Autor Thema: Mehr Spannung  (Gelesen 2366 mal)

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Mehr Spannung
« am: 23.06.2004 | 16:48 »
3 Tipps: mehr Spannung

In vielen Rollenspielrunden ist das Geschehen ein unendlicher Handlungsstrang, der gnadenlos jede Handlung der Charaktere erfasst. Dies geschieht dadurch, dass etwas weniger erfahrene oder eher zurückhaltende Spielleiter in ihrer Runde nicht zu sehr dominieren wollen - was prinzipiell ja auch sehr lobenswert ist.

Andere Spielleiter improvisieren gerne und wollen deswegen die Handlung der Geschichte nicht strukturieren, weil sie sich dadurch in ihrer Kreativität eingeschränkt fühlen. Wieder andere haben sich einfach nicht vorbereitet und möchte mit den bisher genannten Argumenten darüber hinwegtäuschen.

Wie dem auch sei: Jeden Aspekt einer Spielwelt und jede mögliche Alltagsszene aus dem Leben der Spielercharaktere auszuspielen kostet verdammt viel Zeit, bläht Spielrunden, die in vier oder fünf Stunden spannende Abenteuer wären zu acht oder zwölf Stunden Epen auf, die meistens eher langweilig sind.

1. Spiele nur spannende Szenen

Interessanter kann es auf Dauer sein, nur die spannenden oder die amüsanten Szenen einer Geschichte genauer zu beleuchten und die vielen Alltagsszenen wie Einkäufe, Tavernenbesuche, Reisen, auf denen nichts geschieht usw. einfach auszublenden. Dies erfordert Einiges an Fingerspitzengefühl vom Spielleiter. Er muss erkennen, wann eine Szene das Potential besitzt, eine spannende Szene zu werden.

Aber: Woran erkennt man eine spannende Szene, bevor sie überhaupt gespielt wird? Ganz einfach:

Eine spannende Szene ist in der Regel spannend, wenn in ihr die Frage im Raum steht: Was geschieht als nächstes? Je stärker sich diese Frage aufdrängt und je enger diese Frage mit dem weiteren Schicksal der Spielercharaktere verbunden ist, umso spannender wird die Szene. Als Spielleiter musst du nur ungefähr abschätzen können, was in den nächsten paar Minuten in der Spielrunde geschehen wird. Du musst sozusagen feststellen, welches Potenzial die Szene besitzt, eine wirklich spannende Szene zu werden.

Stell dir folgende Fragen:
  • Was wird - aller Wahrscheinlichkeit nach - als nächstes geschehen?
  • Wird der Ausgang des Abenteuers durch die folgenden Handlungen der Spielercharaktere entscheidend geprägt?
  • Wird das Leben der Spielercharaktere aufs Spiel gesetzt?
  • Gibt es eine Bedrohung?
  • Kannst du in der folgenden Szene Gefahr erzeugen?
  • Bietet die folgende Szene Gelegenheit, für eine wirklich lustige und unterhaltsame Nebenhandlung?
  • Kannst du das Geschehen noch irgendwie aufpeppen, damit die Szene nicht zur Simulation von langweiligem Alltagsgeschehen wird?
Kannst du eine oder mehrere dieser Fragen mit Ja beantworten, ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich bei der nächsten Szene um eine wirklich lohnenswerte, spannende und/oder unterhaltsame Szene handeln wird. Natürlich gibt es keine Garantie dafür - immerhin wird der genaue Ablauf des Abenteuers ja von den Handlungen der Spieler diktiert. Unter Umständen servierst du ihnen alle Bedingungen, die eine Szene zu einem rasanten oder dramatischen Höhepunkt des Abenteuers machen könnten - doch sie ignorieren sie einfach. Dagegen kannst und solltest du natürlich nichts machen. Aber du kannst als Spielleiter versuchen, im Spiel eine kleine Auswahl zu treffen, damit die Spieler nicht mit unwesentlichem Geplänkel der Spielwelt gelangweilt, sondern durch eine spannende, durchdachte und dichte Atmosphäre unterhalten werden.

