I'm gonna marry the night,
I want give up all my life
Grüße aus den staubigen, geisterhaften Tiefen der Unterwelt, geschätzte Leserinnen und Leser.
Vorletztes Wochenende Irgendwann letzten Monat haben wir unseren ersten Spielabend abgehalten, obwohl es sich eher wie die zweite Hälfte des ersten Spielabends anfühlte. Es ist also nicht so viel passiert, weswegen ich euch die Kurzfassung gebe. Ein großer Teil des Spielabends wurde zur Abrundung der Geschehnisse, zur Zusammenfassung der letzten Runde – es war ja auch schon ein wenig her, dass wir zuletzt gespielt hatten. Außerdem haben wir uns lange nicht gesehen, viel herumgelabbert und einige Regeltexte gedruckt und Regelimplementierungen besprochen – das muss beim nächsten Mal oder im Vorfeld noch ausführlicher geschehen.
Wir begannen mit einer kurzen Zusammenfassung des letzten Spielabends – eigentlich im Nachhinein nicht in meinem Sinne, wollte ich doch die Zusammenfassung der Geschehnisse der letzten Sitzung organisch ins eigentliche Spiel einweben, indem ich die Charaktere bei ihrer vollständigen Werdung zu Streitern der Nimmergeborenen (http://wiki.white-wolf.com/exalted/index.php?title=Neverborn) mit Szenen aus ihrer Vergangenheit konfrontieren wollte. Sei es, wie es sei: Wir tauchten nochmals in die Geschichte von Hungriger Wind und der Rebellion des Grünen Banners ein und pausierten hin und wieder um ein paar OT-Gedanken dazu loszuwerden. Tatsächlich kam es während dieser Phase zu einigen Änderungen auf Spielerwunsch:
- Unser Meister des religiösen Zeremoniells wollte doch nicht verbrannt werden – stattdessen schlug er vor, dass Hungriger Wind seinen Körper in fünf Teile habe reißen und diese im wahrsten Sinne des Wortes in alle Himmelsrichtungen verteilen lassen. Was dieser Umstand genau bewirkt: Da die Todesfürstin nur vier seiner Körperteile wieder beschaffen konnte, hat der SC anstelle eines Kopfes nur diffuse Schwärze, die er mit einer Maske (oder besser: Masken... eine für jede Emotion) kaschiert
- Wir haben noch einen Verbindungspunkt zwischen dem Leibarzt und der Anführerin der Garde gefunden; wie die aber genau aussah, da muss ich nochmal in mich gehen
- Der Spieler unseres Meuchelmörders ist sich nicht sicher, ob sein Charakter nicht doch lieber weiblich sein sollte – und beantwortet ist diese Frage auch nach dem letzten Spielabend noch nicht. Der Würfel sagt klar „männlich“, aber ich habe den Eindruck, dass der Spieler sowieso noch Schwierigkeiten mit seinem Charakter hat.
- Die Frau unseres Leibarztes ist gestorben, ebenso wie unser Leibarzt selbst. Auch das wird in der Unterwelt noch zu Stoff für Drama werden.
Nachdem das Vorgeplänkel abgeschlossen war, fuhr ich mit der ersten wirklichen Intime-Szene dieser Runde fort. Als Einstieg wählte ich eine Szene direkt nach dem Tod der Charaktere:
Am Anfang war nur Dunkel. Im Schwebezustand zwischen Leben und Tod gefangen, treiben die Charaktere in der endlosen Schwärze des Nichts umher. Ihren Körper haben sie hinter sich gelassen, sie sehen nicht, sie spüren nur. Sie sind allein mit ihren Gedanken, – lange, lange allein. Dann eine Gestalt, die vor ihnen aus dem Schatten fließt. Eine hochgewachsene Frau, über und über gehüllt in Trauergewänder und Schleier, die ihr Antlitz vollkommen verdecken. Sie spricht mit einer Stimme, die ernst ist, keine Worte des Trostes verliert, die Wärme des Lebens vermissen lässt. Sie spricht von dem, was geschehen ist, davon, was die Charaktere hätten erreichen können, wie es ihnen genommen wurde, bevor ihre große Zeit kam. Sie unterbreitet jedem der kürzlich Verstorbenen ein Angebot: Sie würde ihnen Macht zuteil werden lassen, Einsichten in das Wesen von Leben und Tod, Möglichkeiten, die sie zu Lebzeiten niemals hatten. Als schaue sie ihnen direkt ins Herz spricht sie von den Dingen, die die vier Gestorbenen umtreiben: Von Liebe und Familie, aber auch von Gefühlen der Rache und des Verlusts. Zu jedem kommt sie einzeln und alle willigen sie in ihren Handel ein: Die Mächte der Unterwelt gegen das Versprechen, diese kryptische Gestalt von nunan ihre Gebieterin zu nennen. Ohne Zögern stimmt Hungriger Wind's Meister des religiösen Zeremoniells zu: Woran er einst glaubte, stellte sich als falsch heraus, denn nicht die Wiedergeburt als ein Drachenblütiger erwartete ihn, sondern eine gespenstische Zwischenwelt. Auch der Leibarzt verpflichtet sich ohne viel Federlesen, versprechen die arkanen Geheimnisse, die in den Landen der Toten auf ihn warten doch die Erkenntnisse, die er braucht, um seiner Frau zu helfen. Der Meuchelmörder zögert länger, bedeutet die Macht, die er erhält, ihm nicht viel. Doch die Frau im Totengewand weiß ihn zu überzeugen, wenn sie ihm verspricht, dass sie ihm helfen würde, seine wirren Gedanken und Gefühle über die flüchtige Königin zu verstehen. Die Anführerin der Leibgarde des gefallenen Herrschers hadert am längsten mit ihrer Entscheidung. Sie stellt ihrem Gegenüber Fragen um Treue, Moral und persönliche Freiheit. Erst als die geisterhafte Frau verspricht, ihre Schützlinge zu nichts zu zwingen, zu nichts zwingen zu können, willigt auch die letzte der gefallenen Helden ein und geht durch die Schwärze der Zwischenwelt hinüber in die Unterwelt.
Hier habe ich erst einmal geschlossen und mit einer kurzen Beschreibung der Unterwelt weitergemacht. Ich erklärte den Zyklus der Reinkarnation, was es bedeutet ein Geist zu sein und wie die Unterwelt aufgebaut ist. Weiterhin habe ich eine kurze Zusammenfassung der folgenden Geschehnisse gegeben. Die verschleierte Frau gestand jedem ihrer neuen Schützlinge ein eigenes kleines Anwesen zu, dass sich in Nähe des dunklen Spiegelbilds von Kusuinaka, genannt Das Mar der Tausend Lichter, befand. Die Charaktere wurden zunächst isoliert voneinander von als die Todesfürstin mit Namen Dame von Rubin und kaltem Nebel zu erkennen gab – ihre Schleier trug sie jedoch weiterhin. Auch mussten die Charaktere feststellen, dass sie durchaus noch am Leben waren und auch Essen, Trinken und Schlafen mussten wie ein Lebender. Unter Mühen wurde Nahrung aus der Welt der Lebenden in die Unterwelt gebracht, um sie zu ernähren. Nachdem jeder Spieler noch die Gelegenheit hatte, Dinge, die ihm auf der Seele brannten zu fragen – über die Unterwelt, die Todesfürstin, etc. fuhren wir dann aber fort zur heiß ersehnten Reunion Scene:
Stygia. Die Metropole der Toten. Hier im Herzen der Unterwelt, auf der stygischen Insel, an den Mündungen des Flusses Styx, den bodenlosen Abgrund der Vergessenheit umkränzend, sammeln sich Verstorbene aus aller Herren Länder. Schrecken aus dem Labyrinth teilen sich die Straße und gelegentlich das Gebet mit frisch hinübergegangenen Geistern, die noch ihren Platz in der Welt jenseits des Leichentuchs finden müssen. Schwarz und riesenhaft erheben sich die Türme von V'ijea, dem Geschäftsdistrikt von Stygia, während die Seelenstahlschmieden der Straße der Schwerter Tag und Nacht mit einem eisigen, blutroten Feuer glühen und sich die Ärmsten unter den Toten im Distrikt Klein-Schuh auf engstem Raum aneinanderschmiegen. Über all dem thront der Kalender des Setesh, ein gigantisches, uhrenartiges Konstrukt, dessen Spitze den Himmel berührt und das Wetter und die Jahreszeiten in der Unterwelt lenkt – ohne dieses Artefakt würde keine Zeit in der Unterwelt vergehen.
Hierher lässt die Dame von Rubin und kaltem Nebel ihre neuen Diener bringen. Jeder von ihnen reist für sich allein an, begleitet von einer Entourage aus Geistern. Jeder von ihnen erhält ein separates Gebäude auf dem stygischen Anwesen der Dame und wieder begegnen sich die Charaktere vorerst nicht, obwohl sie durchaus bemerken, dass neben ihnen noch andere Schützlinge der Dame vor Ort zu sein scheinen. Schließlich werden alle in einen eigenen kleinen Verschlag geführt, der durch eine Tür mit einem großen Versammlungsraum verbunden ist. Die Türen werden gleichzeitig geöffnet und die Charaktere treten einander zum ersten Mal seit dem Fall von Kosuinaka unter die Augen. Das Wiedersehen fällt gewohnheitsgemäß verhalten aus und Gesprächsthema Nummer eins ist zunächst, wer wen aus welchem Grund umgebracht hat. Die Spieler nutzen außerdem die Gelegenheit, sich gegenseitig ihre Charaktere zu beschreiben. Das will ich an dieser Stelle auch tun.
Als bei den Wiedervereinten die Frage aufkommt, warum sich alle an diesem Ort wiedersehen, tritt die Dame von Rubin und kaltem Nebel aus dem Schatten und erklärt in knappen Worten, das sie mit jedem der Anwesenden ihren Pakt geschlossen hat und sie nun bittet, sie zu begleiten.
Im Gefolge ihrer Todesfürstin durchstreifen die Charaktere also die engen Straßen von Stygia und nehmen die Eindrücke der Stadt in sich auf. Am Ende führt die Dame ihre Schützlinge zum Zentrum der Metropole, wo sich ein mehrere Meilen messender Abgrund befindet: Die Quelle der Leere. Die Kälte der Nichtexistenz steigt aus diesem bodenlosen Loch empor, doch krude Stufen sind in den schwarzen Fels gehauen worden, die am Rand hinabführen. Geisterhafte Wachen versperren den Abstieg, doch sie machen wortlos Platz, als die Todesfürstin sich anschickt, die Treppen in Richtung Leere hinabzusteigen. Die Charaktere folgen ihr wortlos, zögernd, denn je tiefer sie hinabsteigen, desto geisterhafter und unwirtlicher wird die Umgebung. An den Felswänden drängen sich instabile Gerüste und Brücken, aber auch Minenschächte und von kaltweißen Grablichtern erhellte Tempelanlagen. Nach einem langen Weg nach unten und vielen erläuternden Worten, tritt die Todesfürstin schließlich in eine Öffnung in der Wand ein und führt die Charaktere so direkt in die Korridore des Labyrinths, des schrecklichen Unterbewusstseins der schlafenden Nimmergeborenen. Tiefer und tiefer geht es hinab und mehr und mehr scheint sich die Gruppe voneinander zu entfernen, bis alles, was die Charaktere wahrnehmen nur noch das fahl glimmende Licht der Laterne der Dame ist. Dennoch kämpfen sie sich voran, während Szenen aus ihrem vergangenen Leben an ihnen vorüberziehen.
