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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: korknadel am 24.06.2014 | 16:56
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Kürzlich wurde ein alter Thread (http://www.tanelorn.net/index.php?topic=20634.0) wieder aufgewärmt, worauf es gleich auch eine dazu passende Umfrage (http://www.tanelorn.net/index.php?topic=89860.0) gab. Hier hat mich schon gewundert, wie sehr einige Rollenspieler ihren Char für sich beanspruchen. Meiner!
Dann kam der xte Thread zum Thema soziale Konflikte (http://www.tanelorn.net/index.php?topic=89947.0). Hier wurde ein verwandtes Thema angeschnitten, nämlich das der Kontrolle über den Char. "Kampfregeln" im "sozialen" Bereich treffen bei etlichen Spielern auf Widerstand, weil sie nicht wollen, dass ein Würfelwurf darüber entscheidet, wie ihre Figur reagiert. Wohlgemerkt im sozialen Bereich, in vielen anderen Bereichen lassen sich die meisten Spieler von den Würfeln bereitwillig diktieren, was ihrer Figur widerfährt.
Es geht um Kontrolle. Lasse ich zu, dass meiner Figur vom Händler Schund aufgeschwatzt wird, dass sie den Lehren eines Predigers verfällt, dass sie dem Charme eines verführerischen Androgynos erliegt, dass sie dem Hauptverdächtigen im Mordfall glaubt, wenn dieser seine Unschuld beteuert - und das alles nur wegen irgendwelcher Würfelwürfe? Gebe ich damit nicht Kontrolle über die Figur aus der Hand?
Im Grunde ist mir diese Frage gar nicht so wichtig. Aber zunächst mal noch ein anderer Punkt, der beim Thema Kontrollverlust immer wieder angesprochen wird: Das Argument gegen Kontrollverlust ist ja, dass die Spieler (oder Chars?) dann nichts mehr machen könnten, zumindest nicht das, was sie wollen. Bei diesem Argument halte ich den nachgereichten Nebensatz für ausschlaggebend. Man nehme das Standardbeispiel für Kontrollverlust aus einigen alten und weitgehend verhassten DSA-Abenteuern: Die Chars werden zu Beginn gefangengenommen, ohne sich sinnvoll wehren zu können, und verlieren ihre Ausrüstung. Der Kontrollverlust findet hier aber wirklich nur in dem Moment statt, wo die "Helden" in die Scheiße geritten werden, ohne dass zum Beispiel ihre Gegenwehrversuche eine Wirkung zeigen würden. Sitzen sie dann erst einmal in obiger Scheiße, dann können, ja sollen sie wieder proaktiv sein und sich durch ihre Heldentaten befreien und nebenbei die Welt oder etwas Vergleichbares retten.
Das Problem bei dieser Art von Kontrollverlust ist im Grunde nur das Skript, also ein Handlungsverlauf, auf den die Spieler/Chars keinen oder nur scheinbaren Einfluss haben. Würde eine solche Situation aber durch die Aktionen der Chars und einen Würfelwurf herbeigeführt, dann sähe die Sache anders aus, der Kontrollverlust würde womöglich nicht einmal als solcher empfunden werden. In diesem Fall würde man es wahrscheinlich "Konsequenz" nennen und mit etwas Glück total cool finden.
Letztlich ist das aber auch nicht der Punkt, auf den ich hinaus will. Sondern ich denke seit einigen Tagen über den Reiz nach, den Kontrollverlust auch und gerade aufgrund "sozialer" Würfe haben kann. Hier geht es aber um den empfunden Kontrollverlust des Spielers über seine Figur, nicht den der Figur selber. Und je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr drängt sich mir der Gedanke auf, dass wirkliches Eintauchen in eine Figur (das, was man Immersion nennt), wirkliches Darstellen einer Figur eigentlich sogar kaum möglich ist, wenn man nicht die Kontrolle abgibt.
Und zwar denke ich hier vom Theater herkommend. Hier wird der Darsteller einer Figur über weite Teile von der Figur beherrscht. Denn der Schauspieler entscheidet ja nicht über die Reaktionen seiner Figur. Er kann nicht bestimmen, dass die Figur doch lieber einen Wutausbruch statt eines Heulanfalls bekommt, das entscheidet die Figur. Aufgabe des Darstellers ist es, sich in diese Figur mit ihrem Heulanfall hineinzudenken und sie quasi nachschöpferisch zum Leben zu erwecken.
Und gerade da, wo im Rollenspiel immer so viel von Chardarstellung, von in-time-Sprechen etc. geredet wird, müsste man doch eigentlich ein ähnliches Vorgehen erwarten. "In eine Rolle schlüpfen" heißt doch der heilige Gral des Rollenspiels. Aber je weniger ich als Spieler bereit bin, Kontrolle über meine Figur abzugeben, desto weniger brauche ich zu schlüpfen, desto mehr kann ich auf meinen vier Kontrollbuchstaben sitzen bleiben. Anders gesagt: Wenn ich immerzu entscheide, wie mein Char zu reagieren hat, werde ich nie erfahren, wer der Char ist, wie er tickt, wo er überrascht. Denn das wird alles immer von mir vorgegeben. All diese Dinge weiß ich immer schon vorher. Char-Exploration hat sich damit erübrigt. Gebe ich die Kontrolle aber - zum Beispiel - an einen Würfelwurf ab, dann werde ich mit einer von meinen Entscheidungen tatsächlich unabhängigen fiktiven Persönlichkeit konfrontiert, in die zu schlüpfen dann doch tatsächlich eine besondere darstellerische Genugtuung sein müsste.
Meiner Figur wird vom Händler Schund aufgeschwatzt, ohne dass ich das entschieden habe, Schicksal, lebe damit. Sie verfällt den Lehren eines Predigers, was für eine darstellerische Herausforderung. Sie erliegt dem Charme eines verführerischen Androgynos, wer hätte das für möglich gehalten? Sie glaubt dem Hauptverdächtigen im Mordfall, wenn dieser seine Unschuld beteuert, na warum sollte sie nicht, wo sie doch nun mal so strunzdumm ist? Und was für ein Spaß, sich zu überlegen, wie man das am Tisch umsetzt.
Ich nehme mir jetzt mal vor, in nächster Zeit mehr auf solche Situationen zu achten, um das weiter auszutesten. Mein Bauchgefühl sagt mir aber in diesen ganzen Diskussionen bereits jetzt schon, dass in dieser Richtung der Gral des immersiven Darstellerrollenspiels zu finden sein müsste.
Let's zoff! Die Diskussion ist eröffnet.
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Oy. Du hast meine Gedanken gelesen und sie mir entrissen. oO;
Dachte vor kurzem erst darüber nach einen Thread mit Verwandten Thema aufzumachen. Also dem Thema weshalb ich nicht verstehe wieso Würfeln in sozialen Situationen sowie Allgemein der Immersion bzw. dem tiefen, anspruchsvollen Rollenspiel entgegen stehen soll.
Uhm, um es kurz zu halten. Ich stimme dir zu.
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Mein Credo ist:
- Ich entscheide, was mein Charakter denkt und tut.
- Der Spielleiter und die Regeln entscheiden, auf welcher Basis ich meine Entscheidungen treffen kann.
Diese Aufteilung zu meinen Ungunsten zu verletzen, nimmt mich als Spieler aus dem Geschehen heraus, dann brauche ich auch nicht mehr am Tisch sitzen.
Aber: Das bedeutet nicht, dass meine Entscheidungen immer zu direktem Vorteil meines Charakters gereichen müssen. Es kann für das Spiel, und damit auch für mich, viel interessanter sein, wenn mein Charakter verliert, übertölpelt wird, oder einfach unkluge Entscheidungen trifft, die dann aber zu interessanten Dingen führen.
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Bevor ich schreibe, was ich schrieb ...
[Defaitismus]
Klar können autoritätshassende Spieler/SL einen individuellen und gut ausgearbeiteten Charakter, der Wert auf sein Auftreten, seine Stellung und seine Story legt nicht leiden. Schließlich schreibt ihnen jemand vor, wie der entsprechende Charakter wahrzunehmen ist und wie man mit ihm umgeht.
'türlich ist die coole Celerity 5 Sau nicht bloß irgendein Charakter, der in einer DSA Kampagne als Zuschauer fungiert.
Celerity ist Macht. BÄM. Celerity will 'was reißen. BÄM. Celerity will Anerkennung. BADABOOM!
Klar, dass den anderen Totalindividuen am Tisch diese Vorgaben seitens eines Mitspielers (was fällt ihm ein ...) auf den Keks gehen. Wäre ja auch noch schöner, dass ein gut ausgearbeiteter Charakter plötzlich wegen dieser Ausgearbeitetheit Spotlight bekommt und der Rest nicht.
Und der Meister (äh sorry, SL) muss plötzlich acht geben, dass NSC auch angemessen auf den SC reagieren. Upps, das geht aber nicht. Wo kämen wir denn dahin? Meine Welt geht aber so, wie ich das will.
[/end]
Ich sehe hier ein Thema durchluschern, welches mir immer mal wieder bei den Platzhirschen in ihrem Hobby auf den Keks geht.
Ich ertrage keine Autorität.
Ich will niemanden, der mir sagt, wo es lang geht.
Ich will ein ent-determiniertes Leben.
Ich will ...
Ich ...
Oh mann ...
Warum ist MEIN Charakter denn nun MEIN Charakter?
Tja, Determination wirkt auf beiden Seiten ... wer meinen Defaitismus verstanden hat, weiß, dass ich das nicht weiter ausführen muss.
Quitessenz:
Ein Spieler, der laut MEIN Charakter schreit, passt nicht zu einem SL, der laut MEINE Kampagne schreit.
Ich finde das Abgeben von Kontrolle wichtig und förderlich. Es provoziert, fordert und fördert Charakterspiel. Leider kann ich das mit kaum einem meiner Spieler so treiben.
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Kontrollverlust führt zu Charakter-Exploration. Das sehe ich auch so.
Was ist für dich Kontrollverlust? Den Zufall mitregieren lassen.
Ich frage:
Brauche ich dafür Zufall? Kann ich zB mit Directors Stance nicht auch selber meinen Charakter in ungeahnte Bereiche werfen und sehe dann, was passiert? Oder mit der allgemeinen Attitüde nicht Vorteile für meinen Charakter erspielen zu wollen?
In meinen Fällen wird man natürlich auch Würfelergebnisse zu Ungunsten des Charakters akzeptieren. Aber das ist nicht der Kern der Sache.
Die Frage ist: Was ist essentiell für Char-Exploration?
Zufall durch Würfel zulassen? Oder das Mindset seinen Charakter mit Wonne in Probleme zu stürzen (aka "Kontrollverlust").
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Addendum:
In der Theateranalogie ist der Rollenspieler für mich nicht der Schauspieler sondern eine Mischung aus Autor und Schauspieler. Und auch der Autor wird seinen Charakter kennenlernen indem er sie erstmal in eine Sache hineinstürzt ohne sie zu Ende zu denken.
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Ist erst mal eine sehr interessante Überlegung, und eine, die ich so weitestenteils nachvollziehen und unterschreiben kann.
Was mich daran nur ein bisschen ins Grübeln bringt, ist, dass ich andererseits das Prinzip sehr mag, das in Monsterhearts so schön auf den Punkt gebracht wird: Die Würfel können dir sagen, ob dich ein anderer Charakter anmacht - die Kontrolle über die Gefühle deines SC werden dir an dieser Stelle aus der Hand genommen. Aber du darfst trotzdem selbst entscheiden, ob du jetzt mit ihm in die Kiste springst, ihm an die Gurgel gehst oder ihm die kalte Schulter zeigst. (Das Thema Sex ist da natürlich Monsterhearts-spezifisch, lässt sich aber auf andere Themen anderer Spiele sicher übertragen: Der Prediger überzeugt dich von seinem Glauben, du kannst aber trotzdem auf stur schalten und dich weigern, zu Praiogrimm zu beten.)
Der völlige Kontrollverlust - "dein Charakter empfindet dies und macht deshalb jenes" - gefällt mir in der Regel nicht besonders. Aber den begrenzten Kontrollverlust - "dein Charakter empfindet diesen/hat jenen Eindruck von der Situation/unterliegt folgendem Trugschluss" - mit der anschließenden Herausforderung, damit umzugehen, finde ich interessant.
Aber die Grenzen sind da (wie beim Schreiben von Geschichten) sehr fließend; wie weit lässt man sich darauf ein, sich von der Figur treiben zu lassen, und wann greift man wieder kontrollierend ein, um ein Bild von der Figur zu erzeugen, das auch für einen selbst noch schlüssig ist? Wo genau verläuft die Grenze zwischen dem, was eine Figur aufgrund eines Würfelwurfs glaubt/empfindet und der Handlung, die daraus folgt?
Im Prinzip finde ich es jedenfalls auch sehr reizvoll, sich von der eigenen Figur überraschen zu lassen; und wenn es dafür brauchbare Würfelmechanismen gibt, um so besser.
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Im Prinzip finde ich es jedenfalls auch sehr reizvoll, sich von der eigenen Figur überraschen zu lassen; und wenn es dafür brauchbare Würfelmechanismen gibt, um so besser.
Volle Zustimmung.
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Ich persönlich bin mir nicht sicher ob für die Anwendung von Würfeln bzw. spielerischer Mittel zur Darstellung des Charakters in sozialen Situationen "Kontrollverlust" der richtige Begriff ist.
Außerhalb dessen würde man wohl auch nicht davon sprechen das dem Spieler in Kampfsituationen die Kontrolle über den Charakter entzogen wird weil der Erfolg der Aktion auch von einem Wurf abhängt sowie man aufgrund der Würfe anderer Charaktere Konsequenzen erfährt und im Spiel berücksichtigen muss.
Das heißt imho spielt man nicht gegen die Spielregeln oder an den Spielregeln vorbei sondern man spielt mit den Spielregeln.
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Um mal meinen Lieblingsrollenspieltext zu zitieren:
Though the game has no world full of ethics and laws, the rules do contain a philosophy that implies a certain type of place. There are consequences to your choices in this game. They range from the very black and white, “If I engage in this duel, my character might die,” to the more complex, “If my character undertakes this task, he’ll be changed, and I don’t know exactly how.” Recognizing that the system enforces these choices will help you navigate play. I always encourage players to think before they test their characters. Are you prepared to accept the consequences of your actions?
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Quitessenz:
Ein Spieler, der laut MEIN Charakter schreit, passt nicht zu einem SL, der laut MEINE Kampagne schreit.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich deine Gesamtaussage verstehe; Aber machst du da nicht ein anderes Fass auf als das im Eingangspost?
Bei korknadel ging es ja um die Frage, inweiweit man sich die Kontrolle über den Charakter durch die Spielmechanismen (und damit typischerweise durch ein Zufallselement) entziehen zu lassen bereit ist. Natürlich wird der Einsatz der Regeln normalerweise maßgeblich über die SL vermittelt, aber trotzdem geht es hier ja darum, dass etwas mit der Figur vorgeht, was weder ganz der Kontrolle des Spielers noch ganz der der SL unterliegt.
D.h. es geht hier nicht um den SL, der dem SC etwas aufzwingt, um seine Kampagne in eine bestimmte Richtung zu bringen, sondern um die Bereitschaft beider, Entscheidungen in die Hände von Zufallsprozessen zu legen.
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Der Vergleich mit dem Theater/Film hat einen Punkt der nicht passt. Da gibt es neben den Schauspielern/Spielern und dem Regisseur/SL eben auch noch den Drehbuchautor. Im klassischen Rollenspiel teilen sich SL und Spieler diesen Posten. Die Spieler bestimmen was in ihren Charakter vorgeht und wie sie darauf reagieren. Selbstverständlich werden sie von der Außenwelt beeinflusst.
Das alles aber an den SL abzugeben, wird vielen nicht schmecken. Einfach weil sie sich dann als Schauspieler im Film eines anderen sehen werden - um bei dem Vergleich zu bleiben. Bei OneShots mit vorgefertigten Charakteren mach ich das gerne. Bei langen Kampagnen mag ich das aber nicht. Da weis ich am Besten wie mein Charakter reagiert, da hab ich das Drehbuch selbst geschrieben. Natürlich ist der nicht immun gegen Einflüsse von außen - aber wie er darauf reagiert, da lass ich mir ungerne reinreden.
Drehbuchautoren mögen es auch nur bedingt wenn die Regisseure da reinpfuschen ;)
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Die Anwendung von sozialen Konfliktregeln ist doch nicht etwas das vom SL Vorgeben wird sondern aus der Anwendung von Regel resultiert.
Die wiederum können ebenso von Spielern im Kontext des Setting gegenüber NSC wie ggf. gegenüber anderen SC angewendet werden. Auch besteht die Option es über entsprechendes handeln zu lenken das Angriffssituationen wahrscheinlich oder unwahrscheinlich werden.
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Das alles aber an den SL abzugeben, wird vielen nicht schmecken. Einfach weil sie sich dann als Schauspieler im Film eines anderen sehen werden - um bei dem Vergleich zu bleiben. Bei OneShots mit vorgefertigten Charakteren mach ich das gerne. Bei langen Kampagnen mag ich das aber nicht. Da weis ich am Besten wie mein Charakter reagiert, da hab ich das Drehbuch selbst geschrieben. Natürlich ist der nicht immun gegen Einflüsse von außen - aber wie er darauf reagiert, da lass ich mir ungerne reinreden.
Was ich schon oben schrieb bzw. Teylen eben: So, wie ich das verstehe, war von "an den SL abgeben" bisher gar nicht die Rede.
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Die Anwendung von sozialen Konfliktregeln ist doch nicht etwas das vom SL Vorgeben wird sondern aus der Anwendung von Regel resultiert.
Die wiederum können ebenso von Spielern im Kontext des Setting gegenüber NSC wie ggf. gegenüber anderen SC angewendet werden. Auch besteht die Option es über entsprechendes handeln zu lenken das Angriffssituationen wahrscheinlich oder unwahrscheinlich werden.
Rumspielstilziel hat das schon gut zusammengefasst:
Ist erst mal eine sehr interessante Überlegung, und eine, die ich so weitestenteils nachvollziehen und unterschreiben kann.