Es gibt einige Szenen, die sozusagen zum Standard von Rollenspielrunden gehören, die man als engagierter Spielleiter kürzen sollte, damit die Spannung erhalten bleibt. Dazu gehören im Prinzip alle alltäglichen Dinge, die ein Mensch wie du und ich zu erledigen hat, die aber in keiner Weise als spannend bezeichnet werden können. Dazu gehören Szenen, in denen recherchiert oder eingekauft wird, in denen Gegenstände repariert oder gepflegt werden, Kirchgänge oder ähnliche sakrale Handlungen, das Lesen eine Buches, Fernsehen, die tägliche Information durch die Zeitung, die Analyse eines Gegenstandes, die Reise von A nach B usw.

Eine überdurchschnittlich begabte oder erfahrene Spielrunde weiß sicherlich auch aus solchen Szenen wirklich spannende Szenen zu entwickeln - aber dies erfordert schon ein bisschen Planung und Mühe. Gerade, wenn du ein Einsteiger ins Hobby Rollenspiel bist, wirst du auch die etwas weniger spektakulären und spannenden Szenen ausspielen wollen. Entweder, weil du den Unterschied zwischen spannenden und für das Abenteuer entscheidenden Szenen und eher unwichtigen und langweiligen Szenen noch nicht kennst oder weil diese Standard-Szenen noch den Reiz des Neuen für dich besitzen.

Aber früher oder später wird der Punkt kommen, an dem du schon das 100.te Gespräch mit einem Schmied über das Schwert in der Auslage führst, dich als Hacker zum 1000.ten Mal in ein Archiv einklinkst, um Daten runterzuladen oder an dem du mit deinem Charakter in eine Bibliothek gehst, um Recherchen zu betreiben. Entweder bist du ein begnadeter und innovativer Spielleiter und Spieler, der unendliche viele Einfälle besitzt, um solche Szenen spannend und abwechslungsreich zu gestalten - oder sie sollten einfach nicht mehr gespielt werden.

Was allerdings tut man mit solchen Handlungen der Charaktere - die ja teilweise zwar keine dramatische Bedeutung für die Spielrunde besitzen, aber durchaus von Interesse sein können (bekommt dein Charakter das Schwert oder nicht, kann das Sicherheitssystem ausgeschaltet werden und hat die Bibliothek nun das gesuchte Buch)?

Ganz einfach:

Für solche Zwecke besitzt jeder Spielercharakter ja Fähigkeiten, mit denen ermittelt werden kann, ob und wie gut dein Charakter Dinge beschaffen, Informationen in Erfahrung bringen kann oder wie geschickt er darin ist, Geräte zu reparieren usw. Lass einfach einen Fertigkeitswurf darüber entscheiden, ob und wie gut das Ergebnis einer solchen Handlung ist. Im Hinterkopf aller Beteiligten wird eine solche Szene sowieso plastisch erscheinen - denn sie gehört ja zum Repertoire von Rollenspielen, sodass sie jeder schon ein paar mal erlebt hat. Jeder kann sich ungefähr vorstellen, wie es in einer Bibliothek zugeht. Wozu also das Selbstverständliche auswalzen und die Qualität der Spielrunde damit reduzieren?

Versuche dir und deinen Mitspielern in einer Spielrunde einfach das Alltäglich zu ersparen, damit du sie und auch dich selbst gezielter mit dem Besonderen unterhalten kannst

2. Verwende Schnittechniken!

Letzte Woche habe ich mich mit dem Tipp #16 damit beschäftigt, wie man das Geschehen in einer Rollenspielrunde in Szenen aufteilen kann. Dies ist eine wichtige Erzähltechnik, um ein Abenteuer interessant zu gestalten. Solltest du diesen Tipp verpasst haben, empfehle ich dringend, ihn noch zu lesen.

In dieser Ausgabe der Spielleiter-Tipps gehe ich ein wenig genauer darauf ein, wie man nun zwischen den Szenen hin und her springen kann. Ich nenne diese Erzählweise der Einfachheit halber Schnittechniken und werde im Folgenden zeigen, was man damit alles anstellen kann.

