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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Beral am 15.11.2012 | 19:22

Titel: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Beral am 15.11.2012 | 19:22
Jawohl, schon wieder. Die letzte Realismus-Diskussionswelle ist vor kurzem durch das Forum gerollt. Ihre Nachwehen schwappen gerade durch die Community, wo die Leute mit Sarkasmus die Emotionen abzukühlen suchen.

Wir haben es mit einem Dauerbrenner zu tun. Hätte ich Ersparnisse, ich würde sie darauf setzen, dass die Realismusdebatte früher oder später - eher früher als später - erneut losgeht. Wie man das Thema dreht und wendet, ob man sich dem Realismus ausliefert oder sich rigoros und gänzlich von ihm absagt, es lässt uns nicht los. Auch differenzierte Betrachtungen, die niemandes Meinung ausschließen, vermögen nicht für Ruhe zu sorgen.

Wie schafft es ein Thema, in uns gewaltige Energien freizusetzen, obwohl uns dieses Thema bis zum Erbrechen leid ist, wir alles schon mal hatten und wir ahnen, dass ein neuerlicher Versuch auch nichts am status quo ändert? Nun, das Thema berührt etwas, das ein so zentraler Bestandteil unserer menschlicher Natur ist, dass noch so zahlreiche negative Erlebnisse nicht verhindern können, dass wir uns von neuem damit beschäftigen. Es ist wie mit dem anderen Geschlecht. Egal wie viel Ärgernis und Leid die Beschäftigung damit uns einbringt, die Faszination ist einfach durch nichts zu ruinieren. Bei Frauen ist immerhin direkt und intuitiv einleuchtend, warum sie mich als Mann faszinieren. Aber Realismus? Ein Randphänomen eines Nischenhobbys? Wir werden tatsächlich fündig, müssen dafür aber etwas ausholen.

Auf dem Weg der Menschwerdung hat die Evolution unser Gehirn mit einigen mächtigen Werkzeugen ausgestattet. Eines davon ist die Phantasie. Wir Menschen besitzen sie nicht exklusiv. Einige Vogelarten, Wale und Menschenaffen verfügen ebenfalls schon über die Fähigkeit zur Phantasie. Dieses mächtige und komplexe Werkzeug bleibt also nur sehr hochentwickelten Lebewesen vorbehalten. Worum genau handelt es sich dabei? Phantasie ist die Fähigkeit, sich etwas im Geiste vorzustellen, was real (noch) nicht passiert ist. Es ist nichts anderes als eine Simulation. Der Selektionsvorteil liegt klar auf der Hand. Man ist nicht mehr auf das Prozedere von Versuch und Irrtum angewiesen, sondern kann vorher die Situation mental durchspielen und abschätzen, ob das was man vorhat, Aussichten auf Erfolg hat.

Wenn ein Schimpanse im Käfig sitzt und außerhalb des Käfigs liegt eine Banane, und innerhalb ein Stab, so müsste der Schimpanse ohne Phantasie versuchen, die Banane mit dem Arm zu erreichen. Mit Phantasie kann er sich vorstellen, den Stab als Verlängerung des Armes einzusetzen und die Banane damit zu sich zu staken. Weiterhin kann er beim mentalen Ausprobieren schon abschätzen, ob die Länge des Stabes ausreichen kann, überhaupt an die Banane heranzukommen. Dabei könnte er feststellen, dass der Stab viel zu kurz für das Vorhaben ist, dann macht er sich die Mühe eines Versuchs gar nicht erst. Ähnliches passiert, wenn der Schimpanse Kisten übereinander stapelt, um an eine hoch hängende Banane ranzukommen. Er kommt nicht auf die Idee, die Kiste in die Luft zu stellen und auf sie zu klettern. In seiner Phantasie ist ihm offenbar bewusst, dass die Kiste nicht in der Luft hängen bleibt, wenn er sie loslässt. So einen dummen Versuch unternimmt er also gar nicht erst, sondern beginnt sofort mit dem Stapeln der Kisten.

Damit man in der Phantasie Probehandlungen simulieren kann, benötigt man ein physikalisch korrektes Abbild der Welt in seinem Kopf. Das Tier muss seine eigenen Bewegungen und deren Folgen mental simulieren, dazu müssen äußere Bedingungen simuliert werden, wie etwa die Schwerkraft oder die Materialbeschaffenheit von Objekten. Schon das phantasiefähige Tier braucht also einen Weltsimulator im Kopf! Er muss nicht weiss Gott wie weitreichend sein, aber realistisch muss er sein! Nur ein realistischer Simulator hätte sich überhaupt durchsetzen können. Würde er dämliche und realitätsferne Berechnungen von der Welt anstellen, dann würde das seinem Benutzer mehr Nachteile als Vorteile einbringen. Der evolutionäre Selektionsdruck hat darauf hingewirkt, die Phantasie so objektiv zu gestalten, dass die antizipierten Folgen des eigenen Handeln oft genug genau genug berechnet werden. Da bleibt genug Spielraum für Unschärfen und ein Deckeneffekt ist auch vorstellbar, aber die Sollrichtung ist klar vorgezeichnet: je realistischer die Simulation, desto größer dein Vorteil mit ihrer Anwendung.

Damit haben wir die Antwort auf die Frage, warum uns Realismus nicht loslässt. Es ist nicht irgendeine beliebige Randbedingung unserer evolutionären Entwicklung. Es ist der Selektionsfaktor unserer Phantasie! Die Evolution hat uns einige Millionen Jahre dazu erzogen, die Phantasie möglichst realistisch und objektiv arbeiten zu lassen. Diese sollte schließlich zukünftiges Handeln und die Umweltbedingungen zuverlässig genug simulieren, um eine valide Prognose für die Folgen des Handelns zu ermöglichen. Valide genug, um die eigene Existenz nicht zu gefährden und zusätzlich Übelebensvorteile gegenüber anderen zu haben.

Der Gravitationskern der Phantasie ist also ausgerechnet Realismus. Es ist so tief und unweigerlich in unserer Natur verankert, dass alle unsere Vorstellungsinhalte wie durch Schwerkraft zum Realismus hingezogen werden. Das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit, aber doch ihr dickstes Stück. Der andere Teil der Wahrheit ist, dass wir neugierig sind und Lust auf Ungewohntes und Unbekanntes haben. Dieses Bedürfnis bemächtigt sich zu seiner Befriedigung natürlich auch der Phantasie. So bringen wir dort gezielt Dinge unter, die nicht realistisch sind.

Der Gebrauch der Phantasie ist konfliktgeladen. Der größte Konflikt liegt in der ursprünglichen Funktion selbst begründet. Evolutionär zweckdienliche Phantasie strebt nach Realismus, aber das Ziel ist in seiner Perfektion unerreichbar. Der Evolution genügt es, wenn wir dem Ziel nur nahe genug kommen. Zum Selektionsvorteil reicht es aus. Für unser psychisches Empfinden ist es aber belastend, dass unser Realismusgefühl sich nicht immer mit der Realität deckt und dass ferner die Realismusgefühle einzelner Menschen nicht ganz deckungsgleich sind. Wir geraten daher permanent in Streit darüber, was wahr ist und was nicht. Das ist nicht etwa ein Sonderphänomen des Rollenspiels, sondern durchzieht alle Lebensbereiche. Die Wissenschaft tut kaum etwas anderes, als sich mit diesem Problem zu befassen. Aber selbst die simple Beurteilung, ob im Fußballspiel der Spieler von den Beinen geholt wurde oder ob er sich selbst fallen ließ, ist oft genug selbst mit Zeitlupe unmöglich. Der eine empfindet es als realistisch, dass die knappe Berührung im vollen Lauf zum Stürzen reicht, der andere empfindet das ganz anders.

Es ist keineswegs so, dass unser Realismusgefühl allzu unscharf ist oder interindividuell allzu sehr voneinander abweicht. Wir verteilen bloß unsere Aufmerksamkeit ungerecht. All das, worüber wir uns einig sind, beachten wir nicht weiter. Wir halten es so sehr für eine Selbstverständlichkeit, dass uns nicht auffällt, wie groß dieser Batzen ist. Unsere Aufmerksamkeit schenken wir dagegen denjenigen Dingen, über die wir uns nicht einig sind. In Relation mögen es gar nicht so viele sein, aber sie kommen uns so dominant vor, weil wir den Scheinwerferkegel des bewussten Denkens primär darauf richten.

Ein weiteres Detail verdient der Erwähnung. Während sich die Phantasie der Tiere ausschließlich mit der Befriedigung aktuell drängender Bedürfnisse beschäftigt, befasst sich allein der Mensch auch mit zukünftigen Bedürfnislagen und den Möglichkeiten derer Befriedigung. Die damit einhergehende Komplexität zwingt uns dazu, ein Weltgerüst solcher Ausmaßen in unserer Phantasie unterzubringen, wie es keinem Tier auch nur im entferntesten abgenötigt wird. Während das Weltgerüst des Affen sich noch voll auf seiner individuellen Lebenserfahrung aufbauen kann, kommt der Mensch nicht drum herum, sein gigantisches und komplexes Weltgerüst in gemeinsamer Arbeit zu entwerfen und zu verfeinern. Einer Theorie zufolge soll eben diese Erfordernis den Selektionsdruck auf die Sprachentwicklung ausgeübt haben, aber das nur am Rande. Fakt ist, dass wir unser Weltgerüst mittels Sprache vermittelt bekommen, im Erwachsenenalter weiter daran basteln und es mittels Sprache an unsere Mitmenschen und Kinder weitergeben. Mit Hilfe der Überlieferung ist im Laufe von Jahrtausenden ein immer komplexeres Weltverständnis entstanden. Es ist dabei übrigens immer realistischer und objektiver geworden, was, wie wir schon gesehen haben, dem evolutionär intendierten Zweck entspricht.

Das ist das Dilemma des Realismus in allen Lebensbereichen. Es ist uns in die Wiege gelegt, den Realismus möglichst weit zu perfektionieren. Gleichzeitig wird es niemals genug davon geben können. Und egal wie groß die Schnittmenge der Einigkeit ist, wir lenken die Aufmerksamkeit bevorzugt auf den Bereich, wo Uneinigkeit herrscht, und mag dieser Bereich noch so klein sein.