Was mich daran nur ein bisschen ins Grübeln bringt, ist, dass ich andererseits das Prinzip sehr mag, das in Monsterhearts so schön auf den Punkt gebracht wird: Die Würfel können dir sagen, ob dich ein anderer Charakter anmacht - die Kontrolle über die Gefühle deines SC werden dir an dieser Stelle aus der Hand genommen. Aber du darfst trotzdem selbst entscheiden, ob du jetzt mit ihm in die Kiste springst, ihm an die Gurgel gehst oder ihm die kalte Schulter zeigst. (Das Thema Sex ist da natürlich Monsterhearts-spezifisch, lässt sich aber auf andere Themen anderer Spiele sicher übertragen: Der Prediger überzeugt dich von seinem Glauben, du kannst aber trotzdem auf stur schalten und dich weigern, zu Praiogrimm zu beten.)
Der völlige Kontrollverlust - "dein Charakter empfindet dies und macht deshalb jenes" - gefällt mir in der Regel nicht besonders. Aber den begrenzten Kontrollverlust - "dein Charakter empfindet diesen/hat jenen Eindruck von der Situation/unterliegt folgendem Trugschluss" - mit der anschließenden Herausforderung, damit umzugehen, finde ich interessant.
Aber die Grenzen sind da (wie beim Schreiben von Geschichten) sehr fließend; wie weit lässt man sich darauf ein, sich von der Figur treiben zu lassen, und wann greift man wieder kontrollierend ein, um ein Bild von der Figur zu erzeugen, das auch für einen selbst noch schlüssig ist? Wo genau verläuft die Grenze zwischen dem, was eine Figur aufgrund eines Würfelwurfs glaubt/empfindet und der Handlung, die daraus folgt?
Im Prinzip finde ich es jedenfalls auch sehr reizvoll, sich von der eigenen Figur überraschen zu lassen; und wenn es dafür brauchbare Würfelmechanismen gibt, um so besser.
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Was ich schon oben schrieb bzw. Teylen eben: So, wie ich das verstehe, war von "an den SL abgeben" bisher gar nicht die Rede.
Na wer soll denn sonst bestimmen, wenn er von "die Figur" spricht? Entweder lese ich es so, dass das der SL macht - oder ich lese es so, dass ich das mache - anhand des Würfelwurfes. Letzteres ist doch völlig normal und in keinster Weise ungewöhnlich.
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Rumspielstilziel hat das schon gut zusammengefasst:
Ich hatte allerdings den Eindruck, dass Korknadel auch eher auf den "begrenzten Kontrollverlust" hinaus will. Ich hatte das neulich in einer Runde mit ihm, in der durch einen einen Psi-Effekt und einen Wurf herauskam, dass sein Charakter religiöse Ehrfurcht vor einer Erscheinung empfindet. Er hat dann (auch nach Abklingen des Effekts) den Gläubigen gemacht, weil er beschlossen hatte, dass sein Charakter tatsächlich der Meinung ist, ihm sei eine Erleuchtung zuteil geworden. Es wäre aber auch völlig okay (und regelkonform, und möglicherweise auch interessant) gewesen, wenn er einfach beschlossen hätte, dass sein Charakter total schockiert darüber ist, plötzlich religiöse Gefühle zu entwickeln, und sie nach außen hin um so mehr ablehnt.
Problematisch fände ich wie gesagt, wenn der SL den Wurf auswertet, ohne den Spieler dabei einzubeziehen und dann am Ende vielleicht sogar noch verbindlich eine Handlungsweise des SC daraus ableitet. Also etwa so: "Raidri Conchobair hat dich mit seiner Charisma-Probe voll aufgeraucht; du bist überzeugt, dass er der tollste Held seit Schnittus Brotus ist und musst fortan allen seinen Befehlen mit einem Lächeln im Gesicht gehorchen." Gar nicht blöd dagegen in meinen Augen: "Tja, man sieht dem Kerl schon an, dass er zu recht der größte Held des Kontinents ist; einer gewissen Ehrfurcht kannst du dich da nicht erwehren." Das lässt dem Spieler immer noch enorm viele Freiheiten, mit diesem Gefühl umzugehen.
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Na wer soll denn sonst bestimmen, wenn er von "die Figur" spricht? Entweder lese ich es so, dass das der SL macht - oder ich lese es so, dass ich das mache - anhand des Würfelwurfes. Letzteres ist doch völlig normal und in keinster Weise ungewöhnlich.
Na ja, eben der Würfel ...
Natürlich gibt der SL dabei normalerweise erst einmal grobe Optionen vor - "Würfel mal auf Willenskraft mit Schwierigkeit 7. Wenn dein Wurf misslingt, dann bist du Wachs in den Händen des feschen jungen Soldaten; wenn er gelingt, dann beeindruckt sein Gehabe dich nicht besonders."
Dann würfelt man, und anschließend interpretiert man das Ergebnis gemeinsam, wobei beide sich an die vorherige Ansage des SL gebunden fühlen, sie aber auch passend ausgestalten und variieren.
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Das Problem liegt meines Earchtens auf verschiedenen Ebenen.
Wer Rollenspiel zur Kompensation betreibt, will nicht auch da wieder ablosen udnfremdbestimmt sein.
Die nächste ist dann das Willkürproblem, wo jemand annimmt (berechtigt oder nicht) dass ihm da abseits neutralen Ermessens was aufgrdrückt worden sit, was ihm so keinen Spaß macht.
Aber auch wo generell Bereitschaft besteht Kontrollverlust z.B. durch spezifische Regeln zuzulassen gibt es ein Umsetzungsproblem: Der Spieler muss das was da passiert nachvollziehen können, um es auch wieder ausspielen zu können und passend Entscheidungen aus dieser Perspektive machenzu könenn. Wenn da nur WTF bei rauskommt und die bisherige Persönlichkeitsentwicklung kalt abserviert wird, dann ist da keine Basis für mehr als mechanisch-oberflächlcihes Weitermachen, weil kein Verständnis für die Situation mehr da ist.
Kampf ist da einmal relativ deutlich in der Auswirkungen und für die meisetn leute eh etwas abstraktes, dessen Details sie nur schwammig aus Medien kennen. Sozialen Kontakt haben die meisten aber langjährig erlebt und zumindest feste, wenn vielleicht auch nicht zwingend psychologisch korrekte Vorstellungen und entsprechend hoch ist die Hürde für Mechansimen oder auch SL-Input, um da nicht anzuecken.
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Ich hatte allerdings den Eindruck, dass Korknadel auch eher auf den "begrenzten Kontrollverlust" hinaus will. Ich hatte das neulich in einer Runde mit ihm, in der durch einen einen Psi-Effekt und einen Wurf herauskam, dass sein Charakter religiöse Ehrfurcht vor einer Erscheinung empfindet. Er hat dann (auch nach Abklingen des Effekts) den Gläubigen gemacht, weil er beschlossen hatte, dass sein Charakter tatsächlich der Meinung ist, ihm sei eine Erleuchtung zuteil geworden. Es wäre aber auch völlig okay (und regelkonform, und möglicherweise auch interessant) gewesen, wenn er einfach beschlossen hätte, dass sein Charakter total schockiert darüber ist, plötzlich religiöse Gefühle zu entwickeln, und sie nach außen hin um so mehr ablehnt.
Problematisch fände ich wie gesagt, wenn der SL den Wurf auswertet, ohne den Spieler dabei einzubeziehen und dann am Ende vielleicht sogar noch verbindlich eine Handlungsweise des SC daraus ableitet. Also etwa so: "Raidri Conchobair hat dich mit seiner Charisma-Probe voll aufgeraucht; du bist überzeugt, dass er der tollste Held seit Schnittus Brotus ist und musst fortan allen seinen Befehlen mit einem Lächeln im Gesicht gehorchen." Gar nicht blöd dagegen in meinen Augen: "Tja, man sieht dem Kerl schon an, dass er zu recht der größte Held des Kontinents ist; einer gewissen Ehrfurcht kannst du dich da nicht erwehren." Das lässt dem Spieler immer noch enorm viele Freiheiten, mit diesem Gefühl umzugehen.
Da bin ich dann ganz bei euch ;) Mein SL/die Regeln darf mir gerne nach nem Wurf sagen, dass mein Char spitz wird - aber nicht wie ich dann darauf reagiere. Da hab ich schon echt böse Erfahrungen mit SLs gemacht.
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Die Frage ist: Was ist essentiell für Char-Exploration?
Zufall durch Würfel zulassen? Oder das Mindset seinen Charakter mit Wonne in Probleme zu stürzen (aka "Kontrollverlust").
Das sind für mich zwei unterschiedliche Dinge, die durchaus auch zusammen vorkommen können, aber es ging mir hier nicht um die Lust, den Char reinzureiten.
In der Theateranalogie ist der Rollenspieler für mich nicht der Schauspieler sondern eine Mischung aus Autor und Schauspieler. Und auch der Autor wird seinen Charakter kennenlernen indem er sie erstmal in eine Sache hineinstürzt ohne sie zu Ende zu denken.
Der Vergleich mit dem Theater/Film hat einen Punkt der nicht passt. Da gibt es neben den Schauspielern/Spielern und dem Regisseur/SL eben auch noch den Drehbuchautor.
Die Einwände sind insgesamt gesehen richtig, berühren den Punkt, um den es mir geht, aber nicht, denn ich meine tatsächlich nur diesen einen Moment im Verhältnis zwischen Spieler und Figur.
Und zwar folgendes, was auch als Antwort auf Rumpels Post weiter oben zu verstehen ist:
Mir geht es nicht so sehr darum, ob SL, Würfel, Spielwelt oder so Kram die Kontrolle übernehmen. Da sind wir tatsächlich auf der Ebene des Drehbuchs. Mir geht es um den Punkt, wo man als Spieler Kontrolle an seine Figur abgibt (im besten Falle herbeigeführt durch tolle Regeln und Würfel). Wo man nicht mehr Herr seiner Figur ist, sondern quasi ihr Diener. Wo die Figur sagt: Jetzt spiele mich bitte so und so.
Wie gesagt, wenn im Kampf einem Char eine Hand abgehakt wird, dann funktioniert das ohne weiteres Nachdenken bei sehr vielen Spielern. Hier lässt man sich von der einarmigen Figur diktieren, wie man sie spielt, nimmt auf der Regelebene Mali in Kauf, aber auch darstellerisch werden viele Liebhaber unseres Hobbys hier versuchen, die neue Vorgabe ihrer Figur auszufüllen.
Und im sozialen Bereich kann ich mir genau diesen Vorgang auch bestens vorstellen. Einfach mal nicht bestimmen, wie die Figur reagiert, sondern abwarten, wie sie reagiert und sich das dann zu eigen machen. Und hier - das geht an Rumpel - meine ich nicht, dass einem irgendwie fix vorgeschrieben wird, wie man zu agieren hat, sondern dass es einfach die "Figur" tut. Das kann dann mit Deinen "weichen" Konsequenzen" durchaus zusammenfallen. Jedenfalls geht es mir gerade weniger um Reaktionen im Hinblick auf den Plot, die Drehbuch- und Regieebene, sondern ganz immersiv zunächst um die Figurenebene, um das Ausfüllen eines Chars.
Irgendwie so.
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Da bin ich dann ganz bei euch ;) Mein SL/die Regeln darf mir gerne nach nem Wurf sagen, dass mein Char spitz wird - aber nicht wie ich dann darauf reagiere. Da hab ich schon echt böse Erfahrungen mit SLs gemacht.
Da erwarte ich aber, dass die Ausgangslage angemessen berücksichtigt wird. Das wird sicher nicht beliebig weit funktionieren.
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Wie gesagt, wenn im Kampf einem Char eine Hand abgehakt wird, dann funktioniert das ohne weiteres Nachdenken bei sehr vielen Spielern. Hier lässt man sich von der einarmigen Figur diktieren, wie man sie spielt, nimmt auf der Regelebene Mali in Kauf, aber auch darstellerisch werden viele Liebhaber unseres Hobbys hier versuchen, die neue Vorgabe ihrer Figur auszufüllen.
Und im sozialen Bereich kann ich mir genau diesen Vorgang auch bestens vorstellen. Einfach mal nicht bestimmen, wie die Figur reagiert, sondern abwarten, wie sie reagiert und sich das dann zu eigen machen. Und hier - das geht an Rumpel - meine ich nicht, dass einem irgendwie fix vorgeschrieben wird, wie man zu agieren hat, sondern dass es einfach die "Figur" tut. Das kann dann mit Deinen "weichen" Konsequenzen" durchaus zusammenfallen. Jedenfalls geht es mir gerade weniger um Reaktionen im Hinblick auf den Plot, die Drehbuch- und Regieebene, sondern ganz immersiv zunächst um die Figurenebene, um das Ausfüllen eines Chars.
Irgendwie so.
Zu viele schlechte soziale Regeln / Spielleiter sehen aber die abgetrennte Hand vor, wenn das Kind mit dem Lolly zuschlägt ... .
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Und im sozialen Bereich kann ich mir genau diesen Vorgang auch bestens vorstellen. Einfach mal nicht bestimmen, wie die Figur reagiert, sondern abwarten, wie sie reagiert und sich das dann zu eigen machen. Und hier - das geht an Rumpel - meine ich nicht, dass einem irgendwie fix vorgeschrieben wird, wie man zu agieren hat, sondern dass es einfach die "Figur" tut.
Das ist interessant - ich glaube aber, dass gerade viele, die es ablehnen, wenn Spielleitung oder Regeln in die Empfindungen/Gedanken der Figur eingreifen, das deshalb tun, weil sie der Meinung sind, dass dadurch ihre Möglichkeit, die Figur gemäß ihrer eigenen Logik "selbst machen zu lassen", beschnitten wird. Ein Argument für die volle Kontrolle über den eigenen SC ist ja, dass man seinen Charakter konsistent aus dem eigenen Gefühl für diese Figur heraus spielen will.
Oder banaler gesagt: Der Einwand gegen Eingriffe wie "du bist hin und weg von ihr!" (durch SL oder Regeln oder beide) ist doch meistens nicht: "Das will ich als Spieler aber nicht, weil ich die Kontrolle nicht abgeben will", sondern: "Das will ich nicht, weil das überhaupt nicht zu meinem Charakter passt!" - weil die Figur also plötzlich nicht mehr die Freiheit hat, zum machen/denken/fühlen, wie sie von sich aus machen/denken/fühlen würde.
Ich selber sehe das eigentlich anders; ich glaube, dass Menschen sich auch in der Realität oft genug selbst überraschen, und dass man wahrscheinlich ein spannenderes und runderes Spielerlebnis hat, wenn man seine Figur öfter mal dem Zufall überantwortet und dann mit dem weiterarbeitet, was dabei herauskommt. Aber es ist trotzdem interessant, dass genau das Argument, dass du für Kontrollverlust bringst ("die Figur einfach aus sich selbst heraus handeln lassen"), das Argument ist, dass man auch hernehmen kann, um möglichst große Kontrolle durch den Spieler zu fordern.
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Da erwarte ich aber, dass die Ausgangslage angemessen berücksichtigt wird. Das wird sicher nicht beliebig weit funktionieren.
Sehe ich auch so. Dann sollte der Wurf natürlich entsprechend angepasst werden. Oder eben dass bestimmte Konstellationen unmöglich sind. Als Beispiel hierfür hatte ich einen SL, der unseren SC dauernd homosexuelle Liebschaften aufs Auge drücken wollte, obwohl die SCs halt hetero waren.
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Ich spiele seit Jahren in meinen Gruppen so, dass zuerst der Würfelwurf für Dinge gemacht wird und danach der Spieler (oder auch der SL) seinen Charakter entsprechend ausspielen muss - sei das Wahrnehmung, Verhandeln, Überreden, Benehmen, Flirten oder eine Beherrschungsprobe gegen Manien, Angst, Schmerzen, Durchhaltevermögen, Menschenführung etc.
Dazu zählt bei dem Spiel z.B. auch ein Beherrschungswurf wenn man im Kampf verletzt wurde. Wer den Wurf versiebt, muss versuchen aktiv den Kampf zu beenden (Flucht, Ergeben oder, wenn das nicht geht, volle Verteidigung).
Also für simulationistische Spieler ist das kein neues Konzept. ;)
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Sehe ich auch so. Dann sollte der Wurf natürlich entsprechend angepasst werden. Oder eben dass bestimmte konstellationen unmöglich sind. Als Beispiel hierfür hatte ich einen SL, der unseren SC dauernd homosexuelle Liebschaften aufs Auge drücken wollte, obwohl die SCs halt hetero waren.
Der soll einfach mal ne Runde Monsterhearts aufmachen, da ist das Programm! ;)
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Der soll einfach mal ne Runde Monsterhearts aufmachen, da ist das Programm! ;)
Seitdem er endlich nen festen Freund hat, hat sich das mittlerweile gelegt 8)
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... ich glaube, dass Menschen sich auch in der Realität oft genug selbst überraschen, und dass man wahrscheinlich ein spannenderes und runderes Spielerlebnis hat, wenn man seine Figur öfter mal dem Zufall überantwortet und dann mit dem weiterarbeitet, was dabei herauskommt. ...
Da stellt sich eben die Frage, wie hart man das will.
Akzeptiert man es nur bei der Color oder sogar bei Kampagnenweichen?
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Das ist interessant - ich glaube aber, dass gerade viele, die es ablehnen, wenn Spielleitung oder Regeln in die Empfindungen/Gedanken der Figur eingreifen, das deshalb tun, weil sie der Meinung sind, dass dadurch ihre Möglichkeit, die Figur gemäß ihrer eigenen Logik "selbst machen zu lassen", beschnitten wird. Ein Argument für die volle Kontrolle über den eigenen SC ist ja, dass man seinen Charakter konsistent aus dem eigenen Gefühl für diese Figur heraus spielen will.
Oder banaler gesagt: Der Einwand gegen Eingriffe wie "du bist hin und weg von ihr!" (durch SL oder Regeln oder beide) ist doch meistens nicht: "Das will ich als Spieler aber nicht, weil ich die Kontrolle nicht abgeben will", sondern: "Das will ich nicht, weil das überhaupt nicht zu meinem Charakter passt!" - weil die Figur also plötzlich nicht mehr die Freiheit hat, zum machen/denken/fühlen, wie sie von sich aus machen/denken/fühlen würde.
Ich selber sehe das eigentlich anders; ich glaube, dass Menschen sich auch in der Realität oft genug selbst überraschen, und dass man wahrscheinlich ein spannenderes und runderes Spielerlebnis hat, wenn man seine Figur öfter mal dem Zufall überantwortet und dann mit dem weiterarbeitet, was dabei herauskommt. Aber es ist trotzdem interessant, dass genau das Argument, dass du für Kontrollverlust bringst ("die Figur einfach aus sich selbst heraus handeln lassen"), das Argument ist, dass man auch hernehmen kann, um möglichst große Kontrolle durch den Spieler zu fordern.