Jeder Spieler nutzt hier noch einmal die Gelegenheit noch ein paar Worte darüber zu verlieren, was seinen Charakter so umtreibt. Ursprünglich wollte ich an dieser Stelle tiefer in die Vorgeschichte jedes einzelnen Charakters einsteigen, doch es war bereits spät und das hätte den Rahmen gesprengt. Am Ende des Trips ist die Todesfürstin mit ihren Schützlingen wahrhaftig an der Quelle der Leere angekommen. Vor ihren Schützlingen erheben sich die urtümlichen Gräber der Nimmergeborenen, doch nur wenig ist von ihnen zu sehen, denn finsterste Schwärze erfüllt diesen Ort. Die Todesfürstin hält jedem kurze Ansprache an deren Ende sie jeden in die endlose Schwärze entsendet. Dort, am Ende aller Dinge, sollen die Charaktere ihren Namen opfern und die Macht erhalten, die die Todefürstin ihnen versprochen hatte. In der Dunkelheit des Nichtseins sollen die Charaktere wiedergeboren werden. Alle tun es, schreiten in die Schwärze hinaus, um den dunklen Gottheiten der Unterwelt ihre Vergangenheit zu opfern.
An dieser Stelle haben wir den Spielabend beendet. Wir haben uns entschieden absichtlich nicht zu thematisieren, was genau in der Dunkelheit passiert ist und wie die Opferung vonstatten ging. Das ist Stoff für eventuelle traumatisierende Rückblenden. Im Anschluss haben wir schonmal ein wenig Hand an die Charaktere gelegt und uns zumindest schon einmal den Aspektteil auf dem Charakterblatt vorgenommen. Es ist noch nichts in Stein gemeißelt, aber so sehen die Charaktere bislang aus:
(Kurz zur Erklärung: Konzept-Aspekte beschreiben in ein paar Worten das High Concept des Charakters. Anima-Aspekte gehen auf die Kaste des Charakters ein und wie er zu dieser Kaste steht. Hingabe-Aspekten thematisieren etwas, was die Charaktere aus ihrem alten Leben an Tugend mitgenommen haben, ein Ideal, wofür sie einstehen. Freie Aspekte sind genau das...)
Schälende Klinge unschuldigen Blutes (Kaste des Abendrots; Leibgardistin)
Konzept-Aspekt: Der treue Schwertarm der Dame - Nutzen: Unerschütterliche Treue, Respekt in der Unterwelt
- Reizen: Fragloses Akzeptieren von Befehlen
Anima-Aspekt: Das Abendrot bringt rasch den Tod- Nutzen: Verwundbare Stellen beim Gegner finden; dem Feind kein unnötiges Leid zufügen
- Reizen: Schnelligkeit vor Genauigkeit; sich hetzen; Leiden beenden, wo sie nicht soll
Hingabe-Aspekt: Des Bauern Freund, des Kriegers Feind- Nutzen: Unschuldige Beschützen
- Reizen: Erbarmungslos in der Schlacht
Freier Aspekt: Auf dem Weg zur Perfektion- Nutzen: Dinge mit größter Perfektion durchführen; sich selbst zu Höchstleistungen antreiben
- Reizen: Nicht mit sich selbst zufrieden sein; Dinge zu genau erledigen
Schattenkettender Spiegel der Vergiftung (Kaste des Tages; Meuchelmörder)
Konzept-Aspekt: Heimtückisches Messer aus dem Hintergrund- Nutzen: Hinterhalte legen
- Reizen: Schlecht bei direkten Angriffen?
Anima-Aspekt: Wandelt als Schatten zwischen den Lebenden- Nutzen: Nicht bemerkt werden; als einer der Lebenden akzeptiert werden
- Reizen: Wenig sozialen Impact auf andere Leute
Hingabe-Aspekt: Zwei Leben, zwei Zeitalter, eine Liebe- Nutzen: Dinge tun, die seine wahre Liebe begünstigen; Erinnerungen ans erste Zeitalter
- Reizen: Dinge für seine wahre Liebe tun müssen; seine wahre Liebe schützen müssen
Freier Aspekt: Einzelgänger- Nutzen: Kann Dinge gut allein machen
- Reizen: Lehnt Hilfe ab
Blutroter Sturm der geraubten Gesichter (Kaste der Mitternacht; Priester)Konzept-Aspekt: Konvertierter Priester aus der Provinz- Nutzen: Dinge, die mit Religion oder dem einfachen Leben zu tun haben, können
- Reizen: Glaubensprüfungen; Hinterwäldlertum
Anima-Aspekt: An der Schwelle zum Abgrund- Nutzen: Dinge, die mit der Leere zu tun haben wissen und verstehen
- Reizen: Verblendungen/Wahnsinn durch die Leere; Visionen, etc.
Hingabe-Aspekt: Rache für meine geliebte Schwester- Nutzen: Dinge tun, die diese Rache befördern
- Reizen: Jede Gelegenheit nutzen, um diese Rache zu verfolgen
Freier Aspekt: Kopflos, nicht geistlos- Nutzen: Lügen/Bluffen; Intelligenz; Einschüchtern
- Reizen: Entscheidungen schnell treffen; soziale Nachteile (kein Kopf!)
Freier Aspekt: Wandler in den Totenreichen- Nutzen: Kennt sich in der Unterwelt aus; hat viele Kontakte unter Geistern
- Reizen: Wird oft wiedererkannt; schwächelt stark in der Oberwelt
Finsterer Gebieter über Seelen und Knochen (Kaste des Tagesanbruchs; Leibarzt)Konzept-Aspekt: Nekromant auf der Suche nach ewigem Leben- Nutzen: Nekromantie nutzen; Kenntnisse über das Leben und das Lebendige
- Reizen: Jede Gelegenheit ergreifen diese Suche fortzusetzen oder zu fördern
Anima-Aspekt: Dürsten nach Wissen und Antworten bei Tagesanbruch- Nutzen: Belesenheit; Wissen abrufen
- Reizen: Neugier
Hingabe-Aspekt: Für sie gehe ich über Leichen- Nutzen: Alles für seine Frau tun; Skrupel überwinden
- Reizen: Gefahren missachten; wirklich alles für seine Frau tun
Freier Aspekt: Auch Tote sind Menschen- Nutzen: Empathie, Verständnis
- Reizen: Helfersyndrom
Freier Aspekt: Gott in Weiß- Nutzen: Gesundes Ego; Respekt
- Reizen: Maßlose Selbstüberschätzung
Das ist also, was am Ende des Abends zu nachtschlafener Stunde da rausgekommen ist... die Aspekte und genauen Konzepte sind aktuell nur Rough Drafts... es wiederholen sich einige Motive, die Sachen sind noch nicht auf den Punkt formuliert, etc. Ich nehme aber an, dass das mit der Zeit kommt. Diese Woche Freitag spielen wir wieder; da werden wir an dieser Stelle nochmal einsteigen! :)
Wow, mehr als 60 Tage ist der letzte Eintrag schon her. Insofern ist für die geschätzten Mitlesern (bitte Hände hoch!) vielleicht eine gute Nachricht, zu erfahren, dass es doch weitergegangen ist. Es ist zwischenzeitlich einfach 3x ausgefallen oder so, aber jetzt hat sich meine Gruppe endlich mal wieder zusammenfinden können und weitergemacht. Leider jedoch mit zeitlicher Verzögerung, sodass wir von geschätzten 5 Stunden insgesamt nur 2,5 zur Verfügung hatten. Ärgerlich, aber hey, was soll man machen. (Bitte schaut euch auch noch einmal den Post davor an, denn unsere Mitternachtskaste hat inzwischen auch einen schicken Titel).
Wie sich manche erinnern werden, endete der letzte Spielabend damit, dass die SCs in die endlose Finsternis schritten, um den Nimmergeborenen (http://wiki.white-wolf.com/exalted/index.php?title=Neverborn) ihre Seelen zu opfern. Was dabei genau geschehen ist und wie es genau geschehen ist, habe ich zu Beginn des letzten Spielabends bewusst im Dunkeln gelassen (pun intended). Soviel sei gesagt: Es war eine traumatische Erfahrung, von denen ich und die Spieler der Ansicht sind, dass ihre Charaktere sie tief in ihrem Unterbewusstsein vergraben haben – guter Stoff für gelegentliche Visionen und Flashbacks also, zum Beispiel wenn die Charaktere Resonanz ausbluten müssen. Aber dazu beizeiten mehr. Die erste Szene spielt also zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt nach den Geschehnissen im Labyrinth (http://wiki.white-wolf.com/exalted/index.php?title=Labyrinth).
Der Geruch von Weihrauch und verbranntem Fleisch brennt in der Nase der Erhabenen, als sie die Augen aufschlagen. Eben noch schlafend erwachen sie, geweckt von den monotonen Gesängen der geisterhaften Betenden, die sich um ihre Ruhestätten versammelt haben. Sie sind im Halbkreis in einem leeren Raum angeordnet. Zur Mitte hin senkt die Decke sich ab und lässt eine einzelne, stachelartige Steinspitze nach unten ragen und einer gleichartigen, die sich vom Boden emporhebt, begegnen. Dort, wo sich die beiden Spitzen treffen, schwebt ein milchig weißer Kristall, kaum größer als eine Münze, aus dem ein fahler Schein bricht. Langsam gewöhnen sich die Augen der Erwachten an das flackernde Licht. Sie erkennen, dass sie alle in verzierten Sarkophargen zur Ruhe gebettet waren. Sie bestehen aus Onyx, Obsidian und Salzkristall, doch auch Knochen und einem schwärzlicher Stahl, von dem eine magische Kälte ausgeht. Die Särge besitzen keinen zusammenhängenden Deckel, sondern ihr Verschluss ist gleich den einzelnen Blättern einer Blüte zur Seite gefaltet – den Sarg zu schließen ist somit ein komplexes Steckpuzzle. Auf dem Kopfstück prangt das entsprechende Kastenmal (http://wiki.white-wolf.com/exalted/index.php?title=Caste_Mark#Abyssal_Caste_Marks) des in dem Sarg ruhenden Todesritters, aus Rubin geschliffen.