Der Realismuszwang ist in uns. Wir sind verdammt, permanent neu auszuhandeln, was realistisch ist. Der Bau des Weltgerüsts wird niemals enden und er wird uns notgedrungen die Leiden von Realismusdebatten becheren.

Schön und gut, mag man jetzt einwenden. Aber wer sagt denn, dass wir auch im Rollenspiel auf Realismus setzen müssen? Unsere Phantasie sagt das. Wir haben nur die eine und sie wurde von der Evolution zum Realismus erzogen. Über Jahrmillionen. Wir spielen damit, aber sie wurde nicht für zweckfreies Spiel entwickelt, sondern um den Ernst des Lebens zu bestehen. Jedenfalls ist unser innerer Simulator auf Realismus und Objektivität programmiert. Die Abweichungen von der Realität sollen möglichst gering gehalten werden.

Bei genauer Betrachtung ist das im Rollenspiel auch der Fall. Die Vielfalt der Settings und Regelwerke kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Abweichungen vom Realismus sehr gering und häufig nur kosmetischer Natur sind. Wir erschaffen eine neue Rasse, indem wir ihre Ohren etwas länger und spitzer machen. Eine andere Rasse kennzeichnen wir dadurch, dass sie etwas kleiner und gedrungener ist, bei denen außerdem nicht nur Männer, sondern auch Frauen Bärte tragen. Im Grunde kombinieren wir nur bekannte Bausteine, wie beim Legospiel. Katze/Echse/Affe + Mensch = neues Fabelwesen. Blitz/Feuer/Gestalt + selber machen = Magie. Das Bedürfnis nach Ungewohntem verführt uns zu diesen Neukombinationen. Die Höhenflüge dieses Schaffens sind aber arg beschränkt. Der Sprit reicht für kleine Sprünge, aber nicht, um sich allzuweit vom Gravitationszentrum des Realismus zu entfernen. Etwas wahrlich Neues ist mir im Rollenspiel bisher nicht untergekommen. Ich habe von keinen neuen Emotionen gelesen, keine grundlegend neuen physikalischen Gesetze erlebt. Fliegende Schiffe im Fantasysetting überwinden immerhin die Schwerkraft, aber das ist auch nur die punktuelle Außerkraftsetzung eines bekannten Gesetzes. Und bei all dem Andersartigen unserer Settings und Regeln bleibt noch die Tatsache, dass dies der vom Scheinwerfer des Bewusstseins hell erleuchtete, aber kleine Teil ist, während die riesengroße Plattform, auf der das Andersartige ruht… ihr ahnt es schon.

Hier nun ist eine weitere Beobachtung interessant. Für Realismusdebatten sorgt nicht etwa das eindeutig Andersartige, was wir dem Setting eingehaucht haben. Diskutanten, die sich gegen Realismus positionieren, wenden gerne ein, dass Drachen doch auch unrealistisch seien und man deshalb grundsätzlich nicht mit Realismus argumentieren darf. Diesen Argumenten mangelt es an grundlegender Beobachtungsschärfe, denn noch nie hat die Beanstandung von Unrealismus sich auf Drachen bezogen. Es geht immer um Allerweltsdinge: ob man als Krieger gut jagen kann, ob man mit Pfeilen Kettenrüstungen durchschlagen kann, ob man mit schwerer Verletzung einen Tagesritt absolvieren kann. Ganz offensichtlich haben wir genug Kompetenz, um die absichtlich-künstlerisch-unrealistischen Elemente unserer Phantasie vom Realismusdetektor zu schützen. Was den Rest angeht, sind wir unserer Natur ausgeliefert.

In diesem Sinne wünsche ich uns noch viele aufregende Realismusdiskussionen und ein immer objektiver werdendes Weltgerüst.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: 1of3 am 15.11.2012 | 19:42
Zitat
Bei Frauen ist immerhin direkt und intuitiv einleuchtend, warum sie mich als Mann faszinieren.

Solang es dir darüberhinaus ebenso intuitiv einleuchtend ist, dass sich Frauen gelegentlich für Frauen, Männer gelegentlich für Männer und überhaupt Eichhörnchen für Eichhörnchen interessieren, ist auch alles gut.

Ansonsten ist es nicht so, dass die gleichen Beteiligten die selben Gespräche immer wieder führen. Es benötigt immer mindestens einen neuen Kandidaten, der sie noch nicht geführt hat, siehe Gummibär. Insofern wäre die Betrachtung von Gruppenbildungsprozessen womöglich ein viel passsenderes Feld, um die "wiederholten" Diskussionen zu erklären.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 15.11.2012 | 20:21
Erstmal mein Eindruck zum Threadtitel im Verhältnis des OP: Irgendwie liest sich das nach "Warum wir Realismus doch brauchen" und nicht nach "Warum wir darüber reden müssen ob wir Realismus brauchen" (zumindest war das das, was der Titel erst bei mir auslöste).

Ok. Reale Erfahrungen als Basis der Phantasie akzeptiere ich. "Realismus" würde ich das nicht nennen, man kann Erfahrungen auch fehlinterpretieren und sich durchaus ein massiv verzerrtes Weltbild aneignen, in dem dann z.B. kalte Kernfusion oder ähnlicher Schabernack möglich ist. Der eigene Erfahrungshorizont ist beschränkter, als man vielleicht annimmt, viele Dinge, die man aus Büchern oder Filmen aufgenommen hat, sind durch Genrekonventionen verzerrt - und ich meine damit nicht nur die klassischen Genres, sondern auch die Sichtweisen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Wenn unterschiedlich verzerrte Weltbilder in einem gemeinsamen Vorstellungsraum aufeinandertreffen, ist Chaos vorprogrammiert. "I reject your reality and substitute my own" kommt nicht von ungefähr.

Die Herleitung ist schön und gut, aber wir wenden unsere Phantasie im Spiel auch nicht nur für rein technische Überlegungen an, sondern wir erzählen Geschichten, ob diese nun eher als "Abfallprodukt" oder als eigentliches Ziel der ganzen Übung gesehen werden. Den spielerischen Aspekt der ganzen Sache darf man nicht unterschätzen. Das betrifft auch das Ablehnen von Meta-Regeln. Irgendwie habe ich das Gefühl, man könnte sagen, je mehr sich das ganze wie ein Spiel anfühlt, desto weniger Spaß hat die Realismus-Fraktion. Das finde ich sehr schade, denn mit dem Hintergedanken, dass es sich bloß um ein Spiel handelt, kann man sich viel gruppendynamischen Stress ersparen.

Zitat
Hier nun ist eine weitere Beobachtung interessant. Für Realismusdebatten sorgt nicht etwa das eindeutig Andersartige, was wir dem Setting eingehaucht haben. Diskutanten, die sich gegen Realismus positionieren, wenden gerne ein, dass Drachen doch auch unrealistisch seien und man deshalb grundsätzlich nicht mit Realismus argumentieren darf. Diesen Argumenten mangelt es an grundlegender Beobachtungsschärfe, denn noch nie hat die Beanstandung von Unrealismus sich auf Drachen bezogen. Es geht immer um Allerweltsdinge: ob man als Krieger gut jagen kann, ob man mit Pfeilen Kettenrüstungen durchschlagen kann, ob man mit schwerer Verletzung einen Tagesritt absolvieren kann. Ganz offensichtlich haben wir genug Kompetenz, um die absichtlich-künstlerisch-unrealistischen Elemente unserer Phantasie vom Realismusdetektor zu schützen. Was den Rest angeht, sind wir unserer Natur ausgeliefert.

Diese Schlussfolgerung ist dann imho leider gänzlich verkehrt.

Der Einwand, dass Drachen und andere phantastische Elemente dem Realismus zuwiderlaufen ist unerheblich. Ich selbst bringe den höchstens ironisch, ich meine das nicht ernst. Realismus muss man nicht widerlegen, es gibt eine Realität und alles, was dem SIS nicht als Color oder Genre hinzugefügt wurde, basiert weiterhin auf unseren realen Erfahrungen. Ich kann ein Element meiner Phantasie nicht mit einem anderen widerlegen.

Die "Allerweltsdinge", die du anschließend anführst, stellen die wahre Problematik dar, die bei mir Ablehnung erzeugt: Es geht weniger darum, Realismus zu wollen, als um die Mittel, diesen zu erreichen. Wir haben eben nicht alle die gleiche Kompetenz, das führt zu emotionale geführten Debatten, weil man eigene Unkompetenz äußerst ungern zugibt. Das führt auch zu totalen Unsinnsdebatten, in denen Leute steif und fest behaupten, zu Themen aussagefähig zu sein, bei denen selbst absolute Profis und Experten keine abschließenden Aussagen treffen wollen. Im Spiel werden Realismusargumente hauptsächlich dann gebracht, wenn sie dem eigenen Charakter Vorteile bringen - oder, vom SL, um vom Spieler in den gemeinsamen Vorstellungsraum eingebrachte Elemente abzublocken. Diese Elemente werden dann grundlegend auf Basis einer einzelnen Komponente des multidimensionalen Konstrukts Rollenspiel abgewürgt. Tatsächlich aber darf man Genrekonventionen, die creative agenda, Balancing und vieles mehr NICHT vergessen - Realismus ist weder fair, noch unterstützt er ein Genre (außer "ultrarealistische Settings, Hard-SF und dergleichen") noch hilft er bei der Erstellung einer gewünschten Story. "Realistisch" designte Spiele helfen meiner Erfahrung nach genau NULL dabei, diese Debatten zu verhindern oder gar nur einzugrenzen. Viel mehr liefern sie eine Begründung, diese überhaupt erst ins Spiel zu bringen. Meine DSA-Runde aus grauer Vorzeit hatte sich auch am "phantastischen Realismus" verbissen und wollte Aventurien realistischer machen. Das Resultat war ein wilder Wust an Hausregeln, der das Spiel extrem verlangsamte und das Entstehen einer interessanten Geschichte - für mich SPIELSPASS - verhinderte.

