Jo, der Schreibstil des alten Rassisten ist definitiv sehr speziell, war er wohl auch schon zu seiner Zeit. Entweder man mag es (wie ich) oder man mag es, beides ist reine Geschmacksfrage und der Geschmack ändert sich halt auch gesellschaftlich mit der Zeit. Wobei man natürlich auch sagen muss, dass die Geschichten und Charakterisierungen von Lovecraft jetzt nicht unglaublich komplex sind, er ist halt eher ein "Ideen" Autor, oder vielleicht eher ein "Feeling" Autor. Lovecraft lese ich zumindest mit nem sehr bestimmten Mindset und nicht, weils halt die nächste tolle Horror-Geschichte auf der Liste ist.
Lovecrafts Schreibe ist definitiv auch schon im englischen Original einigermaßen eigen. Keine Ahnung, inwieweit sich dann die Suhrkamp-Übersetzung darauf noch zusätzlich ausgewirkt haben mag.
Andererseits wiederum sind natürlich viele literarische Originalvorlagen von hinreichendem Alter nicht gerade das, was der moderne Leser nach Jahrzehnten einschlägiger Popkulturverwurstung erwarten würde, wenn er doch mal ausnahmsweise dazu kommt, sie sich direkt vorzunehmen -- und unter dem Gesichtspunkt reiht sich derselbe H.P. Lovecraft schon fast nur noch einfach in den Reigen anderer berühmter Schreiberlinge der Geschichte ein. Die Zeit wird kommen, in der die Leute auch über Metro 2033 gähnen, wenn sie sich denn überhaupt erinnern, daß es dieses Machwerk jemals gegeben hat... ;)
Dass der Stil notwendigerweise anders als in modernerer Literatur ist, war mir klar.
Gerade Schatten über Innsmouth, Berge des Wahnsinns und Die Farbe aus dem All fand ich super.
Sapkowskis The Witcher hab ich auch angefangen und aufgegeben.
Aber ich habe mir ja dieses Jahr "An den Bergen des Wahnsinns", oder, wie ich es auch gerne nenne "At the mountains of boredom" angetan [...]
Yup, damit hast du en Detail ausbuchstabiert, was ich hiermit sagen wollte:
Mmm, nicht ganz. Es geht nicht einfach nur darum, daß der Stil ein anderer war; ich hatte eher in die Richtung des Unterschieds zwischen dem ursprünglichen Original und den x-fachen Kopien und Weiterverarbeitungen seither gezielt, den man bei vielen hinreichend alten und populären Stoffen findet. Und dabei schneidet das Original gerade deshalb, weil es nach all der Zeit immer noch das Original ist, nicht immer und für jeden unbedingt besser ab -- wenn das so einfach wäre, bräuchten wir hier im Tanelorn ja auch keine Editierfunktion... ;D
Danke Schneeland, JAW6 und Ghoul für die Empfehlungen bzw. Info.
Willst du sagen, dass Lovecraft gerade deswegen besonders schlecht gealtert sein könnte, weil "sein" Genre ein populäres geworden ist? Also, dass frühe Autoren von später erfolgreichen Genres schlechter altern als frühe Autoren weniger erfolgreicher Genres (weil nach letzteren halt wenig kommt und damit auch wenig besseres)?
Es geht vielleicht nicht einmal darum, ob das Nachfolgende besser ist, sondern das Thema oder der Stil abgedroschen wirkt.
Es gibt z.B. viele Menschen, die heutzutage zum ersten Mal Matrix schauen und dann sagen "Boah, schon wieder Bullet Time, so langweilig", weil ihnen nicht klar ist, dass sie durch Matrix überhaupt erst populär geworden ist. Und selbst bei Leuten, die es wissen, ist der Effekt nicht mehr so stark wie damals, als der Film rauskam.
Mit einem solch barocken, langweiligen und esoterischen Schreibstil, der wie eine schaurige Kreuzung von Grimmelshausen mit Erich von Däniken wirkt, habe ich allerdings nicht gerechnet - wahrlich gruselig
Lovecrafts Schreibe hingegen, hat mich fast immer gepackt. Natürlich nicht immer und jedes kleine Stück ... aber wenn ich so Sachen wie "Berge des Wahnsinns" lese (oder das Hörbuch höre, gelesen von David Nathan) ... dann bin ich gleich in einer völlig anderen Welt. Seine Schreibe ist natürlich hart altbacken ... und ich glaube schon zu seiner Zeit gewöhnungsbedürftig gewesen ... aber ich finds stark.
wer braucht Eigenschaften, wenn er Adjektive hat?
wer braucht Eigenschaften, wenn er Adjektive hat?