Als die Erhabenen sich aufrichten, bemerken sie, dass ihr ungewöhnliches Nachtlager auf einem niedrig aufgetürmten Berg aus verschiedensten Grabbeigaben ruht: Welke Blumen, geschnitzte Knochen, zerrupfte Stoffe, herrlich duftende Gewürze und Kräuter und zerbrochenes Steingut. Doch auch einige ganz persönliche Opfergaben sind hier zu finden. So stellt die Schälende Klinge unschuldigen Blutes fest, dass ein makelloses Schwert vor ihrem Sarg steckt, direkt im Kadaver eines verbrannten Tieres – von dessen Fleisch sie sogleich kostet, während sie ihre neue Waffe gürtet. Sie passt hervorragend zu der neuen, ebenso hervorragend gearbeiteten Rüstung, die sie nun an ihrem Leib bemerkt. Diese Gegenstände haben Macht, das spürt sie ganz deutlich. Und auch die anderen magischen Schwingungen in diesem Raum spüren sie. Doch was sie und auch die anderen Erhabenen ihres Zirkels am deutlichsten spüren, ist ihre eigene Macht, die Essenz, die in ihrer Seele, ihrer Anima pulsiert. Der Blutrote Sturm der Geraubten Gesichter findet auf seinem Grabhügel ein gigantisches Shuriken, ebenfalls aus schwarzem Stahl, der hin und wieder kreischt oder kindlich lacht und dessen Spitzen in blauen Flammen enden. Er nimmt auch ein paar der zahlreichen Totenmasken an sich, die zu seinen Ehren auf seinem Grabhügel niedergelegt wurden. Auch der Finstere Gebieter über Seelen und Knochen nimmt sich ein in Leder gehülltes und mit edlem Metall beschlagenes Buch sowie einen fast mannshohen, verzierten Stab, der ein eigentlich ein einzelner Knochen zu sein scheint – von einer Kreatur, die niemals lebendig auf der Schöpfung wandelte. Das, was dem Schattenkettenden Spiegel der Vergiftung auf den Weg mitgegeben wurde, trägt dieser bereits am Leib: Ein paar bequeme Tabisocken, die aus schwarzem Stoff bestehen und mit Bildern von Schwänen bestickt sind, welche von Fäden dunklen Silbers eingefasst und gebunden werden. Während die Abgründigen von ihren Grabmalen herunterschreiten, öffnet sich die sich oben in der Dunkelheit verlierende, riesige Flügeltür und eine ihnen wohlvertraute Person betritt die Szenerie: Die Dame von Rubin und kaltem Nebel.
Für alle Kenner des Settings: Die Spielercharaktere sind gerade ihren Monstranzen der himmlischen Abkehr (http://wiki.white-wolf.com/exalted/index.php?title=Monstrance_of_Celestial_Portion) entstiegen, in denen sie nach ihren Begegnungen mit Der, deren Flüstern fesselt (der Nimmergeborenen, der die Dame von Rubin und kaltem Nebel dient) ausruhten und neue Kraft sammelten. Sie lagen gut einige Tage darin, gefangen in traumlosem Schlaf. Ich nehme mir hier ein paar Freiheiten, was die Abyssal-Werdung angeht und folge nicht streng dem Kanon.
Die eingesammelten Gegenstände sind im Übrigen Artefakte, also magische Gegenstände, die mit der Essenz ihres Trägers gespeist werden. Dazu kurz eine Regelübersicht: In meiner Runde setzen wir Charms als Stunts um, da mir das am ehesten entgegenkommt, will ich Charms doch als kleine kung-fu-technik-artige Tricks einsetzen, die an die Fertigkeiten gebunden sind. Refresh für Charms gibt es bei mir nicht, stattdessen ordne ich Charms in einer Pyramide an, die bei der Essenzstufe der Charaktere endet. Essenz ist also im Prinzip eine Fertigkeit, steht aber außerhalb der Fertigkeitspyramide. Bei den SCs in dieser Runde beginnt sie bei +3. Jeder Charm hat eine Essenzstufe, die auch angibt, wie krass das ist, was er so tun kann: Ich habe im Vorfeld eine Liste mit Effekten gemacht. Essenzstufe 1-Charms funktionieren wie die regulären Stunts, bei höheren Essenzstufen sind einfach die Boni etwas höher (bis +4 bzw. +6). Die Essenzstufe gibt auch an, wie viel Animastress ein Charm anrichtet, damit er eingesetzt werden kann (ein 1er-Charm kostet 1 Stresskästchen, ein 3er-Charm 3; das Prinzip dürfte klar sein). Die Spieler können Animakonsequenzen nehmen, um ihren Essenzstress zu regenerieren – die wären dann das typische helle Leuchten der Aura. Artefakte sind effektiv „Charms zum Mitrumtragen“: Ein Artefakt enthält einen oder mehrere Charms, die ohne Essenzstress zu kassieren aktiviert werden können – dafür blocken sie dauerhaft eine bestimmte Anzahl an Animakonsequenzen. Zusätzliche Animakonsequenzen kann man kriegen, indem man sich Herzsteine besorgt, also Essenzbatterien.
Als die in ihre typischen wallenden Totengewänder gehüllte Dame von Rubin und kaltem Nebel den Raum betritt, verstummen die Geistersänger um die Ruhestätten augenblicklich. Die Todesfürstin tritt zu dem weißen Stein in der Mitte der Kammer und nimmt diesen aus seiner Fassung, nur um ihn zu ihrer Brust zu führen und unter ihren Gewändern verschwinden zu lassen. Augenblicklich wird ihre ganze Gestalt von einem gleißenden, weißen Licht umhüllt und ihre Leichentücher fallen von ihr ab und verflüchtigen sich wie Asche im Wind. Zum ersten Mal sehen die Todesritter das tatsächliche Antlitz ihrer Lehnsherrin (http://www.creativeuncut.com/gallery-09/genji-kuyou.html). Die Schälende Klinge geht vor der Dame auf die Knie und senkt das Haupt, die anderen tun es ihr gleich. Die Dame zeigt sich erfreut ob dieser direkten Loyalitätsbekundung und verliert nicht viele Worte. Sie führt den Zirkel also zunächst aus dem Raum – der hinter den Todesrittern sofort wieder mit dicken magischen Ketten und Bannkreisen versiegelt wird. Dann leitet sie ihre Schützlinge durch ihre Zitadelle, in der Hand eine große Laterne in dessen Mitte der weiße Kristall glüht (dieselbe hatte sie auch im Labyrinth dabei, es handelt sich um die Laterne des Immerlichts, ihr ganz persönliches Artefakt. Die Domäne der Dame befindet sich auf einer Insel inmitten des riesigen Lerne-Sees. An die Mauern der Burg von recht eigenwilliger Bauweise drängen sich hölzerne Hütten und Häuser der Gefolgsleute der Dame und ein Labyrinth aus Stegen, Brücken und Bootsrouten schlängelt sich auf dem spiegelglatten Wasser in Richtung der Ufer – all das erleuchtet von fahlen Laternen, die wirken wie gespenstische Glühwürmchen in einem Meer aus Schwärze.
(https://dl.dropboxusercontent.com/u/2460694/Ruins_by_the_lake_2d_fantasy_moon_landscape_ruins_lake_picture_image_digital_art.jpg)
Geisterhafte Fährmänner lenken ihre Kähne durch das Wasser, während in der Ferne die Konturen des toten Kusuinaka ausgemacht werden können, jener großen Nekropole, die halb auf Wasser, halb auf Land, das Zentrum dieses Teils der Unterwelt darstellt. Die Dame von Rubin und kaltem Nebel führt ihre Todesritter auf die Zinnen ihrer Burg und zeigt ihnen dieses Bild, nur um sich mit dem ersten Auftrag an sie zu wenden:
„Seht ihr diese Stadt, das tote Kusuinaka. Ich heiße euch, diese Stadt unter meine Kontrolle zu bringen. Ich will ihre Geschicke lenken und sie zu meinen Verbündeten zählen. Doch gebt acht, denn seit den Tagen der Rebellion auf der Schöpfung hat sie sich verändert. Ich weiß nicht, wer mir dort wohlgesonnen ist oder wer feindselig. Und vielleicht treibt auch noch Hungriger Wind dort sein Unwesen. Brecht auf, wenn ihr euch bereit fühlt, meine Feste steht euch offen, auch wenn ihr demnächst eure eigenen Quartiere einrichten müsst.“
Mehr Worte waren auch gar nicht nötig: Die Todesritter brennen darauf aktiv zu werden und in das tote Abbild ihrer Heimatstadt zurückzukehren. Zunächst nutzen sie aber die Zeit, um sich auszurüsten und sich mit der Zitadelle ihrer Fürstin vertraut zu machen. Der Blutrote Sturm der geraubten Gesichter und der Finstere Gebieter über Seelen und Knochen verschwinden sofort in der Bibliothek, um etwas über die Umgebung in Erfahrung zu bringen. Letzterer wird jedoch dort auf jemanden treffen, mit dem er nicht gerechnet hat. Zunächst ist es nur ein Flüstern, eine Stimme im Wind, die in sein Ohr säuselt. „Ich bin noch hier, Liebster“, haucht sie und der Todesritter schreckt beinahe in seinem Stuhl hoch, als er die Worte als die seiner verstorbenen Frau Yumiko erkennt, für deren Krankheit er einst so verbissen nach einem Heilmittel suchte. Doch bevor er sie zu fassen kriegt, entschwindet sie wieder. Der Finstere Gebieter vergräbt sich also sogleich in Studien über Geister und ihr Wesen, auch wenn er dabei seine Gefährten warten lässt.
Gute Gelegenheit, das Würfelsystem zu erklären. Ich verlange eine einfache Probe auf Okkultismus gegen +1. Der Spieler schafft sie direkt mal mit Stil, weswegen er nicht nur herausfindet, dass es sich beim Geist seiner Frau um einen Nemissär handelt, eine spezielle Form eines Geistes, welcher keinen Korpus besitzt und nicht mehr ist als eine Stimme im Grabwind. Nemissäre haben allerdings die einzigartige Fähigkeit, in tote (und bei höherer Meisterschaft auch lebendige) Leiber zu fahren und sie zu kontrollieren. Als Bonus für das „mit Stil“ gebe ich noch die Details für ein Ritual oben drauf, mit dem der Finstere Gebieter seine Frau zu sich beschwören kann. Natürlich wird der Ritus direkt in die Tat umgesetzt und es kommt zu einem Wiedersehenhören der beiden getrennten Eheleute. Yumiko erzählt, dass die Todesfürstin sie gefunden und hierher gebracht hat, dass sie selbst aber ihren neuen Seinszustand noch nicht gut kontrollieren könne. Sie bittet ihren Mann nicht explizit um einen Körper, aber natürlich steht dies von jetzt an ganz oben auf der To-Do-Liste seines Spielers. Als dann aber die Schälende Klinge ein wenig ungeduldig wird, macht sich auch der Finstere Gebieter zum Aufbruch bereit.
