Es ist nützlich, ein generisches Regelsystem zu wählen, wenn man sich zu dritt an den Tisch setzt und noch keine Ahnung hat, was man spielen will.
Settingwahl und Charaktergenerierung
Gut, für Nekropolis und Napoleonic Wars hätten wir mehr Leute gebraucht, aber sonst war alles offen. Eine Weile haben wir PotSM und 50Fathoms diskutiert, uns aber dann doch für Necessary Evil entschieden. Also genauer gesagt, irgendwas mit Superhelden. Dann wurde kurz überlegt, in NE Kollaborateure zu spielen, dann haben wir das NE-Setting einfach mal vom Tisch genommen. Wir waren aber immer noch bei Superschurken, also haben wir als nächstes überlegt, welches Superteam wir schon immer mal auseinander nehmen wollten: die Rächer/Avengers waren mir eine Nummer zu groß, auf die Teen Titans als Haßobjekte konnten wir uns zu zweit einigen, aber unser dritter Mann war dafür in DC-Comics nicht firm genug. Also doch Superhelden. Bisschen Gefummeln, ob nun Golden Age, Silver Age oder sonstwas - wobei das dann letztlich folgenlos blieb. Ich habe eine Superman/Batman Nummer vorgeschlagen, aber unser dritter Mann war schon auf die eingangs bei NE erwähnte C-Kategorie von Superwesen eingeschossen und wollte einen Superhelden spielen, dessen Kraft darin besteht, keinen Fallschaden zu nehmen. Kurzer Exkurs, obs doch Mystery Men (http://en.wikipedia.org/wiki/Mystery_Men) sein sollte; Nein, echte Superkräfte. Eher sowas wie "Legion Rejects", also so Helden wie Arm Fall Off Boy (http://en.wikipedia.org/wiki/Arm_Fall_Off_Boy). Dann haben wir den "Faller" so umgebogen, dass es wenigstens gelegentlich zu irgendwas nützlich ist: Als Trapping der Rüstungs-Power ist seine Robustheit so hoch wie seine Bewegungsweite in dieser Runde (Balancing war egal, wir waren nur zu dritt und alle wußten, was gemeint war). Und fertig war der Bowler. Das heißt, unser dritter Mann hat dann noch eine mystische Bowlingkugel eingeführt und klargestellt, dass der Bowler auf der Straße lebt. Eine Boost Power (Aufblähen) kam auch noch dazu.
Ich hatte an der Stelle ein Problem: zum einen war ich noch nicht so richtig auf das Konzept "relativ nutzlose Superkräfte" eingestimmt, zum anderen wußte ich eben, dass bei einer wirklich nutzlosen Kraft die normalen Talente sehr schnell eine bessere Handlungsoption bieten. Ich hab ein Weilchen versucht mich von Doom Patrol (http://en.wikipedia.org/wiki/Doom_Patrol) inspirieren zu lassen, hab mich aber dann doch an Destiny (http://en.wikipedia.org/wiki/Destiny_%28Irene_Adler%29) orientiert, also einen Charakter mit sehr begrenzter Präkognition, der tatsächlich blind ist. Nur, Präkognition geht in SW nicht (Danger Sense ist uns nicht eingefallen). Wir haben kurz überlegt, Kühlerer Kopf & Ausweichen als Power zu modellieren, dann aber doch schlicht Quickness RAW genommen. Blindkampf und Erstschlag und fertig war der Spoiler (ja, ja, vergeßt mal kurz was ihr aus den Batman-Heften kennt). Um nicht zu sehr in die Zatoichi (http://en.wikipedia.org/wiki/Zatoichi)/Daredevil Ecke abzudriften und aus Versehen einen echten Superhelden zu erschaffen hab ich die Fertigkeiten sehr auf das Soziale ausgelegt und nur einen w4 Konstitution genommen. Die Idee war, dass er harmlos wirkt, sich in die falschen Lokale "verläuft", mithört und dann die Polizei informiert ... oder selbst eingreift.
Besonders stolz bin ich, dass es uns gelungen ist, unter drei Nerds wovon mindestens zwei Comic-Leser sind, diese ganze Diskussion ohne größere Abschweifungen zu führen.
Erlebniserzählung:
Und so zogen wir dann obdachlos aber zu zweit durch die verschneiten Straßen des heutigen Chicago. Der Bowler hatte noch ein wenig Geld und wollte in die Bowling-Bahn, und als blinder Obdachloser kann man es sich nicht leisten, die Chance auf zwei Stunden Wärme auszuschlagen. Wobei natürlich die Absicht, gegen einen Blinden zu bowlen erschütternde Einblicke in die geistigen und sozialen Fähigkeiten meines Gefährten gewährte. Die Bowlingbahn war ein Rattenloch, aber dem Bowler war das egal. Als wir die Schuhe abgeholt haben wollte ich dem benebelten Studenten hinter der Theke noch per Jedi-Mind-Trick ein Bier abluchsen, aber da leider noch jemand am Tresen saß ging das nicht. An der Bahn hat der Bowler erstmal eine Riesenshow abgezogen, mich dann aber vorgelassen und mit einer 6 (12 - 6) war das Ergebnis für einen Blinden eigentlich sehr respektabel. Weiter kamen wir nicht, weil plötzlich eine Gruppe schlecht erzogener Jugendlicher an der Bar auftauchte, den Kopf des vorher störenden Tresengastes gegen dieselbe rammte und allgemein Unruhe verbreitete. Ich bat sie höflich, damit aufzuhören, während der Bowler sich schon mal zum Lichtschalter aufmachte. Dass der Anführer, ein Bulle mit Metallgebiß (aka Beißer (http://de.jamesbond.wikia.com/wiki/Bei%C3%9Fer)) darauf nicht einging war abzusehen (Pun not intended), seinen Angriff habe ich aber vorhergesehen und im gleich mal ordentlich eine verpaßt. Gottseidank hat der Bowler dann das Licht ausgemacht bevor der Rest seine Schußwaffen ziehen konnte. Zwei Penner gegen 7-8 bewaffnete Ganger und ihren Anführer, das würde eng werden.
