Autor Thema: Ist Ignoranz Trumpf?  (Gelesen 5976 mal)

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G0blin

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #50 am: 5.06.2018 | 11:33 »
Ich würde mich ein wenig an die erste Antwort halten und sagen "Toleranz ist Trumpf" und dadurch ergänzen, dass es meiner Meinung nach eine Sache der Einstellung ist.

Ich habe in den letzten ca. zehn Jahren auch sehr viel über den Tellerrand geschaut, mir neue Systeme, Indies usw. angeschaut, sie gespielt und viel dazu gelernt. In dieser Hinsicht denke ich nicht, dass "mehr Wissen" am Ende wirklich schaden kann. Es kann aber den Blick sehr einschränken, wenn man sich sehr intensiv und sehr explizit mit ein- und derselben Sache beschäftigt.

Ich kann trotz meines Wissens über Player Empowerment, die Fallstricke von Railroading und modernde Design-Ansätze einen guten alten, gerailroadeten Dungeoncrawl noch beinahe genauso genießen wie früher. "Beinahe" auch nur, weil der Sense of Wonder der ersten Stunde ein wenig fehlt. Aber das fällt nicht großartig ins Gewicht. Die Sache ist, dass ich mich darauf einlasse und mein kritisches Ego von meinem inneren Kind mit der Leine vor die Tür gebunden wird und brav warten muss, bis ich fertig damit bin, Spaß zu haben.

Deswegen eine Sache der Einstellung. Tatsächlich kann es sein, dass Jemand, der seit 20 Jahren Spiel X spielt und damit grundzufrieden ist, eine gewisse "Ignoranz" im Bezug auf Weiterentwicklungen und andere Ansätze im Rollenspiel hat. Das muss aber gar nicht so viel damit zu tun haben, warum er zufrieden und glücklich ist. Vielleicht ist er das auch nur, weil ihm genau diese Gruppe jede Woche einfach so gut tut oder Topf und Deckel passen wie die Faust aufs Auge und Spiel X war einfach ein perfekter match. Genauso oft hört man ja Geschichten von Leuten, die irgendwann die Schnauze voll haben und sich anderweitig umsehen. Die blicken dann über den Tellerrand und lernen mehr vom Hobby und von der Theorie kennen, was in jedem Fall immer heißt, dass sie ihren Horizont erweitert haben. Nicht aber unbedingt, dass sie glücklicher sind oder irgendwas finden, dass sie glücklicher macht.

Ich glaube, dass das Kryptonit des hier beschriebenen Wissenszynismus nicht die selige Ignoranz ist, sondern eine Entspannung der inneren Erwartungshaltung und eine Überwindung des kritischen Schweinehundes. Es haben ja auch schon mehrere im Thread geschrieben, dass sie ähnliches durchlebt haben, dann aber aus der Phase rausgekommen sind, als sie ihre Perspektive angepasst oder einfach Fünfe haben gerade sein lassen.

Offline Caranthir

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #51 am: 5.06.2018 | 12:33 »
Ich vergleich das mal mit Fußball (was ich weder spiele noch mag  ;))

Ein paar Freunde gehen jeden Sonntag im Freibad ne Runde kicken, ohne riesig auf die Regeln zu achten, sie werden zwar besser und haben jede Menge Spaß, aber es geht Ihnen nicht darum, ersthaft was zu reißen.

Jetzt gehen ein oder zwei der Freunde in einen Fußballverein, ein, zwei andere machen auf einmal Karate. Jeder hat seinen Spaß, jeder probiert was Neues aus. Spielen die Leute noch zusammen? Nö, keiner hat mehr Zeit, weil jeder zu viel um die Ohren hat.

Ist das jetzt schlecht? Nö, so ist nunmal das Leben. Wir alle sind Kinder unserer Zeit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auch keinen Spaß mehr damit hätten, würden wir immer nur das eine System spielen. Ich kann mich an genügend Frust erinnern, der ausgelöst wurde durch:
  • das falsche System
  • die falsche Gruppenzusammensetzung
  • fehlende Kommunikation in der Gruppe
  • mangelndes Interesse, auch mal etwas anderes auszuprobieren

Lange Rede kurzer Sinn: Wir probieren deshalb etwas Neues aus, weil wir es wollen, nicht weil wir es müssten. Leute, die nichts Neues ausprobieren wollen und sich in ihrer Gruppe wohl fühlen, spielen eben seit 20 Jahren das gleiche System. Glückwunsch! Aber ich sehe für mich da keinen Nachteil, etwas ausprobiert zu haben. Die "Tiefe", von der du schriebst, ist für mich eher eine behagliche Gewöhnung und sagt über die Qualität und den Spaß am Spiel nicht so viel aus.

