Autor Thema: Der "Matt Mercer Effect"  (Gelesen 24060 mal)

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #225 am: 11.08.2019 | 17:44 »
Das kann man so darstellen, ist dann aber irreführend. Der Modus Operandi des Rollenspiels ist das Verhandeln eines fiktionalen Geschehens. Natürlich ist dieses fiktionale Geschehen in irgend einer Weise ein Narrativ, genauso, wie es in irgend einer Weise ein Narrativ ist, wenn ich dir erzähle, was ich gestern so gemacht habe. Das ist aber wohl kaum gemeint, wenn die Leute im Hinblick auf Rollenspiel von "Story" reden. Sondern was sie damit meinen, ist gezielt dramaturgische und erzählerische Techniken zu verwenden, um eine genre-typische oder jedenfalls irgendwie strukturell als solche erkennbare Handlung mit Spannungsbogen und Abschluss zu erzählen.

Und das, wiederum, ist dezidiert nicht der ursprüngliche Modus Operandi, da haben die Wargaming-Wurzel-Beschwörer recht. Was freilich nichts daran ändert, das Rollenspiel als Methode und Story als Ziel/Ergebnis hervorragend zusammen gehen, was sich ja dann auch im Laufe der 80er herauskristallisierte. Das ist eben das, was ganz ganz viele Leute im Hobby machen wollen, und selbst D&D kann (und will) das nicht ignorieren. Wobei vermutlich die Wenigeren von denen richtige Narrativisten und potentielle Story Gamer sind, sondern ganz viele sind schon im Grunde Abenteuerspieler, die schon auf das taktische Element, die Minis, die Kämpfe, das Leveln, das Looten und den ganzen Kram stehen, die halt nur eine hübsch erzählte Rahmenhandlung dafür haben wollen und ein bisschen Charakterimmersion auch noch mit im Gesamtpaket. Das ist ja kein Widerspruch, wie Videospiele à la Witcher oder Mass Effect ja auch zeigen, die es ja wiederum ohne D&D so gar nicht gäbe.
Im Großen und Ganzen sehe ich es ähnlich. Allerdings glaube ich, dass den Spielern Geschichte schon extrem wichtig ist. Allerdings die Geschichte die sich aus den (ich nenn sie mal )Taktik-Mechaniken des Spiels (zu denen auch Loot und das Leveln und so auch dazu gehören) für den Spieler in der Sitzung ergeben.
Stichwort: Emergent Narrative (YT-Video 5:36 min)
« Letzte Änderung: 11.08.2019 | 17:47 von 6 »
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Offline Fëanor

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #226 am: 11.08.2019 | 17:48 »
Ach ja, die gute alte RPG "Theorie". Oder eher schon "TheorieN"?! Das Blöde am ganzen (aus meiner Sicht) ist, dass oft die Leute die Definitionen nicht sauber gebrauchen (oder bzw. die Worte von verschiedenen "Theoretikern" unterschiedlich besetzt wurden). Das führt dann oft zu sehr umständlichen bzw. missverstandenen Diskussionen.

Anyway...

Was ich hier mal wieder spannend finde, ist die Erkenntnis, dass es einfach sehr viele verschiedene Arten gibt, unser Hobby auszuüben. Was ja eigentlich auch eine Stärke des Hobbies ist!

Ich zum Beispiel würde liebend gerne unter einem SL wie Mercer spielen. Da stören mich auch die ab und an auftauchenden 15 Min Monologe nicht. Gerade wenn ein SL sein eigenes Setting mitbringt, halte ich die sogar für ab und zu angebracht (ausser man will den Spielern "Hausaufgaben" verteilen im Sinne von zu lesenden Texten...was aber meist noch schlechter ankommt ^^ ).
Die Atmosphäre die er erzeugen kann finde ich einfach nur Spitze.