Es wurde schon oft genug gesagt: Realismus hat in Form von Plausibilität eine Berechtigung im Rollenspiel, wenn es darum geht, den gemeinsamen Vorstellungsraum auf Fehler in der inneren Logik zu testen. Als Fundament ist das ganze ok, sogar nötig. Aber nicht als Spielinhalt.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Drudenfusz am 15.11.2012 | 20:37
Der Realismuszwang ist in uns. Wir sind verdammt, permanent neu auszuhandeln, was realistisch ist.
Zwei Sätze, aber dem ersten kann meine Person nicht zustimmen, während der Zweite genau das ist was das Problem beim Rollenspiel ist, und auch nur genau da. Realismus liegt nicht in uns (weshalb zum Beispiel auch der gesunde Menschenverstand so häufig Falsch ist). Geschichten, kümmern sich schon seit Jahrtausenden nicht wirklich um Realismus (Götter, Übermenschliche Heldentaten, Magie, Biblische Plagen und und und), aber in den meisten Geschichten wird vom Autor klar abgesteckt was für seine Erzählung alles klar geht, in Filmen sitzen wir da und staunen über die Aktion, aber nur selten lassen wir uns tatsächlich dabei stören ob das nun realistisch ist. Doch beim Rollenspiel bekommen wir die Geschichte nur Erzählt, wir gestalten die Geschichte mit, und dafür müssen die Spieler sich auf irgendwas einigen, und da bietet sich dann realismus als gemeinsame Ausgangsbasis an. So ist die Realismus Diskussion eigentlich nur eine über den gemeinsamen Vorstellungsraum im Rollenspiel.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 15.11.2012 | 20:38
Zitat
So ist die Realismusdiskussion eigentlich nur eine über den gemeinsamen Vorstellungsraum im Rollenspiel.

Oh sehr schön. Auf den Punkt.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Eulenspiegel am 15.11.2012 | 20:55
Geschichten, kümmern sich schon seit Jahrtausenden nicht wirklich um Realismus (Götter, Übermenschliche Heldentaten, Magie, Biblische Plagen und und und)
Aber diese Sachen sind nicht wirklich phantasievoll sondern an der Realität angelehnt:

Götter haben Menschen- oder Tierkörper und menschliche Emotionen.
Übermenschliche Heldentaten: Meistens von Menschen (oder Wesen, die wie Menschen aussehen) begangen. Die Tat an sich ist auch eine Tat, die man real tun kann, nur einen Faktor größer. Und wenn es etwas ist, dass der Mensch nicht tun kann, dann ist es in den meisten Fällen von der Tierwelt abgeschaut ("Wie ein Vogel fliegen"),
Auf Magie ist Beral ja schon eingegangen: Das waren gerade früher ja Naturereignisse, die sich der einfache Mensch nicht erklären konnte.
Biblische Plagen: Waren alle sehr real. Das einzige Irreale dabei war: "Hat Gott so gewollt." Abgesehen vom göttlichen Touch waren es aber sehr reale Naturkatastrophen.
und und und.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Darkling ["beurlaubt"] am 15.11.2012 | 21:06
Euli, du argumentierst (für meinen Geschmack) mal wieder zu absolut.

Schau dir z.B. mal :ctlu: oder andere Große Alte an, dann hast du reichlich Beispiele für deutlich unmenschliche Götter mit ebenso nicht nachvollziehbaren Motivationen.
Für übermenschliche Heldentaten, die eben nicht von Menschen(-ähnlichen) begangen werden gibt es in der Science Fiction (oder auch bei Pulp oder oder...) reichlich Beispiele. Man gucke sich beispielsweise mal einen gewissen teleportierenden Mausbieber an..  ;)

Und so weiter. Bitte versuch mal, weniger absolutistisch zu formulieren, ja?  :)


Übrigens finde ich Drudenfusz letzten Satz auch klasse.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Eulenspiegel am 15.11.2012 | 21:28
Naja, Cthulhu hat einen humanoiden Körper mit Tintenfischgesicht. Und seine Hauptmotivation "Machtgier" ist ja auch recht menschlich. Auch die anderen Großen Alten haben alle recht menschliche Motivationen.

Und "Mausbiber" sagt schon alles. (Und ja, er ist cool. Aber wenn wir schon bei Phantasiegestalten sind, dann nehme da lieber Haluter oder ES. Und wo sich die Autoren dann richtig Mühe mit Phantasie gemacht haben, war bei den Baolin-Nda (http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Baolin-Nda).)

Aber selbst diese Erscheinungen können nicht leugnen, dass sie imme rnur eine Randerscheinung sind. Von den 2000 Perry-Rhodan Heften, gab es genau EIN Heft, dass sich nur mit den Baolin-Nda beschäftigt hat ohne auf andere Lebensformen einzugehen. Und dieses Heft hat größtenteils eine schlechte Kritik bekommen. (Zudem hatten die Baolin-Nda dann doch wieder recht menschliche Emotionen.)

Und um auf Lovecraft zurückzukommen. Nicht umsonst sind die Menschen immer die Hauptpersonen. Ich habe zum Beispiel noch keinen Roman gelesen, wo Mi-Go die Protagonisten waren. Oder auch sehr interessant wäre: Der Kampf der Mi-Go gegen die Shoggothen aus Sicht eines Wesen von Yith.
Aber zum einen wäre das wahrscheinlich zu schwierig so etwas zu schreiben und zum anderen würde das keiner lesen wollen. (Wenn man wirklich außerirdische Motivationen nimmt und nicht einfach menschliche Emotionen überbauscht.)

Zu Drudenfuszs letzten Satz:
Klar, bei Realismus Diskussionen geht es auch darum, wie realistisch der gemeinsame Vorstellungsraum sein soll.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 15.11.2012 | 21:29
Zitat
Klar, bei Realismus Diskussionen geht es auch darum, wie realistisch der gemeinsame Vorstellungsraum sein soll.

Höchstens am Rande. Es geht um Deutungshoheit.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Eulenspiegel am 15.11.2012 | 21:32
Was verstehst du unter Deutungshoheit?

Die einen wollen einen realistischen Vorstellungsraum und Regeln, die dieses unterstützen. Und die anderen bevorzugen Regeln, die nicht realistisch sind.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Darkling ["beurlaubt"] am 15.11.2012 | 21:34
Als Lösung bietet sich an, nur noch mit Echten Schotten zu spielen..  ::)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Jiba am 15.11.2012 | 21:35
Zitat
Und die anderen bevorzugen Regeln, die nicht realistisch sind.

...und die einen kreativen Vorstellungsraum ermöglichen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Eulenspiegel am 15.11.2012 | 21:37
@Darkling
Nein, als Lösung bietet sich an, nicht jeden als Schotten zu bezeichnen, nur weil er einen gefälschten Ausweis mit sich rumträgt. ::)

@Hank Scorpio
Ich lese deinen Satz mal nicht als Einspruch sondern als Ergänzung zu meinen Post. Falls ich mich irren sollte, bitte näher ausführen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Jiba am 15.11.2012 | 21:39
Ist eine Ergänzung. Ich wollte was beifügen, damit die "Antirealisten" auch was haben, worüber sie sich freuen können.  :)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 15.11.2012 | 21:40
Es gibt keine Anti-Realisten. Es gibt höchstens Leute, die keinen gesteigerten Wert auf Realismus legen. Dass es Leute gibt, die Realismus im Rollenspiel gezielt bekämpfen, halte ich für ein Gerücht.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Darkling ["beurlaubt"] am 15.11.2012 | 21:45
Eulenspielgel, grob vereinfacht sagt Drudenfusz, dass Phantasie (Edit: und in diesem Zuge auch Regeln im Rollenspiel) nicht auf Realismus fussen muss, sondern auch auf Plausibilität in einem (ggf. gemeinsam) abgestecktem Rahmen fussen kann. (Ein Punkt, dem ich erstmal zustimme.)
Du sagst, das sei nicht wahr, sondern Phantasiesachen seien ja doch immer irgendwie auf was Reales zurückzuführen.
Dann bekommst du Gegenbeispiele, ja führst sogar noch selber welche an und tust das dann als für dich zu unbedeutend ab, um das gelten zu lassen, ja?
Auf diesem Niveau diskutiere ich nicht mit dir.

PS:
 :P
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Eulenspiegel am 15.11.2012 | 21:49
Aber worauf basiert den Plausibilität? Auf dem, was wir wahrgenommen haben.

Klar kann man sich in geringem Maße davon trennen. Aber es fällt schwer. Und je weiter wir uns vom Realismus entfernen, desto schwerer fällt es uns. Und ich wage mal die Behauptung, dass selbst die abgefahrenste Welt noch zu 51% Realismus und nur zu 49% Phantasterei besteht.

Und solange die abgefahrenste Welt zu 51% aus Realismus besteht, wage ich die Behauptung, dass der Realismus in uns steckt.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Oberkampf am 15.11.2012 | 21:53
Dass es Leute gibt, die Realismus im Rollenspiel gezielt bekämpfen, halte ich für ein Gerücht.


Richtig. Es ist nicht der "Realismus", der stört, sondern die nicht enden wollenden Diskussionen, die mit diesem Anspruch einhergehen oder in seinem Namen ausgefochten werden.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Eulenspiegel am 15.11.2012 | 21:58
Ja, das etwas für fremde Ziele vereinnahmt wird, das nervt mich auch. Und das habe ich auch bei Realismus leider schon häufiger erlebt.

Aber was ist so schwer daran, anzuerkennen, dass es Leute gibt, die auf Realismus stehen und sich gerne darüber unterhalten wollen? Niemand zwingt dich, die entsprechenden Threads aufzusuchen.

Aber die Tatsache, dass du diesen Thread hier aufsuchst, zeigt doch, dass das Wörtchen "Realismus" einen gewissen Reiz hat, dem man sich nicht entziehen kann.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Oberkampf am 15.11.2012 | 22:50

Aber die Tatsache, dass du diesen Thread hier aufsuchst, zeigt doch, dass das Wörtchen "Realismus" einen gewissen Reiz hat, dem man sich nicht entziehen kann.

Ehrlich gesagt habe ich auch eher so eine "rollenspielhistorische" Erklärung erwartet/erhofft, seit wann es das Bedürfnis nach mehr Realismus im RSP gibt, in welchen Regelwerken es sich wie niedergeschlagen hat, von welchen anderen Moden es begleitet/unterstützt/angefeindet wurde usw. Ja, auch was für eigenartige Blüten es hervorgetrieben hat.

Die Diskussionen werden nie aufhören, aber ich fände es entspannend, wenn man genauer anschaut, warum, auf welcher Motivationsgrundlage, welche Art von Spieler "Realismus" wollen und wie er bereits versucht wurde, im Hobby umzusetzen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Gummibär am 15.11.2012 | 23:18
Richtig. Es ist nicht der "Realismus", der stört, sondern die nicht enden wollenden Diskussionen, die mit diesem Anspruch einhergehen oder in seinem Namen ausgefochten werden.