Genau so sehe ich das auch. Was ich eben sagen will, ist: Wenn er ehrlich ist, hat der Spieler ein Problem damit, dass die Figur "dumm" ist, wenn sie etwas macht, was nicht in das Bild passt, das sich der Spieler von seinem Char gemacht hat. Nur so können überhaupt Aussagen zustande kommen wie: "Das passt nicht zu meinem Char". Ich dagegen plädiere hier eben für das, was Du eben auch geschildert hast: "Mal sehen, was zu meinem Char passt!" Das wäre doch die wahre Exploration, und ja, warum soll eine Figur nicht auch mal genauso "dumm" sein, wie man das selbst so oft gerade in "sozialen Encounters" ist? (Ich weiß, weil man dann nicht mehr seine Allmachtsfantasien mit ihr ausleben kann, fair enough; andrerseits ist die idealisierte Vorstellung einer "stringenten" Figur nichts, was sich mit den überraschenden Erfahrungen des Lebens in Einklang bringen ließe. Und darum tendiere ich dazu, lebendige Figuren nicht unbedingt immer "stringent" oder absolut kohärent zu sehen).
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Das ist interessant - ich glaube aber, dass gerade viele, die es ablehnen, wenn Spielleitung oder Regeln in die Empfindungen/Gedanken der Figur eingreifen, das deshalb tun, weil sie der Meinung sind, dass dadurch ihre Möglichkeit, die Figur gemäß ihrer eigenen Logik "selbst machen zu lassen", beschnitten wird. Ein Argument für die volle Kontrolle über den eigenen SC ist ja, dass man seinen Charakter konsistent aus dem eigenen Gefühl für diese Figur heraus spielen will.
Oder banaler gesagt: Der Einwand gegen Eingriffe wie "du bist hin und weg von ihr!" (durch SL oder Regeln oder beide) ist doch meistens nicht: "Das will ich als Spieler aber nicht, weil ich die Kontrolle nicht abgeben will", sondern: "Das will ich nicht, weil das überhaupt nicht zu meinem Charakter passt!" - weil die Figur also plötzlich nicht mehr die Freiheit hat, zum machen/denken/fühlen, wie sie von sich aus machen/denken/fühlen würde.
Ich selber sehe das eigentlich anders; ich glaube, dass Menschen sich auch in der Realität oft genug selbst überraschen, und dass man wahrscheinlich ein spannenderes und runderes Spielerlebnis hat, wenn man seine Figur öfter mal dem Zufall überantwortet und dann mit dem weiterarbeitet, was dabei herauskommt. Aber es ist trotzdem interessant, dass genau das Argument, dass du für Kontrollverlust bringst ("die Figur einfach aus sich selbst heraus handeln lassen"), das Argument ist, dass man auch hernehmen kann, um möglichst große Kontrolle durch den Spieler zu fordern.
Ich denke jeder hat um überhaupt den Charakter spielen zu können ein gewisses Grundbild von diesem. Und da sind dann entsprechende Freiheitsgrade drin wie weit so ein "Ergebnisraum" einer Situation sein kann, damit er mit den eigenen Vorstellungen so weit deckungsähnlich bleibt, dass auf Basis dieses Verständnisses weitere Handlungen noch genacht werden können.
Manche wollen nur ein gewisses Ideal spielen, im anderen Extrem verstehen sie die eigene Figur nicht mehr.
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Die Abgabe der Kontrolle über die Handlungen des eigenen SC ist doch für ne Menge Spieler schon problematisch, wenn es um den Bereich "Trennung von Spieler- und Charakterwissen" geht. Das Beispiel mit dem Hauptverdächtigen im Mordfall ist so ein Stück. Wenn z.B. Handlung A eine starke Option darstellt und Handlung B eine schwache Option und der Spieler weiß, dass sein vollkommen unwissender SC bis zum Haaransatz in der Scheiße sitzt, wenn er Handlung A ausführt, dann sind (imho zu) viele Spieler zu gerne bereit, Handlung B den Vorzug zu geben.
In unserer Mutants & Masterminds Runde hatten wir mal folgende Situation:
Wir in feindlicher Basis. Stromausfall, alles düster. Wir sind getrennt worden. Wir hören heranstürmende Feinde. Ich morphe mich zu einem Feind und die Anderen verstecken sich. Ich will der Patrouille sagen, dass ich hier alles unter Kontrolle habe und sie weiterziehen können. Nach einem Szenenwechsel mit dem "verlorenen" SC wissen wir, dass da keine Cyborgs ankommen, sondern unsere eigene tonnenschwere Stahl-Killermaschine. Und ich steh als Cyborg verkleidet in seinem Path of Destruction.
Die anderen Spieler haben mich angeguckt, als wäre ich verrückt geworden, als ich erklärte, dass mein SC ja keine Ahnung hat, was gleich passiert und sich deshalb nicht doch mit dem Rest der Truppe versteckt.
Bereits das ist ja schon ein Abgeben der Kontrolle. Wer aber nicht einmal in der Lage ist, seinen Charakter in die Scheiße zu reiten, wenn dieser eine bestimmte Information beim besten Willen nicht haben kann (egal, wie der Spieler dessen Innenleben sieht), wird bei einem Kontrollverlust durch Würfelwurf auf Soziale Fertigkeit natürlich auf die Barrikaden gehen. Da muss man nicht einmal den Punkt "Ich kenne meinen Charakter besser und weiß, wie er in einer Situation reagiert" bemühen.
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In der Situation, die du gerade geschildert hast, hättest du auch sagen können: "Scheiße, da kommt etwas sehr Großes... mein Char zappelt nervös herum, verliert dann die Nerven und versteckt sich, blaß und schweißgebadet." Das wäre unter Umständen auch recht interessant gewesen.
Ich konnte das früher auch nicht leiden, wenn mir die Würfel gesagt haben, was ich tun muss. Bestes Beispiel war Vampire mit seinen "Und jetzt zerbeiß ich's"-Frenzy-Würfen (wo man blindlings irgendwas attackieren musste) oder den "huch, eine Wunderkerze"-Rötschreck-Würfen (wo man dann panisch davongedüst ist).
Da hat mir Unknown Armies extrem geholfen: Da kann ich zwar auch vollkommen die Fassung verlieren und in Panik geraten, aber dann darf ich immer noch entscheiden, was ich mache - renne ich weg? Sitze ich bibbernd in der Ecke? Oder raste ich aus und greifs einfach irgendwie an?
Dann kamen noch ein paar Indies, und mittlerweile hab ich nichts mehr dagegen, wenn der emotionale Zustand meines Charakters von außen bestimmt wird. Aber ich habe den Eindruck, Korknadel, dass es dir eventuell gar nicht nur um den emotionalen Zustand geht, sondern vielleicht auch gerade um die Reaktion - Was macht der Charakter, wenn er gerade in einem Wutanfall einen Schwächeren zusammengeschlagen hat? Oder von einem banalen Feuerzeug so sehr in Panik versetzt worden ist, dass er fast ein Auto gerannt wäre? Wie geht er mit sich um, wenn das passieren kann?
...interessant. :D
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Genau so sehe ich das auch. Was ich eben sagen will, ist: Wenn er ehrlich ist, hat der Spieler ein Problem damit, dass die Figur "dumm" ist, wenn sie etwas macht, was nicht in das Bild passt, das sich der Spieler von seinem Char gemacht hat.
Was hat das mit "dumm" zu tun?
Ob mein Char nun dumm handelt oder nicht, ist doch vollkommen unabhängig davon, ob ich die Kontrolle über den SC habe oder nicht. Wenn sich mein SC in einen NSC verliebt, hat das doch nichts mit Dummheit zu tun. - Egal, ob ich als Spieler das entscheide oder der SL oder die Würfel das entscheiden.
andrerseits ist die idealisierte Vorstellung einer "stringenten" Figur nichts, was sich mit den überraschenden Erfahrungen des Lebens in Einklang bringen ließe. Und darum tendiere ich dazu, lebendige Figuren nicht unbedingt immer "stringent" oder absolut kohärent zu sehen).
Es sind eher überraschende Ereignisse, die einen Psyche-Wechsel einleiten.
Aber von heute auf morgen ohne irgendein überraschendes Ereignis wechselt niemand plötzlich seinen Charakter.
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Das schöne an einer gut gemachten Simulation ist halt:
- Zum einem hat der SL darin nichts herumzupfuschen und ist nicht der Auslöser für den Kontrollverlust
- Zum anderen ist die Aussage "Mein Charakter ist halt so!" endlich mal berechtigt und beißt auch dem Spieler in den Hintern ;)
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In der Situation, die du gerade geschildert hast, hättest du auch sagen können: "Scheiße, da kommt etwas sehr Großes... mein Char zappelt nervös herum, verliert dann die Nerven und versteckt sich, blaß und schweißgebadet." Das wäre unter Umständen auch recht interessant gewesen.
Aber unter den Umständen eine Spielerwissen-über-Charakterwissen Aktion gewesen. Der Plan war (theoretisch) wasserdicht. Ich bin von den Cyborgs nicht zu unterscheiden, habe alle kommunikativen Skills auf Heldenniveau und die Coolness gepachtet. Dass der Char dann mal so richtig auf die Fresse kriegt, weil sein Kumpel einen Cyborg ausschalten will, konnte ausser den Spielern da ja niemand wissen.
Die anderen Spieler hätten übrigens höchstwahrscheinlich deine Variante gewählt. Aber das finde ich dann auch wieder langweilig. In die Scheiße reiten ist doch im Endeffekt viel lustiger. Aber diese Erkenntnis muss man erst mal haben. Vorher ist die Verlustangst zu hoch.
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Aber letztendlich hattest du die Kontrolle über deinen Char. Du hattest entschieden, dass er die Coolness gepachtet hätte.
Kontrollverlust würde bedeuten, dass du würfeln müsstest, ob dein Char dort cool dasteht oder vor Angst doch abhaut. - Hier wäre der Kontrollverlust deines SCs sogar von Vorteil für deinen SC.
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Aber letztendlich hattest du die Kontrolle über deinen Char. Du hattest entschieden, dass er die Coolness gepachtet hätte.
Kontrollverlust würde bedeuten, dass du würfeln müsstest, ob dein Char dort cool dasteht oder vor Angst doch abhaut. - Hier wäre der Kontrollverlust deines SCs sogar von Vorteil für deinen SC.
Grrr. Verdammte Doppel- und Dreifach-Belegung von begriffen im RPS!
Es gibt qualitative und quantitaive Unterschiede darin was und warum Konrollverlust.
In der Simulation ist es ein adequates Mittel um die Spielinterne Realität konsistent zu halten, die hier soll der Charakter konsequent konsistent gespielt werden und der Kontrollverlust geschieht um den Spieler davon abzuhalten in die konsistente Handlung ein zu greifen.
Im herausforderungsorientiertem Spiel ist der Kontrollverlust eine Strafe und die größte Art zu verkacken, denn man ist nicht nur draußen, man (also: der Charakter) handelt ggf. mit voller Effizienz für die Gegenseite.
Im stark narrativen Spiel ist der Kontrollverlust die Einladung zu "Bring it on!" und die Aufforderung für andere zum kreativ sein.
Ein Begriff, ganz unterschiedliche Konnotationen, wichtig ist hierbei herauszufinden wovon das Gegenüber spricht.
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Aber letztendlich hattest du die Kontrolle über deinen Char. Du hattest entschieden, dass er die Coolness gepachtet hätte.
Kontrollverlust würde bedeuten, dass du würfeln müsstest, ob dein Char dort cool dasteht oder vor Angst doch abhaut. - Hier wäre der Kontrollverlust deines SCs sogar von Vorteil für deinen SC.
Nein.
Der SC hatte sich einfach so entwickelt. Angefangen hatte ich ihn mal als Mr. Charming, der sich öfter um seine Portfolios kümmert als um die Rettung der Welt vor Pösen Puben. Im Verlauf der Kampagne wurde er halt auch immer mehr die coole Sau, weil er sich aus jeder Situation rauslabern konnte und ansonsten dank Teleport die Muskeln des Teams die Drecksarbeit machen ließ. Aus seiner Sicht war die Situation vollkommen unter Kontrolle. Sich als Spieler aus Sicherheitsbedenken anders zu entscheiden, wäre dem Wesen des Charakters zuwidergelaufen. Ich gab also die Kontrolle an meinen SC ab und das ist es, was Korknadel sich öfter wünscht, wenn ich ihn richtig verstanden habe. Nicht die Verlustangst Handlungen diktieren lassen, sondern auch den SC zu spielen, wie er gespielt werden muss, auch wenn das für den SC Nachteile bringt. Und das Ganze ohne Taschenlampenfallenlasser-Attitüde, sondern weil es sich organisch aus der Situation ergibt.
Wenn ich nicht völlig falsch liege, möchte Korknadel Spieler, die an ihren SCs hängen (also keine Taschenlampenfallenlasser), die trotzdem bereit sind ihre Rolle trotz Autorenrechte so zu spielen, wie es die Rolle hergibt, auch wenn das zu unangenehmen Konsequenzen führt.
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Nein.
Der SC hatte sich einfach so entwickelt.
Wie hat sich der SC so entwickelt?
Hast du entschieden, dass der SC von Mr. Charming zu Mr. Cool wird?
Hat der SL entschieden, dass der SC von Mr. Charming zu Mr. Cool wird?
Oder wurde die Entwicklung ausgewürfelt?
Ich gab also die Kontrolle an meinen SC ab
Wo gabst du die Kontrolle über deinen Charakter ab?
Du hattest die volle Kontrolle darüber, ob dein SC weiterhin Mr. Cool bleibt, sich zu Mr. Charming zurückentwickelt oder sich in eine andere Richtung (z.B. Mr. Vorsichtig) weiterentwickelt.
Die Kontrolle darüber, wie sich dein SC in dieser Situation entwickelt, lag vollkommen bei dir.
Wenn ich nicht völlig falsch liege, möchte Korknadel Spieler, die an ihren SCs hängen (also keine Taschenlampenfallenlasser), die trotzdem bereit sind ihre Rolle trotz Autorenrechte so zu spielen, wie es die Rolle hergibt, auch wenn das zu unangenehmen Konsequenzen führt.
Er möchte, dass die Kontrolle über den SC in bestimmten Situationen nicht beim Spieler sondern bei den Würfeln liegt.
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Er möchte, dass die Kontrolle über den SC in bestimmten Situationen nicht beim Spieler sondern bei den Würfeln liegt.
Letzten Endes, ja.
Aber es geht ihm ja auch um den Vergleich mit einer Rolle im Theater, wo der Schauspieler gar nicht entscheiden KANN, wie sich die Figur in einer bestimmten Situation entscheidet, nichtmal mit einem Würfelwurf. Der Spieler spielt den Charakter so, wie es die Rolle vorgibt.
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Er möchte, dass die Kontrolle über den SC in bestimmten Situationen nicht beim Spieler sondern bei den Würfeln liegt.
Es gibt diesbezüglich ein extrem gutes Beispiel aus Pendragon (mal schauen wie oft ich das Wort die Tage noch so schreiben werden):
Hier baut ein Charakter seine Persönlichkeit im Spiel auf. Dies wird doch "große" und "kleine" Werte mitgehalten, große Werte sind die christlichen Tugenden, kleine Werte sind die Einzelmodifikatoren dazu.
Hierbei spielt extrem rein wie du, als Spieler, den Charakter führst und das entwickelt die Setting-Realität.
Wenn du, sagen wir mal, dem Graf widersprichst, entwickelt sich der Trait "Widerspricht dem GraF - 1d4" Wiederholst du das, spielst du also konsistent, steigt der Wert ggf. auf "Widerspricht dem GraF - 5d4" an und dein Charakter beginnt konsistent zu agieren (Stochastik lässt grüßen) und du als Spieler hast keine Kontrolle mehr darüber wie du dir deinen eigenen Charakter erspielt hast.
Die Betonung hier liegt darauf dass man sich eine Spielweltrealität erschaffen hat, diese konstant gehalten hat und diese gerade deswegen konstant bleibt.
Um ein konkretes gegenbeispiel zu geben: In D&D hat man immer eine ungefähre Ahnung wie weit man gehen kann bevor s einen Allignment Switch gibt und wählt auch oft Lösungen die der Charakter an sich, also wenn er eine "echte Person" wäre, niemals machen würde, die aber, da man eine herausforderungsorientiertes Spiel spielt, mit zur Lösung gehören.
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@ Sashael
Ein Schauspieler spielt die Rolle so, wie sie der Regisseur vorgibt. Und wenn der Regisseur der Meinung ist, dass der Charakter in der Szene seine Psyche total ändert, dann muss dies der Schauspieler tun. Der Schauspieler hat nicht die Deutungshoheit über den Charakter. Er muss auf die Wünsche des Regisseurs bzw. des Autoren hören.
@ Slayn
Wann würfelt man auf den Trait "Widerspricht dem Graf"? Und welche Konsequenzen hat eine erfolgreiche/misslungene Probe auf den Trait?
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@ Slayn
Wann würfelt man auf den Trait "Widerspricht dem Graf"? Und welche Konsequenzen hat eine erfolgreiche/misslungene Probe auf den Trait?
Ich habe jetzt keine besondere Lust so richtig tief ins Geschehen zu gehen, aber Konflikte nutzen eine Matrix bei der beiden Kontrahenten die relevanten Werte beitragen und auf der die Ergebnisse ermittelt werden.
das System an sich hält deine Handlungen mit, setzt diese in Werte um und macht diese in einem Format das für diese Konfliktmatrix nutzbar ist verfügbar.
Insofern entwickelt der Charakter sehr viele, sehr spezifische Werte die immer dann zum Einsatz kommen wenn sich die Action in den Szenen darum dreht. Geschieht dies nicht, wird geschaut ob sich neue Werte entwickeln lassen.
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@Eulenspiegel:
Begriffe wie "dumm" und "Kontrollverlust" sind nicht absolut zu verstehen. Es dürfte doch bitteschön offensichtlich sein, dass ich diese Begriffe im Zusammenhang eines Diskurses gewählt habe, in dem diese als Argumente immer wieder von einer Seite herangezogen werden. Ob diese Begriffe tatsächlich 100pro auf das zutreffen, was gemeint ist, sei dahingestellt. Die absolute Bedeutung von "Kontrollverlust" im Rollenspiel bitte ich woanders zu diskutieren (Slayn hat hierzu ja schon Bedenkenswertes gepostet).
