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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: D. M_Athair am 8.12.2012 | 14:35

Titel: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 8.12.2012 | 14:35
Storytelling. Ein Spielstil der von White Wolf geradezu erfunden wurde.
Ich kann nicht genau sagen, woran es liegt, aber ich merke immer wieder, dass ich den Begriff nicht vernünftig eingrenzen kann.
Was ich allerdings (nicht immer, aber häufiger) am Spieltisch bemerkt habe: Ich komme in Spielrunden, in denen Storytelling propagiert wird recht schnell an meine Grenzen. Anders als in anderen erzählorientierten Spielen.

Darum möchte ich nochmal (http://tanelorn.net/index.php/topic,74756.0.html) das Thema Storytelling angehen. Diesmal eher in Abgrenzung zu verwandten Spielstilen, wie Freiform, Storygaming und klassische Erzählspiele* (welche eher dem natürlichen Fluss der Erzählung von Campfire-Spielen (http://tanelorn.net/index.php/topic,74756.msg1531132.html#msg1531132) folgen.


Was ich aus dem letzten Faden zu Storytelling mitnehmen konnte war Folgendes:
Storytelling =

Könnt ihr euch den Merkmalen, die ich gesammelt habe, anschließen?
Wo agieren nun Storygames oder ältere Erzählspiele grundlegend anders?
 







* Das geht in die Richtung "Es war einmal ...", Prince Valiant Storytelling oder auch Ghostbusters RPG.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 8.12.2012 | 14:43
Storytelling =
  • Starker SL (der die Story strukturiert -Akte,Szenen & Co. - und für das Pacing verantwortlich ist)
  • Drama (Story vor Regeln) ist ein wichtiges Prinzip
  • SC können den Verlauf der Handlung entscheidend beeinflussen, die Abenteuerstruktur wird als solche vom SL angepasst
  • Die SC haben Persönlichkeit
  • Spielwelt = Bühne der SC
  • Hintergrund = soll Stimmung und rollengerechtes Verhalten erzeugen
  • Crunch = Ausschmücken des SC-Hintergrundes ohne im Spiel wirklich relevant zu sein

Könnt ihr euch den Merkmalen, die ich gesammelt habe, anschließen?
Wo agieren nun Storygames oder ältere Erzählspiele grundlegend anders?

Für Storygaming würd ich abweichend formulieren:


[1] Sofern du mit Crunch wählbare Vorzüge, Ausrüstungsgegenstände etc. meinst, die nicht nur dem Trait Pattern folgen.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 8.12.2012 | 14:54
    * SL ist keine spielübergreifende Kategorie
Da musst du erklären, was du damit meist.

* Regeln dienen dazu die Handlung gemäß einer ästhetischen Vorlage zu strukturieren
* Detaillierter Hintergrund existiert häufig nur rudimentär und ist der Interpretation der Gruppe unterworfen. Relevanter sind allgemeinre Genre-Vorlagen.
* Crunch [1] existiert häufig nicht
[/list]

[1] Sofern du mit Crunch wählbare Vorzüge, Ausrüstungsgegenstände etc. meinst, die nicht nur dem Trait Pattern folgen.
Worunter packst du die doch für ST-Spiele eigentümlichen Splat-Books, die man z.B. aus V:tM oder früheren L5R-Editionen kennt?
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Gilgamesch am 8.12.2012 | 14:58
Was wäre denn das genannte "Storygaming"? Der Begriff ist mir noch nicht untergekommen, klingt mir aber irgendwie nach dem, was ich mögen könnte. ;)
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 8.12.2012 | 14:59
1of3 hat hier (http://tanelorn.net/index.php/topic,78817.0.html) was dazu geschrieben.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Gilgamesch am 8.12.2012 | 15:12
1of3 hat hier (http://tanelorn.net/index.php/topic,78817.0.html) was dazu geschrieben.
Danke für den Link. Leider verstehe ich von dem Beitrag so ziemlich gar nichts. Gibts da auch nochmal eine auf den Punkt gebrachte Definition, die auch für Normalrollenspieler verständlich ist? ;)
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 8.12.2012 | 15:22
Worunter packst du die doch für ST-Spiele eigentümlichen Splat-Books, die man z.B. aus V:tM oder früheren L5R-Editionen kennt?

Ich wollte was zu Storygames schreiben. Entschuldige bitte, wenn das nicht klar war. Oben nachgetragen.

Warum ist SL keine übergreifende Kategorie, naja, Storygames spielen gern mit der SL-Rolle rum oder streichen sie vollständig.


@Gilgamesch: Storygamer firmieren auch unter Forgianer oder Indie-Spieler. Typische Ausflüsse der Bewegung findest du in diesem Kanal (http://tanelorn.net/index.php/board,314.0.html).

In diesem Thema wurden schon mal Antworten auf die Frage (http://tanelorn.net/index.php/topic,74676.0.html) gesammelt, allerdings schummeln sich da Konsorten ein, die eigentlich über etwas ganz anderes reden wollen, weil nach "Indie-Spielen" gefragt ist. Das sind formal eben erstmal Spiele, die im Selbst- oder Kleinstverlag vertrieben sind, bezeichnen aber auch das, wofür sich jetzt als Abgrenzung die Bezeichnung "Storygames" etabliert.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Gilgamesch am 8.12.2012 | 15:25
Okay, danke. Ist dann doch nichts, was ich mag.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Praion am 8.12.2012 | 15:31
Danke für den Link. Leider verstehe ich von dem Beitrag so ziemlich gar nichts. Gibts da auch nochmal eine auf den Punkt gebrachte Definition, die auch für Normalrollenspieler verständlich ist? ;)

Auch nichtnzwingend die "richtige" Definition aber eine die verwendetet wird ab und zu. Storygames sind solche, in denen ich als Spieler Dinge (die Welt, die Story, PCs und NPCs...) beeinflussen kann die außerhalb der Handlungsmöglichkeiten meiner Charackters liegen.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 8.12.2012 | 15:46
Ich wollte was zu Storygames schreiben. Entschuldige bitte, wenn das nicht klar war. Oben nachgetragen.
Ok. Das erklärt alles.

Wobei ich die ästhetische Vorlage interessant finde.
Storytelling Games arbeiten ja auch sehr stark damit. (Vampire mit romatischen und/oder folkloristischen Vampirvorstellungen + Urban Fantasy. L5R mit westlichen Vorstellungen von ost-asiatischen Mythen + japanochinesische Historie.)
Nur: In Storytelling Games sind sie Stimmung und Bühne gleichermaßen.
In Story Games würde man eher versuchen die Struktur, die mit dem Erzählen der Inhalte verknüpft ist, nachzuahmen. (Ein Dracula-Story-Game würde vielleicht in irgendeiner Weise mit dem Konzept des Tagebuchs arbeiten.)

Kann man das so sagen?


Was mir noch auffällt: Im Gegensatz zu freiformigen Spielen wie Everway, das ja auch über die Bildkarten stark assoziativ funktioniert, benutzen Storytelling-Spiele häufig eine Dramaturgie. Warum ist das so?

Und warum gehen diese ST nicht mehr auf das Prinzip Drama in Konfliktsituationen ein? Everway hat dem gegenüber die Möglichkeit Sitationen so zu lösen, dass ein für die bisherige Story möglichst interessantes Ergebnis bei rauskommt.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 8.12.2012 | 16:19
Zitat
In Story Games würde man eher versuchen die Struktur, die mit dem Erzählen der Inhalte verknüpft ist, nachzuahmen. (Ein Dracula-Story-Game würde vielleicht in irgendeiner Weise mit dem Konzept des Tagebuchs arbeiten.)

Ja. Nicht immer zwangsläufig so, aber es scheint mir typisch.

Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Bad Horse am 8.12.2012 | 17:30
Ich habe den Eindruck, dass in StoryGames die Spieler regelmäßig die reine Charakterebene verlassen und sich auf der Meta-Ebene bewegen. Bei Storytelling Games ist das eigentlich weder erwünscht noch wird es praktiziert (um das böse Wort "Immersion" mal zu vermeiden ;). Da ist die Aufteilung immer noch Spieler= Charakter / SL = Rest der Welt, was die Storyteller mit den "klassischen Rollenspielen" verbindet.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 8.12.2012 | 19:05
Der Unterschied, wie ich ihn wahrnehme ist, dass Storygames allgemeines Interesse am Geschichten entwickeln unterstützt und dazu mechanismen bereit hält, welche allen Beteiligten - oft gleiche oder zumindest stark strukturierte Möglichkeiten und Anteile bietet genau an diesem Metaprozess des Geschichtenentwickeln teil zuhaben.
Aka viele Köche verderben den Brei kann auch hier die "Qualität" der Geschichte nicht oder nur mit viel Arbeit und Kompromisse beinhaltendes Retconning gesichert werden, aber das wird zugunsten der Beteiligung und damit dem Spielspaß aller bewußt in Kauf genommen, bzw. durch recht enge Autorenvorgaben wird die Bandbreite des Möglichen vorselektiert (enger, vorgesetzter Fokus/Thema der Geschichte) was theoretisch die Zahl der Verirrungen reduzieren sollte. 