Man könnte sollte so eine Diskussion hier im Forum, wenn sie einen stört, einfach ignorieren. Niemand zwingt einen dazu, einen Thread anzuklicken. Spätestens das zweite Anklicken (falls der „Realismus“ nicht am Titel erkennbar war) ist einfach die eigene Schuld.



Irgendwie habe ich das Gefühl, man könnte sagen, je mehr sich das ganze wie ein Spiel anfühlt, desto weniger Spaß hat die Realismus-Fraktion.

Vllt eine andere Sorte Spiel, der Begriff ist ja recht breit gefächert:
Zitat von: http://de.wikipedia.org/wiki/Spiel
Spiel (von althochdeutsch: spil für „Tanzbewegung“) ist eine Tätigkeitsform, Spielen eine Tätigkeit, die zum Vergnügen, zur Entspannung, allein aus Freude an ihrer Ausübung, aber auch als Beruf ausgeführt werden kann (Theaterspiel, Sportspiel, Violinspiel).
Ein Schachspiel um den Weltmeistertitel ist ja auch ein Spiel.

Das finde ich sehr schade, denn mit dem Hintergedanken, dass es sich bloß um ein Spiel handelt, kann man sich viel gruppendynamischen Stress ersparen.

Ist dir denn damit geholfen, wenn du dir sagst, dass es sich bloß um ein Spiel handelt und du deshalb einfach nachgibst? Wenn ja, dann tu das doch einfach. Mir würde es nicht helfen.

Diese Elemente werden dann grundlegend auf Basis einer einzelnen Komponente des multidimensionalen Konstrukts Rollenspiel abgewürgt.

Genau wie ein zu mächtiger SC allein auf Basis der einzelnen Komponente Balance abgelehnt wird. Einzelne Komponent ist nichts negatives, der Satz ist überflüssig.

Meine DSA-Runde aus grauer Vorzeit hatte sich auch am "phantastischen Realismus" verbissen und wollte Aventurien realistischer machen. Das Resultat war ein wilder Wust an Hausregeln, der das Spiel extrem verlangsamte und das Entstehen einer interessanten Geschichte - für mich SPIELSPASS - verhinderte.

Kann ich gut verstehen. Meine Empfehlung: Spiel einfach nicht mit so Leuten.

Aber lass die Leute GURPS spielen, die GURPS mögen.

Einfach getrennte Wege gehen. Du baust dein System in Ruhe und die bauen ihr System in Ruhe. Die fordern nicht, dass du dein System realistischer machen musst und du kritisierst nicht, dass sie ihr System realistischer machen wollen.

Realismus hat in Form von Plausibilität eine Berechtigung im Rollenspiel, wenn es darum geht, den gemeinsamen Vorstellungsraum auf Fehler in der inneren Logik zu testen. Als Fundament ist das ganze ok, sogar nötig. Aber nicht als Spielinhalt.

Ist es bei mir nicht. Es ist das Fundament. Und ein gutes Fundament erfordert sehr viel Arbeit. Ich finde, es darf ruhig weniger sein als bei GURPS. Aber auch das erfordert schon viel Arbeit.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Gummibär am 16.11.2012 | 00:01
@ SLF

Die für dich interessanten Fragen werden in folgenden zwei Threads diskutiert:

[Rollenspielhistorie] Realismus im Rollenspiel (http://tanelorn.net/index.php/topic,78405.0.html)

Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen (http://tanelorn.net/index.php/topic,78407.0.html)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: OldSam am 16.11.2012 | 00:05
Der Artikel bringt das Dilemma der Debatte sehr schön auf den Punkt!  :d

Ob wir wollen oder nicht unsere Realität ist nun mal ständig der Ausgangspunkt für Vergleiche, Beschreibungen usw., allein schon weil wir sonst bei jeder Erläuterung das Rad neu erfinden müssten und somit die Kommunikationsprozesse viel zu umständlich würden. Letztlich braucht auch der over-the-top, cinematische, furious gamestyle immer die Realität als Maßstab, um überhaupt zu wissen in welcher Beziehung man "over-the-top" ist, der Nullpunkt der Achse ist unsere Realerfahrung...

Aber das sagt natürlich in der Tat nichts darüber aus, ob es jetzt besser oder schlechter ist, wenn man mehr oder weniger realistisch spielt, das ist letztlich einfach eine Präferenz, Geschmäcker sind verschieden was den Spielstil angeht und zudem ist Abwechslung Trumpf, denn wer möchte schon jeden Tag das gleiche Gericht essen? ;)

=> Fazit scheint mir, dass es aber für ein RPG immer von Vorteil ist, die <Beziehung / Relation> zur Realität bzw. unserer Realitätswahrnehmung möglichst genau zu beschreiben!
D.h. es muss möglichst klar sein, ob der gewählte Spielstil tendenziell z.B. mehr oder weniger tödlich ist als in der Realität. Ob Chars vielleicht mehr Glück haben, ob im Verhältnis zu unseren Alltagserfahrungen fast nie 'banale' Unfälle stattfinden etc. etc. :)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Boni am 16.11.2012 | 00:55
@Beral: Sehr schön!

Ich stimme nicht in allen Punkten hundertprozentig zu, andere Punkte haben mich zum Nachdenken gebracht. Für mich einer der lesenswertesten Posts der letzten Zeit.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 16.11.2012 | 06:51
Ich stimme nicht in allen Punkten hundertprozentig zu, andere Punkte haben mich zum Nachdenken gebracht. Für mich einer der lesenswertesten Posts der letzten Zeit.

Dem kann ich übrigens zustimmen.

Ich erinnere in de Zusammenhang nochmal Hieran (http://tanelorn.net/index.php/topic,50121.0.html).
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Drudenfusz am 16.11.2012 | 08:56
@ Eulenspiegel: Also es gibt in der Realität Frauen, Schlangen, Menschen und Steinstatuen; das würde also für dich dan eine Medusa realistisch machen? Wenn ja, wie schnell können Menschen versteinen, was ist da für dich realistisch?

@ Topic: Hatte vergessen das uns die Debatte noch aus einem weiteren Grund verfolgt, aber Eulenspiegel hat mich quasi darauf aufmerksam gemacht, nämlich weil einige Leute es Lieben zu Debatieren auch wenn kein wirklicher Grund mehr dafür vorhanden ist.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Feuersänger am 16.11.2012 | 09:28
Jawohl, schon wieder. Die letzte Realismus-Diskussionswelle ist vor kurzem durch das Forum gerollt. Ihre Nachwehen schwappen gerade durch die Community, wo die Leute mit Sarkasmus die Emotionen abzukühlen suchen.

Da war wohl jemand etwas voreilig bzw optimistisch...
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Shield Warden am 16.11.2012 | 09:53
Wenn ich mir ein großes, fettes: Ich glaube - vor den Eingangsartikel vorstelle, ok. Kann aber so gut wie keinem Punkt zustimmen, muss ich sagen. Und ich glaube die Problematik der Realismusdebatten (vor allem Tisch) und ihre Auslöser hat Dolge bereits richtig erläutert.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Eulenspiegel am 16.11.2012 | 09:59
@ Eulenspiegel: Also es gibt in der Realität Frauen, Schlangen, Menschen und Steinstatuen; das würde also für dich dan eine Medusa realistisch machen? Wenn ja, wie schnell können Menschen versteinen, was ist da für dich realistisch?
Nein, das würde für mich zeigen, das Menschen sich nicht von der Realität trennen können. (Und wenn ich mich in der Welt des Phantastischen umschaue, dann ist eine Medusa noch verdammt unphantastisch. Ich würde sie evtl. bei 80% Realität und nur 20% Phantasterei einordnen.)

Die Legende von den Medusen ist im Übrigen dadurch entstanden, dass einige Leute extrem detaillierte Statuen gefunden haben. Sie konnten sich damals nicht erklären, dass sie ein Künstler angefertigt hat, weil sie so wirklichkeitsgetreu aussahen und haben es sich daher mit Versteinerung erklärt.

Fazit:
"Sich nicht von der Realität trennen können" ungleich "Nur 100% realistisch agieren."
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Shield Warden am 16.11.2012 | 10:01
Die Legende von den Medusen ist im Übrigen dadurch entstanden, dass einige Leute extrem detaillierte Statuen gefunden haben. Sie konnten sich damals nicht erklären, dass sie ein Künstler angefertigt hat, weil sie so wirklichkeitsgetreu aussahen und haben es sich daher mit Versteinerung erklärt.

Wo hastn das her?
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Oberkampf am 16.11.2012 | 13:53


Man könnte sollte so eine Diskussion hier im Forum, wenn sie einen stört, einfach ignorieren. Niemand zwingt einen dazu, einen Thread anzuklicken. Spätestens das zweite Anklicken (falls der „Realismus“ nicht am Titel erkennbar war) ist einfach die eigene Schuld.


Es ging mir primär um die Diskussionen am Spieltisch während des Spiels, sekundär um die Diskussionen außerhalb des Spiels zur Verbesserung eines SCs. Im Forum ist so eine Diskussion so problemlos wie die jährlich wiederkehrende RR-Diskussion.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Gummibär am 17.11.2012 | 19:57
Nein, das würde für mich zeigen, das Menschen sich nicht von der Realität trennen können. (Und wenn ich mich in der Welt des Phantastischen umschaue, dann ist eine Medusa noch verdammt unphantastisch. Ich würde sie evtl. bei 80% Realität und nur 20% Phantasterei einordnen.)

Mal aus folgendem Blickwinkel: Menschen und Affen haben z.B. zu 95% gleiche Gene.

Aus einem Affen einen Menschen machen (zur Wissenschaft fähig, zur Erbauung von Städten fähig, zum Nachdenken über sich selbst fähig, anderes Aussehen, anderer Gang) ist also eine Veränderung von 5%. Aus einem Menschen eine Medusa zu machen (anderes Aussehen, anderer Gang, Fähigkeit zur Versteinerung) wäre dann vllt sogar eine Veränderung von weniger als 5%.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Taschenschieber am 17.11.2012 | 20:02
Juhu. Genau das, was das Tanelorn noch gebraucht hat: Metal Gear Solid-Genetik.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 18.11.2012 | 14:57
edit: Bringt eh nix.