Mit einem solch barocken, langweiligen und esoterischen Schreibstil
Also habe ich es ausgeliehen, um einen Blick ins Werk des Vaters des Cthulhu-Mythos zu werfen. Ein großer Fehler wie sich leider herausgestellt hat
;-) einfach die Cthulhu Geschichten als Comic bzw. Manga lesen
https://www.carlsen.de/softcover/hp-lovecraft-manga-cthulhus-ruf/978-3-551-76716-5?srsltid=AfmBOop8ZN2ix__gQ-cJBiks9WUU8hxGCiX7iYIWUhkxB-OpGOi81OcA (https://www.carlsen.de/softcover/hp-lovecraft-manga-cthulhus-ruf/978-3-551-76716-5?srsltid=AfmBOop8ZN2ix__gQ-cJBiks9WUU8hxGCiX7iYIWUhkxB-OpGOi81OcA)
Das Mindset finde ich faszinierend, in dem Erkenntnisgewinn sich als Fehler herausstellt. Im schlimmsten Fall kannst jetzt deinen eignen Eindruck zu einem Autor wiedergeben, der eindeutig Kanon ist und den man daher auf jeden Fall mal gelesen haben sollte. Die ikonischen Geschichten verlangen jetzt ja auch nicht stundenlanges Knacken. Und nebenbei hast du noch einen Stil kennengelernt, der für dich nichts ist und kannst dich literarisch besser positionieren.
Oh die Rollenspie-namensgebende Geschichte Ruf des Chtulhus fand ich tatsächlich von allen die Enttäuschenste :P Sogar noch unter den Bergen...
Weiß nicht, hat mir so gar nix gegeben.
The most merciful thing in the world, I think, is the inability of the human mind to correlate all its contents. We live on a placid island of ignorance in the midst of black seas of infinity, and it was not meant that we should voyage far. The sciences, each straining in its own direction, have hitherto harmed us little; but some day the piecing together of dissociated knowledge will open up such terrifying vistas of reality, and of our frightful position therein, that we shall either go mad from the revelation or flee from the deadly light into the peace and safety of a new dark age.
... der Original-"Dracula" beispielsweise ist ja aus meiner Sicht auch längst nicht sooo zum Bibbern geschrieben und der Vampirgraf schlechthin, wie wir ihn heute gerne im Kopf haben, recht deutlich sichtbar erst das Ergebnis jahrzehntelanger Evolution, nachdem Bram Stoker die Feder schon lange aus der Hand gelegt hatte.Der Briefroman ist dafür ja auch denkbar ungeeignet. Allerdings ist Dracula auch bei Stoker schon ziemlich übel.
Aber das ist natürlich subjektiv; der Original-"Dracula" beispielsweise ist ja aus meiner Sicht auch längst nicht sooo zum Bibbern geschrieben und der Vampirgraf schlechthin, wie wir ihn heute gerne im Kopf haben, recht deutlich sichtbar erst das Ergebnis jahrzehntelanger Evolution, nachdem Bram Stoker die Feder schon lange aus der Hand gelegt hatte.
Ich wäre ja dafür, für diese völlig unnötigen und vom Thema komplett losgelösten Spitzen eine Ermahnung zu verteilen.
Phänomenal! ~;DDu hältst dich für lustig. Bist du aber nicht. Du bist beleidigend und arrogant.
Ermahne du mich halt?
Actually, the horrified pause of the men was of comparatively brief duration. Duty came first; and although there must have been nearly a hundred mongrel celebrants in the throng, the police relied on their firearms and plunged determinedly into the nauseous rout. For five minutes the resultant din and chaos were beyond description. Wild blows were struck, shots were fired, and escapes were made; but in the end Legrasse was able to count some forty-seven sullen prisoners, whom he forced to dress in haste and fall into line between two rows of policemen. Five of the worshippers lay dead, and two severely wounded ones were carried away on improvised stretchers by their fellow-prisoners. The image on the monolith, of course, was carefully removed and carried back by Legrasse.
Ich habe einen weiteren Versuch gewagt und zusätzlich "Die Musik des Erich Zann" sowie auf besondere Empfehlung eines Freundes "Der Schatten aus der Zeit" gelesen. Dabei ist mir noch ein Aspekt klar geworden, der mir bei Lovecraft fehlt: Keine Figur wird so beschrieben, dass ich eine Bindung zu ihr aufbauen kann. Dementsprechend ist mir auch egal, was diesen Figuren geschieht. Im Schatten aus der Zeit flieht beispielsweise im letzten Abschnitt der Protagonist vor einem diffusen Schrecken. Im Grunde spannend aber halt nur, wenn einem sein Überleben (und seine geistige Unversehrtheit) nicht am Allerwertesten vorbei geht.