Mir sind die realweltlichen Zustände an einem Theater hier schnurz, mir geht es lediglich um das abstrakte Verhältnis von Schauspieler und Figur. Und nach dem, was ich in meiner Ausbildung zum Musiktheater an Schauspielunterrricht und -tätigkeit erlebt habe, kann ich Dir versichern, dass meine Aussagen zum Verhältnis Schauspieler/Figur zumindest nicht weit hergeholt sind. Denn letztlich ist es egal, ob der Text oder der Regiesseur (wenn er den Text gegen den Strich bürstet) bestimmen, wo die Figur lang geht: In dem Moment, wo Du das als Schauspieler umsetzt, stehst Du mit der Figur wieder ganz alleine da. Und um diesen Moment geht es mir.
@alle:
Damit bin ich wieder an dem Punkt meiner Überlegung, die ich noch einmal anders zu formulieren versuche: Es geht um das von vielen tollen Rollenspielern vor sich hergetragene "In die Rolle Schlüpfen". Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr gelange ich zu der These, dass dies im Grunde gar nicht möglich ist, so lange ich die "Kontrolle" über die Figur beanspruche. Denn so lange ich dies tue, bewege ich mich immer auf der Metaebene der Autoren und Regiesseure. Das Ausleben und Ausfüllen einer Rolle kann aber nur stattfinden, wenn die Figur den Ton angibt. Entweder man ist Lenker oder Darsteller. Entweder ich führe die Figur, oder sie führt mich.
Und mir ist schon klar, dass man beim Rollenspiel in erster Linie eine Figur lenkt. Aber um den Immersionsgrad zu erhöhen, um "tiefer" in die Rolle hineinzuschlüpfen, um das Spiel wirklich in-character zu erleben, "sollte" man sich öfter mal als Darsteller der Figur zur Verfügung stellen und sich von ihr lenken lassen. Wie das dann im einzelnen aussieht, ob das mit sozialen Konfliktregeln oder anderen Dingen unterstützt, bzw. herbeigeführt wird, das ist für diese Überlegung erst einmal zweitrangig (wobei ich natürlich eine Präferenz für Würfelwürfe habe, die mir dann sagen: "Oh, meine Figur lässt sich tatsächlich von diesem Unsympathen einwickeln").
Meine These ist fürderhin ( ;D), dass auf diese Weise character exploration erst so richtig möglich ist. Denn das andere wäre "author exploration", bei der es eigentlich darum geht: Wie lenke ich meine Figur (auch emotional)? Das ist auch spannend, aber eben mehr auf der Metaebene, weniger "immersiv".
Oder um es mal ganz banal zu sagen, wobei ich dazu mal tatsächlich von gewürfelten sozialen Konflikten ausgehe: Es macht verdammt viel Spaß, zuzulassen, dass die eigene Figur von einem NSC, der besser würfelt, beeindruckt, belabert, belogen, betrogen, verzaubert, in den Bann gezogen, verführt, in Rage/zur Verzweiflung/um den Verstand gebracht wird etc. Ich habe mir vorgenommen, diesen Spaß verstärkt im Spiel zu suchen.
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Und mir ist schon klar, dass man beim Rollenspiel in erster Linie eine Figur lenkt. Aber um den Immersionsgrad zu erhöhen, um "tiefer" in die Rolle hineinzuschlüpfen, um das Spiel wirklich in-character zu erleben, "sollte" man sich öfter mal als Darsteller der Figur zur Verfügung stellen und sich von ihr lenken lassen. Wie das dann im einzelnen aussieht, ob das mit sozialen Konfliktregeln oder anderen Dingen unterstützt, bzw. herbeigeführt wird, das ist für diese Überlegung erst einmal zweitrangig (wobei ich natürlich eine Präferenz für Würfelwürfe habe, die mir dann sagen: "Oh, meine Figur lässt sich tatsächlich von diesem Unsympathen einwickeln").
Da liegt allerdings der problematische Punkt bei deiner These, dass es so "immersiver" wird: Klar kennt man das Gefühl, dass fiktiven Figuren ein Eigenleben entwickeln, aber letztlich kommt dieses Eigenleben ja doch von den Spielteilnehmern, die entweder aus dem Kopf oder aus dem Bauch heraus entscheiden, was sich für die Figur "richtig" anfühlt (und sich damit, wenn sie ehrlich sind, vielleicht durchaus überraschen). Selbst bei sozialen Konfliktregeln und Würfelentscheidungen hängt die Interpretation ja von den Spielern und deren Gefühl für die Figur ab.
Sich von der Figur lenken zu lassen, muss also immer eine Illusion bleiben, wenn auch eine wirksame. Die Figur kann nämlich keine eigenen Entscheidungen treffen.
Jetzt ist eigentlich nur die Frage: Wie verteile ich bei den Entscheidungs-/Entwicklungsprozessen der Figur die Kompetenzen? Wenn ich sie weit verteile (also auf SL und einen oder sogar mehrere Spieler, und dann noch Regelmechanismen als an/aus-Schalter für von den Spielern festgelegte binäre Optionen), wie du es favorisierst, dann hat der Spieler, der die Figur verkörpert, öfter Gelegenheit, sich mit Entscheidungen der Figur auseinanderzusetzen, die nicht auf seiner eigenen Interpretation der Figur beruhen, sondern aus der eines anderen. Und daraus kann dann das resultieren, was du als Immersion empfindest - sich einer Figur überlassen, sich in sie einfühlen, auch und gerade wenn sie Dinge tut, die sich der eigenen Kontrolle entziehen.
Aber es gibt eben auch Spieler, die finden, dass die Kompetenz, über einen Charakter zu entscheiden, am besten in einem Spieler vereinigt ist, und die es als immersiv empfinden, wenn sie die Gründe für das Verhalten ihres SC immer kennen und er für sie völlig transparent ist.
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Sich von der Figur lenken zu lassen, muss also immer eine Illusion bleiben, wenn auch eine wirksame. Die Figur kann nämlich keine eigenen Entscheidungen treffen.
Selbstverständlich sprechen wir hier in gewissem Maße von Illusorischem, klar, eine Figur ist ja nur ein fiktives, abstraktes Bündel von Vorstellungen. Das hatte ich vorausgesetzt.
Aber es gibt eben auch Spieler, die finden, dass die Kompetenz, über einen Charakter zu entscheiden, am besten in einem Spieler vereinigt ist, und die es als immersiv empfinden, wenn sie die Gründe für das Verhalten ihres SC immer kennen und er für sie völlig transparent ist.
Es gibt eben auch Spieler, die auf den Gral pfeifen und trotzdem glücklich sind. ;D
Im Ernst: Das sollte keine verbindliche Handlungsanweisung für "immersives" Rollenspiel sein, sondern ist nur ein Denkimpuls, der mir in letzter Zeit durch den Kopf geht. Der Klarheit willen formuliere ich das natürlich alles bestimmter, als es gemeint sein kann.
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Man kann Charakterentwicklung zu einem Gruppengesprächsthema machen. Da man sich den Vorstellungsraum und die Geschichte teilt, haben alle einen Anteil daran. Jeder kann auch IT, wie OT eine Wahrnehmung von einem anderen SC haben. Über emotionale, moralische etc. Charakterentwicklung kann man also gemeinsam sprechen, sofern gewünscht. In meinen Runden sehe ich oft, dass in der Feedbackrunde nicht nur über das gesprochen wird, was ich als SL mache, sondern auch über die Handlungen der SC und wie sich das für die Spieler und anderen SC wohl angefühlt hat. Das ist mehr so der erste Schritt zu einer indirekten Abgabe der Kontrolle, da ein Sinneswandel oder eine Veränderung in der Figur erst über die Zeit geschieht.
Edit: Interessanter Thread nebenbei.
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- Zum anderen ist die Aussage "Mein Charakter ist halt so!" endlich mal berechtigt und beißt auch dem Spieler in den Hintern ;)
:d :d Super.
Sorry für dein Einwurf, bitte weiter im Gespräch.
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Da liegt allerdings der problematische Punkt bei deiner These, dass es so "immersiver" wird: Klar kennt man das Gefühl, dass fiktiven Figuren ein Eigenleben entwickeln, aber letztlich kommt dieses Eigenleben ja doch von den Spielteilnehmern, die entweder aus dem Kopf oder aus dem Bauch heraus entscheiden, was sich für die Figur "richtig" anfühlt (und sich damit, wenn sie ehrlich sind, vielleicht durchaus überraschen). Selbst bei sozialen Konfliktregeln und Würfelentscheidungen hängt die Interpretation ja von den Spielern und deren Gefühl für die Figur ab.
Sich von der Figur lenken zu lassen, muss also immer eine Illusion bleiben, wenn auch eine wirksame. Die Figur kann nämlich keine eigenen Entscheidungen treffen.
Jetzt ist eigentlich nur die Frage: Wie verteile ich bei den Entscheidungs-/Entwicklungsprozessen der Figur die Kompetenzen? Wenn ich sie weit verteile (also auf SL und einen oder sogar mehrere Spieler, und dann noch Regelmechanismen als an/aus-Schalter für von den Spielern festgelegte binäre Optionen), wie du es favorisierst, dann hat der Spieler, der die Figur verkörpert, öfter Gelegenheit, sich mit Entscheidungen der Figur auseinanderzusetzen, die nicht auf seiner eigenen Interpretation der Figur beruhen, sondern aus der eines anderen. Und daraus kann dann das resultieren, was du als Immersion empfindest - sich einer Figur überlassen, sich in sie einfühlen, auch und gerade wenn sie Dinge tut, die sich der eigenen Kontrolle entziehen.
Aber es gibt eben auch Spieler, die finden, dass die Kompetenz, über einen Charakter zu entscheiden, am besten in einem Spieler vereinigt ist, und die es als immersiv empfinden, wenn sie die Gründe für das Verhalten ihres SC immer kennen und er für sie völlig transparent ist.
Das hier muss ich jetzt ein wenig hinterfragen, denn da klingen für mich noch ein wenig zu sehr die üblichen Kompetenzverteilungen a la DSA mit rum, also das tatsächlich jemand irgendetwas zu sagen hat und das gewählte System übergehen können sollte.
So wie ich Korki hier bisher verstanden habe reden wir aber über eine richtiggehende Charakter-Simulation die es einem geneigten Spieler erlaubt einen Charakter als Vehikel für einen Blickwinkel ins Geschehen zu werfen und vom Spielleiter erwartet nur korrektiv einzugreifen wenn die Regeln versagen, ansonsten als reiner Input-Geber für die Außenwahrnehmung zu fungieren.
Traditionelle Erzählrechtverteilungen spielen dann also keine Rolle mehr (Ok, Kalauer, Tusch!).
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Character exploration auf diese Weise ist schön und gut, wenn es dem gemeinsamen Spiel förderlich ist. Dadurch muss trotz des "leichten Kontrollverlustes" (ich würde hier eher von was anderem sprechen, siehe unten) eine gewisse Kontrolle doch darüber übrig bleiben, die Rolle entsprechend der Tisch- und Settingkonventionen in verträglichen Bahnen zu halten. Der Spieler muss in meinen Augen also immer in gewisser Weise als "enabler" der gespielten Rolle im Hintergrund bleiben, um im Notfall die Reißleine zu ziehen, wenn das Ganze mit ihm durchgeht.
Das, wovon du sprichst, korknadel, hat meiner Meinung nach weniger mit dem Verlust der Kontrolle zu tun, als mit progressivem Charakterdesign im Spiel. Wer seine Figur und Rolle (der er sich als Spieler in gewisser Weise unterzuordnen hat, wenn es ihm um eine gewisse Immersion geht, da gebe ich dir recht) nicht in Stein meißelt und mit jedem gespielten Moment neu ausformt bzw. weiterentwickelt, hat in der Regel kein Problem damit, Reaktionen nach Würfen auszurichten und so neue Ebenen des gespielten Charakters zu erfahren.
Ich meine das nicht als nit-picking im Bezug auf den Begriff. Ein Verlust der Kontrolle wäre in diesem Augenblick für mich sogar fatal. Es ist absolut notwendig, dass der Spieler zu jeder Zeit willens und in der Lage ist, die Ausgestaltung seines Charakters persönlich vorzunehmen. Es geht in erster Linie nur darum, wie offen er die Gesetze dieser Gestaltung ansetzt. In gewisser Weise kann man hier zwar von einem "Loslassen" von festgefahrenen Annahmen über die Motive und Persönlichkeit der Figur sprechen, um diesen neuen Entwicklungen überhaupt offen begegnen zu können, die Kontrolle darüber, was letztlich mit der Figur geschieht, darf allerdings nicht verloren gehen. Sich den Bedingungen der gewählten Rolle zu unterwerfen, die man gleichzeitig mitgestaltet, kann eben nicht bedeuten, die Verantwortung über ihre Integration in das gemeinsame Spiel abzugeben. Gerade dann landen wir bei "ich kann da nichts für, so ist mein Charakter eben".
Natürlich bin ich mir bewusst, dass das von dir verwendete Wort in gewisser Weise schon zutrifft, weil "Offenheit" auch irgendwie "nicht verbissen sein" heißt und das widerum irgendwas mit Kontrolle zu tun hat. Ich möchte das lediglich so eindeutig und hart getrennt wissen, weil ein Missverständnis in diesem Zusammenhang meiner Meinnug nach sowohl im Rollenspiel, als auch in der von dir eingebrachten theatralen und auch in der literarischen Kunst, immer wieder zu Katastrophen führt. Es gibt auch Autoren, die sich ihrer Verantwortung für die Aufrechterhaltung ihrer Geschichte und Ausgestaltung von Spannungsbogen und Plot entziehen, indem sie behaupten, ihre Figuren hätten sich einfach selbstständig gemacht. Oder Schauspieler, die Rollen entstellen, weil sie davon überzeugt sind, dass die Rolle "das so will". Oder eben das lästige "mein Charakter ist eben so" im Rollenspiel. Das ist im Grunde "character exploration gone rogue" um im Kontext dieses Threads zu sprechen. Damit geht oftmals eine ganze Mentalität her, die der Dominanz der Figur viel zu viel und der Verpflichtung des Autors, diese zu kontrollieren, viel zu wenig Gewicht beimisst. Und die glaubt, die Kontrolle über das verlieren zu müssen, was sie entwickeln und darstellen, um diesem fiktiven "Etwas" genug Raum zur Entfaltung geben zu müssen.
Gerade in einem "coporative effort", wie im Rollenspiel, gibt es in meinen Augen nichts Wichtigeres, als diesen Fehlschluss, bzw. diese Illusion zu vermeiden. In dem Augenblick, wo man die Gestaltungskompetenz- und verantwortung an das fiktive Konstrukt abgibt, das überhaupt erst durch die persönliche Interpretation ihrer Prämissen, Grenzen und Motivationen existiert, tritt man im Grunde genommen mit Anlauf gegen die gemeinsam errichteten Säulen des Fundaments, das die gemeinsame Vorstellungswelt, den Gruppenvertrag und all das schöne Zeug, was das "wir spielen zusammen make belief" überhaupt ermöglicht. Da erfahrungsgemäß die wenigsten Spieler sich dieser Verantwortung immer zu 100% bewusst sind, ist Chaos und Stunk dann eigentlich vorprogrammiert.
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Das hier muss ich jetzt ein wenig hinterfragen, denn da klingen für mich noch ein wenig zu sehr die üblichen Kompetenzverteilungen a la DSA mit rum, also das tatsächlich jemand irgendetwas zu sagen hat und das gewählte System übergehen können sollte.
So wie ich Korki hier bisher verstanden habe reden wir aber über eine richtiggehende Charakter-Simulation die es einem geneigten Spieler erlaubt einen Charakter als Vehikel für einen Blickwinkel ins Geschehen zu werfen und vom Spielleiter erwartet nur korrektiv einzugreifen wenn die Regeln versagen, ansonsten als reiner Input-Geber für die Außenwahrnehmung zu fungieren.
Traditionelle Erzählrechtverteilungen spielen dann also keine Rolle mehr (Ok, Kalauer, Tusch!).
Das System kommt bei dem, was ich meine, noch gar nicht direkt ins Spiel. Was ich meine, ist, dass der Charakter als Figur, als Person letztlich doch immer nur aus den Entscheidungen der beteiligten Spieler (ob die nun SL sind oder die Spieler des jeweiligen SC oder andere Mitspieler) entwickeln kann, auch, wenn er dabei ein Eigenleben zu entwickeln scheint. Selbst, wenn ein Zufallselement der Regeln darüber entscheidet, in weche Richtung sich ein Handlen entwickelt (Erfolg/Scheitern, Angst/Mut, Skepsis/Leichtgläubigkeit), dann muss man dieser groben Richtung im Spiel ja immer noch einen konkreten Ausdruck und einen Zusammenhang mit dem Charakter als Ganzem verleihen. Ohne diesen Ausdruck und ohne die Herstellung eines Gesamtzusammenhangs hat man eben doch keine Figur, sondern nur eine Ansammlung von abstrakten Entscheidungen.
Ob man dabei das System übergeht oder es streng berücksichtigt, ist noch mal eine ganz andere Frage.
Mit Kompetenzverteilung meine ich in diesem Zusammenhang gar nicht so sehr die klassische Erzählrechtsvergabe (wer entscheidet, wie genau etwas abläuft), sondern die Frage, wer alles in welcher Form Input geben kann. Zu diesem Input gehört auch: Wann wenden wir die Regeln auf Charaktere an? Befolgen wir die Regeln mehr oder weniger streng?
Was Korki angesprochen hat, kann doch letztlich nur ein sehr fließender Ansatz sein: Mal hält mehr der Spieler die Zügel in der Hand, mal mehr der SL; und wenn letzterer eingreift, dann gehört es halt zum guten Ton, dass er dem SC nicht einfach die Variante, die ihm gefällt, aufpropft, sondern entweder eine Anregung gibt oder die Entscheidung zwischen verschiedenen Optionen dem Würfel überlässt. Letztlich ist das für mich aber immer nur als situationsabhängiges Aushandeln darüber denkbar, wessen Ideen für das Handeln des SC gerade im interessantesten/passendsten/spaßförderndsten sind. Und wenn man diesen "Ich weiß am besten, wie mein Charakter tickt!"-Fetisch hat, dann will man sich natürlich nicht auf ein Aushandeln einlassen, sondern findet, dass es am Besten ist, wenn immer alles genau so läuft, wie man es sich vorstellt.