Mit den Spielern aus CR tue ich mir z.B. schon schwerer! In Runden, in denen ich mitspielen möchte, würde ich zB. nur Liam zu 100% einladen. Sam hat zwar absolut tolle Momente, aber tendiert auch am ehesten zum rumblödeln bzw ablenken. Zudem ist er auch eher ein "ich pfusch mal den anderen Spielern kurz ins Handwerk"-PCs . Nicht extrem, aber doch zu erkennen.
Taliesin und Travis finde ich OK...haben solides RPG und ab und zu auch richtig gute Momente.
Bei den Frauen siehts eher weniger gut aus (wie immer natürlich mMn etc. ). Laura ist mir zu sehr auf Komik aus, obwohl sie auch sehr emotionale Momente generiert. Und Marisha find ich einfach nur flach und oft chaotisch. Ashley ist halt viel zu wenig oft dabei (was mich bei Spielern sehr stört...hier aber natürlich durchaus nachvollziehbar ist).
In dem Sinne gibt es für mich bei CR aus meiner persönlichen Sicht wirklich genug Kritik-Punkte. Natürlich ist das "Jammern" auf sehr hohem Niveau, klar. Ich finde aber, dass CR oft zu viel Lorbeeren erhält, vor allem wenn ich da gewisse andere Podcasts oder Streamer sehe, die mit weniger arbeiten müssen und trotzdem zt. noch besseren Content liefern (wiederum, für meinen Geschmack natürlich).

Darum ist es halt manchmal etwas ungerecht, wie die Aufmerksamkeit und der "Ruhm" (und somit die Einnahmen und Einfluss) verteilt sind.
Nicht falsch verstehen, CR ist sehr gut. Aber es gibt mMn durchaus "Amateure" die da mithalten können (nur so von wegen "Hochglanz-RPG").

Für mich musste ich aber eine überraschende(?) Erkenntnis machen: Auf den Streams und den Podcasts tummeln sich Rollenspieler, die meinen Geschmack sehr gut treffen. Zt sogar besser als jede Gruppe mit der ich bisher RL gespielt habe. Schade nur, dass es super schwer ist, in diese Zirkel reinzukommen. In einigen von diesen Gruppen würde ich super gerne mitzocken (und ich rede hier jetzt nicht von CR, dort kommt man sowieso nicht rein).
« Letzte Änderung: 11.08.2019 | 17:51 von Fëanor »
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Offline takti der blonde?

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #227 am: 11.08.2019 | 17:50 »
Für später-, aus rein taktischen Gründen.
(Das Gleiche gilt übrigens auch für Heiltränke uÄ.)
Sich zu überlegen, welcher Zauber am sinnvollsten wäre, in der Situation, hat auch was Taktisches.

Auch taktische Entscheidungen lassen sich Figuren-emergent treffen, das meine ich nicht. Gummipunkte sind in der Regel an keine innerweltliche Überlegung gebunden. Es scheint mir fast unmöglich, eine solche Entscheidung Figuren-emergent zu treffen. Das stört mich ein wenig. Mehr dann aber auch nicht.

Grüße

Hasran

Offline Issi

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #228 am: 11.08.2019 | 17:56 »
Auch taktische Entscheidungen lassen sich Figuren-emergent treffen, das meine ich nicht. Gummipunkte sind in der Regel an keine innerweltliche Überlegung gebunden. Es scheint mir fast unmöglich, eine solche Entscheidung Figuren-emergent zu treffen. Das stört mich ein wenig. Mehr dann aber auch nicht.

Grüße

Hasran
Ok, dann lassen wir es einfach so stehen.

Offline takti der blonde?

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #229 am: 11.08.2019 | 18:05 »
Ok, dann lassen wir es einfach so stehen.

Lassen wir.

Grüße

Hasran

Offline Thaddeus

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #230 am: 11.08.2019 | 19:48 »
[...]Gummipunkte sind in der Regel an keine innerweltliche Überlegung gebunden. [...]
Das sind LP aber auch nicht. Aber weil Du damit aufgewachsen bist, stellst Du es nicht in Frage. Es gibt aber tatsächlich keinen Unterschied in dieser Hinsicht zwischen LP, Astralpunkten, Bennies bei SW oder Fate-Punkten oder Lucky bei DnD. Das ist allein eine Gewohnheitssache.

Die Runden von Mercer finde ich persönlich eher etwas langweilig, weil er sich für meinen Geschmack zu sehr selber dabei gefällt, zu erzählen. Wer lieber Geschichten hört als sie selber zu spielen, für den ist diese Art zu leiten wohl genau das richtige. Monologisierende Spielleiter gehen mir eher auf die Nerven, als dass ich mich an ihren verbalen Ergüssen ergötzen könnte. Aber: Mercer macht das schon SEHR gut. Der ist eben ein Profi.