Storytelling setzt die "gute" Geschichte als Popanz in den Vordergrund und wenn sich nicht zufällig ein Erzähler und zufällig auf genau gleicher Wellenlänge befindliche oder willig lenkbare Konsumenten treffen, geht die Messerstecherei zwischen den Beteiligten los, aka "the impossible thing before breakfast".
Je mehr Storyteller am Tisch sitzen, desto härter geht es zu, weil um so mehr Leute diesen Kampf um die Geschichtenhoheit und die Metaebene erkennen, für wichtig erachten und in Folge auch aufnehmen.
Daher auch die Vorliebe sich in Runden einzunisten, wo andere Stile mit notwendigerweise starker SL-Rolle und wenig Spielermetaaktivität vorherrschen (oder als Spieler dort Player enpowerment einzuführen und die Definition dazu gegenüber den Ahnungslosen gleich selbst festzulegen, wie es persönlich zupass kommt) oder gleich mit unverdorbenen (d.h. lenkbaren) Neulingen vorlieb zu nehmen.

Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Bad Horse am 8.12.2012 | 19:22
Aka viele Köche verderben den Brei kann auch hier die "Qualität" der Geschichte nicht oder nur mit viel Arbeit und Kompromisse beinhaltendes Retconning gesichert werden...

Ich will den Thread ja nicht hijacken, aber das widerspricht vollkommen meiner Erfahrung.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 8.12.2012 | 19:37
Würde Maarzan nach meinen wenigen Spielerfahrungn ebenfalls nicht zustimmen. Allerdings habe ich das, was er schreibt durchaus als Mittel wahrgenommen, die helfen, wenn das Spiel zu zerfasern droht. Ich würde schon sagen, dass wir solche Mittel am Spieltisch PUNKTUELL genutzt haben. (Wobei ich glaube, dass es für jeden Spielstil Mittel gibt das zum Erliegen gekommene Spiel neu zu beleben. Die old schooler haben dafür z.B. Zufallstabellen.)


Gut. Ich denke Storytelling ist mittlerweile vom Storygaming gut genug unterschieden.
Mir wäre es recht, wenn wir uns der Abgrenzung von anderen erzählerischen Stilen zuwenden könnten.




Im Gegensatz zu freiformigen Spielen wie Everway, das ja auch über die Bildkarten stark assoziativ funktioniert, benutzen Storytelling-Spiele häufig eine Dramaturgie. Warum ist das so?

Und warum gehen diese ST nicht mehr auf das Prinzip Drama in Konfliktsituationen ein? Everway hat dem gegenüber die Möglichkeit Sitationen so zu lösen, dass ein für die bisherige Story möglichst interessantes Ergebnis bei rauskommt.
Was kann dazu gesagt werden? Ich meine: Die Freiformerei hat ja nicht selten eben auch eine coole, bedeutsame Geschichte zum Ziel.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: alexandro am 8.12.2012 | 20:48
Zunächst einmal wurde Storytelling nicht wirklich von White Wolf erfunden: in den 80ern stellten schon "Prince Valiant", "Nightlife" und teilweise Palladium (wobei das in dem konfusen "ein-System-für-alles" Schreibstil begründet sein mag) und ähnliche Ansprüche an das Spiel und hatten auch teilweise ähnliche SL-Tipps, um diese zu erreichen (jenseits des Atlantiks ging das schwedische "KULT" sogar noch ein paar Schritte weiter und propagierte Railroading par excellence).

Der Hauptunterschied bei den Spielen der Storyteller-Schiene ist wohl die, dass man vor dem Wurf fragt "Muss ich darauf jetzt wirklich würfeln?", statt es zu tun und ggflls. unglaubwürdige Ergebnisse dem System in die Schuhe zu schieben. Mehr ist nicht dahinter, wirklich. Ansonsten sind Storyteller-Spiele wie jedes andere Rollenspiel. Teilweise haben ja auch nicht-ST-Systeme die Idee "Würfel nur, wenn es auch wichtig ist!" übernommen, was die These erhärtet, dass es dabei nicht so sehr um Story (außer vielleicht im Nachhinein), als vielmehr um Immersion ging.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 8.12.2012 | 21:08
Ich will den Thread ja nicht hijacken, aber das widerspricht vollkommen meiner Erfahrung.

???

Der Kernsatz, den ich vom Umgang mit Storytellern mitgenommen habe ist "Alles für die bessere Story", wobei diese bessere Story eben die Geschichte ist, die sie schon so im Kopf hatten, zumindest als Struktur und mit den Kernergebnissen vorgedacht.

Wie willst du das mit mehreren gleichberechtigten, erst einmal als zufällig und unbekannt anzunehmenden Beteiligten wie im Storygame garantieren, insbesondere ohne langwierige Absprachen und Nachkorrekturen?

Ichj habe ja nicht geschrieben, das es nicht passieren kann, aber üblicherweise läuft das nicht für alle nach Plan und es müssen Kompromisse und Abstriche gemacht werden, bzw. Storygamer gehen erst gar nicht mehr mit so vorgefertigtenLeitlinien an ihre Sache ran.
Ein Storytellerspielleiter hat Mittel eine Geschichte wie gewünscht weitgehendst zu erzwingen und ist im Spiel kaum zu stoppen und über entsprechende Fälle ist das Netz voll.   
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Bad Horse am 8.12.2012 | 21:12
Ich habe mich eigentlich nur an der absoluten Formulierung in deinem Post gestört.  :)
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: alexandro am 8.12.2012 | 21:18
JEDER Spielleiter im (klassischen) Rollenspiel hat Mittel, um den von ihm gewünschten Abenteuerverlauf zu erzwingen (und dass sie dies auch vor WW ausgiebig getan haben, das ist in Rollo-Magazinen der 80er hinreichend dokumentiert).
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 9.12.2012 | 09:08
JEDER Spielleiter im (klassischen) Rollenspiel hat Mittel, um den von ihm gewünschten Abenteuerverlauf zu erzwingen (und dass sie dies auch vor WW ausgiebig getan haben, das ist in Rollo-Magazinen der 80er hinreichend dokumentiert).

Genau, und ob er sie nutzt hängt von seinem präferierten Spielstil bzw. seiner Spaßquelle ab.
Und wenn diese(r) die Realisierung eines bestimmten, "optimierten" Geschichts/Handlungsverlauf vorsieht, dann ist der Griff in die Giftkiste eben naheliegend bis zwingend.

Daher versuchen Storyspiele solche Ungleichgewichte nach Möglichkeit zu minimieren, damit alle ihre gleichwertige Chance bekommen ihre Vorstellungen einbringen zu können, auch wenn dann nicht jeder einzelne exakt sein Ideal realisieren kann und bunter Mischmasch bei rauskommen könnte.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Lord Verminaard am 9.12.2012 | 09:29
Es gibt ja nicht den Spielstil für White-Wolf-Spiele. Das ist ja das Problem. ;)
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 9.12.2012 | 09:40
Es gibt ja nicht den Spielstil für White-Wolf-Spiele. Das ist ja das Problem. ;)

Storytelling ist als Modebegriff bei White-Wolf vielleicht geboren worden, aber ja leider nicht dort geblieben.
Das Mandat der "besseren Story" hat ja leider gestreut, so dass es überall auftauchen kann.

Ohne die Elemente welche andere Spielstile bedient, hätten die Storyteller vermutlich auch bei White-Wolf letztlich nicht viel Publikum gehabt vermute ich mal. D.h. die Bedienung der anderen Spielstile ist für mich gefühlt fake. Was nützen z.B. tolle Fähigkeiten, wenn diese nach dem Mandat der "besseren Story" von einem einzelnen willkürlich aufgehoben werden könnten. Passiert in der Praxis dann nicht so oft wie theoretisch möglich, aber nur weil sonst eben die Mitspieler mit den Füßen abstimmen wenn das erdrückend würde, aber oft genug um regelmäßig Stress zu verursachen, der dann z.B. auch anderswo nachzulesen ist.
Oder eben wo Storytellergedankentum in andere Systeme übergreift.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Crimson King am 9.12.2012 | 12:11
Wie willst du das mit mehreren gleichberechtigten, erst einmal als zufällig und unbekannt anzunehmenden Beteiligten wie im Storygame garantieren, insbesondere ohne langwierige Absprachen und Nachkorrekturen?

Und wie willst du das garantieren, wenn der SL zentralistisch alle relevanten Entscheidungen über den Fortlauf der Story treffen kann? Da kann genauso Mist bei raus kommen, und tut es auch oft genug.

Storygaming stellt aus meiner Sicht einen höheren Anspruch an die Mitspieler, eingebrachte Ideen und Konzepte aufzunehmen und weiterzuentwickeln. Wenn das klappt, führt die Erhöhung kreativen Inputs dadurch, dass es mehrere (Co-)Autoren gibt, tendenziell zu besseren Stories.

Storytelling hat dafür z.B. den Vorteil, dass man dort Aha-Effekte erzielen kann, wenn SL-Geheimnisse aufgedeckt werden. Ich mag es ja total, wenn ich durch die Informationen, die der SL mir liefert, irgendwann *ping* die Zusammenhänge zwischen Ereignissen verstehe. Bei Storygaming existieren solche Geheimnisse üblicherweise nicht.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 9.12.2012 | 12:43
Und wie willst du das garantieren, wenn der SL zentralistisch alle relevanten Entscheidungen über den Fortlauf der Story treffen kann? Da kann genauso Mist bei raus kommen, und tut es auch oft genug.