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@Old Wise One:
Erweitere deine Betrachtung mal um Impulsgeber und Echos.
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@Rumpel:
Was du anscheinend zu beschreiben suchst ist eine Feedbackschleife: Du erspielst den "Charakter" des Charakters und je weiter du diesen festigst, umso schwieriger wird es daraus auszubrechen. Das sind die Impulse und das Echo das ich auch schon gerade erwähnt habe.
Ein hier grundlegend wichtiges System würde dazu dienen diese Dinge nachzuhalten und erst im zweiten Schritt dafür zu sorgen in das genutzte Task Resolution System einzugreifen, etwa indem es eine Abfrage gibt ob deine Intention als Spieler (für eine Konkrete Handlung) für diesen Charakter so überhaupt in Betracht kommt.
[Nachtrag] Vielleicht ist "Kontrollverlust" auch ein zu schwammiger Ausdruck an der Stelle, dreht es sich doch entweder um "Geteilte Kontrolle" oder zumindest "Keine Autorenkontrolle" zu haben.
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Ich beziehe mich auf den Eingangspost...
Korknadel, was Du als Eintauchen in die Rolle beschreibst, ist da die Komponente im Rollenspiel,
die den Method-Actor (gemäß Laws Spielertypisierung) triggert und anspricht.
Dabei gilt erstmal zu berücksichtigen, dass viele Rollenspieler ihre Prämissen woanders legen (Powergamer, Buttkicker, Tactican, etc.) also diesbezüglich gar keine hohen Ansprüche haben.
Und ich stelle mal die These auf, das die Method-Actors (sorry, englischer Plural...) eigentlich keine Probleme damit haben, spontan Reaktionen zu generieren, die relativ zufällig sind und trotzdem plausibel (der Situation und der Rolle angemessen).
Der große Unterschied zum Schauspieler, der durch sein "Script" in Dialog und Aktion gesteuert ist, ist, so denke ich: Rollenspiel ist eher Spontantheater. Auch da gibt es einen großen Rahmen, auf den man sich geeinigt hat, aber jeder ist eigentlich Herr seiner eigenen Rolle und niemand weiss, wo die Story hinwandert.
Was beim Spontantheater aber existiert, ist die Möglichkeit, den Zufall einzusetzen.
Das Publikum (oder ein "Spielleiter", oder der Zufall) entscheidet, was passiert oder wie es weitergehen soll (Handlung einer Rolle).
Aber auch da gibt es nun mal Reaktionen, der Schauspieler, die dann plötzlich ein "Was? Och nö!" verspüren.
Und auch da gibt es Versuche, dem zu trotzden und den Bogen aus der unerwünschten Fremdkontrolle zu bekommen und es doch anders zu machen.
Ich denke einfach, dass "Methord Actor" im Spontantheater gern selbst ihre Rolle verkörpern und dass mit allen erdenklichen Inhalten. Fremdkontrolle stößt daher immer auf Widerstand.
Auch beim Rollenspiel.
Und die Ankündigung von Fremdkontrolle erst recht, denn der Mensch mal sich ja immer das schlimmste Szenario aus und nicht das wahrscheinlichste...
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Fremdkontrolle stößt daher immer auf Widerstand.
Auch beim Rollenspiel.
Dem stimme ich zu, auch wenn es schade ist. Einige meiner besseren Rollenspielmomente resultierten aus einem Loslassen der Kontrolle. Und trotz dieser Erfahrung fällt es mir noch immer schwer den Kontrollverlust zu wagen. Teilweise bemerke ich erst später das dies wohl die interessantere Entscheidung in einer Szene gewesen wäre.
Frage mich gerade wie man dies üben oder regeltechnisch unterstützen kann.
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Fremdkontrolle stößt daher immer auf Widerstand.
Auch beim Rollenspiel.
Weil Kontrolle und Kontrollverlust traditionell mit Bestrafung zu tun hat. Betrachtet man z.B. aber mal SaWo mit seinen Bennies oder Fate mit seinen Fate Points, wird man dafür _belohnt_ kurzzeitig die Kontrolle über seinen Charakter aufzugeben und "Bring it on!" zu sagen.
Wenn wir über Mainstream Rollenspiel sprechen, dann kommen wir aber auch zu dem Punkt an dem die Spaßquelle im Erfolg, im Belohnt werden und im "Schaffen durch Partizipieren" von etwas liegt, sei es die Story oder die einzelne Aufgabe.
Die Character Exploration als primäre Spaßquelle ist dabei gar nicht vorgesehen und wird auch nicht unterstützt.
Man kann also nicht pauschal sagen dass Kontrollverlust automatisch auf Widerstand trifft, das geschieht nur dann wenn es weiterhin etwas negatives bleibt.
[Nachtrag] Die beiden besten Systeme mit "Kontrollverlust" die ich kenne bedienen sich halt sehr spezifischen Quellenmaterials (Romantische Ritter und Ehrenhafte Samurai) und beziehen sich vornehmlich auf die Psyche und Geisteshaltung die ein Charakter an den Tag legen muss um erfolgreich und spaßbringend gespielt zu werden. Hier muss man selbst als Spieler arbeit darin investieren sich einen Zugang zu der Thematik zu erarbeiten und das ist es auch was belohnt wird, weil der vermeintliche "Kontrollverlust" meist damit zu tun hat dass der Charakter von sich aus das macht was man eigentlich von ihm erwünscht hat.
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Eine merkwürdige Beobachtung der Gegenseite ist übrigens auch (da ich gerne solch einen Kontrollverlust habe und mich mal "von außen" leiten lasse, das passiert ja nicht andauernd), dass es durchaus SL gibt, die mir auf keinen Fall in meinen Charakter reinpfuschen wollen und solche Situationen dann aktiv vermeiden, selbst wenn man ihnen sagt, dass sie gern mal sagen dürfen "Dein Charakter will den NSC jetzt auf jeden Fall möglichst schnell umbringen, spiel das mal aus".
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Mir sind die realweltlichen Zustände an einem Theater hier schnurz, mir geht es lediglich um das abstrakte Verhältnis von Schauspieler und Figur. Und nach dem, was ich in meiner Ausbildung zum Musiktheater an Schauspielunterrricht und -tätigkeit erlebt habe, kann ich Dir versichern, dass meine Aussagen zum Verhältnis Schauspieler/Figur zumindest nicht weit hergeholt sind. Denn letztlich ist es egal, ob der Text oder der Regiesseur (wenn er den Text gegen den Strich bürstet) bestimmen, wo die Figur lang geht: In dem Moment, wo Du das als Schauspieler umsetzt, stehst Du mit der Figur wieder ganz alleine da. Und um diesen Moment geht es mir.
OK, wenn es dir darum geht:
Das ist doch das normalste der Welt. Ich habe bisher kaum Rollenspielrunden kennengelernt, die das anders handhaben.
Es geht um das von vielen tollen Rollenspielern vor sich hergetragene "In die Rolle Schlüpfen". Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr gelange ich zu der These, dass dies im Grunde gar nicht möglich ist, so lange ich die "Kontrolle" über die Figur beanspruche. Denn so lange ich dies tue, bewege ich mich immer auf der Metaebene der Autoren und Regiesseure. Das Ausleben und Ausfüllen einer Rolle kann aber nur stattfinden, wenn die Figur den Ton angibt. Entweder man ist Lenker oder Darsteller. Entweder ich führe die Figur, oder sie führt mich.
Die Sache ist: Du bist die Figur!
Bzw. die Figur ist nur eine Fiktion in deinen Gedanken.
Daher gibt es, sobald du "in die Rolle geschlüpft" bist, keinen Unterschied zwischen "der Spieler lenkt" und "die Figur lenkt".
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Man sollte vielleicht bedenken dass Kontrollverlust in beide Richtungen funktioniert. Natürlich entzieht es dem Spieler in gewisser Weise die Kontrolle über die eigene Figur. Aber es entzieht dem Spielleiter auch die Kontrolle über die NSCs. Der Händler gibt zu dass seine Waren Schrott sind und bietet Geld für das schweigen, der Prediger bemerkt das seine Religion in sich nicht schlüssig ist und zweifelt, der Androgynos krempelt sein Leben um und geht eine dauerhafte Beziehung ein.
Natürlich kann es dazu kommen das sich der böse Nekromant von den Spielern überzeugen lässt ihnen zu helfen anstatt sie zu bekämpfen. Aber das klingt doch nach einer spannenderen Geschichte als ihn zu töten. selbst wenn es eigentlich als drei monatige Kampagne geplant war.
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Finde ich einen sehr guten Punkt, Anastylos. :d
Wobei es als SL manchmal irritierend sein kann, wenn man von seinen eigenen Figuren überrumpelt wird - weil die zu viel erzählen, weil die merken, dass ihre Rachegelüste total lächerlich sind, weil die einem SC einfach nicht widerstehen können... das macht die NSCs glaubwürdiger und lebendiger, birgt aber natürlich auch die Gefahr, dass der NSC die SCs überschattet. Oder dass er sich ihnen anschließen will (weil es einfach keinen Sinn macht, dass er zu Hause sitzen bleibt), und dann hast du als SL die ganze Zeit diesen Kerl an der Backe, den du da gar nicht brauchen kannst. ;)
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Wenn Weiterentwicklung (SC oder NSC) schon als Kontrollverlust angesehen wird, dann werden hier aber mittlerweile ganz andere Fässer aufgemacht :o
Ich finde es wichtig, dass den Spielern klar ist, dass sie nicht immer zu 100% Herr ihres Charakters sind. Leider gibt das viele Gruppenverträge nicht her. Es fängt an bei Kontrollzaubern der NSC (ich erinnere mich sehr gut an meinen fuchsteufelswilden Spieler, der für die Dauer eine Kampfes keine Kontrolle mehjr hatte. Meine Güte, was hat der geschimpft und war seriously pissed) und geht weiter bei sozialen Fertigkeiten der NSC gegen die SC.
Ich finde ehrliche SC viel cooler am Tisch, als kontrollwütige Spieler, die ihren Schuh durchziehen müssen. Und das ist nicht schwarz-weiß-Malerei, sondern vielmehr bunt-schwarz ;) "MEIN Charakter" macht ein plausibles Kampagnenspiel mitunter (kein Muss, ein Kann) genauso kaputt, wie "MEINE Kampagne" des Meisters. Der Besitzanspruch ist schon etwas merkwürdig. Und wenn ich recht darüber nachdenke, dann finde ich viele Facetten dieses Themas merkwürdig. Schließlich spiele ich meine Charaktere oder leite ich meine Kampagne nicht ausschließlich für "die Anderen". Vielmehr sollte sich das alles schön die Waage halten, Ideen werden in einen Topf geschmissen und es wird gemeinsam gespielt. Wobei in "gemeinsam" auch "MEIN" vorkommt ... seltsam >;D
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D.h. es geht hier nicht um den SL, der dem SC etwas aufzwingt, um seine Kampagne in eine bestimmte Richtung zu bringen, sondern um die Bereitschaft beider, Entscheidungen in die Hände von Zufallsprozessen zu legen.
Um hierauf noch zu antworten:
Ich sehe die Fraktion der Kontrollfreaks (SL oder Spieler) als Leute, die das gar nicht oder nur sehr selten trennen. Das vergaß ich ganz offensichtlich zu schreiben. Ich habe die Erfahrung zumindest derart gemacht und finde es schade. Zeigt aber eine Tendenz bei einem gewissen Typus Rollenspieler (und natürlich auch in anderen Hobbies, keine Frage) auf. Ich überspitze es mal: im RL Versager versucht seine Defizite im Medium Rollenspiel zu kompensieren über Macht, Kontrolle, Starrköpfigkeit und Arschlochverhalten.
Auf mich angewandt bedeutet das, dass ich mir generell nichts sagen lasse >;D Aber davon ab: auf mich gemünzt bedeutet das natürlich ein Ventil und Ablenkung aus dem RL. Ich möchte gern mehr sein, als ich bin und kann das über das schöne Medium ausleben. Ich bin kreativ, freigeistig und vor Allem abgelenkt, kann oberflächlich entspannen und habe eine tolle Zeit mit meinen Jungs. Bei einigen Leuten trägt das aber reifere Früchte. Die überkompensieren, bewusst oder unbewusst. Die werden richtiggehend hartnäckig und ätzend, wenn sie in ihre Rollen schlüpfen. Die werden alles daran setzen, die Kontrolle jederzeit über ihren Charakter zu behalten. Und das nicht nur entgegen plausibler innerweltlicher Entwicklungen, sondern auch über gezieltes Maulen bei unpassenden Würfelergebnissen. Ein netter SL oder Mitspieler wird dann des lieben Frieden willen sicherlich klein beigeben. Dreistigkeit setzt sich durch.
Glaubst Du nicht? ;)
Ist aber so. Mehrfach geschehen/erlebt, beobachtet und erzählt bekommen.
EDIT:
ich tue mich übrigens selbst nicht immer leicht mit der Abgabe von Kontrolle. Übermächtige Arschloch-NSC zB hasse ich wie die Pest und überreagiere auf diese schon bei erster Sichtung auf Entfernung. Dennoch vertrete ich hier die Fraktion der Kontrollabgeber. In einer gesunden Gruppe führt das zu coolen Aktionen :d
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Character exploration auf diese Weise ist schön und gut, wenn es dem gemeinsamen Spiel förderlich ist. Dadurch muss trotz des "leichten Kontrollverlustes" (ich würde hier eher von was anderem sprechen, siehe unten) eine gewisse Kontrolle doch darüber übrig bleiben, die Rolle entsprechend der Tisch- und Settingkonventionen in verträglichen Bahnen zu halten. Der Spieler muss in meinen Augen also immer in gewisser Weise als "enabler" der gespielten Rolle im Hintergrund bleiben, um im Notfall die Reißleine zu ziehen, wenn das Ganze mit ihm durchgeht.
Das, wovon du sprichst, korknadel, hat meiner Meinung nach weniger mit dem Verlust der Kontrolle zu tun, als mit progressivem Charakterdesign im Spiel. Wer seine Figur und Rolle (der er sich als Spieler in gewisser Weise unterzuordnen hat, wenn es ihm um eine gewisse Immersion geht, da gebe ich dir recht) nicht in Stein meißelt und mit jedem gespielten Moment neu ausformt bzw. weiterentwickelt, hat in der Regel kein Problem damit, Reaktionen nach Würfen auszurichten und so neue Ebenen des gespielten Charakters zu erfahren.
Ich meine das nicht als nit-picking im Bezug auf den Begriff. Ein Verlust der Kontrolle wäre in diesem Augenblick für mich sogar fatal. Es ist absolut notwendig, dass der Spieler zu jeder Zeit willens und in der Lage ist, die Ausgestaltung seines Charakters persönlich vorzunehmen. Es geht in erster Linie nur darum, wie offen er die Gesetze dieser Gestaltung ansetzt. In gewisser Weise kann man hier zwar von einem "Loslassen" von festgefahrenen Annahmen über die Motive und Persönlichkeit der Figur sprechen, um diesen neuen Entwicklungen überhaupt offen begegnen zu können, die Kontrolle darüber, was letztlich mit der Figur geschieht, darf allerdings nicht verloren gehen. Sich den Bedingungen der gewählten Rolle zu unterwerfen, die man gleichzeitig mitgestaltet, kann eben nicht bedeuten, die Verantwortung über ihre Integration in das gemeinsame Spiel abzugeben. Gerade dann landen wir bei "ich kann da nichts für, so ist mein Charakter eben".
Natürlich bin ich mir bewusst, dass das von dir verwendete Wort in gewisser Weise schon zutrifft, weil "Offenheit" auch irgendwie "nicht verbissen sein" heißt und das widerum irgendwas mit Kontrolle zu tun hat. Ich möchte das lediglich so eindeutig und hart getrennt wissen, weil ein Missverständnis in diesem Zusammenhang meiner Meinnug nach sowohl im Rollenspiel, als auch in der von dir eingebrachten theatralen und auch in der literarischen Kunst, immer wieder zu Katastrophen führt. Es gibt auch Autoren, die sich ihrer Verantwortung für die Aufrechterhaltung ihrer Geschichte und Ausgestaltung von Spannungsbogen und Plot entziehen, indem sie behaupten, ihre Figuren hätten sich einfach selbstständig gemacht. Oder Schauspieler, die Rollen entstellen, weil sie davon überzeugt sind, dass die Rolle "das so will". Oder eben das lästige "mein Charakter ist eben so" im Rollenspiel. Das ist im Grunde "character exploration gone rogue" um im Kontext dieses Threads zu sprechen. Damit geht oftmals eine ganze Mentalität her, die der Dominanz der Figur viel zu viel und der Verpflichtung des Autors, diese zu kontrollieren, viel zu wenig Gewicht beimisst. Und die glaubt, die Kontrolle über das verlieren zu müssen, was sie entwickeln und darstellen, um diesem fiktiven "Etwas" genug Raum zur Entfaltung geben zu müssen.
Gerade in einem "coporative effort", wie im Rollenspiel, gibt es in meinen Augen nichts Wichtigeres, als diesen Fehlschluss, bzw. diese Illusion zu vermeiden. In dem Augenblick, wo man die Gestaltungskompetenz- und verantwortung an das fiktive Konstrukt abgibt, das überhaupt erst durch die persönliche Interpretation ihrer Prämissen, Grenzen und Motivationen existiert, tritt man im Grunde genommen mit Anlauf gegen die gemeinsam errichteten Säulen des Fundaments, das die gemeinsame Vorstellungswelt, den Gruppenvertrag und all das schöne Zeug, was das "wir spielen zusammen make belief" überhaupt ermöglicht. Da erfahrungsgemäß die wenigsten Spieler sich dieser Verantwortung immer zu 100% bewusst sind, ist Chaos und Stunk dann eigentlich vorprogrammiert.
Ein ganz toller Post, vielen Dank!