Dass es tatsächlich als Problem gesehen wird, wenn Spieler mit einer aus CR entsprungenen Erwartung an Story in Spielrunden stapfen, finde ich schon bemerkenswert. Und hier liegt eigentlich mein Problem mit "klassischem" RPG: Viel Fleisch ist an der Story zumeist nicht und vieles wird den Zahlen geopfert auf dem Altar der Simulation und dem Schrein des realistischen Rollenspiels. Am Ende kommt dann, so meine Erfahrung, an Erzählung oft ziemlicher Quark oder Slapstick dabei heraus. "Gummipunkte" geben dann wenigstens den Spielern ein Stück weit Kompetenz in die Hand, den gröbsten Unfug selbst zu verhindern. In "klassischen" Rollenspielen gibt es aber auch "Gummipunkte", nur heißen die dann eben Würfeldrehen und Handwedeln. Macht imho auch jede Runde. Ob das dann die Immersion stärker beflügelt als ein Benny bei SW, weiß ich nicht.

Was ich in so vielen Rollenspielrunden gesehen und erlebt habe ist, dass bestimmte Dinge gar nicht mehr bespielt oder besprochen werden. "Da kommen drei Orks", okay, alle würfeln Ini und es wird von Erzählmodus in Brettspielmodus gewechselt. Ohne jeden Zwischenschritt. Kürzlich habe ich die Bestie von Krahorst (SpliMo Promoabenteuer) gespielt. In einer Szene kamen recht unvermittelt zwei Riesenspinnen auf uns zu. Die ausführliche Beschreibung - z.B. dass diese so groß wie Ponies waren - hätte der SL sich auch getrost schenken können, da für die Story und alles weitere vollkommen belanglos. Es gab ein paar Punkte runterzukloppen, wir haben uns über die Tickleiste bewegt, fertig. Ich habe es gar nicht erst gewagt, zu fragen, warum die uns überhaupt angreifen... die tauchten auf einmal auf und weil es Spinnen waren, war die logische Konsequenz, in den Brettspielmodus zu wechseln... *schnarch*

Wenn es tatsächlich einen Matt Mercer Effekt haben sollte, der die SL dazu anhält, mehr sinnvolle Story zu bringen als Figurengeschubse, halte ich das für begrüßenswert.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #231 am: 11.08.2019 | 19:49 »
Allerdings die Geschichte die sich aus den (ich nenn sie mal )Taktik-Mechaniken des Spiels (zu denen auch Loot und das Leveln und so auch dazu gehören) für den Spieler in der Sitzung ergeben.
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Das gibt es zweifellos, ob das der Mehrheit entspricht, kann ich nicht wirklich beurteilen. Aus der Ferne würde ich sagen, es sieht fast so aus, als wäre die Mehrheit total happy mit Matt-Mercer-Adventure-Path-fahr-mich-im-Zug-zum-Encounter-Spiel... ;)
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Offline takti der blonde?

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #232 am: 11.08.2019 | 19:57 »
Das sind LP aber auch nicht. Aber weil Du damit aufgewachsen bist, stellst Du es nicht in Frage. Es gibt aber tatsächlich keinen Unterschied in dieser Hinsicht zwischen LP, Astralpunkten, Bennies bei SW oder Fate-Punkten oder Lucky bei DnD. Das ist allein eine Gewohnheitssache.

Du weißt doch gar nicht, womit ich aufgewachsen bin. :P
Ja, das diese Konzepte Gemeinsamkeiten haben, steht außer Frage. Ich versuche aber gerade herauszuarbeiten, worin sie sich unterscheiden. Mit LP kann ich z.B. nicht post hoc Ergebnisse verändern.

Grüße

Hasran

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Re: Der "Matt Mercer Effect"
« Antwort #233 am: 11.08.2019 | 20:05 »
Das gibt es zweifellos, ob das der Mehrheit entspricht, kann ich nicht wirklich beurteilen. Aus der Ferne würde ich sagen, es sieht fast so aus, als wäre die Mehrheit total happy mit Matt-Mercer-Adventure-Path-fahr-mich-im-Zug-zum-Encounter-Spiel... ;)
... um dann im Encounter teilweise mit Glückswürfen den Boss fertig zu machen. Die Geschichte wird dann bis in die nächsten Jahrzehnte wiederholt, wie man damals den Typen gegen alle Wahrscheinlichkeiten gekrittet hat... ;)
Auch nur aus der Ferne. Aber solche Geschichten wurden mir früher zu Hauf in verschiedenen Geschmacksrichtungen auf CONs erzählt. Kann aber sicherlich sein, dass das heutzutage anders ist.
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Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist