Du vergisst allerdings in deinem Text ein wichtiges Element: Die Spielregeln. Gerade in einem SL-losen Spiel sind die Regeln oft sehr stark [...]. Das macht den Vergleich zur Wirtschaft schwierig, denn es gibt zwar keinen, der irgendwelche unmittelbaren Vorgaben macht dennoch ist das Spiel dadurch nicht ungeregelt oder rein selbst-reglementiert, da der Spiele-Autor über die Spielregeln den Spielablauf festlegt.
Ansonsten: Wenn du von einer Skala redest, würde mich interessieren, wie dir vorstellst, wie man ein Spiel auf dieser Skala finden kann. Willst du Player-Empowerment-Techniken jeweils eine Zahl zuordnen und dann am Spielabend zusammenzählen, wie viele Punkte die Runde pro Stunde erreicht hat? Meiner Meinung nach kann man nur teilweise von viel oder wenig PE sprechen; zwei verschiedene PE-Techniken sind nämlich nicht unbedingt miteinander vergleichbar (bei Bedarf führe ich das gerne genauer aus).Die Skala ist nur theoretischer Natur und soll als Abgrenzung von der bisherigen dichotomen Kategorisierung gemeint sein. Es wird recht schwierig sein, in einer Rollenspielrunde tatsächlich das Ausmaß von PE zu messen. Es gibt bei einigen Unternehmensberatungen Instrumente, wie man in Firmen die Offenheit/Geschlossenheit der Unternehmenskultur messen kann, um daran die Strategie auszurichten. Aber sowas ist doch ein wenig zu aufwendig für Rollenspielrunden ;-)
Zu deinem Metaplot-Beispiel: Ich bin mir da nicht so sicher, was du genau meinst. Vielleicht kannst du mal kurz sagen, was du unter "Metaplot" verstehst.
Als Beispiel möchte ich eine Diktatur anführen, in der freie Meinungsäußerung herrscht. Meinungsäußerung ist kein Empowerment (nur ein Recht) aber trotzdem kann man damit das Denken und damit auch die Entscheidungen anderr beeinflussen und hat damit Einfluss auf die Diktatur ausgeübt. Und weil an den meisten Spieltischen mit absolutistischem Spielleiter ebenfalls freie Meinungsäußerung herrscht ist das IMO ein wichtiger Punkt. Wenn man gelernt hat Einfluss auf andere auszuüben ohne Empowerment, dann ist einem das vielleicht gar nicht mehr so wichtig.
Player Empowerment ist für mich überholt. Setzt der Begriff doch eine SL-Rolle vorraus, welche merklich mehr Einfluß auf das Spielgeschehen hat, als der Rest der Gruppe. Mehr noch es wird impliziert, dass es sich bei SL und Spielern um Parteien im Spiel handelt, die gegensätzliche Ziele haben. Die Spieler müssen "bemächtigt" werden um sich gegen den SL zu behaupten.Also diese Implikationen sehe ich nicht. Es geht mir um die Beschreibung von Spielstilen, welche beispielsweise im Rahmen der Railroading-Diskussionen positiven Erkenntniswert aufweist. Insofern finde ich das nicht überholt. Da Du aber parallel schreibst:
So gesehen ist die einzige Möglichkeit um den Begriff "Player Empowerment" weiterhin zu nutzen, ihn als Bandbreite an unterschiedlichen Machtverhältnissen zwischen SL und Spieler zu umschreiben.
Die Tatsache, dass es Spiele ohne SL gibt ist für mich eine wichtige Ausprägung von fortschreitendem Player Empowerment in der gesamten Rollenspielszene - so gesehen in Deinem Sinne der dargestellten Entwicklung alles andere als überholt. Nur wieder eine Wortklauberei wie man etwas nennen möchte./signed
Nur wieder eine Wortklauberei wie man etwas nennen möchte.
Ich sprach nur gegen die Begriffswahl.[...] Der Begriff lässt einen bloss in falche Gassen laufen, die einem von der Spielpraxis abbringen.
