Ah. Ein Thema, das mir lieb und teuer ist.
Es gibt, glaube ich, einige Voraussetzungen, die einfach gegeben sein müssen, damit sowas funktioniert, und es gibt einige Möglichkeiten, eine solche Charakterentwicklung zu fördern oder sogar zu erzwingen. Es gibt aber auch ziemlich viele Möglichkeiten, sie effektiv abzuwürgen. Da muß ich mich erst noch mal sammeln, aber ein paar Rollenspiele, die so ziemlich genau das machen, was du beschreibst, kann ich schon mal nennen:
Der Klassiker in dem Fach ist wohl Pendragon. Die Regeln für Passions und Traits schließen den Kreis vom Charakterbogen ins Spielgeschehen und von da wieder auf den Charakterbogen. Der Ritter ändert sich in seinem, nun, Charakter, je nachdem, was der Spieler in der Fiktion so anstellt. Und ab einem bestimmten Punkt überwiegen die charakterlichen Eigenarten dann so stark, daß der Spieler in kritischen Situationen die Kontrolle über seine eigene Spielfigur verliert. Zugleich steht das ganze Spielgeschehen in der Spannung zwischen ritterlichen Idealen, Ehre, materiellem Gewinn, Familie, Todesgefahr, und menschlichen Schwächen und Begierden. Ach ja, und natürlich dem zu gewinnenden Ruhm (in Punkten, die wirklich was wert sind.) Das kann für ziemlich reizvolle Charakterentwicklungen und interessante Konflikte sorgen.
Pendragon: Kodifizierte, vorgegebene Charaktereigenschaften mit einem Wert, der sich durch das Spiel ändert und der das Spielgeschehen punktuell kontrollieren kann.
Aber mein bevorzugtes Spiel ist da Burning Wheel. Im Grunde dreht sich das gesamte Spiel um die Art von Geschichten und Charakterentwicklung, die du anreißt – der ganze barocke Klump an Regeln dient letztlich zu nichts anderem. Das Spiel arbeitet mit expliziten Flags für Überzeugungen, Ziele und instinktive Reaktionen sowie mit drei Sorten Traits, die alle in ein relativ komplexes System von Metawährungen eingebunden sind (die wiederum in das Steigerungssystem für Skills eingebunden sind, die alle die Konfliktsysteme bedienen, die wiederum … etc etc, bis sich der Kreis schließt). Wie gesagt, etwas barock, aber durchweg zielgerichtet und sehr effektiv. Solange alle Spieler bereitwillig dabei sind.
(Um ehrlich zu sein – wenn ich das Regelwerk für Burning Wheel nach einer längeren Pause zur Hand nehme, denke ich mir beim Durchblättern oft: „Das kann man doch eigentlich keinem Anfänger zumuten.“ Aber dann erinnere ich mich daran, wie es am Tisch funktioniert und welche Ergebnisse es zu erzeugen hilft, und dann weiß ich wieder, warum ich es gut finde.)
Burning Wheel: Explizite Flags als Vorgabe für den Spielleiter zur Schaffung von Konflikten. Die Spieler werden mit Metawährungen dafür belohnt, die Konflikte anzugehen. Dabei entstehen durch Regelzwang häufige Komplikationen: Diese Fehlschläge und Erfolge verändern die Charaktere auf Dauer technisch. Das formt wiederum das Spiel durch Flags, kodierte Charakterelemente und Regeln.
Und dann gibt es noch, als Kontrast dazu, etliche Story Games, aber das ist schon wieder eine andere Baustelle als die zwei genannten Beispiele.
Ich sortier mich mal ein bißchen und schreib später noch was dazu. Das ist ein sehr interessantes Thema.