html#msg135220230) verlinkt habe, nach Punkt 2 auch noch der Punkt 3 ^^
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: tartex am 27.05.2024 | 10:41
Ja, es nützt nur nichts, wenn die Spieler in einer Szene eine Entscheidung treffen und (viel) später in einer anderen Szene mit einer Konsequenz dieser Entscheidung konfrontiert werden, sie aber den Zusammenhang gar nicht verstehen. Das ist nicht trivial.
[OT]Alte-Männer-Story (https://www.youtube.com/watch?v=qSudyL20L9c)[/OT]

Ich finde das gar nicht so offtopic. George Lucas sagt also "Tell, don't show"?

Gute Kunst muss meiner Ansicht nach nicht erklären, was sie zeigt, denn Mehrdeutigkeit und unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten machen sie besser oder zumindest interessanter.

Natürlich soll ein Spiel, aber zuerst mal ein gutes Spiel sein, und der Kunstaspekt ist optional.

Und Mehrdeutigkeit kann auch bedeuten 3-5 klare Wege, deren Oberflächen dann ganz vielseitig interpretiert werden können.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Überhaupt versuche ich heutzutage Spielsituationen so zu designen, dass es 2 bis 4 klare Auswahlmöglichkeiten gibt. Wenn die Spieler ganz was anderes machen wollen., dürfen sie natürlich auch.
Titel: Re: Meaningful Choices
Beitrag von: Shao-Mo am 23.06.2024 | 22:54
Genau, ...wenn die Spieler das nicht mitbekommen, sondern der SL alles "im Hintergrund verarbeitet" ... die Ergebnisse der Entscheidungen - wie ein Tarot - deutet und dann als einziger weiß was in der Spielwelt jetzt so "abgeht".

... wenn die Spieler das nicht mitbekommen... ist es alles weniger "Wert" ...

Aber ich dachte wir kommen zu einem Ablaufplan für Szenen, die ich dann durchgehe und eine meaningful choice erstelle. ;)