Keine Figur wird so beschrieben, dass ich eine Bindung zu ihr aufbauen kann. Dementsprechend ist mir auch egal, was diesen Figuren geschieht. Im Schatten aus der Zeit flieht beispielsweise im letzten Abschnitt der Protagonist vor einem diffusen Schrecken. Im Grunde spannend aber halt nur, wenn einem sein Überleben (und seine geistige Unversehrtheit) nicht am Allerwertesten vorbei geht.Aber warum ist das bei dir so?
Ich lese ihn genau deshalb. Weil der so eine entspannende Distanz zu anderen Personen in den Stories schafft - inklusive dem Erzähler.
Vielleicht sollte jeder mal seine Lieblingsgeschichten nennen (oder sein meistgehasstestes Stück), dann könnte man auch bei einer erneuten Annäherung ein bisschen sortieren und hätte vielleicht einen insgesamt günstigeren Zugang.
Kannst du nur mit Personnagen mitfühlen, wenn die für dich wie bekannte Freunde sind?
Aber warum ist das bei dir so?
Fragst du dich, warum ich mich nicht mit Lovecrafts Figuren identifizieren kann? Oder findest du es komisch, dass der Identifikationsgrad mit einer Figur und das Ausmaß der Anteilnahme an ihrem Schicksal zusammen hängen?In gewisser Weise das zweitere.
Vielleicht sollte jeder mal seine Lieblingsgeschichten nennen (oder sein meistgehasstestes Stück), dann könnte man auch bei einer erneuten Annäherung ein bisschen sortieren und hätte vielleicht einen insgesamt günstigeren Zugang.
Meine Lieblingsgeschichte ist Dagon (https://www.hplovecraft.com/writings/texts/fiction/d.aspx). Sozusagen Lovecraft in höchster Konzentration. Es gibt gar keine Nebencharakter, nur einen einzelnen verlorenen Menschen, der durch den Schlamm watet und ein paar Felsen anschaut. Sehr starke Atmosphäre auf sehr kleiner Fläche konzentriert.
Und zum Thema ganzallgemein lasse ich mal den Elitisten raushängen: Lovecraft ist vielleicht so wie Musik. Klar, es gibt viele, die mögen nur die eingängigsten Songs, die ihnen regelmäßig im Radio vorgespielt werden. Aber nicht wenige wollen je nach Stimmung auch mal was anderes hören. Vieles davon ist vielleicht nicht so zugänglich, aber darum geht es ja gerade nicht. Auf einige Sachen muss man sich einlassen können oder wollen. Dass die Mitsing-Hooks fehlen ist nicht Bug, sondern Feature. Die Hooks würden dich nie das fühlen lassen, was der andere Zugang ermöglicht. Sehe ich bei Literatur sehr ähnlich.
Die Protagonisten sind Boten dieser Ereignisse. Klar, wenn es sich um Figuren handeln würde, die wir gut kennen und mögen, würde uns das persönliche Schicksal von ihnen näher gehen, aber es würde eigentlich nichts an der Ursache des Grauens ändern.
Die Absicht der Geschichten ist imo nicht, die Leser mit den Figuren mitleiden zu lassen, sondern ihnen einen Alptraum zu zeigen, der womöglich nur hinter der nächsten Ecke (oder in der Antarktis) auf sie wartet.
Auf einige Sachen muss man sich einlassen können oder wollen. Dass die Mitsing-Hooks fehlen ist nicht Bug, sondern Feature. Die Hooks würden dich nie das fühlen lassen, was der andere Zugang ermöglicht.
EDIT: Die Diskussion ist jetzt ja schon von "Rant" entfernt. Ich persönlich finds gut, wenn es einem Rant was Fruchbares entsteht, aber evt sieht flaschengeist das anders und der Strang könnte mal aufgetrennt werden...?
Mein Wollen war groß. Und ob Lovecrafts Variante von anderem Zugang Bug oder Feature ist, bleibt eine Geschmacksfrage (auch wenn das anzuerkennen, dem Elitisten in dir womöglich schwer fällt ;)).
Mir kam der Gedanke, dass man den Lovecraft mal gegen den E.T.A. Hofmann bürsten sollte. Mir scheint, dass so ein Vergleich der Schauerliteraten produktiv wäre. Aus der Hüfte würde ich sagen, E.T.A. ist vielerlei Hinsicht um Welten besser (auch: arrivierter, insgesamt approbierter, intelligenter, usw.), leider auch nochmal 100 Jahre antiquierter und entsprechend fremder.
Ich deklariere hiermit offiziell 'shotgun' im Hinblick auf ein geerdet schwarzromantisches Rollenspiel, sollte ich tatsächlich die einzige Lücke entdeckt haben, die überhaupt noch existiert.