@Beral: Ich würde mich über Antwort freuen, bin durchaus an Diskurs interessiert, gern aber auch per PM.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: ErikErikson am 18.11.2012 | 15:09
Mal aus folgendem Blickwinkel: Menschen und Affen haben z.B. zu 97% gleiche Gene.

Aus einem Affen einen Menschen machen (zur Wissenschaft fähig, zur Erbauung von Städten fähig, zum Nachdenken über sich selbst fähig, anderes Aussehen, anderer Gang) ist also eine Veränderung von 3%. Aus einem Menschen eine Medusa zu machen (anderes Aussehen, anderer Gang, Fähigkeit zur Versteinerung) wäre dann vllt sogar eine Veränderung von weniger als 3%.


Naja, ich würde sagen, für ne Medusa brauch man schon mindestens 6%.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Taschenschieber am 18.11.2012 | 15:13
Also ich bin ja kein Biologe, aber die Aussage, dass Menschen und Affen zu 97% gleiche Gene haben, beweist nur eins: Nämlich dass Menschen viel zu schnell glauben, ein Thema verstanden zu haben.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Beral am 18.11.2012 | 17:29
@Beral: Ich würde mich über Antwort freuen, bin durchaus an Diskurs interessiert, gern aber auch per PM.
Antwort worauf genau?
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 18.11.2012 | 17:36
Ja, ähh. Ich habe ja eine Menge Argumente hier abgekippt. Wenn du auf irgendwas eingehen willst... Ansonsten habe ich auch kein Problem, wenn wir die Ansichten des jeweils anderen stehen lassen wollen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Necoras am 18.11.2012 | 18:32
Bin ich eigentlich der einzige, der nicht weiß, was mit "Realismus" in den ganzen Diskussionen gemeint ist?

Ich habe den Eindruck, dass das Thema nicht einmal ansatzweise angemessen diskutiert werden kann, solange die Begriffe nicht geklärt sind... (weshalb ich es auch überhaupt nicht verwunderlich finde, dass das Thema ständig aufkommt...)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: ErikErikson am 18.11.2012 | 18:35
Oh Realismus ist eigentlich leicht zu definieren, das heisst "wie in der realität", also wie bei uns. Das hindert natürlich niemanden daran, Realismus mit Plausibelität gleichzusetzen, die quasi bedeutet, das Dinge so passieren, wies alle für halbwegs wahrscheinlich halten.

Das erstere ist nicht erreichbar im Rollenspiel, das ist auch der grund, warum die Realismusdebatte so idiotisch ist. Die Vermischung der beiden begriffe sorgt dann vollständig dafür, das aus dem Thema nie was wird.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Maarzan am 18.11.2012 | 18:49
Oh Realismus ist eigentlich leicht zu definieren, das heisst "wie in der realität", also wie bei uns. Das hindert natürlich niemanden daran, Realismus mit Plausibelität gleichzusetzen, die quasi bedeutet, das Dinge so passieren, wies alle für halbwegs wahrscheinlich halten.

Das erstere ist nicht erreichbar im Rollenspiel, das ist auch der grund, warum die Realismusdebatte so idiotisch ist. Die Vermischung der beiden begriffe sorgt dann vollständig dafür, das aus dem Thema nie was wird.

Das etwas nicht vollständig erreichbar ist, heißt nicht, dass es idiotisch wäre es so weit wie möglich anzustreben.

Realistisch kann absolut oder relativ sein. Absolut ginge es um eine Abbildung realer Umstände. Dies wäre im Rahmen und unter Nennung der zum Spiel notwendigen Vereinfachungen der Fall,wenn die Spielwelt an dieser Stelle wie unsere funktionieren würde.
Das wird in der Regel nicht eine wissenschaftliche Spitzfindigkeit sein, sondern meist ein krasser Verstoß gegen grundlegende Logik. Zum Beispiel: Wenn ich immer mehr für meine Rohstoffe bezahlen muss, als ich für das Produkt erzielen kann, werde ich irgendwann pleite sein. oder Warum kämpft jeder Gegner verbissen bis zum Tod und selobst wennman ihn höchst unterlegen laufen läßt kommt jeder von denen in einem letzten suiziden Anfall ball wieder mit einer Attacke daher?

Relativ ist, wenn man eine beschriebene Abweichung von der Realität betrachtet (die damit quasi eien "Freigabe" von der absoluten Realitätsprüfung bekommen hat) und feststellt, dass dieses Element im weiteren so gar nicht zu der beschriebenen Spielwelt passt bzw. seine Folgen im Widerspruch zu anderen festgelegten Elementen stehen.

Plausibilität ist ein Ausweichbegriff, weil der Realismus durch wiederholte, meist unsachliche Angriffe schon so beschädigt ist, der aber meines Erachtens viel weicher ist und eher besagt ab einer gewissen ebenfalls eher nicht festgelegten Grenze nicht mehr so genau hinschauen zu wollen. Quasi Abstraktion ohne die Abstraktionsgrenze zu nennen und so wiederum potentielle Ursache für Konflikte.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Beral am 18.11.2012 | 23:01
Bin ich eigentlich der einzige, der nicht weiß, was mit "Realismus" in den ganzen Diskussionen gemeint ist?
Realismus ist ein möglichst genaues Abbild der objektiven Wirklichkeit.

Die Debatte kommt nicht deshalb immer wieder auf, weil wir Realismus nicht definiert haben. Sie kommt auf, weil Realismus immer nur eine Annäherung ist, die im Detail stets ungenau bleibt. Genau an diesen nicht eindeutig zu klärenden Detailfragen entzündet sich die Diskussion immer wieder. Das ist übrigens gar nicht unproduktiv. Eben diese intensive Beschäftigung mit dem nicht eindeutigen erweitert unser Weltbild Stück für Stück und hat es im Laufe der Zeit so viel objektiver (=realistischer) werden lassen.

@Dolge: Ich habe etwaige Impulse zur sofortigen Antwort unterdrückt und mit einer Nacht Abstand hatte ich kein Bedürfnis auf irgendeinen Kommentar tiefer einzusteigen. Ich müsste mich wiederholen und es würde auf eine typische Rechthabediskussion hinauslaufen. Einen Ansatzpunkt für einen Ausbau oder Umbau meiner Hypothese habe ich nicht gefunden.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 19.11.2012 | 06:48
Schade. Aber ich versuche trotzdem mal was halbwegs konstruktives draus zu ziehen: Ich nehme mir vor, die "Gegenposition", d.h. die Sicht der Realos mehr zu akzeptieren und nicht mehr so viel Gegenfeuer zu bieten. Die Fronten haben sich ja ohnehin seit Jahren nicht verschoben. Wie vorher schon beschrieben kann ich deiner These von der Wirkung von realweltlichen Erfahrungen auf die Phantasie gar nicht widersprechen, nur die Auswirkungen auf einen SIS und damit aufs Rollenspiel trage ich nicht mit. So ganz scharf fassen kann ich es leider auch nicht, aber ich denke, durch den kooperativen Aspekt beim Rollenspiel gewinnt der SIS gegenüber der Phantasie eines Einzelnen fundamental andere Qualitäten, weswegen wir da nicht 1:1 übertragen können.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Beral am 19.11.2012 | 11:02
Was ist SIS?
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Boni am 19.11.2012 | 11:05
Shared Imagined Space = Gemeinsamer Vorstellungsraum.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Beral am 19.11.2012 | 11:35
Wie vorher schon beschrieben kann ich deiner These von der Wirkung von realweltlichen Erfahrungen auf die Phantasie gar nicht widersprechen, nur die Auswirkungen auf einen SIS und damit aufs Rollenspiel trage ich nicht mit. So ganz scharf fassen kann ich es leider auch nicht, aber ich denke, durch den kooperativen Aspekt beim Rollenspiel gewinnt der SIS gegenüber der Phantasie eines Einzelnen fundamental andere Qualitäten, weswegen wir da nicht 1:1 übertragen können.
Der SIS ist funktionell nichts anderes als das gemeinsam errichtete Weltgerüst, von dem im Eingangsposting die Rede ist. Die dabei auftretenden Probleme sind die gleichen wie außerhalb des Rollenspiels. Jeder Mensch hat sein persönliches Weltbild im Phatasieraum. Wenn sich mehrere Menschen zusammenschließen und ein gemeinsames Weltbild erschaffen, krachen die Unterschiede der individuellen Weltbilder aufeinander. Ob man Physik studiert, das letzte Fußballspiel diskutiert oder Rollenspiel spielt, überall stehen wir vor dem gleichen Problem, individuelle Weltbilder (allesamt mit begrenzter Objektivität) zu einem gemeinsamen Bild zu vereinen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 19.11.2012 | 11:56
Ich glaube, jetzt müssten wir uns ernsthaft in Philosophie betätigen, wenn wir uns fragen wollen, ob die im SIS ausgehandelten Fakten und Setzungen unabhängig von den Erschaffern existieren und für sich einen Wert darstellen. Die expliziten Fakten sind dabei vermutlich meist deutlich weniger im Verhältnis zu den Fakten, die mit Settingkonventionen oder realweltlichen Erfahrungen ausgekleidet werden. Man spannt ein Gerüst aus Annahmen und Behauptungen auf und kleistert die Löcher dann mit Konventionalismen zu. Interessanterweise sind dann auch diese Konventionen meistens der Auslöser für Diskussionen. Die Ideen, die kollektiv eingebracht wurden und quasi "abgenickt" sind, werden nicht angefochten, sondern dort, wo es unterschiede in dem diffusen Füllstoff gibt. Unter "kollektiv eingebracht" verstehe ich auch, dass man sich z.B. auf ein konkretes Setting und die darin gemachten Setzungen einigt.