Er erzwingt halt seine Idee, zumindest bis zum Spielabbruch. Ob die anderen das auch für besser halten ist ihm als Storyteller ja egal. Das Primat hat die bessere Story.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Crimson King am 9.12.2012 | 12:46
Falsch. Das Primat hat die Story des SL. Ob das die bessere Story ist, ist vollkommen unklar.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: alexandro am 9.12.2012 | 12:48
Story stand auch schon bei Sembiada und Stafford im Mittelpunkt, also müssten die Leiter dieser Spiele (nach deiner Logik) auch des öfteren in die "Giftkiste" gegriffen haben, oder?

Und wenn diese(r) die Realisierung eines bestimmten, "optimierten" Geschichts/Handlungsverlauf vorsieht, dann ist der Griff in die Giftkiste eben naheliegend bis zwingend.

Storytellerspiele versuchen aber nicht eine "optimierte" Geschichte zu erzählen, sondern eine, welche die Spieler fesselt und unterhält. Es gibt sogar einen Abschnitt darüber (in VdM 2. Ed., S.116) dass ein straffer durchgeplanter Geschichtsverlauf es dem Erzähler zwar erlaubt mehr Details auszugestalten (was die Welt plastischer und die Geschichte glaubwürdiger macht), aber auch die Wahlmöglichkeiten der Spieler einschränkt, weswegen man dies nach Möglichkeit vermeiden sollte.

Ein Storytellerspiel besteht einfach aus dem Gestalten von Herausforderungen und Hindernisse für die Charaktere, und dann sehen, wie die Spieler mit diesen interagieren:
Zitat von: VdM2, S.116
Sie sollten nicht versuchen, vorherzusagen, was die Charaktere tun werden: erfinden Sie einfach einen Konflikt und überlassen sie es den Spielern, mit dem fertigzuwerden, was Sie ihnen vorsetzen.

So weit also klassisches Rollenspiel.

Der Unterschied liegt in der Gestaltung der Konflikte:
Nehmen wir einmal an, wir hätten ein klassisches (D&D-like) Rollenspiel. Die Spieler sind in einem Raum gelandet, der (nach Planung) leer ist. Die Spieler realisieren das aber nicht und durchsuchen den Raum immer weiter. Das einfache wäre jetzt, den Spielern einfach OT zu sagen, dass der Raum wirklich leer ist, aber das will der SL (aus diversen Gründen) nicht.

1.) Im herausforderungsorientiertem Rollenspiel würde der SL die Spieler einfach machen und ihre Charaktere dort Zeit mit nutzlosen Strategien zum finden von nicht-vorhandenen Geheimtüren verplempern lassen.

2.) Ein Storyteller würde sich irgendetwas einfallen lassen, um diese dröge Szene etwas aufzupeppen: die Charaktere finden tatsächlich etwas (muss nicht unbedingt wichtig für das Abenteuer sein, Hauptsache interessant), die Charaktere hören seltsame Geräusche aus dem Nachbarraum, eines der Monster aus den anderen Räumen des Dungeons verirrt sich zufällig in diesen Raum... egal was, Hauptsache es passiert was.

Beide Ansätze sind vollkommen legitim und vernünftig (für ihren jeweiligen Spielstil und die Bedürfnisse der Spieler).
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 9.12.2012 | 13:03
Falsch. Das Primat hat die Story des SL. Ob das die bessere Story ist, ist vollkommen unklar.

Für ihn wird es schon die "bessere" sein, und in seine Hände sind die entsprechenden Werkzeuge mit dem Hinweis auf die bessere Story gelegt, z.B. als Extremfall die goldene Regel.

Vielleicht habe ich ja bisher die Extremfälle getroffen, aber die erlebte Leitlinie ist, dass einer den anderen sagen will, was passieren sollte (was an sich als Vorschlag noch potentiell OK wäre), aber eben dann ein beiläufiges Übergehen von bisherigen Absprachen und Regeln sowie Fremdmeinungen vorsah und die Autorisation dazu mit "besserer Story" und globalisierter Definition von Fun legitimiert wurde. (Nicht nur von SLs, aber bei SLs sidn das dann eben nicht mehr nur Forderungen sondern geschaffene Fakten, mit denen man konfrontiert wird.)
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: alexandro am 9.12.2012 | 13:21
Damit setzt er sich aber über das Regelwerk hinweg, in dem klar herausgestellt wird, dass er die Stimmungen, Erwartungshaltungen und Meinungen seiner Spieler in die Gestaltung einbeziehen soll ("Sie sind eigentlich eher Erzähler, als Autor von Geschichten.").
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 9.12.2012 | 13:26
Damit setzt er sich aber über das Regelwerk hinweg, in dem klar herausgestellt wird, dass er die Stimmungen, Erwartungshaltungen und Meinungen seiner Spieler in die Gestaltung einbeziehen soll ("Sie sind eigentlich eher Erzähler, als Autor von Geschichten.").

Das fällt dann wohl Kraft selektierten Lesens unter den Tisch. Oder ist Teil des Grunds, warum solche Leute sich dann in traditionelle Runden drängen und sie zu bekehren versuchen, denn da können sie dann ja selber entscheiden, was von dem Storytelling sie mitnehmen.
Also ggf eher ein Vorwurf gegenüber dem Massenphänomen/Stil Storytellung, denn seiner formellen Urform.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 9.12.2012 | 13:32
Ich finde es sehr schade, dass man über diesen Spielstil so gar nicht reden kann, ohne dass es sofort ausartet.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: alexandro am 9.12.2012 | 13:37
Vielleicht habe ich ja bisher die Extremfälle getroffen, aber die erlebte Leitlinie ist, dass einer den anderen sagen will, was passieren sollte (was an sich als Vorschlag noch potentiell OK wäre), aber eben dann ein beiläufiges Übergehen von bisherigen Absprachen und Regeln sowie Fremdmeinungen vorsah und die Autorisation dazu mit "besserer Story" und globalisierter Definition von Fun legitimiert wurde.

Solche Extremfälle habe ich auch schon getroffen (und würde auch nicht mit ihnen spielen), aber noch häufiger hatte ich das andere Extrem:

Die sogenannten "DMs" (was in diesem Fall nicht für "Dungeon Master", sondern für "Dämlicher Meister" steht), welche beiläufig elementare Elemente des sozialen Miteinanders, der Fairness sowie Fremdmeinungen übergingen und die Autorisation dazu mit "Herausforderung" und einer auf alle Aspekte des Spiels globalisierten Definition des SL als "Widersacher der Charaktere" legitimierten.

Idioten gibt es in jedem Spielstil.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 9.12.2012 | 13:39
Ich habe nochmal in Prince Valiant nachgelesen.
Was mir dabei aufgefallen ist: An einigen Stellen unterscheidet es sich erheblich von dem, was ich im Eingangsbeitrag über Storytelling Games geschrieben und wie ich z.B. V:tM wahrgenommen habe. Obwohl alles bis auf "Story > Rules" auch auf PV zutrifft.


Markante Unterschiede:
Winging it: Wenn die Spieler das Abenteuer verlassen gibt es zwei Möglichkeiten. 1. Illusionismus und 2. Pläne/Plot verwerfen bzw. abändern. (Variante 2 lässt, konsequent weitergedacht, das Spiel in einer offenen Welt zu, die eine gewisse Nähe zur Sandbox nicht verleugnen kann.)

Die Regeln: Haben Gültigkeit. Bei Regelstreitigkeiten soll das Spiel, bis kooperativ eine Lösung erreicht ist, unterbrochen werden.

Part-time Storyteller: Spieler können situativ die Rolle des Spielleiters übernehmen.


("Sie sind eigentlich eher Erzähler, als Autor von Geschichten.")
PV ging da noch einen Schritt weiter:

Cooperation als Spielprinzip.
Der Storyteller ist nicht omniscient, sondern wird "nur" als guide verstanden. In Bezug auf den tatsächlich gespielten Storyverlauf als primus inter pares.



... interessant. Ich merke gerade, dass ich in Prince Valiant immer nur die ergebnisoffenen Alternativen benutzt habe. Struktur und Pacing unter das Motto "Cooperation" gestellt habe. Jetzt wundert es mich gar nicht mehr, dass dabei ein ziemlich anderes Spielerlebnis bei rauskommt als z.B. bei (v.a. späteren Auflagen von) V:tM. Da ließen sich die Dinge, die für Storytelling als typisch anzusehen sind, nicht mehr einfach (= im Sinn der Regeln) rauskürzen.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: alexandro am 9.12.2012 | 14:04
Ich habe nochmal in Prince Valiant nachgelesen.
Was mir dabei aufgefallen ist: An einigen Stellen unterscheidet es sich erheblich von dem, was ich im Eingangsbeitrag über Storytelling Games geschrieben und wie ich z.B. V:tM wahrgenommen habe. Obwohl alles bis auf "Story > Rules" auch auf PV zutrifft.

Ohne PV schlecht machen zu wollen... aber was ist "Storytellers Fiat", wenn nicht die Goldene Regel in anderer Form (außerdem gibt es Abschnitte darüber, dass der ST sagen soll "Dein Charakter würde so etwas nie machen", was in VtM nicht drin ist).