Ich möchte dazu zwei Dinge noch einmal klären, denn eigentlich sind wir weitgehend einer Meinung:
Den Begriff "Kontrollverlust" habe ich nicht benutzt, weil es mir darum ginge, dass man alle Zügel fahren lässt, sondern weil von Spielern, die sich nicht gerne in ihren Char pfuschen lassen, oft davon gesprochen wird, dass sie die Kontrolle behalten wollen, zumindest sinngemäß. Es geht mir also nur darum, in wie weit man an diesem einen Punkt im Verhältnis von Figur und Spieler, der von vielen als Kontrollverlust empfunden wird, sich auf eben diesen einzulassen bereit ist. Was ich damit sicher nicht meine, ist, dass sich alle Spieler irgendwelchen Eingebungen öffnen und wild assoziierend zu einem blinden Rollenroulette übergehen.
Und was Du bezüglich dem Settingrahmen als Kontrollmarken ansprichst: In meiner Vorstellung deckt sich das 100%-ig mit der Formulierung, dass die Figur den Spieler lenkt. Denn - jetzt mal ganz platonisch ideal gesprochen - wer kennt sich in der Spielwelt besser aus als die Figur, die in ihr lebt? Die Figur kann den Settingrahmen aus eigener Kraft gar nicht sprengen, das kann nur geschehen, wenn ein Spieler die Kontrolle - jetzt in meinem Bild gesprochen - nicht an sie abgibt, sondern zu sehr selbst lenkt. Das banalste und alltäglichste Beispiel wäre hier das (von Sashael schön illustrierte) Problem von Spieler- und Charwissen. Kontrolliert die Figur den Spieler, kann der Spieler sein Spielerwissen nicht anbringen. Die Spielwelt bleibt in sich konsistent.
Übrigens ist mein Schauspiel-Beispiel in diesem Sinne auch platonisch ideal gemeint, deshalb auch der Hinweis, dass mir der Theaterbetrieb an dieser Stelle egal ist. Julia folgt der Logik der Spielwelt des Stücks und bringt sich am Ende um (oweh, Spoiler!). Das hat auch die Schauspielerin zu schlucken und zu spielen, die vielleicht aufgrund der Logik ihrer eigenen Befindlichkeiten lieber hätte, dass Julia zur taffen Amazone wird, die einen Rachefeldzug startet. Für diese Überlegung spielt es keine Rolle, wie das nun in welcher Inszenierung tatsächlich umgesetzt ist und welche Schauspielerin die Julia jetzt besonders gut oder schlecht spielt. Folgt die Schauspielerin der Figur, bleibt die Logik des Stücks erhalten. Folgt der Spieler seiner Figur, bleibt - idealiter - auch die Konsistenz der Spielwelt erhalten.
Ich habe während meiner aktiven Zeit ja doch so einige Rollen auf der Bühne verkörpert, und es gab nur sehr selten Momente, wo die Logik der Figur, die ich gespielt habe, meiner eigenen entsprach. Und genau DAS ist es, was am Schauspiel Spaß macht.
So das Gedankenkonstrukt. Aber so wie ich es sehe, verträgt sich dieses Konstrukt eigentlich mit allem, was der Wise Old Man gesagt hat.
@Boba:
Selbstverständlich können wir hier nur von und für Spieler sprechen, die voll immersiv sind oder sein wollen. Was mich zu der Überlegung ja angestachelt hat, ist ja gerade der von mir empfundene Widerspruch, dass Leute, die gern das Vollabtauchen abfeiern, andrerseits meinen, das ginge nur, wenn sie die Figur totalitär lenken. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr ist diese absolute Kontrolle über die (sozialen) Reaktionen der Figur nichts anderes als ein darstellerisches Pöppelschubsen. (Wobei die Übergänge natürlich immer fließend sind und fließend sein müssen).
Man sollte vielleicht bedenken dass Kontrollverlust in beide Richtungen funktioniert. Natürlich entzieht es dem Spieler in gewisser Weise die Kontrolle über die eigene Figur. Aber es entzieht dem Spielleiter auch die Kontrolle über die NSCs. Der Händler gibt zu dass seine Waren Schrott sind und bietet Geld für das schweigen, der Prediger bemerkt das seine Religion in sich nicht schlüssig ist und zweifelt, der Androgynos krempelt sein Leben um und geht eine dauerhafte Beziehung ein.
Natürlich kann es dazu kommen das sich der böse Nekromant von den Spielern überzeugen lässt ihnen zu helfen anstatt sie zu bekämpfen. Aber das klingt doch nach einer spannenderen Geschichte als ihn zu töten. selbst wenn es eigentlich als drei monatige Kampagne geplant war.
Ja, finde ich auch einen guten Hinweis in dieser Betrachtung. Allerdings habe ich schon den Eindruck, dass viele Spieler solche Reaktionen von NSCs durchaus erwarten. Schließlich hat man ja so geile Charisma-Werte auf dem Charbogen, und dazu legt man ja auch noch eine noch viel geilere Show am Spieltisch hin. Da müssen die NSCs sich schon von den PCs beeindrucken lassen gefälligst. Andrerseits lässt dann aber der Spieler, dessen Char einen negativen Klugheitswert hat, nicht zu, dass seiner Figur ein x für ein u vorgemacht wird. So jedenfalls ist mein Eindruck aus vielen Diskussionen zum Thema "soziale Konflikte im Rollenspiel."
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Ist es arg kluggeschissen, wenn ich einfach sage, dass natürlich auch die Entscheidung einer Spielerin, sich unter Regeln zu begeben, die Ergebnisse über das Verhalten ihres Charakters produzieren, die sie nicht völlig in der Hand hat -- auch soziale oder unausgesprochene Regeln --, auf irgendeiner Ebene eine souveräne Entscheidung betreffs des Charakters darstellt? Dass weiterhin gilt (oder gelten sollte) "Wer A sagt, muss nicht B sagen", dass also die Reaktion auf zB ein Würfelergebnis zum sozialen Verhalten von der Spielerin noch eigenverantwortlich auszugestalten wäre, also als Anregung dient, selbst etwas aus der Situation zu machen, letztendlich also die Souveränität über den Charakter nur bestärkt? Dass, letztens, Probleme wahrscheinlich auftauchen, wenn die Regeln nicht explizit gemacht werden können und/oder der Spielraum zu den Ergebnissen, die mithilfe dieser Regeln produziert werden, nicht (mehr) gegeben ist, man also nach einem A dann doch plötzlich B sagen muss? Und dass, allerletztens, die Ausgangsfrage betreffend, der Kontrollverlust dann tatsächlich ein Mittel zu stärkerem Charaktererleben ist, wenn er explizit und gewollt passiert und in einen Kontext rücküberführt, in dem die Spielerin eben doch entscheiden kann? Also Anregungen liefert, den Charakter von einer anderen, unverhofften Seite zu betrachten und in sozialen Situationen zu erproben? Aufzubrechen, dass man den eigenen Charakter eben nur aus sich heraus erschaffen kann, dass also die "produktive Illusion" von der Rumpel spricht, aufgebaut und wirksam gemacht wird? Kam schon dran, bestimtm, oder? Hatte nämlich keine Lust, den Thread zu lesen.
Einfach gesagt: Ich bin ein total Fan von Kontrollverlust, wenn man auch sagen kann, jetzt reicht´s aber mal, ich bestimme, das läuft jetzt so und so, aber interessant, was da gerade mit meinem Char passiert ist, wär ich alleine nicht drauf gekommen.
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Ist es arg kluggeschissen, wenn ich einfach sage
Ja, aber macht nix, Hauptsache klug ;)
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Denn - jetzt mal ganz platonisch ideal gesprochen - wer kennt sich in der Spielwelt besser aus als die Figur, die in ihr lebt?
Der Autor, der die Spielwelt geschrieben hat.
Btzw. wenn die Spielwelt von der Rollenspielgruppe gemeinsam erschaffen wurde, dann die Rollenspielgruppe.
Hinzu kommt noch, dass die Figur fiktiv ist. Rein fiktiv mag sie ein genialer Detektiv sein, der jeden Mord in Sekunden aufklärt und sofort weiß, wer der Mörder ist. Wenn der SC "Sherlock Holmes" jetzt aber vom Spieler Hans gespielt wird, dann muss irgendjemand entscheiden, wen Sherlock Holmes jetzt anklagt. Entweder der SL entscheidet das oder Hans entscheidet das oder man lässt es auswürfeln. Aber der SC Sherlock Holmes kann nicht entscheiden, wen er anklagt, da er nur fiktiv ist.
Julia folgt der Logik der Spielwelt des Stücks und bringt sich am Ende um (oweh, Spoiler!).
Behauptet jetzt der Autor! Ich fand den Selbtsmord von Julia damals unglaubwürdig. So what? Wer soll jetzt recht haben? Shakespeare, weil er ein großartiger Autor ist? Oder Eulenspiegel, weil er derjenige ist, der den SC verkörpert?
Aber die Figur kann nicht entscheiden, was glaubwürdiger ist! Die Figur kann nicht entscheiden, ob nun Shakespeare oder Eulenspiegel Recht hat! (Der SL oder die Mitspieler können das. - Die Figur kann das nicht!)
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Hm.... Ich behaupte jetzt mal: Die Figur an sich existiert nicht, ist aber Schnittstelle zu einem gemeinsamen Vorstellungsraum und die als Point of View, was ihr, passiv, eine gewisse "Macht" zugesteht.
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Richtig, sie ist eine Schnittstelle zum gemeinsamen Vorstellungsraum. Im klassischen RPG wird der SC als Schnittstelle des Spielers verwendet, um den Vorstellungsraum zu manipulieren. In Indie-RPGs können auch Mitspieler diese Schnittstelle verwenden oder ein Zufallsgenerator (Würfel) generiert (über den SC) Input für den gemeinsamen Vorstellungsraum.
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Der Autor, der die Spielwelt geschrieben hat.
Btzw. wenn die Spielwelt von der Rollenspielgruppe gemeinsam erschaffen wurde, dann die Rollenspielgruppe.
Hinzu kommt noch, dass die Figur fiktiv ist. Rein fiktiv mag sie ein genialer Detektiv sein, der jeden Mord in Sekunden aufklärt und sofort weiß, wer der Mörder ist. Wenn der SC "Sherlock Holmes" jetzt aber vom Spieler Hans gespielt wird, dann muss irgendjemand entscheiden, wen Sherlock Holmes jetzt anklagt. Entweder der SL entscheidet das oder Hans entscheidet das oder man lässt es auswürfeln. Aber der SC Sherlock Holmes kann nicht entscheiden, wen er anklagt, da er nur fiktiv ist.
Noch gründlicher kann man an dem, was mit dieser metaphorischen Frage gemeint war - ich erinnere: "jetzt mal ganz platonisch ideal gesprochen" - eigentlich nicht vorbeireden.
"Keine Puppe, sondern nur
Eine schöne Kunstfigur
Nach der Schnur und nach der Uhr.
Und ein Mäuschen von Natur."
Behauptet jetzt der Autor! Ich fand den Selbtsmord von Julia damals unglaubwürdig.
Was? Damals schon? Du bist wahrlich mit einem langen Leben gesegnet! ~;D
scnr.
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Ein ganz toller Post, vielen Dank!
Der Dank geht gleich zurück für das Kompliment.
Den Begriff "Kontrollverlust" habe ich nicht benutzt, weil es mir darum ginge, dass man alle Zügel fahren lässt, sondern weil von Spielern, die sich nicht gerne in ihren Char pfuschen lassen, oft davon gesprochen wird, dass sie die Kontrolle behalten wollen, zumindest sinngemäß. Es geht mir also nur darum, in wie weit man an diesem einen Punkt im Verhältnis von Figur und Spieler, der von vielen als Kontrollverlust empfunden wird, sich auf eben diesen einzulassen bereit ist. Was ich damit sicher nicht meine, ist, dass sich alle Spieler irgendwelchen Eingebungen öffnen und wild assoziierend zu einem blinden Rollenroulette übergehen.
Jetzt verstehe ich auch deinen Vermerk "bei anderen Proben geben sie die Kontrolle ja auch ab". Das stimmt, ja. Im Grunde genommen ist dass dann eine misconception darüber, wie weit die Kontrolle ausgeübt wird. Die künstliche Grenze, die dann gezogen wird, ist dann wohl eher durch Gewohnheiten und traditionell erlernten Mechaniken des Spiels verankert.
Und was Du bezüglich dem Settingrahmen als Kontrollmarken ansprichst: In meiner Vorstellung deckt sich das 100%-ig mit der Formulierung, dass die Figur den Spieler lenkt. Denn - jetzt mal ganz platonisch ideal gesprochen - wer kennt sich in der Spielwelt besser aus als die Figur, die in ihr lebt? Die Figur kann den Settingrahmen aus eigener Kraft gar nicht sprengen, das kann nur geschehen, wenn ein Spieler die Kontrolle - jetzt in meinem Bild gesprochen - nicht an sie abgibt, sondern zu sehr selbst lenkt. Das banalste und alltäglichste Beispiel wäre hier das (von Sashael schön illustrierte) Problem von Spieler- und Charwissen. Kontrolliert die Figur den Spieler, kann der Spieler sein Spielerwissen nicht anbringen. Die Spielwelt bleibt in sich konsistent.
Richtig. Das Problem bei der ganzen Sache ist die sprachliche Ungenauigkeit, aus der man aber auch nicht wirklich rauskommt. 'Wenn du sagst "Die Figur lenkt den Spieler", meinst du, dass die interpretierten und angenommenen Attribute und Eigenschaften der Rolle die Reaktionen bestimmen (unter Rücksichtnahme darauf, dass diese Interpretationen widerum vom Spieler oder von sozialer Konvention stammen) und dass das Dogmat der Rolle letztlich über dem Bauchgefühl des Spielers stehen sollte, wenn er mehr Immersion bzw. der Rolle/Figur gerecht werden und mehr Plausibilität / Kontinuität erzeugen will (siehe dein Julia-Beispiel weiter unten). Dadurch muss er natürlich von seinem eigenen Befinden zurücktreten und die "Kontrolle" an die Figur abgeben, das heißt sich den Konventionen seiner selbst gewählten Rolle unterwerfen.
Wenn ein anderer "Die Figur lenkt den Spieler" sagt, meint er womöglich, dass der Spieler erstmal von seiner Einflussmöglichkeit beraubt ist und auch die Veranwortung darüber, was geschieht, nicht mehr hat, weil die Rolle sich selbstständig gemacht hat. Dabei ist das eigentlich, mal vom Prinzip her dass die Rolle nicht wirklich existiert (und wenn sie keine autonome Persönlichkeit ist, die vom Spieler Besitz ergreift) her gesehen, überhaupt nicht möglich. Trotzdem wird es gerne als Legitimation benutzt. Allerdings ist die Angst davor, diese Einflussmöglichkeit bei Kontrollverlust gleich mit zu verlieren vermutlich auch der Grund für die Meisten, diesen zu vermeiden und allergisch darauf zu reagieren, wenn es im Spiel ohne ihre Zustimmung geschieht (was allerdings auch legitim ist, in meinen Augen).
@Old Wise One:
Erweitere deine Betrachtung mal um Impulsgeber und Echos.
Da weiß ich gerade nicht weiter. Sprichst du von spezifischen Termini aus der Erzähl- bzw. Rollenspieltheorie?
Wenn ich interpretiere denke ich bei "Impulsgeber" in dem Zusammenhang daran, dass der Spieler und eventuelle, soziale Konventionen, denen er ausgesetzt ist, ensprechend als "Impulsgeber" der Motive und Handlungen seiner Figur funktioniert. Aber was sind Echos?
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Du hast das, was ich meine, in meinen Augen noch mal ganz toll formuliert.
Für die sprachliche Ungenauigkeit gibt es viele Gründe. Zum einen, wie schon erwähnt, dass ich mich auf gewisse Argumente, die innerhalb des Diskurses fallen, beziehe und die Begriffe aufnehme. Zum anderen, weil mir manchmal das Geschick fehlt, mit Worten ins Schwarze zu treffen. Und nicht zuletzt, weil ich das Ganze eigentlich nicht so sehr auf die rollenspieltheoretische Sprachebene zerren wollte, sondern mit Bildern hantieren wollte, die womöglich etwas "emotionaler", agitatorischer daherkommen. "Lass dich von deiner Figur lenken" klingt so hübsch griffig. Dazu kommt, dass ich mir selber gerade versuche, einen Tritt zu geben, um mich mit der von mir in letzter Zeit geschmähten Immersion wieder etwas zu versöhnen. ;D
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Oh. Bitte nicht falsch verstehen. Ich meinte nicht, dass du im Speziellen sprachlich ungenau bist, sondern dass das einfach in der Natur des Themas liegt. Die Begriffe sind mehrdeutig (was ja prinzipiell gut ist), daher wahrscheinlich auch die Irritiation einiger Spieler.
Allerdings kann ich deine Motivation gut verstehen und dein Anstoß hier hat mir auch nochmal Gelegenheit gegeben, darüber im Bezug auf mich selbst und meine Charaktere nachzudenken. :d
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@ korknadel
Ich vermute mittlerweile, du meinst mit dem "Kontrollverlust" unterschiedliche Stances (http://www.tanelorn.net/index.php?topic=78161.0):
So gibt es zum Beispiel den Actor Stance, der hauptsächlich von immersiven Spielern verwendet wird und bei dem Meta-Wissen abgelehnt wird. Als Wissen soll nur das genutzt werden, was auch der SC weiß.
Und dann gibt es noch sehr häufig den Author Stance, der hauptsächlich von Spielern verwendet wird, die daran interessiert sind, eine interessante Story mitzugestalten. Hier wird das Meta-Wissen aktiv genutzt, um den Plot in eine interessante Richtung zu lenken.
bzgl. "bei anderen Proben geben sie die Kontrolle ja auch ab"
Das sind häufig Kontrollverluste, die man auch aus dem RL kennt:
- Ich möchte so weit springen, kann das aber nicht.
- Ich möchte, dass die Schmerzen aufhören, sie hören aber nicht auf.
- Ich möchte die Person an der Bar rumkriegen, aber sie interessiert sich nicht für mich.
All diese Kontrollverluste kennen wir aus dem RL. Daher haben wir auch keine Probleme mit der Immersion, wenn unserem SC der gleiche Kontrollverlust widerfährt und wir diesen dann im RPG ebenfalls erfahren.
Aber Kontrollverluste der Marke: "Ich möchte nicht freiwillig mitkommen, aber ich komme trotzdem freiwillig mit." sind im RL unbekannt. Daher schaden sie der Immersion, wenn man sie im RPG erlebt.
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Aber Kontrollverluste der Marke: "Ich möchte nicht freiwillig mitkommen, aber ich komme trotzdem freiwillig mit." sind im RL unbekannt. Daher schaden sie der Immersion, wenn man sie im RPG erlebt.
