Autor Thema: Tod in vier Schritten - Einschätzung einer Verwundungsmechanik  (Gelesen 931 mal)

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Offline SeldomFound

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Wie es so üblich ist, macht man sich als P&P-Fan Gedanken darüber, wie ein eigenes System aussehen könnte. Und dabei versucht man dann für sich Fragen zu klären wie zum Beispiel:

Wie stirbt man in meinen Spiel?

... beziehungsweise, wie töte/verwundet/schlägt man jemanden in meinen Spiel bewusstlos?


Das System, an dem ich gerade herumbastle, soll Abenteuerfahrten wie aus den Geschichten von Sindbad oder die Odyssee erlauben, mit einem Schuss Anime/Manga-Action. Nicht so abgefahren wie One Piece, dass die Spielercharaktere am Ende ganze Berge spalten können, aber das Kampfsystem soll den Spielern Mut machen, sich auch mit einem ganzen Kulten aus fanatischen, aber untrainierten Schergen anzulegen.

Kurz, Kämpfe sollen Spaß machen.

Auf der anderen Seite soll es auch ein gewisses Gefühl der Gefahr geben, so dass die Spieler auch dazu motiviert sind, sich nicht ohne einen guten Plan oder etwas Kreativität in die Schlacht zu stürzen, weil manchmal ein Scherge dann vielleicht doch Glück hat und einen SC verletzen kann.

Im Kern meiner Betrachtung steht dabei das Konzept von LP und ob ich wirklich dieses Konzept in meinem System haben möchte...

Wie ich so über dieses Problem nachdachte, hatte ich diese Woche einen Geistesblitz für ein Kampfsystem, dass ohne Lebenspunkte auskommt. Oder so glaube ich zumindest, denn die Wahrheit ist, ich habe selbst meine Idee nicht so gut verstanden und bin mir nicht sicher, ob ich vielleicht ein paar große Fehler dabei übersehen habe.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich präsentiere euch hiermit meine brilliante Idee und bin gespannt, wie ihr sie zerpflücken werdet.


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Grundgedanke: In einem Kampf gibt es im Prinzip vier Hindernisse, die man überwinden muss, um einen Gegner auszuschalten.

1. Schritt: In Reichweite/Im Visier

Zuerst muss der Kämpfer in die Reichweite kommen, in der er seine Waffe effektiv einsetzen kann. Je nach Waffe gibt es dafür unterschiedliche Bedingungen.

a) Fernkampfwaffen: Reichweite variert je nach Art der Waffe, in den meisten Fällen nicht mehr sinnvoll benutzbar, sobald man in Nahkampfreichweite eines Gegners ist. Dafür kann man ziemlich weit weg von einem Gegner stehen.

b) Lange Nahkampfwaffen: Alles, womit man mindestens auch auf einen halben Meter Abstand jemanden gut verletzen kann. Speere, Stäbe, aber auch (weil Rule of Cool) Waffen wie Peitschen. Vorteil: Früher in Reichweite, dafür im Nachteil sobald der Gegner mit einer kurzen Nahkampfwaffe in Reichweite ist.

c) Mittlere Nahkampfwaffe: Schwerter, Äxte, Keulen, ungefähr von 1 Meter bis 0,5 Meter Länge, außerdem auch Tritte bei fähigen Kämpfer. Bislang keine besonderen Vor- oder Nachteile.

d) Kurze Nahkampfwaffen: Dolche, Schlagringe, unbewaffnet. Im Kampf um die Reichweite im großen Nachteil, dafür aber meist leicht zu verbergen und als Nebenwaffe verwendbar. Können auch im Ringen* eingesetzt werden.

(*Ringen ist keine Reichweite an sich, sondern eher ein Zustand nach meiner Vorstellung, der verhindert, dass man ohne besonderen Tricks keine Waffe außer kurzen Nahkampfwaffen einsetzen kann)

Um in Reichweite zu kommen, muss man die Beweglichkeit und Umsicht des Gegners überwinden, sowie außerdem sein Geschick mit der ausgerüsteten Waffe, sofern diese eine mindestens gleich große Reichweite wie die eigene hat. Desweiteren gilt: Ist man mit einer gleichgroßen Waffe in Reichweite, dann ist man auch automatisch in Reichweite des Gegners und man muss mit Gegenangriffen rechnen.



2. Schritt: Hinter der Verteidigung

Sobald man in Reichweite ist, muss versuchen, die Verteidigung des Gegners zu brechen und ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Hierbei steht einem die Beweglichkeit, Reaktionsvermögen, Stärke, Waffengeschick und mögliche Ausrüstung wie Rüstungen oder Schilde im Weg.

3. Schritt: Ins Fleisch

Hat man die Verteidigung des Gegners überwunden, ist man in der Lage, den Gegner zu verletzen. Jetzt bleibt nur die Frage, ob die Wunde nur oberflächlich bleibt, einschränkend wirkt oder gar tödlich ist. Dies hängt von dem Grad des Schutzes ab, den die Rüstung bietet, der Konstitution des Gegners und sehr eingeschränkt seine Beweglichkeit, ob er noch gerade so im letzten Augenblick den Schlag an vitale Organe vorbei gehen lassen kann.

