(Wobei ich persönlich ohnehin mehr an Dinge aus dem Chaosium-Repertoire denke, die gar nicht erst auf seinem Mist gewachsen sind, sondern von Kollegen und Nachahmern stammen; unabhängig davon, was Lovecraft privat gedacht haben mag, sind seine Geschichten in dieser Hinsicht mMn weitgehend unbedenklich.)
Dass Lovecrafts Geschichten weitgehend unbedenklich sind, dachte ich auch lange. Nachdem ich mich in den letzten Monaten verstärkt mit Lovecrafts Werk beschäftigt und auch Beiträge zum Lovecraft Lore Newsletter geschrieben habe, sehe ich mittlerweile immer deutlicher, dass sein Rassismus auch auf seine Geschichten durchschlägt.
Ich packe das einmal in einen Spoiler, da es eigentlich nicht mehr zur Frage des Threaterstellers passt. Aber um ein paar Beispiele für Rassismus in Lovecrafts Werken zu nennen:
* In Schatten über Innsmouth wird ist viel vom sog. „Innsmouth-Look“ die Rede, der Ideen der Physiognomie aufgreift, die im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts eine gewisse Verbreitung hatten. Eine der zentralen Ideen der Physiognomie ist die Verknüpfung körperlicher Merkmale, insbesondere des Gesichts, mit psychologischen Merkmalen und Verhalten. Bekanntlich fand diese rassistische Pseudowissenschaft auch Anklang bei den Nationalsozialisten und ihrer Ideologie der „Rassenhygiene“.
* Ebenfalls ist die wiederholte Betonung des Ursprungs der Wesen in Asien wohl kein Zufall, sondern die Vorstellung einer "Vermischung" mit Fremden dürfte für rassistisch denkende Menschen in den Zwanzigerjahren eine besondere Art des Horrors gewesen sein.
* Die Fakten über Arthur Jermyn dreht sich im Kern um Lovecrafts Angst vor einer Degeneration der Menschheit, auch wenn die Vorstellung einer zusehenden "Entartung" der Menschheit Anfang des 20. Jahrhunderts wissenschaftlich längst überholt war. Am Ende begeht der Erzähler Selbstmord, da er die Vorstellung, dass seine Familie von Affen-/Menschwesen aus Afrika abstammt, nicht ausfhält.
* In "Der Alte Mann" werden drei Einbrecher von einem alten Mann mit übernatürlichen Kräften brutal ermordet. Die Namen der Einbrecher deuten darauf hin, dass es sich um einen einen Italiener, einen Polen und einen Portugiesen handelt - also um Angehörige der damals drei großen ethnischen Minderheiten in Providence. Die Geschichte suggeriert, dass diese ihr “übles Ende” durchaus verdient haben, während der alte Mann in späteren Geschichten recht positiv dargestellt wird.
Eine mE gute Darstellung zu Lovecrafts Rassismus findet sich unter https://www.deutschelovecraftgesellschaft.de/lovecraft/rassismus/
Ich kann also durchaus verstehen, dass man sich dem Thema Cthulhu-Mythos im Rollenspiel vorsichtig nähern möchte. Allerdings wundert es mich dann, dass im Einleitungspost ein andere Rollenspielsystem gesucht wird, um damit Cthulhu-Abenteuer zu bespielen. Mir wäre bislang nicht aufgefallen, dass das CoC-System rassistische Inhalte reproduziert (die Darstellung geistiger Krankheiten finde ich darin hingegen schwierig, aber das ist ein anderes Thema). Insofern sehe ich kein Problem darin, dieses System zu verwenden. Bei der Auswahl der Abenteuer wäre ich hingegen vorsichtiger, wenn du sichergehen möchtest, dass du keine rassistischen Klischees reproduzierst. Gerade die Angst vor Fremden findet sich als Thema auch in manchen Abenteuern.
Wenn es dennoch ein anderes System sein soll, kann ich Mythos World empfehlen. Nach meiner Erfahrung funktioniert es gut, damit CoC-Abenteuer zu spielen und das Buch enthält auch ein (kurzes) Unterkapitel zum Thema Rassismus bei Lovecraft und dem Umgang damit im Rollenspiel.
Oder geht es doch um Rollenspielysteme um damit Horror abseits des Kosmischen Horrors von Lovecraft zu bespielen? Im Ausgangspost steht dazu nichts, einige Antworten deuten aber in die Richtung. Vielleicht kannst du das noch präzisieren, aaronlp?
Daß Lovecraft stark aus der Perspektive eines behüteten Weißen schreibt, für den entsprechend alles "Andere" erst mal exotisch ist...ja, das merkt man seinen Werken teils durchaus an. Daß seine Erzähler auch gerne ein Stück weit auf die unabhängig von der Hautfarbe "zurückgebliebenen" Leute auf dem Land herunterschauen, ist vermutlich ebenfalls kein Zufall. Also, ja, einschlägige Vorurteile stecken da drin -- ob nun so viel schlimmer als in den Werken anderer Autoren, darüber kann man streiten. (Um mal ein anderes Beispiel herauszupicken: bei allen Predigten gegen Rassenvorurteile, die ein Old Shatterhand gerne mal von sich geben mag, merkt man Karl Mays Beschreibungen anderer Kulturen immer noch an, daß er aus den Stereotypen nicht so recht herausfindet -- beispielsweise dann, wenn er so ziemlich alles, was nicht weiß ist, als mehr oder weniger abergläubisch beschreibt, was seinen Kriegs- und anderen Listen dann natürlich entgegenkommt. Ob also so viel weniger bedenklich...? :think:)
Insgesamt würde ich Lovecraft in den meisten Fällen zumindest nicht unterstellen, daß Rassismus die eigentliche Botschaft sein soll (okay, in "Medusa's Coil" versucht er's scheinbar tatsächlich zumindest etwas, aber der entsprechende Schlußsatz liest sich für mich als heutigen Leser mehr verkrampft als alles andere), und der Gedanke wird tatsächlich andererseits in manchen Geschichten fast schon etwas unterlaufen wie z.B. am Ende von Schatten über Innsmouth, wo schlicht nicht recht klar ist, ob wir jetzt in Grauen vor dem korrumpierten Erzähler zurückschrecken oder nicht vielleicht doch hinterfragen sollen, wie schlimm die Tiefen Wesen nun eigentlich wirklich sind, wenn man das menschliche Vorurteil mal abzieht. Achtgeben auf entsprechende Inhalte lohnt sich natürlich trotzdem, und kosmischer Horror als Idee braucht sie ohnehin nicht -- verglichen mit all dem, was in entsprechenden Settings sonst noch so alles lauern kann, sind die kosmetischen Unterschiede zwischen den leichten Variationen der Gattung Mensch doch eh schon geradezu eine Lachnummer, die nur einige von uns zu ernst nehmen.