Falsch.
Es gibt diese Kontrollverluste auch im RL. Wir bemerken sie allerdings nicht oder viel zu spät. Sonst würden wir die Dinge ja nicht tun, zu denen uns andere Menschen gebracht haben. Das Problem liegt eher darin, dass der Spieler von seiner Figur distanziert ist, eben nicht immersiv in ihr drin steckt, und daher ein Auge für die Gesamtsituation hat. Dadurch kann er eine Blockadehaltung den Wünschen und Vorschlägen anderen gegenüber einnehmen, die so im RL oft gar nicht existieren kann. Unterstützt wird das durch die Würfelwürfe, die die eigentlich subtilen Manipulationen eines geschickten Redners offen legen und durch die Würfelergebnisse transparent machen. Wer merkt, dass er verarscht wird, schickt den Manipulator in die Wüste. Der Haken dabei ist, dass man es eben nicht bemerkt. Und das sollen die Würfel eigentlich simulieren und soziale Angriffe spielbar machen. Bei vielen Spielern erreichen sie aber das genaue Gegenteil: Die Täuschung wird erkannt und abgelehnt.
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Saschael, du machst da einen gedanklichen Fehler.
Auch wenn man hinterher merkt, dass es ein Fehler war, ist man trotzdem freiwillig mitgegangen. Und deshalb ist das richtig, was Euli sagt.
Man beurteilt den Kontrollverlust ja auch erst mal nicht retrospektiv sondern in dem Moment, in dem er passiert.
Generell halte ich den Unterschied, den Euli da aufzeigt, für ziemlich interessant. Allerdings glaube ich, dass alle Gründe für die Akzeptanz gegenüber dem Kontrollverlust relativ unbedeutend sind im Vergleich zu dem einen: Führt der Kontrollverlust letztendlich zu einem besseren Spielerlebnis.
Wenn ja, gut, wenn nicht, dann nicht. Und das ist definitiv Geschmacksache.
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Es gibt diese Kontrollverluste auch im RL. Wir bemerken sie allerdings nicht oder viel zu spät. Sonst würden wir die Dinge ja nicht tun, zu denen uns andere Menschen gebracht haben.
Wie meinst du das? Ich tue Dinge, zu denen andere Leute mich bringen, weil sie mich überzeugt haben. Ich habe nicht die Kontrolle verloren, ich habe mich überzeugen lassen.
Das Problem liegt eher darin, dass der Spieler von seiner Figur distanziert ist, eben nicht immersiv in ihr drin steckt, und daher ein Auge für die Gesamtsituation hat.
Richtig. Das hat aber nichts mit Kontrollverlust sondern mit fehlender Immersion zu tun.
Der Haken dabei ist, dass man es eben nicht bemerkt. Und das sollen die Würfel eigentlich simulieren und soziale Angriffe spielbar machen.
1) Richtig. Aber damit hast du einen Kontrollverlust, der so im RL nicht vorkommt. Ich als Spieler weiß, dass der Typ gelogen hat, kann aber nichts dagegen unternehmen.
So ein Kontrollverlust tritt im RL nicht auf. Sobald ich im RL weiß, dass der andere lügt, kann ich mich dementsprechend wappnen.
2) Ich als Spieler bemerke es. Wenn du jetzt von mir verlangst, dass mein SC das nicht bemerkt, baust du damit einen Clash zwischen mir und meinem SC auf, der mich aus der Immersion reißt.
Die Immersion beruht ja darauf, dass die Gedanken des Spielers und des SCs eins sind. Du verlangst jetzt aber, dass der SC andere Gedanken hat als ich. Und das schadet der Immersion.
@ Turning Wheel
Richtig, die wichtigste Frage lautet: Führt der Kontrollverlust zu einem besseren Spielerlebnis oder nicht?
Es hilft aber imho durchaus, wenn man theoretisch vorhersagen kann, bei welchen Spielertypen der Kontrollverlust wahrscheinlich zu einem besseren Spielerlebnis führt und bei welchen nicht. Und es befriedigt imho zusätzlich die Neugier, wenn man beantworten kann, warum das so ist.
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Wie meinst du das? Ich tue Dinge, zu denen andere Leute mich bringen, weil sie mich überzeugt haben. Ich habe nicht die Kontrolle verloren, ich habe mich überzeugen lassen.
Man kann ja auch überredet werden.
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Falsch.
Es gibt diese Kontrollverluste auch im RL. Wir bemerken sie allerdings nicht oder viel zu spät. Sonst würden wir die Dinge ja nicht tun, zu denen uns andere Menschen gebracht haben. Das Problem liegt eher darin, dass der Spieler von seiner Figur distanziert ist, eben nicht immersiv in ihr drin steckt, und daher ein Auge für die Gesamtsituation hat. Dadurch kann er eine Blockadehaltung den Wünschen und Vorschlägen anderen gegenüber einnehmen, die so im RL oft gar nicht existieren kann. Unterstützt wird das durch die Würfelwürfe, die die eigentlich subtilen Manipulationen eines geschickten Redners offen legen und durch die Würfelergebnisse transparent machen. Wer merkt, dass er verarscht wird, schickt den Manipulator in die Wüste. Der Haken dabei ist, dass man es eben nicht bemerkt. Und das sollen die Würfel eigentlich simulieren und soziale Angriffe spielbar machen. Bei vielen Spielern erreichen sie aber das genaue Gegenteil: Die Täuschung wird erkannt und abgelehnt.
Der Unterschied liegt in der Glaubwürdigkeit schon des möglichen Ergebnisraums. Die üblichen Sozialregeln sind da meist extrem grob bis schlecht, so dass der Typ mit der Rüstung in 6 m Entfernung gegenüberstehend nun plötzlich und unausweichlich in den Rücken gesprungen ist... .
Entsprechend gibt es Glaubhaftigkeitslimits bei sozialen Dingen, um so mehr, als die dem zugrunde liegenden Vorstellungen notwendig sind, um weiter sinnvoll agieren zu können.
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Wie meinst du das? Ich tue Dinge, zu denen andere Leute mich bringen, weil sie mich überzeugt haben. Ich habe nicht die Kontrolle verloren, ich habe mich überzeugen lassen.
Und genau hier verrennst du dich in einer Definition des Wortes "Kontrollverlust".
Um genau darum geht es doch hier.
"Mein SC soll sich von dem Priester überzeugen lassen? Niemals!"
"Diese Person hat meinen SC verführt? Auf keinen Fall!"
"Dieser Verdächtige hat meinen SC überzeugt, dass er unschuldig ist? Nicht in diesem Leben!"
Die Spieler behaupten, dass reiße sie aus der Immersion. Stimmt nicht, denn sie sind nicht immersiv im Charakter, sondern steuern ihn von außen. Ihr SC ist eben nicht so klug/aufmerksam/gebildet wie sie selbst und würde den Worten der "pösen NSCs" verfallen. Sie denken sich nicht immersiv in den SC hinein, sondern stellen sich selbst in der Situation vor. Das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache, dass wir uns körperliche Unterschiede ohne Probleme verinnerlichen können und so spielen, als ob wir ungeschickter/schwächlicher/fragiler wären, als wir es in RL sind, während wir uns zwar dümmer stellen können, aber Schwierigkeiten damit haben, die tatsächliche Tragweite dieses Unterschiedes auch auszuspielen. Es bedeutet eben, die Kontrolle über die Handlungen des SC aufzugeben und tatsächlich so zu agieren, wie es der SC in dieser Situation tun würde. Eben nicht wie ein Puppenspieler, der an den Fäden zieht und die absolute Kontrolle hat, sondern aus dem Inneren des SC heraus Dinge zuzulassen, von denen wir Spieler eindeutig wissen, dass sie sich negativ auf den SC auswirken werden. DAS wäre immersiv. Alles andere ist nur Avatarsteuerung.
Saschael, du machst da einen gedanklichen Fehler.
Auch wenn man hinterher merkt, dass es ein Fehler war, ist man trotzdem freiwillig mitgegangen. Und deshalb ist das richtig, was Euli sagt.
Man beurteilt den Kontrollverlust ja auch erst mal nicht retrospektiv sondern in dem Moment, in dem er passiert.
Echt? Also ich hatte in meinem Leben so zwei oder drei Momente, wo ich retrospektiv sagen muss "Was zur Hölle habe ich da getan? Ich wusste doch X und Y, wieso hab ich dann doch Z gemacht? Nur weil Person B ein paar salbungsvolle Worte an mich gerichtet hat? Ich Blödmann!!! :bang:"
Und bestimmt gab es auch den einen oder anderen Moment, über den ich heute gar nicht Bescheid weiß.
Jetzt ist nun aber mal so, dass wir unsere SC so erschaffen, wie sie dann auf dem Charakterblatt stehen. Inklusive ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten. Nur dass es Schwierigkeiten macht, diese Fehler und Unzulänglichkeiten auch auszuspielen. Aber warum eigentlich? Was ist so schlimm daran, den Worten der NSCs nachzugeben, wenn unser SC nunmal Hein Blöd von Heide ist mit den Nachteilen Naiv und Gutherzig? Das wäre doch wahre Immersion, wenn wir auch in die Dämlichkeit unseres SC eintauchen und ihn so spielen würden, wie er nun mal ist und nicht wie eine kosmetische Hülle unsererselbst.
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Und genau hier verrennst du dich in einer Definition des Wortes "Kontrollverlust".
Moment mal! Du hattest behauptet, diesen Kontrollverlust gäbe es auch im RL.
Welche Definition von "Kontrollverlust" meinst du denn, von dem du behauptest, dass er auch in der Realität auftritt?
Sorry, alles was du geschrieben hattest, gilt nur für das RPG. Wie ist also dein Satz "Es gibt diese Kontrollverluste auch im RL." zu verstehen?
Ansonsten ging es um den Unterschied zwischen den von dir oben angesprochenen Sachen und den Kontrollverlusten bei herkömmlichen RPGs.
Benenne es von mir aus so: Die Kontrollverluste, die in herkömmlichen RPGs auftauchen, sind allesamt reale Kontrollverluste, die so auch in der Realität auftauchen können.
Die "Kontrollverluste", die hier teilweise gefordert werden, sind jedoch bloß metaphorische "Kontrollverluste".
Und nur, weil man reale Kontrollverluste gutheißt und für die Immersion förderlich findet, heißt das noch lange nicht, dass metaphorische Kontrollverluste ebenfalls hilfreich für die Immersion sind.
Die Spieler behaupten, dass reiße sie aus der Immersion. Stimmt nicht, denn sie sind nicht immersiv im Charakter, sondern steuern ihn von außen. Ihr SC ist eben nicht so klug/aufmerksam/gebildet wie sie selbst und würde den Worten der "pösen NSCs" verfallen. Sie denken sich nicht immersiv in den SC hinein, sondern stellen sich selbst in der Situation vor.
Ähm nein. Immersiv bedeutet ja gerade, dass es keinen Unterschied zwischen SC und Spieler gibt.
Das erkennt man auch sehr gut daran, dass gerade immersive Spieler häufig "ich" sagen und dabei in Wirklichkeit "mein SC" meinen. Sie sagen dann so etwas wie "Weißt du noch, wie ich letztens die Schiffswand hinaufgeklettert bin?" und meinen in Wirklichkeit "Weißt du noch, wie mein SC letztens die Schiffswand hinaufgeklettert ist?"
Die Immersion beruht ja gerade darauf, dass man sich zum Zeitpunkt der Immersion nicht den Unterschied zwischen Spieler und SC bewusst ist. Es ist beides "ich". Der Spieler wird mit "ich" angesprochen und der SC wird ebenfalls mit "ich" angesprochen. Aus dem Satz "Der Spieler steuert den SC." wird bei jemanden in Immersion: "Ich steuere mich." Denn die Trennung zwischen Spieler und SC wird aufgehoben.
Das liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache, dass wir uns körperliche Unterschiede ohne Probleme verinnerlichen können und so spielen, als ob wir ungeschickter/schwächlicher/fragiler wären, als wir es in RL sind, während wir uns zwar dümmer stellen können, aber Schwierigkeiten damit haben, die tatsächliche Tragweite dieses Unterschiedes auch auszuspielen.
Nein, beides behindert die Immersion. Wenn du schonmal Pen&Paper und LARP ausprobiert hast, dann stellst du fest, dass LARP wesentlich immersiver ist, weil dort wirklich ALLE Sinne angesprochen werden. Dort kann wirklich ein 100% abtauchen in die Immersion stattfinden. (Was gerade bei fragilen Persönlichkeiten auch zu gefährlichen Situationen führen kann.)
Das heißt, die Nutzung des eigenen Körpers hilft genau so wie die Nutzung des eigenen Intellekt. Der große Nachteil von Pen&Paper gegenüber LARP ist halt, dass man nicht wirklich vollkommen körperlich abtauchen kann.
Aber nur, weil man keine 100% Immersion beim Pen&Paper schafft, heißt das doch noch lange nicht, dass man nicht versuchen kann, möglichst immersiv zu sein.
Es bedeutet eben, die Kontrolle über die Handlungen des SC aufzugeben und tatsächlich so zu agieren, wie es der SC in dieser Situation tun würde. Eben nicht wie ein Puppenspieler, der an den Fäden zieht und die absolute Kontrolle hat, sondern aus dem Inneren des SC heraus Dinge zuzulassen, von denen wir Spieler eindeutig wissen, dass sie sich negativ auf den SC auswirken werden. DAS wäre immersiv. Alles andere ist nur Avatarsteuerung.
Wie gesagt, SC und Spieler sind in einer Immersion eins. Es gibt im Zustand der Immersion keinen Unterschied zwischen Spieler und SC.
Dass du jetzt für eine Unterscheidung von SC und Spieler plädierst, bedeutet, dass du irgendein Ziel verfolgst, dass nichts mit Immersion zu tun hat. Immersion bedeutet, den Unterschied zwischen SC und Spieler zu negieren, ihn aufzulösen. Es bedeutet nicht, diesen künstlich aufrecht zu erhalten.
Echt? Also ich hatte in meinem Leben so zwei oder drei Momente, wo ich retrospektiv sagen muss "Was zur Hölle habe ich da getan? Ich wusste doch X und Y, wieso hab ich dann doch Z gemacht? Nur weil Person B ein paar salbungsvolle Worte an mich gerichtet hat? Ich Blödmann!!! :bang:"
Ja, du hast das retrospektiv getan.
Und wenn du das im RPG auch retrospektiv tust, ist das ja vollkommen in Ordnung. Aber du hast das nie währenddessen getan. Du hattest nicht die Kontrolle verloren. Du hast bloß nachträglich festgestellt, dass du eine Dummheit getan hast.
Zwischen "Ich werde zu etwas gezwungen, was ich nicht will." und "Ich stelle nachträglich fest, dass ich es besser nicht getan hätte." liegen Welten. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Sachen, die nichts miteinander zu tun haben.
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Saschael, ich meinte, dass man den Kontrollverlust IM SPIEL in dem Moment beurteilt wo er passiert.
Und nur, um das nochmal klar zu stellen: Kontrollverlust halte ich für ein sehr gutes Ding im Rollenspiel.
Horror funktioniert z.B. ohne Kontrollverlust gar nicht.
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Eulenspiegel, es wäre wirklich hilfreich, wenn du versuchen würdest, die Intentionen deiner Gesprächspartner zu verstehen, anstatt dich immer wieder an einzelnen Worthülsen aufzuhängen.
Korknadel sprach von "Abgabe der Kontrolle" bei einer Spielsituation, in der die Würfel deinem SC ein Verhalten "aufzwingen", das du als Spieler nicht willst. Der Grund für diesen Zwang liegt im Unterschied zwischen dem Spieler und dem SC. Der Spieler mag das falsche Spiel durchschauen, aber der SC tut es nicht. Warum tut er es nicht? Weil der Spieler sich bei der Charaktererschaffung dafür entschieden hat, den SC nicht so clever und gewitzt zu gestalten, wie er selber ist. Was nennst du also Immersion? Das Eintauchen in die Spielwelt? Dann hast du mit allem Recht, was du geschrieben hast. Das Eintauchen in den Charakter? Dann ist das von dir angesprochene Verhalten und Denken keine Immersion mehr. Dann ist es nur noch Avatarsteuerung von aussen. Der Spieler taucht eben nicht in den SC ein und nimmt dessen Eigenschaften als seine an, sondern er taucht mit seinen eigenen Eigenschaften in die Spielwelt ein. Klar ist das auch eine Form von Immersion, sogar eine sehr gewünschte. Aber sie hat mit Charakterimmersion nur sehr am Rande zu tun.
Imho krankt daran die ganze Immersionsdiskussion. Die Spieler reden vom Eintauchen in ihre Charaktere und lehnen "störende" Faktoren ab, dabei sprechen sie eigentlich von einem Eintauchen in die Spielwelt als sie selbst.
Zum Thema "Retrospektiver Kontrollverlust":
Genau das ist doch das Problem mit den Würfeln und genau das habe ich oben schon geschrieben.
Die Würfel legen einen für den SC unbemerkbaren Verlust seiner Kontrolle über seine Handlungen offen. Es gibt solche Kontrollverluste im RL, Trickbetrüger und Scharlatane könnten gar nicht existieren, wenn es sie nicht geben würde. Nur der Spieler lehnt es ab, zu etwas gezwungen zu werden. Ist ja auch verständlich. Aber hat nichts mit Charakterimmersion zu tun. Nur mit Spielweltimmersion.
Beim LARP gibt es diesen erzwungenen Kontrollverlust übrigens auch. Bei einem Zauber oder einer passenden Vampirdisziplin zum Beispiel muss der Spieler ebenfalls Dinge spielen, die er nicht möchte. Je nach SL-Härte ist er nämlich sonst raus.
Im P&P möchten die Spieler aber auch Charaktere spielen, die auch mental und sozial nicht mit ihnen übereinstimmen. Und dann sind es nicht nur Zauber, die ihren SC zu etwas zwingen können, sondern auch einfach geschickte Redner (aka höhere Werte in sozialen Skills).
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"Immersion" ist halt so ein unpräziser Drecksbegriff.
Aber ich stimme Sashael da zu: Viele Leute scheinen Immersion und die verschiedenen Formen von Exploration zu verwechseln, besonders Charakter Exploration. Diese Dinge sind nicht Deckungsgleich, schließen sich teils sogar gegenseitig aus.