Die von dir gebrachten Vergleiche finde ich eher unpassend: Beim SIS im Rollenspiel gibt es ja Gestaltungsrechte und implizite Vetorechte - ein SL kann einer Gruppe auch nur eine begrenzte Menge Bullshit (Seitenhiebe auf DSA verkneifen wir uns mal) auftischen, ehe diese rebelliert, man spielt im Kollektiv und benötigt einen kohärenten SIS, um überhaupt eine Spielbasis zu haben. Die Gestaltungsarbeit ist kollektiv und gezwungenermaßen konstruktiv, während bei anderwo erschaffenen gemeinsamen Weltbildern keine kohärenten Geschichten geschaffen werden müssen, sondern im Prinzip alle Fakten ständig variabel sind. Wenn Physiker oder Fußballfans eine neue Erkenntnis haben, kann sich die Welt fundamental ändern, ohne Kohärenzprobleme aufzuwerfen.
Beim SIS im Rollenspiel besteht imho kein Wettstreit über Deutungshoheiten, der Fokus liegt anderswo. Oder ziehst du insofern Spaß aus Debatten z.B. darüber wie tödlich ein Schwerthieb im Vergleich zu einem Dolchstich ist, dass es das ist, was für dich Rollenspiel ausmacht? Wenn sich Fußballfans oder Physiker zum Debattieren treffen, können sie unendlich lange ihre Diskussionen führen und sind nicht gezwungen, zu einem Ergebnis gekommen, weil das der einzige Inhalt der Debatte ist. Beim Rollenspiel sollte es doch aber ums Spielen gehen und nicht um Details ohne Spielrelevanz.

Oder ist gerade der Punkt der Spielrelevanz das, woran sich bei den Realismusdebatten die Geister scheiden? Die eine Fraktion braucht nur einen grob umrissenen SIS und ist so flexibel und tolerant (mir fällt nichts besseres ein, ich meine das erstmal ohne Wertung), dass kleine Inkohärenzen einfach übergangen werden und für die andere scheitern ganze Geschichten an kleinen Inkohärenzen bzw. am Willen, das Weltbild des anderen für das eigene SIS anzunehmen? Da sind wir aber doch wieder bei Deutungshoheit...
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Maarzan am 19.11.2012 | 12:13
Natürlich ist Diskutieren über Regeln oder Welten auch ein Teil des Reizes von Rollenspiel, genauso wie Diskutieren beim Fußball.
Für das eigentlcihe Spiel ist das allerdings nur von indirektem Belang.

Was aber wichtig ist, sind neben dem Willen der Beteiligten auch die funktionalen Anforderungen durch die mit dem SIS verbundene Tätigkeit als Rollenspiels.
Das System muss soweit schlüssig und verständlich sein, dass die Beteiligten alle auch darauf basierend entscheiden und handeln können.

Und das ist im Zweifel, wenn der (meist innere!), abstraktionsbereinigte Realismus als verletzt angesehen wird, nicht mehr gegeben.

Dabei sehe ich das große Problem, dass Leute wenigstens egozentrisch nicht über den eigenen Tellerrand hinaussehen und ihre Vorstellungen z.B. als "Fun" oder gesunden Menschenverstand für alle als Norm festlegen wollen. Wie so üblich: Toleranz ist das, was der andere gefälligst leisten soll. 
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Skiron am 19.11.2012 | 12:52
Erstmal mein Eindruck zum Threadtitel im Verhältnis des OP: Irgendwie liest sich das nach "Warum wir Realismus doch brauchen" und nicht nach "Warum wir darüber reden müssen ob wir Realismus brauchen" (zumindest war das das, was der Titel erst bei mir auslöste).

Du schreibst gerade sehr kluge durchdachte Postings, macht Spaß, das zu lesen. :-)

Nach meinem ersten Eindruck drängen sich mir die Fragen auf: wie wird der Realismus im Rollenspiel definiert und vor allen Dingen, was soll damit erreicht werden?

Möchte man, dass sich ein Spiel "echt" anfühlt, dann ist die Frage nämlich nicht mehr, wie erreiche ich Realismus, sondern wie erreiche ich es dass es sich echt an fühlt?

Möchte man, dass das Spiel "wahr" ist, dann ist die Frage, wie erreiche ich, dass es sich wahr anfühlt?

Realismus kann ein Teil davon sein, was aber in meinen Augen dabei vergessen wird, dass Realismus natürlich vom eigenen Wissenstand abhängig ist. Ich kenne mich z.B. nicht besonders gut mit Technik aus, wenn mir jemand dafür eine Erkärung gibt, die sich für mich plausibel anhört, kann ich diese als "echt" akzeptieren. In anderen Bereichen in denen ich mehr Kenntnisse habe, funktioniert das nicht so leicht.

Allerdings gibt es bei mir auch eine Toleranzgrenze. Es ist eine Anstrengung, aber es gelingt mir Dinge als "wahr" zu akzeptieren, auch wenn sie das nicht sind.

Ich denke ein Faktor ist dabei die Selbstreflektion, welchen Fokus lege ich und unter welchen Umständen bin ich bereit tolerant zu sein?
Also in welchen Bereichen "brauche" ich Fragemente der Realität damit es sich für mich "echt" anfühlt? Oder damit ich es als "wahr" akzeptieren kann?

Der andere Punkt ist, ich mag es sehr gerne, wenn Wissen aus der Realität Einfluss ins Rollenspiel findet.
Dadurch lerne ich ja, und auch meine Kenntnis der Realität wird größer.
Allerdings bin ich selten bereit zu akzeptieren, wenn jemand sagt: das ist so!
Ich möchte dann auch eine Erklärung oder einen Beweis.
Und hier ist es für mich ebenfalls die Frage nach der Toleranz, inwieweit bin ich bereit für die Bereiche in denen ich Fragmente der Realität brauche auch Mühe auf mich zu nehmen, in der Form, dass ich meine Ansichten erkläre und belege und nicht nur Behauptungen aufstelle?

Ich denke in vielen Debatten, verlangen diejenigen, die Realismus fordern die Beweispficht von den Anderen anstatt sie selbst in der Form
zu übernehmen, dass sie sich auch der Realität bedienen.
Und ich denke, dass oft die Toleranzgrenze auch größer wird, wenn man keine Lust hat herauszufinden, wie es denn nun wirklich aussieht.

Jedoch komme ich hier zu einem Punkt, den ich in der Realismusdebatte vermisse.
Bestimmte Filme oder Bücher können von mir aus völlig unrealistisch sein, wenn die Motivation oder Persönlichkeiten der Charaktere glaubwürdig sind und Tiefe haben, also eine Metapher auf die Wirklichkeit sind, die "wahr" ist.

Ein Film kann komplett realistisch dargestellte Fiktion sein und ich mich an den Bildern und der Umgebung erfreuen.
Aber der Film ist für mich dann nicht mehr als Unterhaltung, wenn die Geschichte der Personen dazu mich nicht berührt und keine "Wahrheit" transportiert.

Ok. Reale Erfahrungen als Basis der Phantasie akzeptiere ich. "Realismus" würde ich das nicht nennen, man kann Erfahrungen auch fehlinterpretieren und sich durchaus ein massiv verzerrtes Weltbild aneignen, in dem dann z.B. kalte Kernfusion oder ähnlicher Schabernack möglich ist. Der eigene Erfahrungshorizont ist beschränkter, als man vielleicht annimmt, viele Dinge, die man aus Büchern oder Filmen aufgenommen hat, sind durch Genrekonventionen verzerrt - und ich meine damit nicht nur die klassischen Genres, sondern auch die Sichtweisen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Wenn unterschiedlich verzerrte Weltbilder in einem gemeinsamen Vorstellungsraum aufeinandertreffen, ist Chaos vorprogrammiert. "I reject your reality and substitute my own" kommt nicht von ungefähr.

Das sehe ich genauso.

Und vor allen Dingen, in Filmen oder Büchern werden bestimmte Dinge "bewußt" nicht realistisch dargestellt, weil sie vom Rezipenten dann nicht als glaubwürdig wahrgenommen werden.

Als Beispiel, Schussverletzungen im Film werden absolut unrealistisch dargestellt, man sieht wohl erstmal keinen Blutfleck,
um aber Glaubwürdigkeit zu erreichen bleibt man bei dieser Darstellung.

Ein weiteres Beispiel, Filme im Weltraum verzichten größtenteils darauf darzustellen, dass es dort keine Schwerkraft innerhalb von Raumschiffen gibt. Schwebende Figuren im Raumschiff verletzen unsere Wahrnehmungsgewohnheiten, wir wären permanent irritiert,
was dann zu einer Ablenkung von der Geschichte führen könnte.
In manchen Filmen oder Büchern wird deshalb eine Technologie eingeführt, die diesen Umstand erklärt, aber realistisch momentan nicht
möglich ist. Man akzeptiert es aber, weil es theoretisch möglich ist, dass es irgendwann eine solche Technologie geben könnte.

Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Beral am 19.11.2012 | 13:12
Die von dir gebrachten Vergleiche finde ich eher unpassend: Beim SIS im Rollenspiel gibt es ja Gestaltungsrechte und implizite Vetorechte - ein SL kann einer Gruppe auch nur eine begrenzte Menge Bullshit (Seitenhiebe auf DSA verkneifen wir uns mal) auftischen, ehe diese rebelliert, man spielt im Kollektiv und benötigt einen kohärenten SIS, um überhaupt eine Spielbasis zu haben. Die Gestaltungsarbeit ist kollektiv und gezwungenermaßen konstruktiv, während bei anderwo erschaffenen gemeinsamen Weltbildern keine kohärenten Geschichten geschaffen werden müssen, sondern im Prinzip alle Fakten ständig variabel sind. Wenn Physiker oder Fußballfans eine neue Erkenntnis haben, kann sich die Welt fundamental ändern, ohne Kohärenzprobleme aufzuwerfen.
Die Gestaltungsrechte und impliziten Vetorechte gibt es außerhalb des Rollenspiels genauso und seit jeher. Die Wissenschaft hat zum Beispiel einen gewaltigen Katalog an methodischen Gestaltungsregeln. Die Gebote der Kompromisssuche sind gänzlich universell und uralt und dienen auch dazu, das kollektive Weltbild auszuhandeln. Implizite Vetorechte gibt es überall. Wenn du z.B. als Physiklaie mit einem Physikprofessor diskutierst, räumst du ihm sicherlich sehr große Vetorechte ein, wenn euer gemeinsam aufgebautes Physikbild sich hier und dort nicht überschneidet. Wir haben nicht nur Vetorechte in unserem Alltag, sondern auch Ungleichgewichte bei Vetorechten. Ein zweiter Physikprofessor wird deinem ersten nicht die gleichen Vetorechte einräumen wie du es getan hast.