Bei zunehmendem Player Empowerment werden große Metaplots nun mal schwieriger realisierbar. Das ist ein Faktum, das kaum bestritten wird[...]Ich bestreite das ganz energisch. Diese Feststellung gilt höchstens dann wenn man PE als symmetrische Aufteilung der Aufgaben ansieht, was aber ein (teilweise absichtliches?) Missverständnis ist. Aber auch dann ist die Aussage vermutlich nicht richtig, was aber von der Definition von (Meta)Plot abhängt.
Okay, das hatte ich falsch verstanden. Kann durchaus sein. Was wäre Deiner Meinung nach besser geeignet?
bestimmt nicht veraltet, da "klassische Spiele" immer noch gespielt werden.Du bist lustig. Was bei Tanelorn bisweilen etwas abfällig "klassisches Rollenspiel" genannt wird, macht nicht nur geschätzte 99% des Marktvolumens aus, sondern deckt auch die überwältigende Mehrheit der Interessen der Spieler ab. In einem Forum wie Tanelorn sammeln sich halt die Frickler und Freaks und deshalb verwischt das wohl manchmal ein wenig die Realitäten. Hattest Du das andeuten wollen? Dann hab ichs hoffentlich richtig aufgeschnappt ;)
@ Dr. Boomslang:
Du bist offenbar fundamental anderer Meinung und lehnst die These, dass Selbstbestimmung auch negative Sekundäreffekte und SL-Diktatur auch positive Effekte hat, rundweg ab. Der Rest ist dann Semantik. Mit Deiner Auffassung befindest Du Dich übrigens in guter Gesellschaft, denn Herr Popper vertrat exakt die gleiche Position. Allerdings hat sich Popper durch empirische Belege höchst widerwillig überzeugen lassen müssen und ich hoffe auch Dir eindeutige empirische Argumente liefern zu können.
Bei der Begrifflichkeit der Aufgabenverteilung habe ich das Problem, dass die Verteilung von Macht unzureichend BerücksichtigungWir können über Macht reden, aber was hat das mit dem Spiel zu tun? Jede Aufgabe geht im Idealfall mit einer entsprechenden Kompetenz einher, die es ermöglicht die Aufgabe zu erfüllen. Ist das Macht?
Bei der Begrifflichkeit der Aufgabenverteilung habe ich das Problem, dass die Verteilung von Macht unzureichend Berücksichtigung findet.
Empowerment umfasst ganz explizit Maßnahmen, welche die eigenMÄCHTige Problemlösung beinhalten. Und sobald von Gruppenvertrag die Rede ist, geht es natürlich auch im Machtverteilung. Alle Quellen, die ich kenne, beziehen sich bei solcherlei Betrachtungen auf die klassische Definition von French & Raven. Sobald also Kompetenzen etwa im Rahmen eines Gruppenvertrags verteilt werden, entsteht Legitimationsmacht in deren Sinne. Das kann man auch anders benennen, meint aber das gleiche. Das hat im übrigens auch erst einmal nicht zwingend etwas mit Mikropolitik (so nennt man manipulatives Zeugs) oder Sozialverhalten zu tun und lässt sich davon problemlos trennen.
Außerdem sehe ich weder die Notwendigkeit, noch den Vorteil darin, Sozialverhalten, Gruppenverträge oder ähnliche Konzepte hinzuzuziehen. Was willst du damit erreichen?Da muss ich Kinshasa mal entlasten, den Begriff des Gruppenvertrages habe ich hier reingebracht.
Also ich rede von Spielen und den Aufgaben, die die Spielenden im Rahmen dieses Spiels übernehmen. Mit Macht hat das nichts zu tun.
Das ist in meinen Augen totaler Unfug. Die deutsche Übersetzung von Power ist Macht. Players Empowerment ist also die ErMÄCHTigung der Spieler.
Ich würde gern ne ganze Menge von Euch über bislang bestehende Rollenspieltheorie lernen.
Das finde ich interessant und bin offen für Neues. Aber manchmal könnten einige hier auch mal zuhören, denn von mir kann man mit Sicherheit auch ne Menge lernen.
Betrachten wir z.B. die Verteilung von Einfluss und Verantwortung innerhalb einer Spielgruppe. In dieser Dimension ist maximales PE gefragt. Jeder Spieler muss bereit sein Verantwortung zu tragen und muss daher die Gelegenheit haben grundsätzlich gleichwertigen (nicht gleichen!) Einfluss zu nehmen. Alles andere führt zu massiven Problemen, z.B. SL-Dominanz (durch zu hohe Einflussnahme) oder SL-Burnout (durch zu hohe Verantwortung) und entsprechende Probleme bei den Spielern.