Für "Immersion" im Sinne von "Fiktive Welt Erkunden" benötigt es den Charakter als fiktives Vehikel und als potentiellen Blickwinkel auf die Welt. Der Charakter _muss_ komplett unter der Kontrolle des Spielers stehen um eine stabile und kontinuierliche Betrachtung der Spielwelt zu erlauben.
Für "Immersion" im Sinne von "Eine fiktive Person Erkunden" benötigt es die Welt als potentiellen Blickwinkel auf den Charakter. Hier _muss_ es dringend Automatismen geben anhand derer das verhalten des Charakters der Umwelt und dem Geschehen gegenüber simuliert wird, wodurch wir erst mit der Erkundung des Charakters beginnen können.
Ich denke mal, Themen wie Horror, Transhumanismus oder alles rund um Ethik und Moral sind das beste Beispiel für den Unterschied dieser beiden Arten von Immersion und Erkundung, einfach weil es um Dinge geht die man selbst in dem Moment nicht empfinden kann, weil man nicht da ist und es niemals sein wird, sich wohl auch nie komplett vorstellen können wird.
Das war btw. das, was mir durch den Kopf ging als ich schnell "Impulsgeber" und "Echos" als Worthülsen eingeworfen habe:
Wer gibt die Impulse, was kommt dann gefiltert als Echo zurück, was kann ich daraus an Erfahrung gewinnen?
Wenn wir an der Stelle bei der Charakter Exploration bleiben, dann findet der sogen. "Kontrollverlust" ja auf breiter Front statt, betrifft auch den SL, sofern man diesen überhaupt benötigt und bedingt auch, im Idealfall, die Abgabe an Kontrollfunktionen an die Mitspieler, damit diese weitere Impulse auslösen können.
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Führt der Kontrollverlust letztendlich zu einem besseren Spielerlebnis.
Wenn ja, gut, wenn nicht, dann nicht. Und das ist definitiv Geschmacksache.
Ich möchte kurz mal darauf hinweisen, dass es in diesem Thread dezidiert nicht um ein allgemein zu verstehendes besseres Spielerlebnis, sondern einzig um den heiligen Gral der Charakterimmersion geht. Ich habe mir nur Gedanken gemacht, wie man das Verhältnis von Char und Spieler immersiver machen kann, was nötig ist, um, wie Sashael schreibt, nicht nur Avatarsteuerung zu betreiben, sondern tatsächlich in die Figur einzutauchen.
Damit soll aber zu keinem Zeitpunkt gesagt werden, dass sich das Spielerlebnis dadurch verbessert. Bei Leuten, denen Charimmersion viel Freude bringt, dürfte sich das Spielerlebnis dadurch zwar tatsächlich verbessern, aber wir wissen doch alle, dass es unzählige Vorlieben und Facetten gibt, die das Spielerlebnis beeinflussen, und taktisches Dungeonmoschen würde durch das hier Gesagte in den seltensten Fällen gewinnen.
@Sashael:
Du übersetzt das, was mich in dem Zusammenhang beschäftigt, sehr anschaulich in konkrete Spiel- und RL-Situationen. :d
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@ Sashael
bzgl. Kontrollverlust
Es wäre schön, sich hier auf eine klare Linie zu einigen. Ich hatte auch erst angenommen, dass es um Abgabe von Kontrolle durch Würfelwurf oder andere Mitspieler geht. Das wäre tatsächlich ein realer Kontrollverlust im Spiel.
Aber dann hieß es plötzlich, es geht darum, Meta-Wissen abzulehnen (dein Cyborg-Beispiel). Und das wäre dann kein realer Kontrollverlust mehr.
Jetzt heißt es plötzlich wieder, es geht doch um Kontrollverlust durch Würfelwurf.
Wenn man sich endlich einigen würde, um was es geht, könnte man auch darüber sprechen. Aber solange Korknadel und du immer zwischen diesen beiden Bedeutungen hin und her springen, macht das eine Diskussion recht kompliziert.
Ich halte es im übrigen für einen schlechten Stil, erst A zu sagen, wenn ich dann auf A eingehe zu behaupten, man hätte B gemeint. Und wenn ich dann auf B eingehe, zu behaupten, ich würde die Posts falsch interpretieren, es wäre doch offensichtlich, dass A gemeint ist.
bzgl. Scharlatane und Trickbetrüger
NEIN! Scharlatane und Trickbetrüger verursachen KEINEN Kontrollverlust. Solange sie nicht mit Alkohol oder anderen berauschenden Drogen arbeiten, behältst du die volle Kontrolle über deine Handlungen. Sie betrügen dich, sie tricksen dich aus. Aber du verlierst nie die Kontrolle. Du behältst die ganze Zeit die Kontrolle über dem, was du tust. - Du kannst dich nachträglich ärgern, dass du dich dumm verhalten hast. Aber du kannst dich nicht damit herausreden, dass du die Kontrolle verloren hattest. (Außer wiegesagt es war Alkohol oder ähnliches im Spiel.)
Klar, ausgetrickst werden, ist mies. Das hat aber nichts mit Kontrollverlust zu tun.
bzgl. Immersion
Ja, Immersion und Avatarsteuerung sind zwei unterschiedliche Dinge. Sie schließen sich aber nicht gegenseitig aus. Immersion und Avatarsteuerung können sehr häufig auch zusammen auftreten.
Bei den meisten klassischen immersiven Rollenspielen hat man sowohl Immersion als auch eine Avatarsteuerung.
Eintauchen in die Spielwelt ist für mich eher, wenn ich ein spannendes Buch oder einen spannenden Film sehe. Wenn ich mir Game of Thrones anschaue, dann bin ich für die Zeit, dass der Film läuft mental in Westeros. Aber es gibt keinen einzigen Charakter, den ich als "ich" bezeichnen würde. Ich fiebere zwar mit einigen Charakteren mit. Ich trauere, wenn sie sterben. Aber von keinem einzigen würde ich behaupten, dass dieser Charakter "ich" ist. Klassisches eintauchen in die Spielwelt, aber nicht in die Charaktere halt.
Wenn ich Game of Thrones dagegen als RPG spiele, dann erstelle ich einen SC, den ich zukünftig als "ich" bezeichnen werde. Dieser SC, dieses "ich", ist einerseits mein Avatar auf Westeros. Andererseits tauche ich stärker in diesen SC, dieses "ich", ein, als ich es jemals mit einem Charakter im Roman/Film tun könnte. - Dafür ist das Eintauchen in Westeros selber beim RPG geringer als beim Roman/Fernsehen.
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NEIN! Scharlatane und Trickbetrüger verursachen KEINEN Kontrollverlust. Solange sie nicht mit Alkohol oder anderen berauschenden Drogen arbeiten, behältst du die volle Kontrolle über deine Handlungen.
Noch mal: Es geht nicht über die Kontrolle, die du über dich selbst hast, sondern um die Kontrolle, die du über die Aktionen deines SCs hast.
Wie und wo das jetzt in der Realität vorkommen mag, ist doch vollkommen irrelevant. In der Realität gibt es keinen Spieler, der dich lenkt.
Ja, andere Leute haben diese Trickbetrüger-Sache als Beispiel aufgenommen - aber das nur, um zu verdeutlich, dass dein SC auf einen Trickbetrüger hereinfallen könnte, auch wenn du als Spieler es nicht tust. Korknadel sagt nun: Wenn dein Charakter hereingefallen ist (weil er z.B. den entsprechenden Wurf verkackt hat, oder weil er einen Nachteil wie "Naiv" hat), dann lass ihn auch hereingefallen - auch wenn du als Spieler es eigentlich besser weißt.
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Noch mal: Es geht nicht über die Kontrolle, die du über dich selbst hast, sondern um die Kontrolle, die du über die Aktionen deines SCs hast.
Nochmal: Es ging um die Frage, ob der Kontrollverlust, der im Spiel auftritt, auch im RL vorkommt.
Wie und wo das jetzt in der Realität vorkommen mag, ist doch vollkommen irrelevant. In der Realität gibt es keinen Spieler, der dich lenkt.
Nein, das ist für die Immersion sogar extrem relevant!
Wenn ich im RL auch einen Kontrollverlust habe, dann stört der Kontrollverlust im RPG meine Immersion nicht. Ich habe zwar im Spiel einen Kontrollverlust, dieser fühlt sich aber genau so an wie der Kontrollverlust im RL. Die Gedanken von SC und Spieler sind quasi eins: Beide spüren den Kontrollverlust.
Wenn ich im RL jedoch keinen Kontrollverlust habe, dann stört der Kontrollverlust im RPG meine Immersion. Denn dann habe ich im Spiel einen Kontrollverlust, der sich fremdartig anfühlt, da er im RL nicht vorkommt. Die Gedanken von SC und Spieler werden auseinandergerissen, da nur einer von beiden den Kontrollverlust spürt.
Du siehst: Für die Immersion ist es extrem relevant, ob der Kontrollverlust auch im RL vorkommt oder nicht.
Btw, du bist die erste, die behauptet, dass es irrelevant ist, ob der Kontrollverlust im RL vorkommt oder nicht. Sashael behauptet ja steif und fest, dass der Kontrollverlust im RL vorkommt.
Ja, andere Leute haben diese Trickbetrüger-Sache als Beispiel aufgenommen - aber das nur, um zu verdeutlich, dass dein SC auf einen Trickbetrüger hereinfallen könnte, auch wenn du als Spieler es nicht tust. Korknadel sagt nun: Wenn dein Charakter hereingefallen ist (weil er z.B. den entsprechenden Wurf verkackt hat, oder weil er einen Nachteil wie "Naiv" hat), dann lass ihn auch hereingefallen - auch wenn du als Spieler es eigentlich besser weißt.
Nein, lese dir das Trickbetrüger-Beispiel nochmal durch. Es geht dort um Kontrollverlust im RL!
Zitat von Sashael: " Es gibt solche Kontrollverluste im RL, Trickbetrüger und Scharlatane könnten gar nicht existieren, wenn es sie nicht geben würde."
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Eulenspiegel, du diskutierst hier wirklich etwas anderes als das, was ich und viele andere hier meinen. Der Kontrollverlust, den wir hier meinen, vollzieht sich im Verhältnis von Spieler und Figur. Die Sache mit dem Trickbetrüger sollte doch nur einen Fall illustrieren, in dem dieser Kontrollverlust besonders zum Tragen kommt oder halt auch nicht. Aber was Bad Horse sagt, stimmt, Kontrollverlust im RL gehört ins persönliche Tagebuch, hat aber gar nichts mit dem hier verhandelten Immersionsproblem zu tun.
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Eulenspiegel, du diskutierst hier wirklich etwas anderes als das, was ich und viele andere hier meinen. ...
Was meint ihr denn dann?
Er hat zwei Arten Kontrollverlust des Spielers über seine Figur benannt und warum diese sich unterschiedlich auf das Spielempfinden auswirken. Wo passt das jetzt nicht?
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Sashael hat in Antwort #80 schon erklärt, worum es eigentlich geht und warum das, was Eule hier diskutiert, mit dem Thema nichts zu tun hat. Der redet nämlich über Spieler / Spielwelt - Immersion, während es Korki um Spieler / Charakter - Immersion geht.
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Sashael hat in Antwort #80 schon erklärt, worum es eigentlich geht und warum das, was Eule hier diskutiert, mit dem Thema nichts zu tun hat. Der redet nämlich über Spieler / Spielwelt - Immersion, während es Korki um Spieler / Charakter - Immersion geht.
Und Eulenspiegel hat erklärt - zumindest so wie ich es verstanden habe - , dass es keine Frage von Figur oder Setting ist, sondern eine Frage der Art der Störung, in Bezug auf ihrer Wahrnehmung aus der Sichtlinie der Figur aus.
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Aber Eulenspiegel ist nicht der Threadstarter, und es wäre fein, wenn hier über das Thema, das er vorgibt, diskutiert werden würde.
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Dann muss ich den Threatstarter bitten noch einmal zu erklären, worüber genau er reden will. Offensichtlich ist das dann ja nicht ganz klar.
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Und gerade da, wo im Rollenspiel immer so viel von Chardarstellung, von in-time-Sprechen etc. geredet wird, müsste man doch eigentlich ein ähnliches Vorgehen erwarten. "In eine Rolle schlüpfen" heißt doch der heilige Gral des Rollenspiels. Aber je weniger ich als Spieler bereit bin, Kontrolle über meine Figur abzugeben, desto weniger brauche ich zu schlüpfen, desto mehr kann ich auf meinen vier Kontrollbuchstaben sitzen bleiben. Anders gesagt: Wenn ich immerzu entscheide, wie mein Char zu reagieren hat, werde ich nie erfahren, wer der Char ist, wie er tickt, wo er überrascht. Denn das wird alles immer von mir vorgegeben. All diese Dinge weiß ich immer schon vorher. Char-Exploration hat sich damit erübrigt. Gebe ich die Kontrolle aber - zum Beispiel - an einen Würfelwurf ab, dann werde ich mit einer von meinen Entscheidungen tatsächlich unabhängigen fiktiven Persönlichkeit konfrontiert, in die zu schlüpfen dann doch tatsächlich eine besondere darstellerische Genugtuung sein müsste.
Meiner Figur wird vom Händler Schund aufgeschwatzt, ohne dass ich das entschieden habe, Schicksal, lebe damit. Sie verfällt den Lehren eines Predigers, was für eine darstellerische Herausforderung. Sie erliegt dem Charme eines verführerischen Androgynos, wer hätte das für möglich gehalten? Sie glaubt dem Hauptverdächtigen im Mordfall, wenn dieser seine Unschuld beteuert, na warum sollte sie nicht, wo sie doch nun mal so strunzdumm ist? Und was für ein Spaß, sich zu überlegen, wie man das am Tisch umsetzt.
Ich nehme mir jetzt mal vor, in nächster Zeit mehr auf solche Situationen zu achten, um das weiter auszutesten. Mein Bauchgefühl sagt mir aber in diesen ganzen Diskussionen bereits jetzt schon, dass in dieser Richtung der Gral des immersiven Darstellerrollenspiels zu finden sein müsste.
Let's zoff! Die Diskussion ist eröffnet.
Hier wird meines Erachtens genau nach Immersion in den Charakter gefragt und ausgeführt, dass dazu ein Kontrollverlust des Spielers notwendig ist, weil die Sicht der Figur, auch wenn sie abweichend ist, für das Primat der Rolle führend seien müsste.
Und genau darauf setzt die Erwiderung an, dass es unterschiedliche Arten Kontrollverlust gibt, die förderlich ist oder nicht - jeweils wieder davon abhängend ob der Kontrollverlust wirklich aus der spielweltlichen Lage der Figur stammt oder aus anderen Quellen.
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Es fällt mir schwer, im Rollenspiel einen Unterschied zwischen Immersion in den Charakter und Immersion in die Spielwelt zu unterscheiden.
Ich dachte es wäre immer Immersion in die Spielwelt, mithilfe des eigenen Charakters?
Zumal der Charakter auch noch zur Spielwelt gehört.
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Das hat Sashael bereits in Post #77 und #80 dargelegt.
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Es fällt mir schwer, im Rollenspiel einen Unterschied zwischen Immersion in den Charakter und Immersion in die Spielwelt zu unterscheiden.
Ich dachte es wäre immer Immersion in die Spielwelt, mithilfe des eigenen Charakters?
Zumal der Charakter auch noch zur Spielwelt gehört.
Immersion in die Spielwelt ist etwas recht simples. Der Charakter dient als Blickwinkel den man nutzt um eine fiktive Realität zu erfahren. Man bleibt aber immer man selbst, der Marionettenspieler der die Fäden einer Puppe zieht und so reagiert wie man denkt es passe zur Spielweltrealität, halt um dann wiederum zu erfahren was die Handlung "gebracht hat".
(Ich setze mich in ein Auto und fahre die A9 runter. Dabei sehe ich verschiedene Dinge. Ich bleibe aber der Fahrer des Autos)
Immersion in den Charakter ist eine weit mehr passive Sache bei der man nicht nur einen Blickwinkel nutzt sondern viel mehr versucht sich diesen Blickwinkel zu eigen zu machen, also versucht nicht nur das Handeln einer fiktiven Person zu steuern, was ja eine rein intellektuelle Übung ist, sondern diese fiktive Person auf einer emotionalen Ebene begreifbar zu machen und die Person holistisch zu erfahren. Um die Tragik zu konsultieren: Mit-Gefühl zu entwickeln.
Daher müssen dieser fiktiven Person Dinge geschehen und diese fiktive Person muss ihrer selbst gerecht Handlungen ausführen können, damit wir sie holistisch erleben und erfahren können.
(Ich bin ein Auto das die A9 runter fährt und das von jemanden gefahren wird)
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Sorry, deshalb hab ich ja geschrieben "im Rollenspiel". Da bin nie ich es, der fährt, sondern immer mein Charakter (ich sitze am Tisch und sage, dass mein Charakter fährt).
Immersion bedeutet, dass es mir so vorkommt, als würde ich fahren.
Wenn es mir so vorkommt, als würde ich nicht selbst fahren sondern eine beliebige Spielfigur, mit der ich das Auto lenken kann, dann ist es die schwächste Form der Immersion (player nach Bartle).
Aber statt dann komische Begriffe neu zu definieren, die nicht mal die verstehen, die es sollten, wäre es doch besser sich der 4 Levels of Immersion nach Bartle zu bedienen. Dann wird vielleicht sogar ein Schuh aus manchen Postings. Im Moment ist es nämlich nur ein Rumgeschwurbel, gewürzt mit Hinweisen wer was wann falsch oder richtig gesagt haben soll.
Mich interessiert dieses Thema sehr und ich würde deshalb gerne weiter kommen. Ich würde mir wünschen, dass der Threadstarter eine kurze Zusammenfassung aus seiner Sicht macht, um zu sehen, ob ihn dieses Thema irgendwie weiter gebracht hat und was für ihn noch offen ist zu klären.
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Das hat Sashael bereits in Post #77 und #80 dargelegt.
Offensichtlich unzureichend.
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Offensichtlich unzureichend.
In einer Shadowrun Diskussion fiel vor kurzem ein interessanter Satz [Paraphrasiert]: "Es gibt Dinge, die machen dem Spieler Spaß, sind aber scheiße für den Charakter".
Die ganze Diskussion hier dreht sich doch nur darum ob es der "Charakter scheiße finden kann" und "Was dagegen tun kann" oder halt nicht, man also Kontrolle über Intention und Aktion mit dem Charakter teilt.