Koheränte Geschichten im Rollenspiel sind funktional gesehen koheränte Phantasieinhalte. Wenn Physiker und Fußballfans auch keine Geschichten im Sinne des Rollenspiels entwerfen, so entwerfen sie doch wie wir Spieler koheränte Phantasieinhalte. Neue Erkenntnisse ändern ihr Weltbild und verursachen auch Koheränzprobleme. Wir machen alle von der gleichen Fähigkeit gebrauch, nämlich Phantasie. Wir alle nutzen die Features und haben alle mit den Nebenwirkungen zu kämpfen.

Dass beim Rollenspiel kein Wettstreit über die Deutungshoheit des gemeinsamen Weltgerüsts besteht, kannst du als Annahme kaum ernst meinen. Realismusdiskussionen sind Ausdruck davon, genauso wie Erzählrechte, Spotlightwünsche usw.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 19.11.2012 | 13:17
Zitat
Dass beim Rollenspiel kein Wettstreit über die Deutungshoheit des gemeinsamen Weltgerüsts besteht, kannst du als Annahme kaum ernst meinen. Realismusdiskussionen sind Ausdruck davon, genauso wie Erzählrechte, Spotlightwünsche usw.

Gut, das war unglücklich formuliert. Ich meine, es gibt keine direkte Konkurrenz - man ist gezwungen miteinander zu arbeiten. Es gibt einen Konsenszwang, der eine SIS überhaupt erst ermöglicht, während Fußballfans, die darüber diskutieren, welcher Verein der beste ist und welcher Spiele scheiße oder Physikprofessoren, die über die letzten Geheimnisse von dunkler Materie und seltsamen Teilchen streiten, keinen Konsens erzeugen müssen. Sicher gibt es auch da implizite und sogar explizite Regeln, aber das Ergebnis der Auseinandersetzung um die Deutungshoheit ist offen - es kann auch mal gar keinen Sieger geben. Im Rollenspiel ist das technisch ausgeschlossen. Wenn der SIS zerfällt, findet kein Spiel mehr statt.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Eulenspiegel am 19.11.2012 | 13:23
Ich denke in vielen Debatten, verlangen diejenigen, die Realismus fordern die Beweispficht von den Anderen anstatt sie selbst in der Formzu übernehmen, dass sie sich auch der Realität bedienen.
Und ich denke, dass oft die Toleranzgrenze auch größer wird, wenn man keine Lust hat herauszufinden, wie es denn nun wirklich aussieht.
Wenn es unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie es in der Realität aussieht, bin ich auch sehr tolerant und sage: OK, übernehmen wir deine Vorstellung der Realität. (Sofern es nicht in mein Fachbereich fällt.)

Die meisten Diskussionen entzünden sich ja daran, dass sich beide Spieler einig sind, dass das Beschriebene total unrealistisch ist, der eine Spieler aber keinen Wert auf Realismus legt: Beide Spieler sind sich einig, dass es total unrealistisch ist, einen Sturz aus 10 km Höhe ohne Magie und ohne Ausrüstung zu überleben. Den einen Spieler stören nun Regeln, die das Überleben dennoch ermöglichen. Den anderen Spieler ist der Unrealismus aber egal und will dennoch die Regeln beibehalten.

Zitat
Bestimmte Filme oder Bücher können von mir aus völlig unrealistisch sein, wenn die Motivation oder Persönlichkeiten der Charaktere glaubwürdig sind und Tiefe haben, also eine Metapher auf die Wirklichkeit sind, die "wahr" ist.
Und genau so wie im RPG gibt es auch bei der Literatur unterschiedliche Vorlieben.

Ich verbiete dir nicht, deine unrealistischen Bücher zu lesen. Und wenn du sie toll findest, freue ich mich sogar darüber. Aber ich lese z.B. extrem gerne Hard SF Bücher und unterhalte mich mit anderen Hard SFlern darüber, inwiefern die vorgestellten Techniken nun realistisch sind oder nicht. Und was ich überhaupt nicht leiden kann, ist, wenn dann ein Trekkie vorbeikommt und behauptet: "Ihr legt viel zu viel Wert auf Realismus."

Ich gönne ihnen ihren Unrealismus, also sollen sie mir auch meinen Realismus gönnen.

Zitat
Ein weiteres Beispiel, Filme im Weltraum verzichten größtenteils darauf darzustellen, dass es dort keine Schwerkraft innerhalb von Raumschiffen gibt. Schwebende Figuren im Raumschiff verletzen unsere Wahrnehmungsgewohnheiten, wir wären permanent irritiert, was dann zu einer Ablenkung von der Geschichte führen könnte.
Und ich bevorzuge Filme, wo entweder Schwerelosigkeit herrscht oder wo Schwerkraft durch Rotation des Raumschiffes erzeugt wird. (Gerade bei Filmen, die sich mit der ersten Mondlandung oder dem Apollo-13-Unfall beschäftigen, wird Schwerelosigkeit gut dargestellt.)

bzgl. Fußball
Fußballfans müssen spätestens dann einen Konsens über die Regeln haben, wenn sie aufs Feld gehen, um zu spielen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: El God am 19.11.2012 | 13:32
Zitat
Fußballfans müssen spätestens dann einen Konsens über die Regeln haben, wenn sie aufs Feld gehen, um zu spielen.

Du warst noch nie bei einem Kreisligaspiel, oder?  ;D

Beral: Ich glaube, man käme zu einer sinnvolleren Einigung, wenn man nicht ellenlange Posts schrübe und dann darin versucht einzelne Punkte aus anderen ellenlangen Posts zu widerlegen oder zu vertiefen. Wenn man die Diskussion wirklich in die Tiefe führen will, sollte man sich mal im Chat oder so treffen und dann strukturierter vorgehen, z.B. mit einigen gemeinsamen Basisdefinitionen. Und mehr Zeit lassen. Nicht alles gleichzeitig in mehreren Threads diskutieren.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: OldSam am 19.11.2012 | 13:40
Mal aus folgendem Blickwinkel: Menschen und Affen haben z.B. zu 97% gleiche Gene.

Aus einem Affen einen Menschen machen (zur Wissenschaft fähig, zur Erbauung von Städten fähig, zum Nachdenken über sich selbst fähig, anderes Aussehen, anderer Gang) ist also eine Veränderung von 3%.

Aus genetischer Sicht völlig richtig, aber ein ganz wichtiger Punkt wird dabei leicht vergessen ;)
Die Wissenschaft kann noch längst keine Aussage darüber treffen, ob der Mensch als Wesen nicht schon im Grundsatz sichtlich mehr ist als seine Gene - mal ganz abgesehen von Sozialisation, Erfahrungen usw.
Ich selbst bin für mich sogar ziemlich überzeugt, dass es so ist, dabei sei ja beispielsweise nur auf die klassische Problematik des "Lebensfunkens" verwiesen, also wenn ich einen Körper 100% organisch nachbaue, lebt der deswegen noch nicht etc.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Skiron am 19.11.2012 | 13:41
Die meisten Diskussionen entzünden sich ja daran, dass sich beide Spieler einig sind, dass das Beschriebene total unrealistisch ist, der eine Spieler aber keinen Wert auf Realismus legt: Beide Spieler sind sich einig, dass es total unrealistisch ist, einen Sturz aus 10 km Höhe ohne Magie und ohne Ausrüstung zu überleben. Den einen Spieler stören nun Regeln, die das Überleben dennoch ermöglichen. Den anderen Spieler ist der Unrealismus aber egal und will dennoch die Regeln beibehalten.
Und genau so wie im RPG gibt es auch bei der Literatur unterschiedliche Vorlieben.

Das ist ein sehr guter Punkt!  ;D

Der denn es nicht stört, kann einfach weiterspielen, ohne ein Problem zu haben.
Der andere nicht.

Ich glaube, dass solche Diskussionen auch die Chance bieten, dass man gegenseitig voneinander lernt.
Dazu ist es aber notwendig, dass man die Notwendigkeit eines Bedürfnisses (in Deinem Fall der Realismus) anerkennt.

Eine Möglichkeit wäre, Du und auch die anderen suchen nach Regeln, die eine realistischere Darstellung ermöglichen.
Dazu ist eine Metadiskussion aber unumgänglich.
Und es ist eben Arbeit.

Ich verbiete dir nicht, deine unrealistischen Bücher zu lesen. Und wenn du sie toll findest, freue ich mich sogar darüber. Aber ich lese z.B. extrem gerne Hard SF Bücher und unterhalte mich mit anderen Hard SFlern darüber, inwiefern die vorgestellten Techniken nun realistisch sind oder nicht. Und was ich überhaupt nicht leiden kann, ist, wenn dann ein Trekkie vorbeikommt und behauptet: "Ihr legt viel zu viel Wert auf Realismus."

Meinst Du Star Trek mit Trekkie?
Ich meine irgendwann mal gelesen zu haben, dass gerade Raumschiff Enterprise für die Zeit sich sehr an der Realität orientiert hat?

Die Schiebetüren z.B. wurden wohl von Hand von zwei Personen geöffnet, was man in alten Folgen an der Unsynchronität sehen kann.
Die Technik war zu dieser Zeit aber noch nicht so weit.
Und auch Theorien benutzt wurden, von denen in der Wissenschaft angenommen wurde, das sie möglich sein könnten.
Der Erfolg von Enterprise wird soweit ich weiß auch über diesen Umstand erklärt.
Wobei es nicht nur Techniken waren, sondern die außerirdischen Staatsstrukturen sich auch an der Realität orientiert haben
oder psychologische Forschungen.
Ich weiß es aber nicht genau, ich bin kein Trekkie. ;-)

Meine Frage ist auch: Was ist Dein persönlicher Grund, warum Dir Realismus in bestimmten Bereichen wichtig ist?

Eine Antwort gibst Du schon selbst, Du findest es interessant, welche Techniken es gibt.
Solche Diskussionen finde ich auch interessant, allerdings ist für mich ein Film eben nicht unbedingt realistisch nur weil die Technik realistisch ist, die kann für mich dann lediglich Dekor sein.

Und noch wichtiger: Was erwarte ich?
Wenn mir etwas als realistisch verkauft werden soll, was aber von mir schon mit unzureichendem Kenntnisstand widerlegt werden kann,
dann nervt & stört mich das auch.
Es ist also auch eine Frage der Erwartung.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Gummibär am 20.11.2012 | 16:43
Jedoch komme ich hier zu einem Punkt, den ich in der Realismusdebatte vermisse.
Bestimmte Filme oder Bücher können von mir aus völlig unrealistisch sein, wenn die Motivation oder Persönlichkeiten der Charaktere glaubwürdig sind und Tiefe haben, also eine Metapher auf die Wirklichkeit sind, die "wahr" ist.