Der Weg ins tote Kusuinaka führt den Zirkel über die stillen Wogen des Lerne-Sees. Sie entscheiden sich für eine Überfahrt mit einem der Fährmänner, welcher sogleich einen üblichen Obolus verlangt: Eine Erinnerung von einem der Bittsteller. Der Blutrote Sturm der geraubten Gesichter kann ihn auf eine triviale Erinnerung herunterhandeln und der Fährmann entzieht ihm diese (er greift dafür in den Mund von dessen Maske und zieht einen leuchtend blauen Schmetterling heraus, den er in einem Beutelchen mit vielen gleichartigen Schmetterlingen verstaut). Dann setzt er den Zirkel über. Schon von Weitem können die Todesritter den turmhohen Palast von Hungriger Wind ausmachen, der im Gegensatz zu seinem Äquivalent in der Welt der Lebenden, noch immer vollkommen intakt das Stadtzentrum überragt.
(http://fc07.deviantart.net/fs71/i/2012/149/2/6/keth_by_sedeptra-d51j1af.jpg)
Der Seehafen des toten Kusuinaka sieht hohe Betriebsamkeit und auch sonst scheint die Stadt geschäftig zu sein. Marktstände und Handwerksbetriebe drängen sich in den Gassen und immer wieder kreuzen Geister in den Uniformen der Messer in der Nacht oder des Grünen Banners, die aber keine Anstalten machen, in Gewalt auszubrechen. Einige Viertel scheinen aber mehr in der Hand der einen, andere in der Hand der anderen zu sein. Den Zirkel zieht es aber sogleich in Richtung des Markplatzes am Fuße der Burg von Hungriger Wind, doch je näher sie diesem kommen, desto spärlicher wird die Bevölkerungsdichte: Die Geister in den Straßen direkt um ihn herum halten ihre Fenster geschlossen oder meiden diesen Ort offen. Nur ein paar wenige Seelen sind also auf dem Platz zu sehen, als der Zirkel dort eintrifft. Doch es dauert nur ein paar Augenblicke, dann füllt er sich. Von der Innenstadt her stürmen unter gebrüllten Parolen Geister unter den Farben des Grünen Banners auf den Platz, während das sich nun langsam öffnende Palasttor geisterhafte Soldaten der Königsgarde freigibt. Beide Gruppen beginnen sofort sich ein erbittertes Gefecht zu liefern und auch umstehende Zivilisten in Mitleidenschaft zu ziehen. Tote unter den Kämpfenden fallen zu Boden und lösen sich in Rauch auf.
Der Zirkel hätte eigentlich beschlossen, sich aus der Sache rauszuhalten, doch der Blutrote Sturm bietet mir einen Compel an: Er will „Rache für seine geliebte Schwester“ (eine der Ehefrauen von Hungriger Wind, wir erinnern uns) und lässt sich so leicht hinreißen auf Seiten der Rebellen gegen den Palast zu stürmen. Willkommene Möglichkeit für mich, das Kampfsystem zu erklären. Rasch also drei Zonen auf die laminierte Hexmap gepinselt und die Kacke dampfen lassen. Sowohl die Soldaten der Königsgarde, als auch die des Grünen Banners sind Nameless NPCs von +2 Qualität und alle SCs mischen ordentlich mit. Auch ein paar Charms fliegen durch die Gegend: So besiegt die Schälende Klinge dank ihres Artefaktes ihre Gegner ohne schwer zu atmen und der Blutrote Sturm zieht irgendwann spontan einen sozialen Angriff aus dem Hut. Der Schattenkettende Spiegel hält sich mit dem Hauptgeschehen gar nicht lange auf, sondern betritt dank seines Artefaktes und eines gelungenen Akrobatik-Wurfes gegen eine +2er-Barriere direkt die Burg, um seinen Gefährten das Tor zu öffnen. Drinnen erwartet ihn aber eine verstorbene Abordnung der Messer in der Nacht (jener Geheimpolizei, der er einst selbst angehörte). Doch die zieht er dank gelungenem Wurf (inklusive ausgenutztem Aspekt: Er macht das alles ganz alleine, also kommt „Einzelgänger“ zum Tragen, obwohl ich das Gefühl habe, diesen Aspekt noch einschränken zu müssen) schnell auf seine Seite. Er lässt sie dann in der Burg ausschwärmen, damit er sie schnell einzeln um die Ecke bringen kann.
Soweit kommt es aber nicht, denn inzwischen hat sich draußen das Blatt gewendet. Der Finstere Gebieter ist in arger Bedrängnis von den Rebellen, die ihn als Mitglied von Hungriger Winds Hofstaat erkennen. Um ein Haar kassiert er seine erste Milde Konsequenz, baut dann aber nochmal seine Fertigkeiten um, da er feststellen musste, dass es ihm an „Nahkampf“ gebricht. Noch ein Aspekt in den Ring geworfen und der Wunde wurde mit Erfolg getrotzt. Doch nun gehen die Schälende Klinge und der Blutrote Sturm einhellig auch auf die Rebellen los und schalten so nicht nur eine, sondern gleich zwei Armeen aus. Die Burg steht offen.
Im Inneren des Palastes von Hungriger Wind herrscht Leere, doch sind die Gänge und Gemächer noch immer so, wie er sie hinterlassen hat. Der Schattenkettende Spiegel der Vergiftung hat seine Untergebenen zwar Ausschwärmen lassen, doch scheinen sie mit einem Male spurlos verschwunden, wie Schatten nach Sonnenuntergang. Dafür durchschreiten aber seine Zirkelkameraden das für sie geöffnete Tor und schließen im Palastinneren zum Erhabenen des Tages auf. Kaum sind sie drinnen, werden sie sofort von einem Diener empfangen, den die Schälende Klinge als ehemaligen Soldaten erkennt, der für Hungriger Wind kämpfte. Dieser regt sich aber zunächst tierisch über den Lärm auf und darüber, dass im ganzen Schloss Meuchelmörder der Messer in der Nacht rumlaufen. Mit vorgehaltener Klinge kann die Schälende Klinge den Dienstboten aber doch davon überzeugen, etwas kooperativer zu sein und den Zirkel seinem Anführer anzukündigen. So führt er den Zirkel tief in die Eingeweide des Schlosses, jedoch nicht nach oben zu den Audienzzimmern, sondern nach unten zu den Gefängnissen und Folterkammern. Wo die Todesritter sich noch wundern, wie die Kellerräume mit königlichem Ornat aufgehübscht wurden – Vasen, Gobelins, Teppiche und Vorhänge verdecken mal recht, mal schlecht die rauen, kalten Wände und Gitter – versetzt sie spätestens der Empfang bei den neuen Herrschern des Palastes sie in blanke Überraschung. Inmitten der Exekutionskammer, in der so viele Feinde und auch Freunde von Hungrigem Wind ihr Leben lassen mussten, stehen fünf reich verzierte Throne mit fünf in königliche Gewänder gehüllten Frauen darauf. Lauthals kündigt ihr Führer an:
„Neigt euer Haupt vor Kamlai, der Zweiten. Vor Lawan, der Dritten. Vor Hien, der Vierten. Vor Ratana, der Fünften. Vor Chimlin, der Sechsten. Erweist dem Konzil der Königinnen eure Ehre!“
Ein schöner Cliffhanger zum Abschluss. Denn die Spielercharaktere erkennen im Konzil der Königinnen fünf der ermordeten Ehefrauen von Hungriger Wind (die erste und die letzte Ehefrau, sind beide noch am Leben). Ob die so gut auf einige ihrer einstigen Peiniger zu sprechen sein werden (besonders auf Blutiger Sturm der geraubten Gesichter, der sie zu Lebzeiten ja erst unfruchtbar gemacht und so den Zorn ihres Ehemanns auf sie erst heraufbeschworen hat) – ich würde das bezweifeln. Aber hey, vielleicht kann man sich ja einig werden.
So von meiner Warte aus bin ich mit dem Spielabend als SL nur einigermaßen zufrieden. Ich habe zu lange gebraucht, um zur Action zu kommen: Ich hatte gedacht eine ausführliche R-Map der NPCs zu machen reicht als Vorbereitung aus, aber ich hätte mir schon ein paar Gedanken über Szenen machen sollen. Fürs nächste Mal will ich daher diese Problems und Story Questions aus dem FATE Core bedienen, um besser vorbereitet zu sein – wenn ich das denn schaffe, denn wir spielen diesen Freitag sofort wieder. Ach ja, wen meine R-Map interessiert, kann sie sich im folgenden Spoiler ansehen. Und keine Panik: Die ganzen Namen ergeben für euch auch irgendwann Sinn. Leute, die zur selben Gruppe gehören, sind aber auch gleich eingefärbt.
(https://dl.dropboxusercontent.com/u/2460694/Nebel%20%C3%BCber%20Wassern%20-%20R-Map.jpg)
Wir schneiden zum Anwesen des Drogen- und Gewürzhändlers Niran Anatasu. Die drachenblütige Missionarin Ragara Tomoko verlässt den Garten zurück auf die Gasse – hinter ihr treten zwei finstere Gestalten aus dem Schatten und klopfen an die Tür des Handelsmagnaten: Die Schälende Klinge unschuldigen Blutes hat den Schattenkettenden Spiegel der Vergiftung davon überzeugt, nicht gewaltsam vorzugehen, sondern den diplomatischen Weg anzustreben – etwas, was der Spiegel überrascht mit dem Kommentar bedachte, er habe die Schälende Klinge von früher anders in Erinnerung und es sei, als habe sie sich geändert, gewandelt (nicht-ahnend, was später im Spielabend noch folgen würde, aber wer hätte das schon wissen können). Und so klopfen die beiden zu so später Stunde an eine große Eichentür. Ein etwas hochnäsig wirkender Diener öffnet und fragt etwas unwirsch, was die nächtliche Störung solle – sein Herr sei bereits zu Bett gegangen. Die Schälende Klinge spannt ein wenig die Muskeln und besteht mit Nachdruck darauf, dass er sie empfängt, nicht zuletzt weil sie wüssten, wie sie seiner Tochter helfen könnten. Der Diener, von seinem Herren als Yugai angesprochen, führt die Abgründigen daraufhin die Treppe nach oben zum Arbeitszimmer Niran Anatasus – der Sterbliche bemerkt gar nicht, dass der Schattenkettende Spiegel der Vergiftung bereits auf halbem Wege in die Schatten tritt und aus dem Sichtfeld verschwindet. Yugai kündigt seinem Herren den Besuch an und bedeutet der Schälenden Klinge, das Arbeitszimmer Niran Anatasus zu betreten. Der alte Händler schließt noch einen Beutel Salz in einen Tresor ein und wendet sich dann seinem Gast zu. Eine rasche Kopfbewegung Nirans und Yugai schließt die Tür hinter sich. Der Kaufmann ist allein mit einer Erhabenen des Abendrots, und einem mittels seiner Animakraft im Schatten verborgenen Erhabenen des Tages. Die Schälende Klinge wartet nicht, bis Niran Anatasu die in der Luft hängende Frage ausspricht: „Wir wissen was mit eurer Tochter passiert ist. Und wir können euch helfen.“ „So nehmt Platz.“ antwortet der alte Anatasu und lässt sich selbst auf dem Stuhl hinter seinem Arbeitstisch nieder. Die Schälende Klinge setzt sich ihm gegenüber. Im flackernden Licht der vielen Kerzen starren sie einander an. Und aus dem Schatten, von einem Bücherregal herab, starrt der Schattenkettende Spiegel mit.