Zitat
Markante Unterschiede:
Winging it: Wenn die Spieler das Abenteuer verlassen gibt es zwei Möglichkeiten. 1. Illusionismus und 2. Pläne/Plot verwerfen bzw. abändern. (Variante 2 lässt, konsequent weitergedacht, das Spiel in einer offenen Welt zu, die eine gewisse Nähe zur Sandbox nicht verleugnen kann.)
Ebenfalls in VtM (Spieler schafft Sportlichkeits-Wurf nicht und fällt - mitsamt plotwichtigen Gegenstand ins Feuer. Die vorgestellten Optionen wären
a) dass er sich doch noch irgendwo festhält (Illusionismus)
b) dass er daen Gegenstand vor seinem Tod einem anderen Charakter zuwirft (ergebnisoffen, von Kooperation des Spielers abhängig)
c) dass die Charaktere ohne den Gegenstand weitermachen müssen, was, ohne eine zündende Idee von Spielerseite, die Geschichte wahrscheinlich mit dem kläglichen Scheitern der Gruppe enden lässt(Pläne verwerfen) oder
d) dass die Spieler auch ohne den Gegenstand eine andere Quelle finden, welche sie zum selben Ziel führt (Pläne leicht abändern)
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 9.12.2012 | 14:47
@ alexandro. Du hast Recht.

Ohne PV schlecht machen zu wollen... aber was ist "Storytellers Fiat", wenn nicht die Goldene Regel in anderer Form (außerdem gibt es Abschnitte darüber, dass der ST sagen soll "Dein Charakter würde so etwas nie machen", was in VtM nicht drin ist).
Stimmt. Allerdings hatte ich beim Lesen von PV immer das Gefühl, diese Aussagen seien lediglich Mittel des SL den Gruppenvertrag ("shared fantasy experience"; "we expect everyone to contribute what they are able") zu schützen oder Spielern, die ihre SC in eine ausweglose Lage gebracht haben, doch noch weitere Teilhabe am Spiel zu ermöglichen.
Dennoch: PV muss man ehrlicherweise ankreiden, dass es diese Verbindung zwischen dem mit immenser Machtfülle versehenen SL und dem mindestens genauso wichtigen Prinzip der Kooperation nicht explizit benennt.


... kann es sein, dass genau diese Verbindung im Laufe der Publikationsgeschichte von Vampire noch weiter auseinander gefallen ist, als das schon in PV der Fall war? (Nicht zuletzt auch deshalb, weil über den Metaplot die SL Position noch in anderer Weise aufgewertet wurde und, weil die Vampirkräfte die Spieler mit Macht gegenüber dem SL ausstatten, welche die Ebene des "klassischen Erzählspiels" verlassen. Ich sehe beides als Spielelemente, die von der Kooperation wegführen. PV dagegen verweist - zum einen durch die Option des Teilzeit-SL und zum anderen durch Perönlichkeitsmerkmale, die bei rechtem Ausspielen "automatisch" XP generieren - immer wieder auf das Prinzip der Kooperation.)


Dann habe ich noch einen alten xErz-Faden (http://www.aktion-abenteuer.de/b/threads/sky-erkl%C3%A4rt-xerz-und-wir-h%C3%96ren-zu-okay.24933/#post-956753) im A!A! gefunden, der auch auf alte Blogeinträge von Vermi verweist. K.A. ob das in dieser Diskussion irgendwie weiterhilft.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Beral am 9.12.2012 | 14:50
Unterscheiden kann man auch danach, ob eine Story erlebt oder erschaffen werden soll.

Wenn die Story erlebt werden soll, ist es gut, wenn die Story samt Dramaturgie vorher schon vorbereitet ist. Das konsumiert man dann als Spieler, so ähnlich wie einen Film, und ist gleichzeitig als ein Protagonist aktiv. Erleben hautnah, mittendrin statt nur dabei. Diese Vorliebe sollte theoretisch mit dem Auftreten von Immersion positiv korrelieren. Ein starker Spielleiter bietet sich für diesen Stil sehr an.

Wenn die Story erschaffen werden soll, sollte sie natürlich nicht schon im Detail ausgearbeitet sein. Erschaffen impliziert außerdem viel mehr Handlung als es Erleben tut. Die Spieler sind demnach keine Konsumenten, sondern Produzenten der Story. Diese Vorliebe sollte theoretisch mit dem Auftreten des Flow stärker korreliert sein als mit Immersion. Für diesen Stil brauchen die Spieler viel Stärke im Sinne von Entscheidungsmacht.

Was diese Stile eint und gegenüber anderen abgrenzt, ist die hohe Gewichtung (http://tanelorn.net/index.php/topic,48101.0.html) von Story.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: alexandro am 9.12.2012 | 15:06
Es ist auch möglich, dass ein SL die Story erschafft, während die Spieler diese erleben. Es wird in VtM sogar explizit darauf eingegangen, dass das Erlebnis (der Spieler) um so intensiver ist, je interaktiver die Geschichte ist und das man "so viel wie nötig, so wenig wie möglich" vorbereiten sollte.

Allerdings wird auch eingeräumt, dass nicht jeder SL ein Genie beim improvisieren ist, und dass man in diesem Fall lieber etwas mehr vorbereiten sollte, statt sich zu "verzetteln" und damit das Erlebnis der Spieler komplett zu ruinieren.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: alexandro am 9.12.2012 | 15:21
Dennoch: PV muss man ehrlicherweise ankreiden, dass es diese Verbindung zwischen dem mit immenser Machtfülle versehenen SL und dem mindestens genauso wichtigen Prinzip der Kooperation nicht explizit benennt.
PV hatte den Vorteil, dass es relativ kompakt und mit einem Buch abgeschlossen war. Insofern hatte der ST nicht mit den zahlreichen Auswüchsen des Munchkinismus zu kämpfen, welche Vampire zum Verhängnis wurden.

Dort wurde gefühlt mit jeder Edition versucht, Regellücken zu schließen (was aufgrund der bewusst offen gehaltenen Natur der Regeln natürlich nicht gut funktionierte), die Spielwelt "geschlossener" darzustellen und die Handlungsmöglichkeiten der SC zu beschränken, während gleichzeitig immer heftigere Vorteile/Dsiziplinen eingeführt wurden, damit die Munchkins auch brav die Bücher kauften (das was Ron Edwards als die "supplement treadmill" bezeichnet hat).

Da versteht man, warum sich Rein-Hagen irgendwann aus dem Business zurückgezogen hat.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Bad Horse am 9.12.2012 | 16:14
Storytelling, wie es heute betrieben wird, hat doch nur noch sehr bedingt etwas mit VtM zu tun, oder?

Ich kann doch auch mit einem herkömmlichen System wie Pathfinder oder Warhammer Storytelling betreiben - das einzige, was dafür gegeben sein muss, ist eine Gruppe, die einen dramatischen Bogen im Spiel sehen möchte und es wichtig findet, eine coole Story zu be- bzw. erspielen.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 9.12.2012 | 16:45
... ok. Lasst mich mal versuchen das Ganze zusammenzufassen.

Storytelling ist nicht eigentlich EIN Spielstil* sondern eine Sammlung von Stilen, die Fiktion und darin begründte Charakterinteraktion mit der Spielwelt in den Mittelpunkt rückt.

Das Problem, das sich schon bei PV andeutet und bei V:tM zur Blüte gelangt ist, ist, dass die Spiele, die solche Stile propagieren eine (modulare) Sammlung von unspezifischen Werkzeugen und Techniken mit auf den Weg geben, aus denen - will man funktionales Spielen erreichen - sorgfältig ausgewählt werden muss. Die Regelwerke und ihre Erweiterungen treffen bewusst keine Auswahl, verpassen aber zu erklären, DASS man eine sinnvolle Auswahl hinbekommen muss und WIE geht, wenn man z.B. sowas (http://wildelande.myblog.de/wildelande/art/91520648/Pladoyer-3-Der-dynamische-Plot) oder sowas (http://wildelande.myblog.de/wildelande/art/89590400/Pladoyer-1-Der-bombastische-Plot) umsetzten will.

Auch da habe ich nochmal nachgesehen:
Legend of the five Rings 4th benennt zumindest verschiedene Werkzeuge sehr genau. Erläutert verschiedene Aufrisse, wie Abenteuer gestaltet werden können und macht deutlich, dass eine Auswahl getroffen werden muss. Kurz: Es stellt dem SL/der Gruppe den Werkzeugkasten hin und skizziert immerhin grob, welches Teil wofür nützlich ist, bzw. sein könnte.



* Na gut. Ganz so kann man das sicher auch wieder nicht sagen. Ich glaube schon, dass V:tM (rev.) an den Spieltischen eine mehr oder weniger bestimmte Art zu Spielen hervorgebracht hat. Eine Art, die V:tM-ler meinen, wenn sie von Storytelling reden. Nur: Um da Genaueres drüber sagen zu können, bräuchte es Möglichkeiten in deren Diskurse und Spielrunden schauen zu können. K.A. ob in der Richtung Beobachtungen angestellt werden können und ob darauf basierend überhaupt Erkenntnisse formuliert werden können.






Storytelling, wie es heute betrieben wird, hat doch nur noch sehr bedingt etwas mit VtM zu tun, oder?
Gut möglich. Aber firmiert das dann auch unter dem "Trademark" Storytelling?