Vergessen darf man auch nicht, dass Rollenspiel vor 20 Jahrenfür die meisten von uns der ganz heiße Scheiß war! Da hat jede Runde Spaß gemacht, egal wie scheiße sie eigentlich war  ;).
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Offline Anro

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #52 am: 5.06.2018 | 13:02 »
Ich vergleich das mal mit Fußball (was ich weder spiele noch mag  ;))

Ah, wenn wir gerade bei lustigen Vergleichen sind.
Vergleichen wir das mit League of Legends.
Nehmen wir jemand, der immer neue Helden spielt.
Er ist damit beschäftigt mit dem lernen dieses Heldens und seiner Interaktionen, Spezialitäten, dass man sich nicht auf das drumherum konzentrieren kann. Die Feinheiten der Map oder wann man von seiner Position weg gehen sollte - weil man wo anders gebraucht wird, wie man das Vorbereiten von Druck durchführt und wo man zu welcher Zeit sein muss/ soll/ kann und wo gegnerische Spieler sind, wie lange Sie brauchen und was deren Motivationen und Ziele sein werden ist etwas, auf das man sich nur schwer konzentrieren kann, wenn man noch sein muscle-memory aufbaut und die attack resets nicht verinnerlicht hat.

So übersetzt auf Rollenspiel:
Wenn ich mir ein RPG - System verinnerliche, bei dem ich nicht eine zweite Sekunde über einen Angriff, meine Möglichkeiten und perfekte Auswirkungen dieser nachdenken muss, dann kann ich mich wahrscheinlich mit den freien kognitiven Kapazitäten mehr darauf konzentrieren, die Aktion zu erzählen/ colorieren.
Vielleicht ist dann eine Konzentration auf die Dinge außerhalb des Kampfes intensiver, weil man Kämpfe und die Reaktion Anderer (auch mechanisch) abschätzen kann.
Vielleicht ist dann die Welt lebendiger, weil man ohne groß nachzudenken die lokal passenden Grußformeln oder Redewendungen nutzt. Das Spielen sollte dadurch intensiver wirken.
Vielleicht ist es den Spielern dann möglich politische Auswirkungen Ihrer Taten abzusehen, subtile Intrigen zu durchschauen.

Vielleicht ist das auch alles quatsch, weil Rollenspiel nicht so "schnell" ist und man immer genug Zeit hat, sich in Welten einzufühlen und diese neuen Welten sich ebenfalls total tief anfühlen können.


Offline Caranthir

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #53 am: 5.06.2018 | 20:44 »
Wenn ich mir ein RPG - System verinnerliche, bei dem ich nicht eine zweite Sekunde über einen Angriff, meine Möglichkeiten und perfekte Auswirkungen dieser nachdenken muss, dann kann ich mich wahrscheinlich mit den freien kognitiven Kapazitäten mehr darauf konzentrieren, die Aktion zu erzählen/ colorieren.

Wenn es um die Regelseite geht, gebe ich dir da recht. Da braucht man ne Weile, sich reinzufuchsen. Deshalb spiele ich mittlerweile eher regelleichte Systeme wie Fate, Savage Worlds etc. Bei denen habe ich irgendwie nicht das Gefühle, regelseitig etwas zu verpassen, spiele ich sie nicht länger.

Was den Hintergrund betrifft, kann ich das aber durchaus nachvollziehen. Manchmal dauert es, bis es Klick macht. Wobei ja niemand gezwungen wird, immer neue Sachen auszuprobieren. Ich bleibe irgendwie schon bei den Sachen hängen, die mich wirklich begeistern UND probiere ab und an Neues aus.
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Offline Grubentroll

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #54 am: 15.06.2018 | 18:53 »
Ich glaube man hätte dann normalerweise das Hobby irgendwann einfach sein lassen weil neue Einflüsse fehlen.

Offline Exar

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Re: Ist Ignoranz Trumpf?
« Antwort #55 am: 15.06.2018 | 19:53 »
Ich glaube man hätte dann normalerweise das Hobby irgendwann einfach sein lassen weil neue Einflüsse fehlen.
Würde eine Pause nicht vielleicht besser sein?
In vielen Hobbies hat man mal eine Durststrecke, das Interesse lässt nach, man ist nicht motiviert.
Für gewöhnlich reicht es einfach mal eine Auszeit zu nehmen und der "Hunger" kommt nach einer Zeit wieder.