Immer wenn der Eindruck entsteht das maximales PE hier oder woanders als Grundvoraussetzung angesehen und zwingend gefordert wird, betrifft das erst einmal nur diese spezielle Dimension von Einfluss und Verantwortung.
Bei PE geht es normalerweise nie darum tatsächliche Rechte, Pflichten und Möglichkeiten innerhalb des Spiels absolut symmetrisch für alle Spieler zu halten. Wer das denkt hat PE völlig falsch verstanden. Dass mit einem solchen System nicht alles sinnvoll spielbar ist was Spaß macht dürfte klar sein.
Ich denke das die Regeln und die Einhaltung der Regeln dafür sorgen, das alle gleichberechtigt am Tisch spielen.
Sie sind gleichzeitig auch der Ramen für den Einsatz von PE. Denn keiner darf mit PE die Regeln außer Kraft setzen und damit entfällt der Zwang, das der SL für deren Einhaltung sorgt.
Die Regeln und der Gruppenvertrag regulieren also ganz automatisch, was geht und was nicht. Es ist keine völlige Freiheit, die Spieler und der SL erkennen die Regeln (auch Hausregeln) als oberste Autorität an und ein völliges Abgleiten ist durch diese logische Begrenzung nicht möglich.
Vielmehr ist PE ein Label, dass das Spiel als gemeinschaftliche Tätigkeit unter Gleichgestellten und Gleichgesinnten beschreiben will. Für alle, die das sowieso als Grundvoraussetzung für Rollenspiel sehen, ist der Begriff überflüssig.Der Begriff des PE wird aber nicht überflüssig, weil er weiterhin als historischer Begriff eine Entwicklung bezeichnet und so auch auf Techniken Bezug genommen werden kann, die im Verlaufe dieser Entwicklung entstanden sind. Dabei darf man aber wieder nicht die Techniken selbst als PE sehen, sie sind nur Resultate des PE.
Nö. Ein Beispiel: Du selbst hast – man kann es in Eurer Diary of Sessions nachlesen – einem Spieler verboten, während des Spiels Regeln zu seiner Magie nachzuschlagen, weil Du keinen Bock hattest, darauf zu warten. Die Fähigkeit des Individuums, die Regeln präsent zu haben, ist ein weiterer Faktor. Du hast dem Spieler an dieser Stelle (evtl. aus gutem Grund) Handlungsmöglichkeiten verweigert.
entweder gibt es klare, unbeugsame, spielrelevante Einflußbereiche für die Spieler, oder eben nicht.Das stimmt natürlich. Aber wie weitreichend diese Einflussbereiche sind ist doch wieder von Spiel zu Spiel unterschiedlich.
Ich muss aber auch gestehen, dass ich auf dem Gebiet des PE und spielleiterlosen Spiels noch nicht so richtig viel Erfahrung gesammelt habe. Wenn mir also jemand ein Spiel empfehlen könnte, das nicht kompetitiv ist, dann wäre ich sehr verbunden.SL-Los: Shades (http://tanelorn.net/index.php/topic,27674.0.html)
Mittlerweile sitze ich aber wieder
am Tisch mit empowereten Spielern, die vom Regelsystem dazu angehalten werden, gegeneinander
zu spielen, indem man Einheiten einführt, mit denen Erzählrechte anderer Spieler gekauft werden
können und Ziele der anderen Charaktere kaputt gemacht werden usw (wie z. B. in Western City oder
Dust Devils).
Was mich am meisten an PE ankotzt ist dass ich mich in Regelsysteme hineinbegebe, die mich tatsächlich oft meiner Erzählrechte berauben, die ich an einem Tisch mit diktatorischem SL aber bekommen würde.
Was nützt es mir, wenn ein anderer Spieler den Plot meines Charakters weitererzählt und alles was ich habe in die Pfanne haut, weil er einer ist, der am Rollenspieltisch sitzt um zu gewinnen, und nicht um eine coole Geschichte oder Rolle zu entwerfen.
