Könntest Du das wohl mal mit einem Beispiel aus der Praxis, also gerne einem Spielbericht eines KoSim-Clubs oder ähnlichem, belegen? Wenn möglich, bitte mit den Titeln der jeweiligen Spiele. In den Regelwerken der mir bekannten bzw. in meinem Besitz befindlichen KoSims findet sich nämlich nichts dergleichen.
Ein ganz simples Beispiel sind ein paar Warhammer 40.000-Spieler, die sich regelmäßig - eventuell taktischer Unsinnigkeit zum Trotz - während des Spiels dazu verabreden ihre Kriegsherren irgendwo in der Mitte des Spielfeldes direkt aufneinander prallen zu lassen. Dabei werden keine Regeln geändert, aber es wird eben auch nicht mit besonderem Blick auf die Regeln gespielt - sondern mit Blick auf die "Geschichte" ("wir wollen ein episches Duell").
Mein Lieblingsbeispiel kommt aber aus der historischen Ecke:
Ein großes Mehrspieler D-Day-Szenario, bei dem ein Spieler im Verlauf fragte, wie das eigentlich sei, ob denn die nächtliche Sicherungsmannschaft an einer Kanalbrücke anstatt Widerstand zu leisten auch versuchen könne irgendwie Alarm zu geben. Dafür gab es zwar keine Regeln, aber die angesprochene Spielleitung begann direkt damit zu improvisieren - und zwar nicht nur Regeln, sondern auch die Geschichte dazu -, wie einer der an der Brücke stationierten Hilfswilligen es mit dem Fahrrad zum nächsten Unterstand schafft (erster Wurf), dort auch tatsächlich einen Feldwebel findet, der zuvor im Osten war, und ihn deshalb einwandfrei versteht (zweiter Wurf), und das Ganze auch ernst genug nimmt, um sofort seinen Kompaniechef zu wecken (dritter Wurf), der wiederum die Sache erfolgreich (vierter Wurf) eskaliert. Das erzählte! Ergebnis war eine frühere Inmarschsetzung deutscher Panzerkräfte, die für das gespielte Szenario unbedeutend, sowohl für eine mögliche Fortsetzung als auch natürlich ganz allgemeine für die "was wäre wenn... ?"-Fragestellung zentral war.
Bezeichnend im Zusammenhang mit deiner Frage übrigens auch, dass ich das Regelwerk nicht benennen kann - weil es ein selbstgestricktes Clubregelwerk war.
Und spezielle Szenarien (mit oder ohne Spielleitung) sind natürlich ein ganz grundlegendes Element, das eben oft auch neue/freie/inoffizielle Regelungen/Regelanwendungen/-auslegungen mit sich bringt.
Bleibt natürlich der Punkt, ob sich das so immer in den Regelwerken explizit niedergeschrieben findet. In vielen Fällen nicht, da gebe ich dir recht. Aber auch in Rollenspielen findet sich nicht grundsätzlich ein solcher Verweis. Ich glaube, weil jeweils angenommen wird, dass ein solches Vorgehen "dazugehört", quasi "kulturell" verankert ist und deshalb von den Entwicklern als keiner besonderen Erwähnung wert angesehen wird.
Zudem ist gerade im Kriegsspiel die "Trennung" in eher freie Spiele und "harte" (Turnier-)Spiele natürlich auch noch einmal wichtig. Auf einem Turnier werde ich vermutlich vergleichsweise weniger Verhandlung, Improvisation oder Geschichts-/Erzählungs-/Immersionsorientierung finden (im Turnier bin ich froh den Gegner innerhalb von zwei Zügen von der Platte zu haben - zu Hause nicht unbedingt, da ist es mir vielleicht wesentlich mehr wert, noch ein paar Stunden am Stück weiterspielen zu können). Aber selbst das halte ich zumindest in begrenzter Weise mit dem Rollenspiel vergleichbar - kompetitive Charakter- und kompetitive Armeeoptimierung fußen am Ende ja beide auf der Konzentration auf harte, festgeschriebene Regeln und nicht auf den "weichen" Aspekten der jeweiligen Spiele.
mfG
jdw