Ich kann doch auch mit einem herkömmlichen System wie Pathfinder oder Warhammer Storytelling betreiben [...]
Gerade WFRP 3 scheint mir durchaus ein sehr erzähl-fixiertes Rollenspiel zu sein. Aber eines, das EINEN bestimmten Weg gewählt hat, in der Fülle der Möglichkeiten.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Bad Horse am 9.12.2012 | 17:10
Möchtest du Storytelling à la VtM eingrenzen bzw. herausfinden, was für verschiedene Möglichkeiten dieser Stil bietet? Oder interessierst du dich dafür, wohin sich der Stil in den letzten Jahren hinentwickelt hat und was ihn im Gegensatz zu anderen Stilen abgrenzt?

7th Sea hat mMn auch einen sehr storytelling-artigen Spielansatz (vermischt mit anderen Elementen, aber ich hatte das Spiel schon immer als Storytelling-Spiel eingeordnet).
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 9.12.2012 | 17:34
Eigentlich geht es mir darum das Pänomen "Storytelling" zu verstehen.
(Die Leute, die Storytelling zum hl. Gral des Rollenspiels erklärt haben
und die Konzepte die hinter dem Begriff stehen.)
Warum V:tM so im Mittelpunkt steht? Naja, dadurch wurde ST doch erst zum Phänomen.

Und: Um verstehen und einordnen zu können müssen natürlich andere Spiele als Referenzen herhalten,
denen es ebenfalls um "Story/Fiktion" geht.



7th Sea hat mMn auch einen sehr storytelling-artigen Spielansatz (vermischt mit anderen Elementen, aber ich hatte das Spiel schon immer als Storytelling-Spiel eingeordnet).
Das wäre auf jeden Fall interessant. Diese anderen Elemente müsste man wohl versuchen irgendwie rauszufiltern.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Roland am 9.12.2012 | 18:02
Storytelling ist nicht eigentlich EIN Spielstil* sondern eine Sammlung von Stilen, die Fiktion und darin begründte Charakterinteraktion mit der Spielwelt in den Mittelpunkt rückt.

Ich würde sagen, Storytelling ist ein Schlagwort, dass auch durch Einflüsse der Storyteller-Systeme geprägt wurde, aber im allgemeinen Gebrauch kaum zu fassen ist. Passende Merkmale können ein starker Spielleiter, Dramatik als Ziel, Rule of Cool (allerdings mehr so im Subtext  ;)), der Vorrang von Gruppen-/SL-Entscheidungen vor Regeltreue u.v.m. sein.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Jiba am 10.12.2012 | 13:29
7th Sea hat mMn auch einen sehr storytelling-artigen Spielansatz (vermischt mit anderen Elementen, aber ich hatte das Spiel schon immer als Storytelling-Spiel eingeordnet).

7te See ist definitiv ein Storytelling-Spiel, würde ich sagen. Interessanterweise liefert das SL-Buch hinten allerdings auch einige zaghaft untergegangene Tipps und Techniken für Player Empowerment. Von "Erzählonkeln" (dies meinen viele Leute, wenn sie Storytelling negativ verstehen wollen) ist das weit entfernt. "Engel" wäre auch noch ein deutsches Produkt, das dem Storytelling-Spiel zumindest nahesteht.

Übrigens erkenne ich auch in der Gestaltung vieler offizieller DSA-Abenteuer den Hang zum Storytelling (obwohl das Spiel mit seinen Regeln natürlich ganz woanders hinwill). Aber die dramatische Storyline mit Höhen und Tiefen spielt hier doch viel eher eine Rolle als Simulation oder gar Sandboxing – das sind in den offiziellen DSA-Modulen eher Randphänomene.

Auch finde ich es schade, dass Storytelling prinzipiell so einen schlechten Ruf hat. Klar, ich betreibe auch lieber Storygaming, aber letztendlich habe ich auch viele gute Erfahrungen mit Storytelling gemacht und würde sogar sagen, dass meine Faszination für's Rollenspiel hauptsächlich durch diesen Spielstil begründet wurde: DSA- oder Shadowrun-Abenteuer "durchzuspielen" und dabei Werte zu optimieren, waren mir damals in meiner rollenspielerischen Anfangszeit nicht genug... das war einfach nicht mitreißend. Als ich dann aber angefangen habe die Storytelling-Spiele von White Wolf zu spielen ging es plötzlich... bumms... um Geschichte, Dramatik und Figurenkonstellationen. Das hat mir den Weg zum Player Empowerment geebnet. In der Tat habe ich nur wenig wirklich miese Storytelling-Runden erlebt: Und die, die mies waren, waren mies, weil der SL auch jeden anderen Spielstil wahrscheinlich vermurkst hätte. Außerdem schließt kein Storytelling-Spiel explizit die Absprache der Spieler außerhalb des Spiels über Inhalte der Story von vornherein aus.

Dass Storytelling also ein Spielstil sei, der irgendwie unfairer oder autoritärer ist als anderes klassisches Rollenspiel, wage ich zu bezweifeln. Und jeder Sandboxer, der behauptet eine Zufallstabelle sei ja soooooooo viel unparteiischer, übersieht, das das Ergebnis einer solchen Tabelle immer interpretiert wird und zwar im Zweifelsfall vom SL. Ich will wirklich kein Spielerkleinhalten unterstützen, aber man sollte sich, wie alexandro richtig sagt, auf jeden Fall vor Augen führen, dass es wohl keinen Spielstil gibt, der sich von willkürlichen Entscheidungen (gerne auch zugunsten der Dramaturgie) freisprechen kann.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Naldantis am 10.12.2012 | 13:54
Genau, und ob er sie nutzt hängt von seinem präferierten Spielstil bzw. seiner Spaßquelle ab.
Und wenn diese(r) die Realisierung eines bestimmten, "optimierten" Geschichts/Handlungsverlauf vorsieht, dann ist der Griff in die Giftkiste eben naheliegend bis zwingend.

...oder er sieht sich als Dienstleister in DIESER Kampagne, bietet das an was ihm als (mittlerer) Wunsch der Spieler präsentiert wird, und baut für sein Vergnügen in den Nischen und Grauzonen etwas nach seinem Geschmack sein.

Zitat
Daher versuchen Storyspiele solche Ungleichgewichte nach Möglichkeit zu minimieren, damit alle ihre gleichwertige Chance bekommen ihre Vorstellungen einbringen zu können, auch wenn dann nicht jeder einzelne exakt sein Ideal realisieren kann und bunter Mischmasch bei rauskommen könnte.

Was natürlich schon wegen der oft sehr unterschiedlichen Charakterstruktur der Spieler begrenzte Aussicht auf Erfolg hat, und im schlimmsten Falle mit je nach akuten Erzählrechten wild zwischen Comedy und Tragik, Moschen und Intrigen hin- und herspringen endet.

Sprich: diese Strathegie mach es im Endeffekt auch nicht allgemein leichter.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Jiba am 10.12.2012 | 13:59
Was natürlich schon wegen der oft sehr unterschiedlichen Charakterstruktur der Spieler begrenzte Aussicht auf Erfolg hat, und im schlimmsten Falle mit je nach akuten Erzählrechten wild zwischen Comedy und Tragik, Moschen und Intrigen hin- und herspringen endet.

Spekulation.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Teylen am 10.12.2012 | 14:09
Könnt ihr euch den Merkmalen, die ich gesammelt habe, anschließen?
Ein Versuch meinerseits (vorallem geprägt durch V:tM) dem Storyteller-System Merkmale zuzuordnen

Zitat
Wo agieren nun Storygames oder ältere Erzählspiele grundlegend anders?
Meiner persönlichen Meinung beziehungsweise Beobachtung nach vorallem dadurch das die Spieler weniger auf der Character Stance agieren.
Das heißt das die Spieler das Spiel auf der "Meta"-Ebene beeinflussen.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 10.12.2012 | 14:50
Zitat
Die Hintergründe des Charakter wird detailliert und es wird versucht die Hintergründe einzubinden

Sehr guter Punkt. Bei Storygames dagegen ist Charakterhintergrund anders herum häufig nur so weit existent, wie er auch eingebunden wird, und wird häufig on the fly entwickelt.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Bad Horse am 10.12.2012 | 17:58
Ich vermute auch, dass sich Storytelling besser für Kampagnen eignet, wo die Charaktere sich in allen ihren Eigenheiten entfalten können, als Storygames, die relativ stringent auf die Issues der Charaktere losgehen und versuchen, diese in einem dramatischen Bogen aufzulösen.

Das ist nicht absolut zu sehen - es gibt sicher Storygames, die man als Kampagnen spielen kann; aber ich denke, Storytelling eignet sich dafür besser. (Wobei ich mit "Kampagne" schon eine längere Abenteuerserie meine und nicht nur fünf oder sechs Sitzungen. ;) ).
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Praion am 10.12.2012 | 18:00
Das ist nicht absolut zu sehen - es gibt sicher Storygames, die man als Kampagnen spielen kann; aber ich denke, Storytelling eignet sich dafür besser. (Wobei ich mit "Kampagne" schon eine längere Abenteuerserie meine und nicht nur fünf oder sechs Sitzungen. ;) ).

*hust* Burning Wheel *hust*
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Bad Horse am 10.12.2012 | 18:02
Ich sag ja: Nicht absolut zu sehen. Außerdem kenn ich Burning Wheel gar nicht, aber du hast insofern recht, dass TSoY ja auch für Kampagnen geeignet zu sein scheint.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Oberkampf am 10.12.2012 | 20:07
Storytelling, wie es heute betrieben wird, hat doch nur noch sehr bedingt etwas mit VtM zu tun, oder?