PE ist in meiner Erfahrung auf Cons (meine regulären Spielgruppen mögen
das alle eher nicht) ein Rückschritt in kompetitive Spielwelten, die ich 1987, als ich mit D&D angefangen habe, frohgemut glaubte ein für alle mal zurückgelassen zu haben. Mittlerweile sitze ich aber wieder am Tisch mit empowereten Spielern, die vom Regelsystem dazu angehalten werden, gegeneinander zu spielen, indem man Einheiten einführt, mit denen Erzählrechte anderer Spieler gekauft werden
können und Ziele der anderen Charaktere kaputt gemacht werden usw (wie z. B. in Western City oder
Dust Devils).
Allerdings führt Jörg, wenn ich ihn richtig verstehe, anhand seiner Beispiele an, dass es mit zunehmender Erfahrung in vielen Gruppen zu einer Bewegung hin zum offenen Pol gibt. Dazu passt die Beobachtung, dass gerade Anfängerrunden in einer recht geschlossenen Spielkultur mit klarer Machtverteilung in Richtung SL beginnen. Für mich hört sich das plausibel an, ich gebe allerdings zu bedenken, dass aus meiner Sicht die oben erwähnte Existenz von erfahrenen, aber sehr geschlossenen Gruppen möglich bleiben muss. Die gibts nämlich und eine Theorie der Spielkultur muss das erklären können.
Dazu bemühe ich mal den Bereich der Ökonomie, denn für Rollenspiele kenne ich keine relevanten empirischen Untersuchungen: es gibt einen stichhaltig nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Offenheit/Geschlossenheit von Organisationen und ihrem Erfolg. Dieser Zusammenhang ist aber umgekehrt u-förmig.
@ Cpt. Arbo:
Weniger die Kausalitäts- als die Konstruktivismusdebatte sollte man nach meiner Auffassung tatsächlich nach Möglichkeit vermeiden. Bei der Kausalität gibts nämlich schon recht gute Ansätze. Das Zeug kommt dann neuerdings unter den Namen Strukturgleichungsmodellierung sowie Partial Least Squares Modelling daher und ist recht mächtig. Konstruktivismus aber stellt ja gleich den gesamten deduktiven Prozess infrage. Das kann man meinetwegen machen, sollte aber irgendwo im Kämmerchen der Wissenschaftstheoretiker bleiben, da stimme ich Dir absolut zu.
Hatte ansonsten versucht, möglichst sparsam Theorien einzuführen. Popper ist zentral und geht ein. [...]
Aber wie gesagt: je weniger theoretischer Ballast von außen (ob Forge oder Wissenschaft ist dabei erst mal egal), desto besser!
Aber dass es situationsunabhängig einen fixen Idealpunkt pro Gruppe gibt, halte ich ebenfalls für Unsinn, da stimme ich Dir zu. Eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, wird einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.
Vorhin habe ich ein in drei Tagen selbstgeschriebenes Rollenspiel mit einer kleinen PE-Regel getestet (Silvester-Dungeon). Tatsächlich haben sich meine 'klassischen Rollenspieler' gar nicht so richtig getraut das einzusetzen, um die Geschichte voranzubringen. Ich denke man muss diese Art der Verantwortung für das Spiel erst mal tragen lernen.
Ein Punkt wo ich dir ganz entschieden widerspreche ist die die Aussage, das eine Gruppe, die die Borbaradkampagne spielt, einen vollkommen unterschiedlichen Idealpunkt für Spielkultur im Sinne des Threads aufweisen wird als die gleiche Gruppe, die meinetwegen The Pools spielt.
Das System ist völlig egal, die Präferenzen der Spieler werden durch das Spiel selber nicht direkt beeinflusst.
Das System ist völlig egal, die Präferenzen der Spieler werden durch das Spiel selber nicht direkt beeinflusst.Das sehe ich anders:
Das Problem der Theorie ist, das sie selten auf eine ganz spezifische Situation passt und auch nicht passen soll. Die Runde wird gesamtheitlich betrachtet. Fast jeder hat auf längere Zeiträume gesehen eine dominierende Art zu spielen. Das mag auch oft mit dem Charakter oder dem System zusammenhängen, den man gerade spielt, aber auf lange Zeiträume gesehen ist eine bestimmte Art zu spielen IMHO bei fast jedem Spieler dominierend.