Ein Film kann komplett realistisch dargestellte Fiktion sein und ich mich an den Bildern und der Umgebung erfreuen.
Aber der Film ist für mich dann nicht mehr als Unterhaltung, wenn die Geschichte der Personen dazu mich nicht berührt und keine "Wahrheit" transportiert.

Und das ist meiner Meinung nach eine Frage des Geschmacks. Manche Spieler möchten eine literarisch anspruchsvolle Geschichte und manche Spieler möchte einfach nur Spielen. Beides ist okay. Keines davon ist besser als das andere.

Ich habe früher Rollenspiel auch mit Filmen oder Büchern verglichen. Der Vergleich war aber für die Art, wie ich Rollenspiel spiele, falsch. Rollenspiel, so wie ich es bevorzuge, hat viel mehr mit einem Computerspiel zu tun als mit einem Film.

Wenn nun ein Spieler zum Rollenspiel geht und er denkt, es ist wie ein Film und ein anderer geht hin und denkt, es ist wie ein Computerspiel, dann entstehen Konflikte. Und dann redet man aneinander vorbei. Ja, der Filmliebhaber braucht tatsächlich keinen Realismus. Aber der andere vllt schon. Wir natürlich besonders schwierig, wenn letzterer dann sagt, er will ja auch "den Film", obwohl das gar nicht sein Ziel ist. Und der Filmliebhaber sagt dann vllt sogar zu Recht "für den Film brauchen wir keinen Realismus". In der Tat haben Filme und Computerspiele ja auch viel gemeinsam, aber sie unterscheiden sich auch deutlich.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Skiron am 21.11.2012 | 15:57
Ich vergleiche nicht Rollenspiel mit Büchern oder Filmen.

Mir ging es darum aufzuzeigen welche Faktoren eine Rolle spielen können um eine Fiktion (und hier berufe ich mich auf Bücher und Filme) glaubwürdig, real oder echt erscheinen zu lassen.

Dabei ist der Faktor Rezipient und wie dieser den Fokus legt nicht unerheblich.
Und hier lässt sich eine Analogie zum Rollenspiel ziehen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Boba Fett am 21.11.2012 | 16:35
In den Spieltischdiskussion geht es bei der Thema Realismus also um die Gestaltungshoheit des gemeinsamen Vorstellungsraumes (also der Vorstellung, was im Rollenspiel passiert, welche Konsequenzen auf handlungen plausibel [realistisch] sind und welche nicht).

In Berals Eingangsthema steht, dass der Hang zum Realismus in der Vorstellung einer virtualisierten Welt in unseren Köpfen verankert ist (zustimmung) und dass die virtuelle Realität gar nicht vollständig realistisch sein muss, um Modelle (Affe, Kiste, Stock, Banane) gedanklich umsetzen zu können, sondern dass es nur hinreichend realistisch sein muss, um solche Modelle abhandeln zu können.

Nun, ich glaube, genau da haben wir den Streitpunkt, um den sich die meisten Debatten drehen:
Die Frage, was hinreichend genug ist. Und das nicht global, sondern in jedem Detail neu ausgehandelt...
Manche bestehen auf komplexe Abwicklungen von einzelnen Details (Kampf) während ihnen an anderer Stelle ein "Handwedeln" und eine Pi-mal-Daumen Regelung ausreichend erscheint.
Manche wollen überall möglichst realistische Umsetzungen, andere gar nicht. Wieder andere wollen eine ausführliche komplexität in den Gebieten von denen Sie Detailkenntnisse haben wobei der Rest ihnen egal ist...

In einigen Debatten wird diese Streitfrage natürlich vorgeschoben, um andere Probleme (ich bin mit dem Resultat / der Spielleiterentscheidung nicht einverstanden/zufrieden) über diese Scheindebatte zu umgehen und zu lösen.
Aber ansonsten geht es doch immer darum, dass es unterschiedliche Vorstellungen gibt, was "hinreichend realistisch" ist und ob die Spielregeln das ausreichend umsetzen.

Und da die Bewertung nie subjektiv sein kann, werden am Spieltisch diese Disussionen immer neu aufflammen und deswegen werden auch wir hier immer wieder darüber diskutieren.
Ein echter Evergreen...
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Gummibär am 26.11.2012 | 01:07
Nun, ich glaube, genau da haben wir den Streitpunkt, um den sich die meisten Debatten drehen:
Die Frage, was hinreichend genug ist. Und das nicht global, sondern in jedem Detail neu ausgehandelt...

[...]

Ein echter Evergreen...

So lange es um verschiedene Details geht, ist es kein Evergreen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Taschenschieber am 26.11.2012 | 01:30
Meine Güte, brauchen wir jetzt eine Definition von "Evergreen"? o.O
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Boba Fett am 26.11.2012 | 12:38
OT

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Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Gummibär am 27.11.2012 | 07:11
Okay. In dem Fall ist ein Evergreen aber einfach auch nichts negatives.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Timberwere am 27.11.2012 | 08:16
Okay. In dem Fall ist ein Evergreen aber einfach auch nichts negatives.

Das ist ein Evergreen sowieso nie.

"Evergreen" steht doch für allseits beliebte Klassiker, die, egal wie alt, eben nicht aus der Mode kommen und eben deswegen etwas grundsätzlich Positives darstellen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Arkam am 29.11.2012 | 12:55
Hallo zusammen,

ich denke die Debatte wird uns weiter erhalten bleiben da sie sich aus verschiedenen Quellen speißt.

Die Munchkin Fraktion versucht durch das Argument Realität Vorteile zu bekommen.
Spieler die an einem Thema interessiert sind haben einen gewissen Anspruch daran das Thema realistisch, häufig also in aller epischen Regelbreite, ins Spiel kommt.
Spieler deren Charaktere ihre Wurzeln in einem der vielen historischen Romane haben wollen die Zeit realistisch dargestellt haben.
Die Realität des jeweiligen Setting wird durch neue Medien und Neuinterpretationen umdefiniert. Man vergleiche einfach Mal den "Herrn der Ringe" als Buch und Film. Legolas, der Elf aus dem Herrn der Ringe hatte schon im Buch einige besondere Fertigkeiten im Film wird er aber Szenen Weise zu einem Superheld.
Spielleiter versuchen mit dem Argument Realität Spieler Handeln zu beeinflussen.
Die Diskussion zwischen den Verfechtern realer Charaktere, meistens definiert als Charaktere die breiter aufgestellt sind und eben auch Schwächen haben und den Optimierern werden nicht zum Stillstand kommen.
Es wird immer Spieler geben die nicht die Regeln sondern ihre Vorstellung zum Setting als Grundlage für ihren Charakter nehmen und dann, vom Ergebnis enttäuscht, mit der Realität des Setting argumentieren.

Gruß Jochen
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: 6 am 30.11.2012 | 10:52
Ich mach jetzt mal was ganz gemeines und faules und schmeisse das Wort "Hyperrealität" in den Raum. Passend dazu gibt es einen Essay von Umberto Eco mit Namen "Travels in Hyper Reality".
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: 6 am 1.12.2012 | 08:27
Hyperrealität, nicht Hyperrealismus. ;)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Gummibär am 2.12.2012 | 07:00
Du meinst vermutlich eine Hyperrealität, die nicht hyperrealistisch ist? ->

Regeln sind der verlässliche Punkt eines Spiels (oder sollten es sein) um wiederholbare und nachvollziehbare Ergebnisse zu liefern.
Da die Überlegungen damals noch nicht so weit waren wie heute, und Entwickler damals auch nur Rollenspieler waren, gab es eben zwischen den 80ern und 90ern einen Boom der Hyperrealistischen, und damit zumeist Rulesheavy-Systemen.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: 6 am 2.12.2012 | 09:29
Du meinst vermutlich eine Hyperrealität, die nicht hyperrealistisch ist? ->
Hyperrealität hat nichts mit Hyperrealismus zu tun.
Wieviel Aufwand Du in die Darstellung Deiner idealisierten Vorstellungen investierst, ist vollkommen egal.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Gummibär am 4.12.2012 | 01:23
Was ich sagen will: Die beiden Begriffe tragen nicht zum Verständnis bei. Das habe ich letztens auch schon mal an anderer Stelle bemerkt.
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: 6 am 4.12.2012 | 06:36
Genau deswegen habe ich den Hinweis auf den Essay von Umberto Eco gebracht.

EDIT: Ich mache später noch eine wesentlich längere Erklärung. Stay tuned! ;)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Skiron am 5.12.2012 | 09:37
Ich mach jetzt mal was ganz gemeines und faules und schmeisse das Wort "Hyperrealität" in den Raum. Passend dazu gibt es einen Essay von Umberto Eco mit Namen "Travels in Hyper Reality".

Ja, das ist sehr fies, ich hab jetzt einige Zeit nach "Travels in Hyper Reality" gegoogelt um zumindest Kritiken dazu zu lesen und
eine erbauliche Odyssee hinter mir, die mich zu Jean Baudrillard und Roland Bartes führte und somit zur Soziologie, Medientheorie und dergleichen mehr.
Den Text hab ich dabei leider nicht gefunden.

Genau deswegen habe ich den Hinweis auf den Essay von Umberto Eco gebracht.

EDIT: Ich mache später noch eine wesentlich längere Erklärung. Stay tuned! ;)

*erwartungsvoll guck*

:-)
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: 6 am 11.09.2013 | 23:54
Thread rise!

Zum Thema Hyperrealität und Simulakrum habe ich hier mal ein Youtube-Video: Here is an Idea: There is not one but TWO Nikola Tesla! (http://www.youtube.com/watch?v=nUUysWuPdAM)
@Skiron: Die Erklärung kommt noch. Ich bin noch immer an der Konzeption. Ist doch schwerer als ich dachte. :-[
Titel: Re: Warum uns die Realismusdebatte verfolgt
Beitrag von: Skiron am 16.09.2013 | 10:04
Kann ich mir gut vorstellen, dass das Thema schwer ist und einen längere Konzeption erfordert.
Wenns soweit ist, werde ich es gerne lesen.  :)