Ich kann doch auch mit einem herkömmlichen System wie Pathfinder oder Warhammer Storytelling betreiben - das einzige, was dafür gegeben sein muss, ist eine Gruppe, die einen dramatischen Bogen im Spiel sehen möchte und es wichtig findet, eine coole Story zu be- bzw. erspielen.

Warhammer 3 (nicht so sehr die vorangegangenen Versionen) sehe ich als ein modernes Storytellingspiel an. Der Witz ist, dass die Regeln und auch Würfelmechaniken von vorne herein so gestaltet wurden, dass man eine vorgefertigte Story-Rohform spielbar macht - also spielt, und nicht "heruntererzählt". Trotzdem bleiben (zumindest nach meinen Erfahrungen sowohl als Spieler als auch als SL) bei Warhammer 3 viele Elemente der Spielwelt fest in der Hand des SL, bestenfalls der gemeinsamen Würfelinterpretation, die ich bei FATE den Spielern überlassen würde/habe.

Mein Vorschlag wäre es, die Spielstile erstmal nach ihrem Fokus zu unterscheiden. Das habe ich auch am Rande in 1of3s Thread (http://tanelorn.net/index.php/topic,74756.msg1529784.html#msg1529784) mal erwähnt:

Beim Storytelling steht die Story im Fokus (die natürlich von Charakteren handelt).
Beim Storygaming die Charaktere (um die sich natürlich eine Story rankt).
Beim "klassischen" (was auch immer das ist) Rollenspiel steht die Spielwelt im Vordergrund (die von Charakteren erforscht wird, deren Erforschung rückblickend als eine Geschichte erzählt werden kann).

Storygames bieten Methoden/Mittel an, den eigenen Charakter (und die Charaktere der anderen) im Spielverlauf möglichst charaktertypisch auftreten zu lassen. Je "storygamiger" ein Spiel ist, desto weniger kann man ein allgemeines Abenteuer (fürx-beliebige Gruppen) schreiben.

Storytelling hat diese Mechanismen nicht, oder zumindest nicht primär. Stattdessen bieten gute Storyteller-Spiele (und Warhammer 3 gehört für mich dazu) Mechanismen dafür an, eine Story ans Spiel anzubinden. Dazu gehört bei Warhammer 3 die Szenenstrukturierung, die klare mechanische Konsequenzen hat Abbau von Stress/Erschöpfung) oder die Einbindung der Würfel in den Erzählfluss.

Bei Pathfinder sehe ich das nicht ganz so. Die Abenteuer sind zwar teilweise sehr storylastig, aber das System trägt dazu wenig bei. Es regelt (zumindest im GRW) eher die klassische Erforschung und Auseinandersetzung mit der Spielwelt, strukturiert diese allerdings so vor, dass eine charakterunabhängige Abenteuerstory wahrscheinlich wird (die Abenteuer haben aber wohl auch ein paar offene Szenen).
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Teylen am 11.12.2012 | 01:38
Da es mir im Zitat vom SLF aufgefallen ist.
Gibt es Spiele die nach der World of Darkness erschienen und für sich beanspruchten ein Storyteller/Storytelling-System zu sein?

Beim Storytelling steht die Story im Fokus (die natürlich von Charakteren handelt).
Beim Storygaming die Charaktere (um die sich natürlich eine Story rankt).
Beim "klassischen" (was auch immer das ist) Rollenspiel steht die Spielwelt im Vordergrund (die von Charakteren erforscht wird, deren Erforschung rückblickend als eine Geschichte erzählt werden kann).
Ich würde bei den Sätzen Story dem Storygaming zu ordnen und Charaktere dem Storytelling.
Das heißt Storygaming Spiele befassen sich, meiner Annahme, damit eher bestimmte Dramaturgien und Geschichten zu erzeugen anstelle den Fokus auf den Charakter-Handlungen zu haben und die Charaktere auszustaffieren.
Wohingegen die Storyteller Spiele, imho, die Dramaturgie ignorieren und keine bzw. kaum Mitte lliefern bestimmte Geschichten zu Erzeugen, sondern halt den Fokus auf die Charakter-Handlungen legen und darauf die Charaktere auszustafffieren.
[Ich bin mir recht sicher das V:tM zu der Szenen Gestaltung abseits des Fokus der Charaktere nicht allzuviele Stützen und eigentlich fast keine Mechaniken bietet. Nun und auch die nWoD erschien mir, in den Runden und nachdem was ich davon las, recht Charakter-zentriert.]
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 11.12.2012 | 08:08
Zitat
Beim "klassischen" (was auch immer das ist) Rollenspiel steht die Spielwelt im Vordergrund (die von Charakteren erforscht wird, deren Erforschung rückblickend als eine Geschichte erzählt werden kann).

Ich finde das Wort "klassisch" sehr schwierig. Bei der OSR hast du in gewisser Weise recht, wobei ich hier nicht von Fokus sprechen würde. Primat trifft es vielleicht besser. Ebenso bei deinen anderen Zuordnungen.

Auch denke ich, dass beim Storytelling ebenfalls viel Welterforschung eine Rolle spielt. OSR hat jedoch eher den Zug die Welt nach der Erforschung nutzbar zu machen.


Das neue Warhammer hätte ich eher in den Bereich von Moderne Action sortiert, zusammen mit D&D4, SW, gewissen Ansätzen bei älterem D&D und SR. Dass du da Storytelling-Anleihen siehst, ist sehr interessant. Ich hab das Spiel nur in Aktion gesehen, ohne es zu lesen. Da war überhaupt nichts, was ich mir unter Storytelling vorstellen würde.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 11.12.2012 | 12:57
Ich kann da keine große Differenzierung zwischen Storytelling und traditionellem Spiel am Charakter aufhängen.
Einmal sind Charaktere udn deren Umgebung auch Teil eben dieser spielerischen Umwelt und andererseits konnte ich bei den selbsterklärten Storytellerspielleitern auch nur dann eine Beachtung des Charakterhintergrunds feststellen, wenn es anderen Zwecken diente, (z.B. als Plothook oder Komplikation) und da war dann auch schnell die Forderung auf dem Tisch diesen Hintergrund schnell mal "storyförderlicher" umzuschreiben.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Teylen am 11.12.2012 | 12:59
Wobei dies doch darin begründet ist das die Story auf den Charakteren aufbaut.
Wohingegen anders die Charaktere an sich ein Stück weit "egal"(er) sind.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Oberkampf am 11.12.2012 | 15:37
Da es mir im Zitat vom SLF aufgefallen ist.
Gibt es Spiele die nach der World of Darkness erschienen und für sich beanspruchten ein Storyteller/Storytelling-System zu sein?


Explizit fallen mir keine ein, anscheinend ist der Begriff wohl zu eng mit WW verbunden, als dass sich ein anderer Verlag trauen würde, seine Spiele so zu benennen. Mir geht es aber weniger um eines der WW-Produkte, als generell um die Tendenz, Module als Abenteuergeschichten (mit Betonung auf Geschichten) zu verstehen, zu entwerfen und zu verkaufen. Das machen auch viele andere Rollenspiele.

Ich finde das Wort "klassisch" sehr schwierig. Bei der OSR hast du in gewisser Weise recht, wobei ich hier nicht von Fokus sprechen würde. Primat trifft es vielleicht besser. Ebenso bei deinen anderen Zuordnungen.

"Klassisch" steht ja nicht umsonst in Anführungszeichen, so groß wie die Welt der Rollenspiele nunmal ist  ;)
Primat ist aber wahrscheinlich die bessere Bezeichnung.

Warhammer-OT
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Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 14.12.2012 | 10:36
Nachdem dieses Thema etwas tot ist, möchte ich noch einmal darstellen, was meine Sicht von Storytelling ist.

0) Es hat nicht notwendiger Weise etwas mit einer geplanten Dramaturgie, einem geplanten Plot oder einem durchgeplanten Abenteuer zu tun. Ich wiederhole: Nicht.

1) Es gibt eine SL. Diese hat zur Aufgabe, interessante und überraschende Dinge passieren zu lassen. Sie möchte möglichst abwechslungreich wirken.
2) Die übrigen Spieler erleben die von der SL dargestellte Spielwelt. Diese kann komplex und vielschichtig sein und enthält häufig viele ausgearbeitete SLCs.
3) Als Spieler eine ausgearbeitete Hintergrundgeschichte für den SC vorweisen zu können, gilt als positiv. Dies erlaubt es der SL gelegentlich "etwas für den SC" einzubringen. Honoriert werden ebenfalls Tagebücher, Zeichnungen etc.
4) Spielregeln sollen ein Bild der Spielwelt und Charaktere erwecken. Eine resolvierende Funktion tritt nur stellenweise (z.B. in Kämpfen) in den Vordergrund.
5) Gelegentlich wird der Raum speziell zum Spielen vorbereitet (Tischdecke, Kerzen ...). Ebenso kann es speziell gewählte Musik und gestaltete Handouts geben.


Zu 1: Die SL verlässt sich z.B. nicht auf Zufallstabellen, anders als bei OSR oder Storygames. Ebenso besteht häufig der Wunsch Topoi zu brechen, anders als bei Cinematic Action und Storygames.

Zu 2: Dies steht im Gegensatz zu Cinematic Action und gewissen Storygames.