Was folgte war die nach meiner Einschätzung spannendste Szene, die wir bislang haben und es ist regelrecht schade, dass ich hier nur Auszüge wiedergeben kann. Es war der erste soziale Konflikt mit „Fate“, den ich bis zum bitteren Ende durchgezogen habe und die Kontrahenten haben sich nichts geschenkt. Sowohl ich als auch die Spieler hatten es sich einfacher vorgestellt, Niran Anatasu zu überzeugen, aber er hat sich als wirklich harte Nuss erwiesen – seine Werte in sozialen Dingen hatten es einfach in sich. Doch die Spieler haben toll einander zugearbeitet und am Schluss war die Sache sehr, sehr knapp. Zuerst mal die Werte des Kaufmanns, wie ich sie in meinem eigenen Exalted-TiddlyWiki aufführe. Dann versuche ich den Ablauf der Szene zu skizzieren.
Profil
Name: Niran Anatasu
Konzept: Gewürz- und Drogenhändler der Gilde
Splat: Mensch
Alter: Ende 50
Augen: Braun
Haut: Weiß, aber gegerbt von langen Reisen
Haar: Braun, mit grauen Ansätzen
Statur: Alt, rüstig
Stil: Teure Kleidung, die seinen Status als Händler zeigt
Charakter: Weltmännisch, Self-made Man, immer auf Profit aus
Weitere Namen: -
Wichtige Resourcen: Ein großes Vermögen, große Mengen verschiedener östlicher Drogen und Gewürze, ein Salzkontor
Meister: -
Diener: Eine handvoll Leibdiener, eine Gruppe Leibwächter
Verbindungen: Ragara Somchai (Satrap, mit dem er jetzt Geschäfte macht), Malee Anatasu (seine Tochter), Hungriger Wind (früherer Geschäftspartner)
Aspekte
Konzept: Etablierter Kaufmann im Herbst seiner Jahre
- Er hat große finanzielle Mittel und allerlei Drogen oder Gewürze zur Verfügung
- Er genießt einen Ruf als alteingesessene Persönlichkeit der Stadt
- Er hat enorme Lebenserfahrung, doch sein Alter kann auch für Schwierigkeiten sorgen
Hingabe: Mein Geschäft ist mein einziges Vermächtnis
- Sein Ziel ist, sein Familiengeschäft in eine gute Position manövrieren, damit es fortbesteht, wenn er
abtritt
- Das Geschäft steht für ihn an erster Stelle
Freier Aspekt: Zu dem Zeitpunkt noch nicht vorhanden, wurde aber im Laufe der Szene definiert.
Fertigkeiten
+5 Bürokratie
+4 Kontakte, Ressourcen
+3 Integrität, Kunde, Umgangsformen
+2 Aufmerksamkeit, Präsenz, Steuern (Pferd), Täuschung
+1 Handwerk, Nachforschungen, Okkultismus, Resistenz, Steuern (Boot)
1. Phase – Vorstellung
Die Schälende Klinge redet nicht lange um den heißen Brei herum und kommt direkt zur Sache. Sie stellt sich kurz vor, wobei sie betont, dass sie im Auftrag der Dame von Rubin und kaltem Nebel handle. Sie offenbart Niran, sie wisse sehr genau, welches Leiden seine Tochter Malee plage und sie könne ihr wirklich helfen, anders als Ragara Tomoko.
“Es ist eine dunkle Macht, die nach eurer Tochter greift. Und nur dunkle Mächte können ihr helfen.“
Im Gegenzug müsse Niran Anatasu aber seinen Deal mit den Drachenblütigen aufkündigen: Kein Salz mehr für den Tempel und damit auch keine Eindämmung des Schattenlandes mehr. Der anschließende Angriff mit Umgangsformen fördert nicht genug Stress zutage, um Niran auch nur in die Nähe einer Konsequenz zu bringen. Der Schattenkettende Spiegel bleibt weiterhin im Schatten, und erschafft sich mit Heimlichkeit zumindest einen Boost auf seine nächste Aktion – er wird nicht bemerkt. Der alte Kaufmann selbst hört sich die Ausführungen der Schälenden Klinge geduldig an, nimmt ihr aber sogleich den Wind aus den Segeln: Ihm geht es nicht so sehr um seine Tochter, wie man denkt. Sein Geschäft mit den Drachenblütigen sei ihm mit der Zeit immer wichtiger geworden und er gedenkt nicht, sich gegen die neuen Herren von Kusuinaka zu stellen – schon gar nicht für einen Handel, dessen Nutzen für ihn noch sehr unklar ist. Er hat natürlich ein Interesse daran, dass seine Tochter gesundet, aber sein Bündnis mit den Drachenblütigen aufzukündigen... das scheint ihm im Moment zu riskant. Der zu dieser Aussage gehörige soziale Angriff gegen die Schälende Klinge, unterstützt mit einem FATE-Punkt für ein +2 dank seines Aspektes Mein Geschäft ist mein einziges Vermächtnis legt bei der Schälenden Klinge ordentlich vor – das werden harte Verhandlungen.
2. Phase – Team-Work
Die Schälende Klinge greift, irritiert von dieser Reaktion des Kaufmanns, zu dem, worauf sie sich als Kriegerin versteht: Sie packt die alten Kriegsgeschichten aus, berichtet davon, dass ihre Herrin, die Dame von Rubin und Kaltem Nebel, die die Revolution in Kusuinaka erst verursachte. Dass sie selbst, die Schälende Klinge unschuldigen Blutes, eine Erhabene des Abendrots, es gewesen sei, die Hungriger Wind eine Klinge ins Herz rammte. Sie ist die Tyrannenmörderin. Die Erhabene des Abendrots steigt von Umgangsformen auf Präsenz um, was auch ein bisschen besser funktioniert und ihm eine Leichte Konsequenz einbringt. Es geht ein paar Mal hin und her, doch (Würfelpech zum Dank) erweist sich Niran Anatasu immer noch als harter Gegner. Ihn lässt die Skrupellosigkeit der Tyrannenmörderin jedoch kalt, wenn er sie mit seinen aktuellen Geschäftspartnern, den Drachenblütigen, vergleicht:
„Ihr habt einen König getötet, aber sie haben einen König zum Bettler gemacht.“
(Ja, in der Tat, der König des Nachbarlandes, Vater von Bethari und dem Blutroten Gebieter hat den Aspekt „Der Bettelkönig“, da er faktisch gar nicht mehr über die finanziellen Mittel seines Landes gebietet)
Kurzzeitig wendet sich das Blatt nochmal zugunsten Niran Anatasus und auch die Schälende Klinge muss eine Konsequenz einstecken, doch dann tritt der bislang eher untätige Schattenkettende Spiegel der Vergiftung auf den Plan. Wie ein Schatten schwebt er aus dem Dunkel der Ecke herab und tritt ins Licht an Anatasus Seite. Der Spieler nutzt die vorhandenen Boosts aus (was er bei seinem Wurf auch nötig hat) und ändert die Situation vollkommen. Das plötzliche Auftreten des Schattenkettenden Spiegels wird in einen neuen Szenenaspekt gegossen:
Ein Mann gegen zwei Monster
Ab jetzt muss sich Anatasu mit zwei Abgründigen herumschlagen. Doch das intensiviert den Konflikt mehr als dass es ihn löst. Die Schälende Klinge, unterstützt von dem gruseligen Schattenmann am linken Rand, packt die offenen Drohungen aus. Und das klappt auch zunächst, denn “Das Abendrot bringt rasch den Tod“...
3.Phase – Gegenwind
Von den beiden Abgründigen in die Zange genommen sieht es zunächst für den alten Händler nicht gut aus. Die Schälende Klinge setzt ihn mit unterschwelligen Drohungen unter Druck, Niran wird schmerzlich bewusst, dass er es mit Anathema zu tun haben muss. Die Wylde Jagd werde aber kommen. Die Schälende Klinge weiß, was sie zu erwidern hat:
“Anathema ist nur ein Wort, das die Drachenblütigen für die wahrhaft Mächtigen benutzen.“
Dann die Überraschung. Anatasu ändert seine Strategie, er geht in die Offensive, erinnert die Abgründigen an ihre eigenen Aussichten in dieser Stadt. Werden das die Drachenblütigen akzeptieren? Oder die Bevölkerung? Welcher Verbündeten können sie die Abgründigen denn wirklich sicher sein? Ich lasse die FATE-Punkte fliegen und nutze auch bei entsprechenden Argumenten gerne mal „Ein Mann gegen zwei Monster“ aus. Anatasu geht dabei explizit gegen den Schattenkettenden Spiegel vor... bis dieser schließlich um zwei Konsequenzen reicher ist. Er wird „Zweifelnd“ und von den „Schatten seiner Vergangenheit“ geplagt, seine eigenen Verluste und seine Situation treten ihm erneut vor Augen: Er ist allein. Ein Erhabener, aber doch nichts. Er hat nichts mehr, wofür zu sein sich lohnt. Bevor es auf die Schwere Konsequenz zugeht, steigt der Schattenkettende Spiegel aus und verlässt die Szene. (Hier muss man sich echt Gedanken machen, wie eine solche Concession aussieht, wenn nur ein Charakter sie anbietet, der Konflikt aber weitergehen soll). Naja, da waren's nur noch zwei.
