Offenbar gibt´s zumindest für einige der Spiele mehr oder weniger festgelegte Grundeinstellungen, für andere sogar Abenteuer und Kampagnen.
Vorallem ist der PbtA-Spielmechanismus -generell - dazu geeignet diverse Genres zu emulieren und diverse Settings zu bespielen.
Insofern gibt es für verschiede Genres spezifische Anknüpfungspunkte.
Dadurch verlieren diese Spiele doch ein Stück weit den "play to find out" Charakter von Apocalypse World, oder?
Die Frage ist, wie setzt man »play to find out« in der Praxis um?
Wenn man als klassischer SL an die Vorbereitung geht, macht man sich meist viel zu viele Gedanken
Oftmals ertappt man sich dabei, dass man in der Vorbereitung in eine Art "wenn-dann"-Modus verfällt, resp. versucht für mögliche Fragen gewappnet zu sein. Das braucht man bei PbtA nicht.
Beispiel (Dungeon World):
Die Spieler nähern sich einer Stadt, die sie zuvor nicht betreten haben. Anstatt, dass man als SL vorbereitet hat, was es in der Stadt an Infrastruktur, Organisationsformen, Ressourcen gibt, richtet man sich bei diesen Fragen konsequent an die Spieler:
Spieler »Gibt es hier in der Stadt einen Schmied?«
SL »Ich weiß es nicht. Wie willst Du es herausfinden?«
Spieler »Ich schaue mich um.«
SL »Du überblickst einen kleinen Ausschnitt der gewaltigen Stadt. So viele verschiedene Häuserfronten, aber in der näheren Umgebung siehst Du keinen Schmied.«
Die Sitation ist ausreichend offen und bietet vielfältige Handlungsoptionen, um herauszufinden, ob es in der Stadt einen Schmied gibt.
Je nach intendierter Dramatik kannst Du die Antwort hinauszögern: Vielleicht passiert etwas derart dramatisches, dass die Frage, ob es einen Schmied oder nicht gibt, vielleicht sogar irrelevant ist; oder umgekehrt: der Weg zum Schmied um die Ecke soll keine Weltreise werden, da anderes bevorsteht - dann kann man das auch selbstredend abkürzen.
Entsprechend sollte eine Kampagnenplanung aussehen:
Was bereitet man als SL vor?
Das unvermeidliche. Das was ohne Zutun der Spieler sowieso passieren würde - bspw. Dinge, die sich außerhalb des Aktionsradius' der Spielers befinden. Das »play to find out« bezieht sich eben auf die Frage, was für Konsequenzen erwachsen für die Welt daraus und wie sind die Spieler betroffen.
Als Beispiel sei hier das Abenteur »Altai Keep« von Joe Banner erwähnt:
https://joebanner.co.uk/altai-keep/»It’s owners destroyed by the templars of the Stolen faith,
Altai keep has been abandoned for centuries. But new
evidence suggests the masters of this frozen mountain
castle have returned.«
Und als vorrangiges Objective: »Find out who has returned to the keep, and their intentions«
Woher sie kommen und was sie wollen bleibt vollkommen offen.
Wie sehr ähneln diese Spiele denn dann einem traditionellem Rollenspiel? Sind sie ein Kompromissversuch?
Wie funktioniert die tyische/klassische Rollenspielmechanik für mich als Spieler:
Ich beschreibe, was ich tun möchte und der SL sagt mir, wann ich was würfeln soll.
Wie funktioniert das typische/klassische PbtA für mich als Spieler:
Ich beschreibe, was ich tun möchte und der SL sagt mir, wann ich was würfeln soll.
Der Unterschied liegt beim SL.
Wie funktioniert die tyische Rollenspielmechanik für mich als Spielleiter:
- Ich bereite detaillierte Abenteuer im Vorfeld vor.
- Ich bin der Strippenzieher der Welt
- Ich berichte, was passiert und plane weitere Aktionen
- Ich bin allwissend
- Die Spieler überraschen mich, nicht die Welt
Wie funktioniert das typische PbtA für mich als Spielleiter:
- Ich bereite lückenhaft Abenteuer im Vorfeld vor.
- Die Welt hat ihre eigene Mechanik
- Ich berichte nur, was geschieht
- Ich weiß genausowenig wie die Spieler - eher weniger
- Die Welt überrascht uns alle
Sind nicht schon die schriftlich fixierten Spielleitermoves so schwammig, dass es sich erst gar nicht lohnt, darüber nachzudenken, ob sich der Spielleiter an sie hält?
Das Problem ist, dass die (Spielleiter-)moves IMHO nicht präskriptiv gedacht sind, sondern deskriptiv.
Es gibt in dem Sinne keine Regeln, an die sich ein Spielleiter halten kann und die es sich lohnte zu überprüfen.
Wie will man überprüfen, ob der SL korrekt »Use a Monster« benutzt hat?
Selbst bei »deal damage« obliegt der ausgeteilte Schaden - wo auch bei anderen Rollenspielen - dem SL (Gegner kann ja untrainiert oder besonders trainiert sein).
Insofern ist die Frage irreführend:
Wie sieht´s bei euch aus: Habt ihr den Eindruck die schriftlich fixierten Spielleitermoves wirken sich konkret auf die Aktionen eures Spielleiters aus?
Ich glaube der Grund für das erschwerte Verständnis für PbtA-System ist, dass die Spieler (in dem Falle auch der Spielleiter) zu regelfokussiert denken: »Welche Regel möchte ich anwenden?« statt »Ich möchte etwas tun - wie wird das geregelt?«
Die Richtung ist retrospektiv:
»Ah, er es tauchte ein neues Monster auf - dann hat er wohl den 'use a monster'-Move angewendet«
tl;dr
Im Grunde stellt PbtA das Rollenspiel vom Kopf (Regeln) auf die Füsse(Handlung), was die "alten Hasen" (mich eingeschlossen) zum Umdenken zwingt.