Zu 3: Das Ausscheiden von SCs ist entsprechend unerwünscht. Anders verhalten sich OSR und Cinematic Action, wo die SCs eher blanko ins Spiel starten, sowie gewisse Storygames.

Zu 4: Diese mediale Wirkung von Regeln steht in deutlichem Widerspruch zur Regel-Idee beim Storygaming. Sie findet sich auch bei Cinematic Action und OSR eher weniger.

Zu 5: Bevorzugte Storytelling-Spiele haben relativ wenig eigenes Spielmaterial, welches man irgendwo platzieren müsste, z.B. keine Baddelmadde.


@Tümpelritter: OK. Das erklärts. Mir persönlich erscheint eine narrative Einteilung des Spielflusses für Storytelling weder nötig noch hinreichend. Aber mit der Erklärung kann ich eine gewisse Hybrid-Stellung nachvollziehen.

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Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Praion am 14.12.2012 | 10:39
Topoi zu brechen? Erklärung bitte.  wtf?
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 14.12.2012 | 10:45
"Unerwartete Dinge zu tun". Der Zwerg trägt keinen Bart und ist Barde.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Praion am 14.12.2012 | 10:48
"Unerwartete Dinge zu tun". Der Zwerg trägt keinen Bart und ist Barde.

Also Bruch mit Tropen?
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 14.12.2012 | 17:09
Tropen sind deutsch nicht das gleiche wie englisch "tropes". Tropen sind Formen uneigentlichen Sprechens (Metapher, Metonymie etc.). Was englisch "tropes" heißt, sind deutsch Topoi.

http://de.wikipedia.org/wiki/Topos_%28Geisteswissenschaft%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Tropus_%28Rhetorik%29

http://en.wikipedia.org/wiki/Trope_%28linguistics%29 - Laut diesem englischen Artikel ist die Bezeichnung von Topoi als "tropes" auch noch eine jüngere.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 14.12.2012 | 18:39
meine Sicht von Storytelling
Interessant.

Deckt sich lediglich mit meinen wenigen V:tM-Erfahrungen. Und selbst da nur bedingt.
Die Spielerlebnisse mit Prince Valiant, der nWoD und L5R bringe ich da überhaupt nicht mehr unter.
(Andererseits: Das muss nix heißen, da ich ja mit dem, was mir explizit am Spieltisch als Storytelling aufgetischt wurde, durchaus immer meine Probleme hatte.)


Mir scheint die gedanklich enge Verbindung von SC und Story (wie auch immer die konkret gestaltet sein mag) viel entscheidender,
als das starke "SL-Spieler-Gefälle". Vielleicht lohnt es sich da nochmal genauer hinzuschauen.
(Auch in Bezug auf Warhammer 3 - das ich ebenfalls mindestens anteilsweise als modernes Storytelling Game sehe.)



0) Es hat nicht notwendiger Weise etwas mit einer geplanten Dramaturgie, einem geplanten Plot oder einem durchgeplanten Abenteuer zu tun. Ich wiederhole: Nicht.
Heißt das im Umkehrschluss, dass die Antiklimax im Storytelling genauso häufig vorkommen kann, wie in anderen Spielformen?
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 15.12.2012 | 12:41
Gib mal bitte ein Beispiel für einen Antiklimax beim Rollenspiel, wenn du magst. TPK?
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Maarzan am 15.12.2012 | 14:23
Wie ist 4 zu verstehen?

Ok, wenn ein Spiel gamistisch ist, dann sind einige Regeln dem Spieltrieb/cooles Gadget z.B. in Form von Feats oder dem Spielgleichgewicht geschuldet.

Aber spätestens bei SIM sollten doch die Regeln eben der Welt/Charakterdarstellung dienen, sowohl bezüglich der Gestaltung, wie der Handlungsauflösung.

5. ist ungefähr so rollenspielrelevant wie Pizza oder Chinese fürs Futtern zwischendurch, aber sonst sehe ich da keinen von den Punkten, welche sonst zu Knatsch mit selbsternannten Storytellern führen, sondern würde es zumindest ähnlich machen. 
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 15.12.2012 | 15:44
TPK?
Nicht zwangsläufig. Wenn die SC bei der Durchquerung eines Sumpfes umkommen - der eigentlich nur ein Stück Weg sein sollte, dann kann das als Antiklimax wahrgenommen werden.

Antiklimaktische Spielerhandlungen:
Das Stören der generischen Ressourcenplanung, sodass die Gegner ihre Pläne fallen lassen oder langfristig vertagen müssen.
(z.B. Robin Hood - könig der Diebe: Die Helden bekommen mit, dass das Turnier geplant ist und, dass es eine Falle ist Robin zu fangen. Also verseuchen sie das Trinkwasser der Burg, sodass es erstmal nicht stattfinden kann. Dadurch entfallen viele dramatische Szenen.)


... bessere Beispiele wollen mir heute nicht glücken.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 15.12.2012 | 17:40
Wie ist 4 zu verstehen?

Ok, wenn ein Spiel gamistisch ist, dann sind einige Regeln dem Spieltrieb/cooles Gadget z.B. in Form von Feats oder dem Spielgleichgewicht geschuldet.

Aber spätestens bei SIM sollten doch die Regeln eben der Welt/Charakterdarstellung dienen, sowohl bezüglich der Gestaltung, wie der Handlungsauflösung.

5. ist ungefähr so rollenspielrelevant wie Pizza oder Chinese fürs Futtern zwischendurch, aber sonst sehe ich da keinen von den Punkten, welche sonst zu Knatsch mit selbsternannten Storytellern führen, sondern würde es zumindest ähnlich machen. 

Ob es relevant ist, war mir nicht wichtig. Ich empfinde es als typisch. Wenn ich Personen sehe, die das tun und zwar mit Aufwand, nehme ich an, Storyteller vor mir zu haben.

Mit #4 meinte ich, dass schon mal ein Abend nicht gewürfelt wird. Die Zahlen stehen zwar auf dem Zettel, werden auch minutiös ausgefüllt, dürfen an der Stelle keinesfalls fehlen, aber sie werden nicht benutzt. Natürlich gibts auch Storyteller, die gleich auf Zahlen verzichten.

GNS gibts ansonsten nach meiner Rechnung nicht, sonst hätte ich die als Oppositionen genannt. Simulationismus findet sich überall, gerade auch bei Storytellern. Wenn man GNS für irgendwo geeignet hält, dann ist es mindestens zur vorliegenden Fragestellung nicht kommensurabel.


Nicht zwangsläufig. Wenn die SC bei der Durchquerung eines Sumpfes umkommen - der eigentlich nur ein Stück Weg sein sollte, dann kann das als Antiklimax wahrgenommen werden.

Antiklimaktische Spielerhandlungen:
Das Stören der generischen Ressourcenplanung, sodass die Gegner ihre Pläne fallen lassen oder langfristig vertagen müssen.
(z.B. Robin Hood - könig der Diebe: Die Helden bekommen mit, dass das Turnier geplant ist und, dass es eine Falle ist Robin zu fangen. Also verseuchen sie das Trinkwasser der Burg, sodass es erstmal nicht stattfinden kann. Dadurch entfallen viele dramatische Szenen.)

Zum ersten würde ich sagen: Charaktertod scheint mir Storytellern generell eher selten zu sein. Wahrscheinlich gibts nicht mal Regeln, wo ein Ertrinken im Sumpf möglich wäre und wenn sie irgendwo im Regelbuch stehen, benutzt sie niemand.

Beim zweiten bin ich mir nicht sicher. Das Problem ist ja erstmal, dass die Abhängigkeit von Trinkwasser etabliert werden muss. Wenn die SL nicht erwähnt, dass das so ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Spieler darauf kommen höchst gering. Ich behaupte auch immer, dass Spieler nie etwas Unerwartetes tun, es sei denn als Spielleiter erwarte ich selber nichts, habe also nicht die leiseste Ahnung, wie es weitergehen könnte.

Auf http://www.treasuretables.org/ hat der Autor das mal den Taschenlampen-Effekt genannt. Spieler agieren nur mit den Elementen, die der SL gleichsam angeleuchtet hat. Und jedes mal, wenn wie jemand sagt, dass kein Plan den Kontakt mit den Spielern überlebt, denk ich mir wieder: "Ui, was müssen da für komische Spieler sein."
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 16.12.2012 | 10:13
Ok. Zum Mitschreiben:
Wenn die Antiklimax etwas ist, das normalerweise nicht in Storytelling-Runden auftaucht, dann folgt die Handlung in irgendeiner Weise einer Dramaturgie. Die muss nicht geplant sein, sondern kann sich ganz organisch aus dem Spiel ergeben.

(Einfach auch, weil folgende Ereignisse als Zufallsergebnisse nicht erwünscht sind: Zufälliger SC-Tod, vorzeitiges Ableben eines interessanten Antagonisten, das Auftauchen von nicht abenteuerrelevanten Fallen oder Rätseln.)
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 16.12.2012 | 10:35
Das klingt vernünftig. Menschen sind geborene Dramaturgen. Wir verpacken alles in Geschichten.