4.Phase – Letztes Aufbegehren
Die Schälende Klinge weiß, dass es jetzt drauf ankommt, ihren Gesprächspartner schnell mürbe zu machen, denn auch sie hat im Verlaufe des Gesprächs die ein oder andere Konsequenz erleiden müssen. Nun werden ihre Drohungen konkreter. Sie versichert Niran Anatasu geradezu, dass man sich um ihn kümmern werde, dass der Tod ihn holen werde, sobald die Drachenblütigen nicht mehr sind. Die Unterwelt würde seine Marter werden, denn dort herrscht die Dame von Rubin und kaltem Nebel. Dieses „Argument“ untermalt der Spieler mit einem sehr schönen Bild:
Die Schälende Klinge lehnt sich vor. „Nichts ist mehr wert... ihr nagt am Hungertuch. Und schmiedet in den Feuern des Labyrinths schwarzen Stahl!“ Mit einer abrupten Bewegung zieht die Abgründige ihre Daiklave aus dem Nichts und mit einem Mal verlöschen alle Kerzen im Raum bis auf jene eine zwischen ihr und ihrem Gesprächspartner. Niran Anatasu atmet schwer, und die Waffe der Abgründigen scheint diesen Atem regelrecht zu verschlingen.
Niran Anatasu wird mit einer weiteren Konsequenz geschlagen, doch er hat noch einen Trumpf. Mit allen Mitteln versucht er, die Fassung zu bewahren und findet dann zu seiner argumentativen Stärke zurück. Ich definiere seinen bislang noch leergelassenen Aspekt:
Der Tod war bei uns lange Familiensache
Niran eröffnet der Schälenden Klinge, dass er mit den Regeln der Unterwelt vertraut sei und genau wisse, wie die Geister hausen – immerhin war sein Großvater selbst Bestatter in Sijan, der Stadt der Gräber. Er habe vorgesorgt. Seine üppige Beerdigung werde dafür Sorge tragen, dass er auch im Totenreich seine Machtposition erhalte und auch der Name seines Großvater wiege noch einiges in den lichtlosen Landen. Und auch wenn die Drachenblütigen hier ihre stoische Drachenreligion verbreiten mögen, in der Gebete an die Toten verboten seien: Er habe Leute, die für ihn beten werden. Die Schälende Klinge zeigt sich beeindruckt von dieser Unerschrockenheit, hält aber gegen.
5. Phase – Triumph der Dunkelheit
Die Worte fliegen nur noch so, und am Ende wird es nochmal knapp. Niran ist kurz vor seiner schweren Konsequenz, die Schälende Klinge ist nur noch ein Stresskästchen von ihrer Mittleren entfernt und hat keine FATE-Punkte mehr. Mit dem nächsten Wortwechsel gilt's! Unsere Erhabene des Abgrunds legt noch einmal alles in einen, zugegebenermaßen brachialen, Einschüchterungsversuch:
„Helft ihr den Drachenblütigen, wird es nichts mit den Gebeten. Der Macht der Abgründigen seid ihr nicht gewachsen. Wir werden euch finden und eure Seele in Eisen gießen.“ Mit den letzten Worten bricht blutend ihr Kastenmal auf. Die kleine Flamme der Kerze flackert als würde sie jeden Moment ausgehen und in den Schatten, die sie wirft, manifestieren sich die schemenhaften Alptraumbilder der Anima der Abgründigen.
Ich lasse den Spieler innehalten bevor er würfelt, denn ich erwäge die Concession.
Ich frage in die Runde. Wir entscheiden uns dagegen. Tatsächlich ist der Wurf des Spielers mit +0 nur mäßig erfolgreich.
Ich würfle.
-3.
„Wie soll unser Vertrag lauten...“
Und Schnitt! So ging eine sehr packende Szene zu Ende. Ich fand es im Nachhinein beindruckend, dass ein einfacher Sterblicher gleich zwei Erhabene einigermaßen in Schach halten konnte und das nur, weil unsere Todesritter keine hohen Werte in den sozialen Fertigkeiten oder passende Charms hatten. Eine wirklich schöne Sache war das. Aber the show must go on, also schneiden wir mal kurz zum vorzeitig abgebüchsten Schattenkettenden Spiegel der Vergiftung.
Der vertritt sich auswärts in den Gassen der Stadt etwas die Beine. Gedankenversunken. Einsam. Er lässt sein erstes Treffen mit der Frau nochmal Revue passieren, unterbrochen von nicht einordbaren Fetzen eines früheren Lebens mit ihr. So begegnet er unvermittelt im Schatten einer Brücke, Ragara Tomoko, die ebenfalls noch einmal in den nächtlichen Straßen nach dem Rechten sieht, nachdem sie das Haus von Niran Anatasu verlassen hat. Der Schattenkettende Spiegel versucht ihr im Schatten zu folgen, doch die Ordensnonne bemerkt dies mit scharfem Blick. Für einen Moment ist die Stimmung angespannt, die Zeichen stehen auf Konfrontation, besonders weil Tomoko diese seltsamen Neuankömmlinge in ihrer Stadt mehr und mehr suspekt sind. Doch der Schattenkettende Spiegel hält sich zurück, und versucht in der Tat Tomoko von ihrem Duell mit der Schälenden Klinge abzubringen und sie zum Abzug zu bewegen. Ein kurzer Wortwechsel entspinnt sich, bei dem Tomoko sogleich die „Zweifelnd“-Konsequenz des Abgründigen ausnutzt, um ihm nochmals Stress hinzuzufügen. Dies tut sie jedoch mit warmen Worten auf eine fast schon verständnisvolle, seelsorgerische Weise, die sich dem Schattenkettenden Spiegel ins Gedächtnis graben. Der Abgründige erkennt, dass er emotional zu angeschlagen ist, um da irgendetwas auszurichten, lässt Ragara Tomoko also gewähren. Alle Worte sind gesprochen... es wird zur Konfrontation zwischen der Schälenden Klinge und Tomoko kommen. Die Unbefleckte Nonne lässt den Schattenkettenden Spiegel aber noch wissen, dass ihre Gegnerin doch bitte pünktlich zu sein hat. Dann trennen sich die Wege der beiden.
Tomoko zieht es zu ihrem Kloster zurück, nur um ins Blickfeld des nächsten Abgründigen des Zirkels zu treten, des Blutroten Sturms der geraubten Gesichter. Der sitzt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und immer wieder an der Flasche Schnaps nippend, im Schatten eines Gässchens. Unweit von ihm mahnen die großen Steinbrocken der umgestürzten Drachenstatue, doch der niedergeschlagene Blutrote Sturm der Geraubten Gesichter würdigt sie kaum eines Blickes. Der Anblick des Tempels gegenüber beeindruckt ihn schon mehr. Früher handelte es sich um das Gerichtsgebäude der Stadt, in dem Hungriger Wind Schauprozesse abzuhalten pflegte, doch die Drachenblütigen haben es sakralisiert und geweiht, sodass es nun als Heiligtum der Mela, der Unbefleckten der Luft, dient. Eine gerade einmal brusthohe Tempelmauer umkränzt einen wilden Garten, in dessen Zentrum sich ein kleiner, kiesbedeckter Platz erstreckt, direkt vor dem Eingang des Hauptgebäudes. Hier haben die Mönche große, runde Holzstehlen aufgestellt, wie Baumstämme ohne Äste, Wurzeln oder Blattwerk. Im Holz sind filigrane Löcher und Ritzen zu erkennen und wenn der Wind hindurchgeht, geben sie eine leise, pfeifende Melodie von sich. Vor diesen Gebilden entdeckt der Blutrote Sturm Ragara Tomoko, die drachenblütige Missionarin, die dem Tempel hier vorsteht. Schläge und Tritte lässt sie auf das Holz und ins Nichts regnen, stumme Gebete an die Drachen murmelnd. Den Blutroten Sturm bemerkt sie nicht, doch er nimmt sie, halb verborgen vom Schatten der nächtlichen Wolkendecke, genau ins Visier.
Der Spieler, während er sie so beobachtet mit „Aufmerksamkeit“ einen Vorteil erschaffen, um in ihren Bewegungen Schwachpunkte zu lesen. Er würfelt sich aber großen Mist zusammen, sodass Ragara Tomoko ein Boost gegen ihn zustünde. „Ha“, denkt sich der Spieler, „dann ein Reroll über einen FATE-Punkt und den Aspekt „Kopflos, nicht geistlos“. „Ha“, denke ich mir, dann kriegt Tomoko wenigstens den „Verdammt, ist der gut“-Boost der Szene dazu, denn mit Reisstroh im Schädel lässt es sich natürlich nicht so gut beobachten. Ergebnis: Sie hat immer noch einen Boost gegen ihn. „Tja, Alkohol ist keine Lösung“, kommentiert das der Spieler. „Aber ein Lösungsmittel.“
Zeit, den Zirkel wieder zusammenzubringen, denn die Glocken des Klosters haben längst zur Mitternacht geläutet und das Duell zwischen der Luft-Drachenblütigen und ihrer abendroten Rivalin steht an. Zunächst treffen jedoch der Blutrote Sturm und der Schattenkettende Spiegel aufeinander, am Rande des Klosters, außer Sicht. Hinzu gesellt sich dann noch der Finstere Gebieter über Seelen und Knochen. Verbissen diskutieren die Abgründigen die Geschehnisse des vergangenen Tages, doch keiner scheint wirklich auf die persönlichen Bürden eingehen zu wollen, die man sich heute auf die Schultern geladen hat. Auf sich warten lässt indes die Schälende Klinge... das Streitgespräch im Hause Niran Anatasus hat sich stärker in die Länge gezogen als sie gehofft hatte. Schließlich trifft sie verspätet bei ihrem Zirkel ein und nachdem alle über die Fortschritte informiert worden sind, schreitet die Klinge zur Tat und betritt den Vorhof des Drachenklosters von Kusuinaka.
Ragara Tomoko findet die Klinge hinter dem Hauptgebäude vor, vor einem kleinen Schrein, ins Gebet vertieft. Die Drachenblütige sieht nicht ein, die Klinge noch zum Duell zu empfangen: Sie war immerhin zu spät und hat damit ihre Chance auf Genugtuung verwirkt. Tomoko herrscht die Klinge daher an, die Stadt zu verlassen und ihresgleichen gleich mitzunehmen. Das Ganze schürt den kalten Zorn der Abendrot-Kriegerin und ein gelungener Präsenz-Wurf bringt Tomoko dann doch noch dazu, das Duell zu akzeptieren. Ich skizziere kurz den Kampfplatz und dessen Zoneneinteilung (die Zahlen am Hauptgebäude und den Holzstehlen geben die Schwierigkeit an, auf sie hochzukommen), dann geht’s los mit dem letzten Konflikt des Abends.
Und der hat es in sich. Immer wieder gehen die Schläge hin und her. Ragara Tomoko setzt mit ihren Charms und Manövern auf viel Bewegung und schnelle Faustschäge und Fußtritte, die der Schälenden Klinge ganz schön zusetzen. Der Spieler der Abgründigen und ich spielen uns wunderbar den Ball zu und wir kreieren so ein paar wirklich schöne Bilder, etwa als die Schälende Klinge mit beherzten Schwerthieben die Holzstehlen mit sauberen, schrägen Schnitten in zwei Hälfen teilt, während Ragara Tomoko ihr ausweicht. Am Ende hat die Abgründige aber die Oberhand. Ein gezielter Schwertstreich mit der stumpfen Seite um Tomoko ihre schwere Konsequenz beizubringen und sie so zum Aufgeben zu bewegen... und mir kommt ein Gedanke: Ich reize den Aspekt der Schälenden Klinge mit dem passenden Titel Das Abendrot bringt rasch den Tod und biete gleich zwei FATE-Punkte, damit sich dieser Aspekt in vollem Umfang erfüllt.