Der Bowler stürzte sich zwar heldenhaft ins Gefecht, hatte aber ohne seine Bowlingkugel zu wenig Schadenspotential um irgendwen auszuknocken. Wenigstens war er robust genug die Angriffe wegzustecken. Ich kreiste derweil um den Anführer herum, in der Hoffnung doch irgendwann noch einen Innocent Bystander zu provozieren. Leider erwies sich der Beißer als außerordentlich resistent gegen jede Art von Trick oder Taunt und so war ich dann ziemlich schnell meine Bennies los. Eine Wunde, Konstitution w4, ich ging eigentlich schon davon aus, dass wir das nicht überstehen. Der Bowler hat dann einen seiner zwei Ganger angeschlagen und ist hinter die Theke geflüchtet, der Anführer war auch gerade angeschlagen und so konnte ich dem Bowler folgen, nicht ohne noch einen weiteren Ganger per Trick zu verwirren. Wildes Feuer seitens der Ganger, aber bei -8 (-6 und -2 wegen der Sichtverhältnisse) ging da nichts. Dafür fielen endlich zwei Einser, und damit auch zwei Ganger um. Der Bowler bemühte sich jetzt redlich, sich so auszudehnen, dass er die Bar nach vorne sprengt (2 Bennies) blieb aber erfolglos. Da die beiden Angeschlagenen von vorher nicht auf die Füße kamen entschloß ich mich doch wieder zu einer kühnen Aktion, musste aber umdisponieren um dem Ganger in den Bauch springen zu können und dafür den Anführer mit dem Stock angreifen zu können. Nicht sonderlich effektiv, aber wenigstens war er jetzt seine Bennies los. In der folgenden Runde gelang es dem Bowler endlich die Bar zu sprengen, was auch wieder zwei Ganger ausschaltete. Ich dagegen rutschte mit einer Doppel-1 in der Bierlache aus und lag angeschlagen vor dem Beißer, der aber glücklicherweise nicht traf. Nächste Runde, Willenskraft-Wurf mit Raise, also gleich wieder einen - erfolglosen - Trick gegen den Beißer und dann der Angriff: Doppel-Eins. Der Beißer verpasste dem Bowler noch eins, die Ganger feuerten wild aber wirkungslos, dann war ich mit einer erneuten Steigerung wieder auf den Beinen und der Beißer endlich ausgeknockt. Die restlichen beiden Ganger haben wir dann problemlos niedergeschlagen und dann schnell ihre Taschen geleert. Aus dem Nacken des Beißers noch eine seltsame Metallbox gerissen und dann nichts wie weg, bevor die Polizei kommt.
800 Dollar haben wir erbeutet, und fast geweint vor Glück. Zuerst wollten wir nur ein altes Auto kaufen, um darin schlafen zu können, aber dann wurden unsere Träume kühner: Vielleicht wäre sogar ein Bauwagen drin, oder sogar ein alter VW-Bus mit Standheizung, irgendsoein ausrangiertes Hippie-Mobil vielleicht. Wir haben erstmal unserer Suppenküche einen Hunderter gespendet, dann mussten wir leider aufhören, weil der Bowler nach Hause musste.
Nun, es war kein besonders aufregendes Abenteuer, aber wir hatten einen Heidenspaß. Ich hab's eigentlich nur aufgeschrieben, weil wir das Konzept alle sehr lustig fanden, und das gern wieder spielen würden. Insofern ist die Idee vielleicht auch für andere von Interesse.
Die andere Sache, die ich jetzt nicht schon wieder zu einem Loblied auf SW machen möchte, war die unübliche Vorgehensweise. Wie unser dritter Mann richtig angemerkt hat, üblich ist, dass es ein vordefiniertes Setting gibt, manchmal kommen die Leute schon mit fertigen Charakteren, wir haben uns dagegen ohne Plan an den Tisch gesetzt. Obwohl wir nur drei Stunden Zeit hatten. Das geht mit einigen schlanken Systemen und wir haben in dem Fall viel Zeit gespart, weil die Systemfrage schon gelöst war. Aber ich empfand es als sehr befriedigend, sich einfach eine gute Stunde hinzusetzen und Ideen hin und her zu schieben und sich überraschen zu lassen, was dabei heraus kommt. Das hatte genau den Charakter des kreativen Hin und Her, der mir sonst öfter zu kurz kommt.