Die Frage ist, wo denn Antiklimaxe häufiger sind. Das finde ich gar nicht so einfach. OSRler könnten sagen, dass sie antiklimaktische Ereignisse billigend in Kauf nehmen, aber sonst gelten die, würd ich sagen, allgemein als unschön.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 16.12.2012 | 11:57
Bei Erzählspielen, die auf den dynamischen Plot (http://wildelande.myblog.de/wildelande/art/91520648/Pladoyer-3-Der-dynamische-Plot) setzen, bei Settembrini-ARS, Freiform- oder SL-losen-Spielen ist die Antiklimax nicht unbedingt etwas, das den Spielspaß trüben würde.

Für "typische" Storytelling-Runden würde ich schon sagen, dass die Antiklimax etwas ziemlich Unerwünschtes ist.
Gegenüber Pulp, Cinematic oder auch dem DSA-eigenen Stilstil besteht da mMn aber kein Unterschied.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 16.12.2012 | 12:35
Es gibt so etwas wie einen DSA-eigenen Spielstil? Das finde ich spannend.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Praion am 16.12.2012 | 12:37
Es gibt so etwas wie einen DSA-eigenen Spielstil? Das finde ich spannend.

Abenteuer (und Abenteuer lösen) als höchste Instanz, noch über Spieler oder Charakterwünschen.

Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Jiba am 16.12.2012 | 12:40
Abenteuer (und Abenteuer lösen) als höchste Instanz, noch über Spieler oder Charakterwünschen.

Naja... ich würde eher von einem interaktiven Roman sprechen. Denn die Lösung des Abenteuers ist auch daran geknüpft, dass eine Geschichte erzählt wird und alle NSCs, so nicht anders vorgesehen, Script Immunity haben. :)
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: D. M_Athair am 16.12.2012 | 12:50
Es gibt so etwas wie einen DSA-eigenen Spielstil?
Hätte auch DSA-typischen Spielstil schreiben können. Ich glaube nicht, dass das was Eigenes ist.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Oberkampf am 16.12.2012 | 16:07
Erwartungsgemäß kann ich mich mit 1of3s Regel 0 nicht anfreunden, aber das erscheint mir müßig als Gegenstand der Diskussion. Andere Teile halte ich für interessanter:


1) Es gibt eine SL. Diese hat zur Aufgabe, interessante und überraschende Dinge passieren zu lassen. Sie möchte möglichst abwechslungreich wirken.
2) Die übrigen Spieler erleben die von der SL dargestellte Spielwelt. Diese kann komplex und vielschichtig sein und enthält häufig viele ausgearbeitete SLCs.


Das deckt sich mMn mit einer Beobachtung, die bereits von Crimson King auf der ersten Seite des Threads gemacht wurde:


Storytelling hat dafür z.B. den Vorteil, dass man dort Aha-Effekte erzielen kann, wenn SL-Geheimnisse aufgedeckt werden. Ich mag es ja total, wenn ich durch die Informationen, die der SL mir liefert, irgendwann *ping* die Zusammenhänge zwischen Ereignissen verstehe.

Das, glaube ich, ist ein wichtiges Abgrenzungsmerkmal von dem, was ich als Storytelling einordnen würde, zu anderen Formen des Rollenspiels, die ebenfalls eine Erzählkomponente haben: Die Spielwelt muss geheimnisvoll sein, die Geheimnisse müssen im Laufe des Spiels aufgedeckt werden.

Geheimnisse bestehen aus den Spielern und Charakteren unbekannten Zusammenhängen, die im Laufe des Spiels erleuchtet werden. Beispielsweise die Motivation hinter den Handlungen eines NSCs, der Grund für einen Konflikt, die Identität eines Täters usw.

Die Geheimnisse werden vom Spielleiter gehütet, und da der Spielleiter oft auch der Autor der Abenteuer oder der Spielwelt ist, auch von ihm ausgedacht. Es besteht nichtmal unbedingt der Anspruch, dass die Spieler die Geheimnisse im Spiel vollständig erfahren. Entscheidend ist, dass das "Lösen" oder Erfahren des Spielweltgeheimnisses wichtiger ist, als der Umgang mit den gewonnenen Erkenntnissen (man vergleiche das mal mit DitV).


Der Hauptunterschied bei den Spielen der Storyteller-Schiene ist wohl die, dass man vor dem Wurf fragt "Muss ich darauf jetzt wirklich würfeln?", statt es zu tun und ggflls. unglaubwürdige Ergebnisse dem System in die Schuhe zu schieben. Mehr ist nicht dahinter, wirklich. Ansonsten sind Storyteller-Spiele wie jedes andere Rollenspiel. Teilweise haben ja auch nicht-ST-Systeme die Idee "Würfel nur, wenn es auch wichtig ist!" übernommen, was die These erhärtet, dass es dabei nicht so sehr um Story (außer vielleicht im Nachhinein), als vielmehr um Immersion ging.

An dem Punkt knabbere ich ziemlich herum. Traditionell würde ich es ebenfalls so sehen, dass der Storytelling-Spieltil äußerst würfelfeindlich ist, selbst wenn die Spiele, die ich damit in Verbindung bringen würde (und dazu gehört für mich auch DSA) ausgesprochen würfellastige Mechanismen (z.B. 3W20) haben. Storyteller, mit denen ich mich gestritten habe, haben idR darauf beharrt, dass sie ihr Spiel nicht durch "das Diktat der Würfel" beeinträchtigt sehen wollen. Gewürfelt wird nur für Nebenangelegenheiten.

Allerdings glaube ich, dass es mittlerweile auch würfelfreundliche Storytelling-Spiele gibt, z.B. Warhammer III. Dabei wird versucht, den Würfel so in die Geschichte einzubinden, dass er sie bereichern, aber nicht erschüttern kann, zumindest in der Regel nicht. Erschütternd wären beispielsweise harte kritische Treffertabellen, die einen wichtigen NSC oder einen SC außerhalb der vorgesehenen Zeit aus dem Spiel nehmen können, oder Würfelergebnisse, die ein regelkonformes, aber antiklimatisches Resultat hervorbringen.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: 1of3 am 16.12.2012 | 16:34
Zitat
Die Geheimnisse werden vom Spielleiter gehütet, und da der Spielleiter oft auch der Autor der Abenteuer oder der Spielwelt ist, auch von ihm ausgedacht. Es besteht nichtmal unbedingt der Anspruch, dass die Spieler die Geheimnisse im Spiel vollständig erfahren. Entscheidend ist, dass das "Lösen" oder Erfahren des Spielweltgeheimnisses wichtiger ist, als der Umgang mit den gewonnenen Erkenntnissen (man vergleiche das mal mit DitV).

Ich stimme dir unbedingt zu. Storyteller erfreuen sich am So-Sein der Spielwelt, sie operationalisieren die Spielwelt nicht notwendiger Weise.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Teylen am 16.12.2012 | 17:09
Für "typische" Storytelling-Runden würde ich schon sagen, dass die Antiklimax etwas ziemlich Unerwünschtes ist.
Gegenüber Pulp, Cinematic oder auch dem DSA-eigenen Stilstil besteht da mMn aber kein Unterschied.
Wobei sich DSA überaus stark mit dem Spielstil von Vampir: The Masquerade identifiziert [laut Wege des Meisters] und daher eigentlich auch recht stark vom White-Wölfischem Storyteller Design geprägt ist.
Nun und imho kann man dort auch die von mir genannten Punkte (http://tanelorn.net/index.php/topic,78864.msg1631523.html#msg1631523) durchaus wiederfinden, imo.


Ansonsten ist storytelling imho nicht Würfel feindlich.
Es wird durchaus gerne gewürfelt, die Ergebnisse werden durchaus auch beachtet.
Lediglich die Frage wann, wie und nach welchen Regeln gewürfelt wird ist weitaus flexibler als bei Spielweisen bei welchen die Regelanwendung vor allen anderen Spielaspekten steht.
Titel: Re: Storytelling in Abgrenzung zu anderen [v.a. storyorientierten] Stilen
Beitrag von: Naldantis am 24.12.2012 | 13:25

Das, glaube ich, ist ein wichtiges Abgrenzungsmerkmal von dem, was ich als Storytelling einordnen würde, zu anderen Formen des Rollenspiels, die ebenfalls eine Erzählkomponente haben: Die Spielwelt muss geheimnisvoll sein, die Geheimnisse müssen im Laufe des Spiels aufgedeckt werden.

Naja, i.d.R. Sollte es ausreichen, daß die Geheimnisse aufgedeckt werden KÖNNEN und dieses den Charakteren Vorteile einbringt.
Und wie Du schon sagst, was sie damit anfangen, ist ihnen überlassen, auch klassisch dürfen sie ihr moralisches Dilemma nach eigenem Gusto lösen.

Zitat
An dem Punkt knabbere ich ziemlich herum. Traditionell würde ich es ebenfalls so sehen, dass der Storytelling-Spieltil äußerst würfelfeindlich ist, selbst wenn die Spiele, die ich damit in Verbindung bringen würde (und dazu gehört für mich auch DSA) ausgesprochen würfellastige Mechanismen (z.B. 3W20) haben. Storyteller, mit denen ich mich gestritten habe, haben idR darauf beharrt, dass sie ihr Spiel nicht durch "das Diktat der Würfel" beeinträchtigt sehen wollen. Gewürfelt wird nur für Nebenangelegenheiten.

Eine mögliche Lösung wäre hier, die Gesamtheit aller möglichen Storyentwicklungen als "die Story" zu betrachten und somit die Würfelergebnisse in die Story einzubeziehen.