Der Spieler akzeptiert.
Ein schneller, grober Schnitt einer schwarzen Daiklave trifft auf Ragara Tomokos schneeweißes Fleisch. Zu schnell, zu grob, zu tief. Dunkelrotes Blut benetzt den Kieshof. Tomokos Augen brechen. Das Abendrot bringt rasch... den Tod. Als die leblose Drachenblütige vor der Schälenden Klinge niedersinkt, setzt ihr für einen Moment das Herz aus. Sie hatte nicht vor, ihre Gegnerin umzubringen. Und doch: Sie bringt den Tod. Der Spieler beschreibt, wie Bilder in der Schälenden Klinge aufsteigen: Blutige Bilder von all den Menschen, die sie im Namen von Hungriger Wind getötet hat. Die sie ermordet hat. Und als eine Art grausames Schlussbild sieht sie jene gehäutete Bäuerin vor sich, deren qualvoller Tod ihr eigenes Leben rettete.
Der Spieler weiß selbst nicht, wie er seinen Charakter reagieren lassen soll – die Schälende Klinge könnte den Tod ihrer Gegnerin akzeptieren, ihn betrauern... oder gar in ihm schwelgen. Er wälzt die Entscheidung auf einen FATE-Würfel ab.
Minus!
Wie mit einer dunklen Flamme entzündet glüht der Wahnsinn in den Augen der Schälenden Klinge auf. Mit fester, gespenstischer Stimme, die aus den Tiefen des Labyrinths selbst dringen könnte, ruft die Abgründige ihre Feinde an. Verleiht ihrem Zorn Ausdruck, über die Anmaßung dieser dreckigen Bastarde der Drachen! Sie herauszufordern – sie, die Geißel der Lebenden, die Schwerthand der Dame von Rubin und kaltem Nebel. Sie sollen bezahlen. Schwarze Essenz dringt aus ihrem Herzen und ihre Anima umhüllt den gesamten Klosterhof. Alle Lichter im Tempel ersterben und die große Doppeltür fliegt aus den Angeln, von den Winden der Unterwelt hinweggerissen. Wenige Augenblicke später durchschneiden die ersten Todesschreie die Nacht. Die Schälende Klinge durchschreitet das Kloster wie Saturn selbst und durchtrennt Lebensfaden und Lebensfaden... mit einem Lächeln im Gesicht.
Als die Schälende Klinge ihr blutiges Welt vollbracht hat und wieder nach draußen tritt, stellt sich der Schattenkettende Spiegel ihr entgegen: „Ich hatte gedacht, ihr hättet euch gewandelt...“ Die Schälende Klinge antwortet nichts darauf, drängt sich nur an ihm vorbei. Hinter ihr geht das Kloster in einem Feuer auf, das der Blutrote Sturm der geraubten Gesichter gelegt hat. Der Finstere Gebieter über Seelen und Knochen nimmt sich derweil der Leichen der erschlagenen Mönche an und lässt sie als wandelnde Tote wieder auferstehen, nur um sie dann in einer schauderhaften Prozession durch die Stadt zu ziehen zu lassen. An ihrer Spitze marschiert der tote Körper von Ragara Tomoko, beseelt vom Geist seiner Frau Yumiko, die von ihrer neuen fleischlichen Hülle durchaus angetan ist. Schrecklich anzusehen ist diese schwarze Parade, die nun unter dem Kommando der Schälenden Klinge und des Blutroten Sturms die Marktstraßen vom Kloster zum alten Palast durchschreitet. Aus kalten Kehlen gekrächzte Lobhuldigungen an die Dame von Rubin und kaltem Nebel reißen die Menschen aus ihrem Schlaf und locken sie an die Fenster, doch kaum jemand wagt sich hinaus. Die Stadtgarde lässt die Klingen gegürtet und gewahrt den Leichenzug mit erstarrter Hilflosigkeit. Wo die Prozession entlangzieht rückt Kusuinaka mit jedem Atemzug näher an die Reiche der Toten und als sie den Platz vor dem alten Palast erreicht, haben sich die zuvor menschenleeren Wege mit Schemen und Gespenstergestalten gefüllt, die in die Lande der Lebenden übergegangen ist. Wie eine Narbe zieht sich ein großes Schattenland von dem ausgebrannten Kloster bis zum Palast von Hungriger Wind. Eine einzelne Nacht nur brauchte es, damit die Toten die Kontrolle über Kusuinaka übernehmen konnten. Sie sollte als die Nacht des brennenden Drachen in die Geschichtsbücher eingehen.
(http://zombieresearchsociety.com/wp-content/uploads/2014/04/ExtinctionParade1Wrap2.jpg)
In Schweigen erstarrt betrachtet eine weißgekleidete Frau die Ereignisse vom Schutze eines Daches aus. Ihr Blick ist Stein, doch in ihrem Innersten ist sie derart aufgewühlt, dass sie ihre Tätowierungen zu verbergen vergisst. Silbern leuchten sie unter dem von dunklen Wolken verschleierten Mond. Dann wendet die Lunare sich um, zu dem Abgründigen Schattenkettender Spiegel der Vergiftung. Sie wollte ihn aufsuchen, mit ihm sprechen. Denn auch sie fühlt es. Doch ihre Worte treffen den Erhabenen des Abgrunds wie Dolche. „Glaubt nicht, dass es vorbei ist. Ich habe nicht für die Freiheit dieser Menschen gekämpft, damit ihr andere Tyrannen an Hungriger Winds Stelle setzt. Diese Stadt gehört ihren Bewohnern. Ich werde für sie kämpfen, Todesritter.“
Lautlos gleitet sie vom Dach und entfernt sich in Gestalt eines weißen Schwans. Wie ein heller Stern in einem Meer aus Schwärze...
So endet der siebte Spielabend und die Spieler erreichen ihren ersten Major Milestone! Die Bedrohung durch die Drachen ist (zunächst einmal) vom Tisch, die Abgründigen haben in der Stadt Fakten geschaffen, das Schattenland ist offen und stärker denn je. Ich fand es insgesamt sehr gelungen, wie sich am Ende dann alles gefügt hat. Morgen geht es mit dem Spiel weiter. Mal sehen ob ich noch ein paar Regeln für Städte- und Domänenspiel zusammengekloppt bekomme.
Danke für eure Aufmerksamkeit.
Hallo zusammen,
das letzte Update ist ja nun schon eine Weile her und wir haben auch eine ganze zeitlang ausgesetzt. Was uns nicht davon abhielt auch weiter munter in den Weiten der Rollenspielsysteme zu wuchern: Ein paar Fiaskos und eine kolossale Runde „Montsegur 1244“ – kolossal, welterschütternd, nicht anders zu beschreiben – sind dabei herausgekommen.
Wir haben uns aber auch zu immerhin zwei Spielabenden „Mists on the Water“ zusammengefunden... naja, effektiv zu einem, nimmt man mein launenhaftes Reglement-Experiment vom ersten besagter Spielabende aus. In der Tat wurde dieser erste Spielabend seit dem letzten Update komplett für die Vorstellung eines neuen Regelkonzeptes ausgefüllt... ach, warum lügen! Nachdem ich die Regeln erklärt habe, hatte ich keine Lust mehr zu leiten. So sieht's aus. So einer bin ich.
Das fragliche Regelkonzept waren Organisationen – also, große Gruppen von Leuten, die ich, im Sinne des Fate Fractal in Charakterwerte gekleidet habe. Nach der Nacht des brennenden Drachen, die das erste Szenario abgeschlossen hat, wollte ich ein paar Wochen ins Land gehen lassen und mit einer Stadt starten, die bereits ein wenig unter der Knute ihrer neuen Machthaber steht. Ich hatte eine Karte von Kusuinaka vorbereitet (die ich hier leider nicht posten kann, weil es lediglich eine bearbeitete Karte von etwas anderem ist), bei der ich die Namen der Distrikte und Gebiete selbst festgelegt, aber zusätzlich eine Menge Places of Interest eingestreut habe (Gebäude, etc.), zu denen ich mir keine oder nur einige wenige Gedanken gemacht habe. Auf der Rückseite Platz für Werte gelassen. Diese Werte folgen etwas, was ich auf die Schnelle zusammengekocht habe. Vielleicht poste ich es mal, wenn Interesse besteht.
Ich habe mich also mit den Spielern zusammengesetzt und mit ihnen gemeinsam die Stadt in Werte gekleidet. Wir haben gemeinsam Aspekte erschaffen, die aktuelle Größe der Stadt festgelegt (damit werde ich am nächsten Spielabend noch was machen) und der Stadt auch ein paar passende Fertigkeiten gegeben. Das hat für muntere Diskussionen am Spieltisch geführt, was mir sehr gefallen hat – die Spieler haben sich wirklich mit ihrer Stadt auseinandergesetzt und genau überlegt, welche Fertigkeiten überhaupt zu ihr passen. Sehr gut für mich: Heraus kam eine Stadt mit einer sehr niedrigen Identität, also einem sehr geringen inneren Zusammenhalt der Bevölkerung. Das sollte ich beim nächsten Spielabend für mich nutzen.
Auch beim Erfinden der Landmarken sind die Spieler kreativ geworden. Nun verfügt die Stadt über einen verlassenen Leuchtturm, eine alte, von den Rebellen der Messer in der Nacht besetzten Kaserne, das Kontor von Niran Anatasu, eine geomantische Akademie und zwei Türme auf winzigen Inseln im See, einer davon der Magierturm des Finsteren Gebieters, der andere der Kerker- und Folterturm.
Ich fuhr fort, den Spielern zu erklären, wie Organisationen miteinander interagieren (wie Charaktere auch!) und habe Größe als neues Feature eingeführt (effektiv die Scope-Regeln aus vielen Fate-Ikarnationen: Ein Spielercharakter kann maximal mit Organisationen interagieren, die 3 Stufen größer sind als er selbst). Das Ironische daran ist, dass ich ausgerechnet die Karte mit den Werten bei unserer letzten Lokation liegen gelassen habe, also jetzt wo ich sie bei der Vorbereitung bräuchte, nicht da rankomme. Ich kann daher die Werte von Kusuinaka hier auch nicht posten, was wirklich, wirklich schade ist... Ein verschwendeter Spielabend womöglich? Das Fiasko, was wir danach gespielt haben, war zumindest nicht so Bombe...