4. Schritt: Ins Herz

Ein vitaler Punkt des Gegners wurde getroffen. War der Angriff nicht (sehr) tödlich, ist er nur bewusstlos, ansonsten wird er ohne medizinische Hilfe, egal ob profan oder magisch, sterben. Besonders zähe Gegner können aber auch trotz tödlicher Wunde noch gefährlich werden und weiterkämpfen.

Anmerkung: Generell spielt immer auch Glück eine Rolle, daher habe ich es nicht extra erwähnt!


Die Idee von mir ist, dass man mit einer Angriffsprobe diese Schritte einzeln abgeht, je besser der Angriff, desto weiter kommt man mit einer Aktion. Dazu muss man anmerken, dass diese vier Schritte nur für SCs und starke NSCs gelten. Einfache Mooks haben unter Umständen keine nennenswerte Verteidigung oder körperliche Resistenz, so dass 1 oder 2 Schritte ausfallen können.

Jetzt nur als ein Beispiel angenommen: Die Probe besteht aus 3w6, die Schwierigkeiten für die jeweiligen Schritten beträgt 5. Wenn der Spieler eine 10 würfelt, ist sein Charakter in Reicheweite und hinter der Verteidigung. Damit hat sein Angriff im Prinzip schon getroffen und auf jeden Fall den Gegner angekratzt, was diesen einen Nachteil gibt.

Als Verteidiger kann man sich nun entscheiden, ob man nun eine Aktion opfert, um wieder auf Abstand zu gehen, dann bleibt es bei einem Kratzer, aber der Gegner kann in der nächsten Aktion wieder angreifen. Sofern man aber eine Waffe mit gleicher Reichweite wie der Angreifer verwendet, könnte man aber auch stattdessen versuchen, diesen direkt anzugreifen, denn man ist schon "in Reichweite" zu ihm. In diesem Falle risikiert man dann, dass sein Gegner ihm bei der nächsten Aktion einen tödlichen Hieb verpassen kann.


So  weit meine unausgegorenen Gedanken, vielleicht lässt sich damit etwas anfangen. Vielleicht bleibt es aber auch unverständlich, was ich erreichen will. Wie gesagt, ich habe selbst keine Ahnung, was diese Idee in der Praxis bewirken würde, daher wäre ich euch für euren Rat dankbar.
Soweit meine unausgegorene

Offline Scimi

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Ich würde auf einen Blick sagen, dass ist zu kompliziert und frustrierend. Ich habe zwar dein Würfelsystem nicht ganz verstanden, aber viele aufeinanderfolgende Proben bremsen selbst gute Werte sehr schnell aus.

Nehmen wir mal ganz simpel an, jede Probe hat eine 50%-Chance auf Erfolg. Und nehmen wir mal an, dass jeder deiner Schritte nur eine einzige Probe erfordert (in die dann die ganzen relevanten Werte irgendwie reingerechnet werden.

Dann sind das 50% * 50% * 50% = 12,5%, um den Gegner nur zu treffen. Das heißt in 7 von 8 Kampfrunden passiert nichts. Wenn du den Gegner dann triffst, stirbt er dann allerdings auch mit 50% Chance. Wenn das System taktisch sein soll, d.h. die Würfelwahrscheinlichkeiten ändern sich, je nachdem, welche Manöver ich ansetze etc., dann wäre mir das zu fummlig, da ewig rumzurechnen, wenn in 7 von 8 Fällen da eh nichts Vernünftiges bei herumkäme.

In der Praxis ist es dann meist auch so, dass unerfahrene SCs gegen schwache Gegner kämpfen und gestandene Helden gegen kompetente Widersacher. Dabei heben sich die Probenwahrscheinlichkeiten aber dummerweise gegenseitig auf: Wenn zwei betrunkene Goblins gegeneinander kämpfen, haben sie vielleicht nur eine 10% Chance zu treffen und zu parieren. Das ist eine 9%-Chance, dass ein Treffer stattfindet — das macht keinen Spaß, auszuwürfeln, ist aber plausibel für besoffene Goblins, die blindlings aufeinander einstechen. Im Vergleich dazu dann zwei absolute Schwertmeister, die sich duellieren und eine 90% Chance haben, dass ein Angriff oder die Verteidigung gewinnt. Kommt aber auch auf 9% Trefferchance raus. Auch das ist ok, wenn zwei Großmeister sich gegenüberstehen und gegenseitig die tollsten Finten und Kampftechniken meisterhaft parieren, macht aber immer noch keinen Spaß. Wenn dagegen zwei durchschnittliche Kämpfer mit 50% Angriffs- und Paradechance aufeinandertreffen, haben sie eine Trefferchance von 25%, das ist immer noch lahm, aber ungefähr dreimal lustiger als die anderen Varianten.

Für mich klingt das nach einer schrecklichen Würfelorgie für wenig Effekt. Die Idee würde vielleicht für ein Computerspiel funktionieren, mich aber am Tisch nicht dazu einladen, besonders trickreich und clever vorgehen zu wollen.

Meine Intuition wäre daher, das Ganze eher zu abstrahieren und lieber mit eleganteren Mechanismen zu arbeiten, als den ganzen Vorgang in Einzelschritte zerlegen und die einzeln abhandeln zu wollen. Denn realistisch ist das eigentlich auch nicht, echte Kämpfe sind halt nicht rundenbasiert. Schau dir vielleicht mal andere Systeme an, die ohne Trefferpunkte (oder zumindest ohne herkömmliche Trefferpunkte) auskommen.