Beim zweiten Spielabend war ich unvorbereitet. Ich bin tatsächlich mit der Einstellung: Oooooch, jetzt wo wir die Stadt erschaffen haben, kommt viel Input von den Spielern. Die wollen ja jetzt alle ihre Projekte umsetzen. Das passt schon.
Pustekuchen.
Wahrscheinlich hätte ich wirklich direkt an dem Abend der Stadterschaffung einsteigen sollte, denn der Unsere-Stadt-Enthusiasmus war einer gewissen Nüchternheit gewichen. Ich werde auch, entgegen meiner sonstigen Vorgehensweise bei diesem Diary, auf ausgiebige Flairbeschreibungen verzichten, da ich um ehrlich zu sein den Ablauf der Ereignisse nicht in Reihenfolge gebracht bekomme. Keine Gewähr darauf, dass DarkSilver oder Grobag also nicht plötzlich den Thread mit Fackeln und Mistgabeln stürmen und mich auf dem Altar des vertrottelten Spielleitens opfern. Hoffentlich korrigieren sie dabei wenigstens meine Irrtümer.
Den Einstieg gab ich mit einem groben Überblick über die Stadt, und wie sich die Dinge in den letzten Wochen entwickelt haben. Kusuinaka ist nach der Nacht des brennenden Drachen vor allem eine Stadt in Angst: Ein riesiges Schattenland zieht sich nun wie eine Narbe vom zerstörten Kloster des Unbefleckten Ordens bis zum alten Palast von Hungriger Wind. Die Salzlinien sind durchbrochen und die Menschen schließen nachts Fenster und Türen, aus Furcht vor den Geistern, die aus diesem neuentstandenen Pfad der Asche kommen. Das ist auch das eigentliche, erste Problem in der Stadt: Von einem auf den anderen Tag verschwinden Menschen, packen ihre Habe und suchen ihr Glück woanders. Die Todesritter erfahren in der ersten Szene davon, als Waren aus dem Halm-und-Hand-Distrikt, dem Bauernviertel vor den Toren der Stadt ausbleiben. Zwei unserer Todesritter beschließen, der Sache nachzugehen:
Der frühe Winterfrost bricht Risse in den aufgewühlten Ackerboden und lässt einen hauchfeinen Nebel von der dichten Schneedecke aufsteigen, die alles in diesem Distrikt bedeckt wie ein schimmernder Schleier. Die schweren Stiefel der Schälenden Klinge unschuldigen Blutes graben mit jedem Schritt einen groben Abdruck in den Schnee, während die leichten Füße des Schattenkettenden Spiegels der Vergiftung nicht die geringste Spur hinterlassen. Niemand beobachtet die beiden Erhabenen des Abgrunds, wie sie zwischen den Bauernhäusern des Halm-und-Hand-Distrikts patroullieren. Niemand kann sie beobachten, denn das Viertel vor den Toren der Stadt ist leer wie der Sarg eines Hungrigen Geistes. Doch dann macht die Schälende Klinge einen einsamen Mann aus, der im stummen Gebet vertieft hinter einem der Häuser steht. Ein paar beherzte Schritte auf ihn zu und ein frisches Grab mit einem kleinen Stein schiebt sich ins Blickfeld der beiden Abgründigen. Der Schattenkettende Spiegel wartet abseits, denn die Schälende Klinge kennt den Mann von damals: Es ist Hanoko, einer ihrer früheren Adjutanten, der schon einige Jahre vor der Rebellion aus dem Dienst geschieden war...
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Die Schälende Klinge wechselt ein paar kurze Worte mit ihm. Er offenbart ihr, dass er seinen kleinen Sohn betrauere, der da die Kälte so plötzlich hereinbrach, diesen Winter nicht überstanden habe. Seine Frau habe ihn verlassen und sei mit den vielen anderen gegangen, die Kusuinaka nach der Nacht des brennenden Drachen den Rücken gekehrt haben. Jeden Tag sind es ein paar mehr, die nicht in der Nähe des Schattenlandes leben wollen, die sich fürchten vor Anarchie, vor Hunger, vor den Stimmen in der Nacht. Sie nehmen sich, was sie tragen können und ziehen gen Norden weiter. Ein Problem für die neue Ordnung von Kosuinaka.
Doch Hanoko ist geblieben, aus Liebe zu seiner Stadt und dem Wunsch nach einem ruhigen Leben. Er spürt, dass dieser Winter hart werden wird. Kurz nur lässt er fallen, dass die Schälende Klinge sich sehr verändert habe, seit damals als sie noch als Hanae Kokoroken bekannt war. Der Name sticht und die Todesritterin kann nicht umhin, an die alte Zeit und die Treue von Hanoko zu denken. Sie verspricht ihm, seine Frau zurück zu holen. Im Gegenzug solle er wieder das Schwert erheben und ihre rechte Hand werden. Er stimmt zu und die beiden Erhabenen des Abgrunds lassen ihn mit seinen Gebeten allein. Es entspinnt sich auf dem Weg zurück zur Stadt noch ein Gespräch zwischen der Schälenden Klinge und dem Schattenkettenden Spiegel... philosophischer Natur, über die Frage nach Schuld und Veränderung. Bevor sich die beiden jedoch an die Fersen der entlaufenen Bevölkerung heften wollen, möchten sie zunächst ihre verbleibenden Zirkelkameraden informieren.
Schnitt auf den Blutroten Sturm der geraubten Gesichter. In bester Manier eines manischen Totenkultführers, liest er im niedergebrannten Drachentempel ein Sermon für die neue Ordnung, in der die Toten zu verehren und die Götzen des Unbefleckten Ordens zu verteufeln sind. Seine Predigt findet Gehör bei der wachsenden Anzahl an Gemeindemitgliedern, die sich ihm für spiritueller Führung zuwenden.
Doch auch bei Anderen schlagen seine Worte an. Wenn auch nicht unbedingt im positiven Sinne.
Der Blutrote Sturm hat noch nicht geendigt, da springen vermummte Attentäter in den kleinen Tempelraum. Sofort attackieren sie den Todesritter und seine Gläubigen, lauthals den Namen Vater Grüngrund auf den Lippen und die Falschheit und Gottlosigkeit der Ahnenkultisten anprangernd. Es entspinnt sich ein kurzer Konflikt gegen ein paar Mooks (oder Statisten, wie ich sie inzwischen nenne), während dem der Blutrote Sturm dank seines grimmen Artefakt-Wurfsterns kurzen Prozess macht. Die Assassinen aus religiöser Überzeugung können ihm nicht einen Kratzer zufügen und auch sonst hat der fehlgeschlagene Angriff den Anhängern dieses Vater Grüngrund eher geschadet als genützt, nutzt der Blutrote Sturm ihn doch direkt zu Propagandazwecken. Mit einem Wurf auf Präsenz schwört er die Anwesenden auf die neue Ordnung ein, hat die Tatsache, dass seine Feinde tot zu seinen Füßen lägen, doch seinen Glauben legitimiert.
Dennoch, die Geschehnisse geben Anlass zur Sorge, ist Vater Grüngrund doch niemand Geringeres als der Gott des Lerne-Sees, an dessen Ufern Kusuinaka errichtet wurde und als Stammvater von Hungriger Wind und seiner Sippe auch der Stadtvater der Stadt. Der Zirkel trifft sich also am Tempel und berät über das, was sich zugetragen hat. Die Schälende Klinge und der Schattenkettende Spiegel beschließen, den Spuren der flüchtigen Dorfbewohner sofort nachzugehen und lassen es an dem Blutroten Sturm und dem Finsteren Gebieter über Seelen und Knochen, bei ihrer Todesfürstin Meldung über alle Geschehnisse zu machen.
Die letzteren machten sich also sogleich auf den Weg zum Mar der tausend Lichter, dem Sitz der Dame, um sie zu informieren, wie prächtig Kusuinaka doch gediehen... pardon... gestorben war. Man stellte sich auf eine intime Audienz ein. Wie sehr ist die Überraschung zu verstehen, dass die Todesfürstin nicht nur ihre Todesritter zu einem köstlichen, gemeinsamen Abendessen lud, sondern sich, als alle Platz genommen hatten, noch ein weiterer Gast an die Tafel rief: Einen Lebenden, einen Sterblichen. Er trat mit einem freundlichen und leidlich höflichen Wort des Grußes durch die großen Flügeltüren, sein Gesicht von einem einladenden Lächeln umspielt. Der Mann der gegenüber der Erhabenen des Abgrunds Platz nahm, sah aus wie ein herumziehender Strolch, von drahtiger Kraft, mit Drei-Tage-Bart und zerzaustem brauen Haar bis zu den Schultern. Seine Kleidung war einfach und praktisch, von Wind und Wetter gezeichnet und hier und da geflickt. Seine Füße steckten in festen Wanderschuhen, sein großer Rucksack stand nicht weit abseits seines Platzes, direkt neben einer einfachen, ledernen Schwertscheide mit einer schnörkellosen Machete darin (ein tödliches Ding, wirklich).
Im Plauderton sprach die Todesfürstin über den Fremden, der sich als Wanderer unter abendlichem Schleier vorstellte. Allem Anschein nach war er, wie auch immer, zum Anwesen der Todesfürstin gelangt und hatte sogleich um einen Platz zum Schlafen gebeten. Nun ist das Gebot der Gastfreundschaft in der Unterwelt heilig und so musste sie dem Wanderer diese Bitte auch gewähren. Und inzwischen freut sie das sogar, denn sie hat, wie man aus ihren Ausführungen heraushören konnte, einen Narren an ihrem Gast gefressen, kennt er sich doch mit einer der Leidenschaften der Todesfürstin, der Astrologie, bestens aus. Der Wanderer selbst schwadronierte auch ungefragt drauf los und erzählte nur wenig von sich das nicht irgendwie vage war. Aus einem Dorf namens Riedgras stamme er und sei einfach auf der Durchreise an zu den entfernten Orten der Schöpfung und darüber hinaus. Mit Ende des Essens verabschiedete er sich auch, kramte dann aber noch ein großes Buch hervor, in das er die betont unbeeindruckten und missmutigen Todesritter bat, ein Sprüchlein oder eine Weisheit zu schreiben. Der Blutrote Sturm der geraubten Gesichter nahm sich dessen an und brachte schwungvoll die Zeile „Das Land der Toten ist kein Ort für die Lebenden“ zu Papier – genau das wollte der Zirkel diesem obskuren Wanderer mit auf den Weg geben. Der Wanderer nahm dies auch als Stichwort und ein paar Augenblicke später war der Zirkel wieder mit der Todesfürstin allein. Diese zeigte sich ob der Entwicklungen in der Stadt wenig besorgt, sandte die beiden also sogleich zurück Richtung Stadt, damit sie zu ihren Zirkelkameraden aufschließen mögen.