Ich beginne mit einem praktischen Beispiel, das in jeder Rollenspielerunde so oder so ähnlich mehrmals vorkommt:

Beispiel:

Spielleiter: "Okay, ihr brecht im hellen Schein der Morgensonne auf und lasst eure Lieben hinter euch. Die Worte des Dorfältesten hallen wie das Echo im Tal in euren Köpfen: 'Seid vorsichtig da draußen. Überall lauern Gefahren! Traut niemandem ... !"

SCHNITT! (Wird dadurch erzeugt, dass der Spielleiter für einen Moment inne hält, tief einatmet und jeden Spieler einmal ernst in die Augen blickt und dann mit erhobener Stimme und mit wilden Gesten schnell zu sprechen beginnt:)

"Über euch bricht die Welt zusammen! Wolken verdunkeln den abendlichen Himmel und Wasser schüttet wie aus Kübeln auf euch herab. Den ganzen Tag seid ihr gewandert. Ihr seid erschöpft, hungrig und eure Füße schmerzen! Der Wind zerrt an euren nassen Kleidern und lässt euch erbärmlich zittern. Zwischen der heimeligen Taverne und euch liegt nur ein reißender, über die Ufer getretener, breiter Fluss, durch den braunes, schäumendes Wasser den Hang hinabstürzt. Die lange Brücke sieht verdammt alt und morsch aus!"

In dem Beispiel springt die Handlung sofort vom Aufbruch am Morgen zur nächsten spannenden Szene am Abend des Spieltags. Ohne Umschweife wird von der Eröffnung des Spielabends gleich zur nächsten spannenden Szene gesprungen. Der Szenenwechsel (also der Schnitt) wird vom Spielleiter durch eine Sprechpause und durch Mimik und Gestik deutlich gemacht. Bei diesem Schnitt wird einfach nur der Schauplatz gewechselt und die langweilige Downtime zwischen zwei Schauplätzen ausgelassen. Natürlich könntest du als Spielleiter nun lange erzählen, wie die Charaktere von A nach B gelangen, wie lange das genau dauert und welche Dörfer oder Landschaften man auf dem Weg bestaunen kann.

In der Regel provoziert sowas aber nur ein Gähnen bei den Spielern.

Schnitte ermöglichen es aber auch, das Geschehen spannend zu halten, wenn sich die Spielgruppe trennt. Viele Spielleiter spielen in solchen Momenten einfach für eine Stunde mit der einen Hälfte der Gruppe, lassen die restlichen Spieler einfach nur rumstizen und warten und tun dann das gleiche mit der anderen Hälfte. Besser ist es, mit Schnitten schneller zwischen den Schauplätzen zu wechseln. Versuche immer, spannende Momente abzupassen, um einen Schnitt zum anderen Ort des Geschehens zu machen. Beachte dabei folgende Faustregel:

3. Wenn die Spannung auf dem Höhepunkt ist, mache einen Schnitt!

So behältst du die Aufmerksamkeit des Teils der Gruppe, der gerade nichts tut. Denn sie fiebern dem Moment entgegen, in dem es endlich weitergeht. Wenn du für einen Schnitt einen Augenblick wählst, in dem der Spannungsbogen gerade abflaut, kann es leicht passieren, dass du die Aufmerksamkeit der unbeschäftigten Spieler verlierst.

Prinzipiell solltest du aber darauf achten, in solchen Situationen nie mehr Zeit als vielleicht fünf bis zehn Minuten zwischen den Schnitten verstreichen zu lassen. Ansonsten sitzt eine Hälfte der Spielrunde einfach zu lange rum und langweilt sich. Und das wollen wir ja gerade vermeiden, oder?

Beispiel:

Spieler: "Ich nehme Anlauf und stoße mich in letzter Sekunde vom Dach des Hauses ab. Im Sprung strecke ich mich so weit ich kann."

Spielleiter: "Okay, mach nen Check von Geschicklichkeit und Akrobatik."

Spieler: "Argh! Nicht geschafft!"

Spielleiter: "Okay, Schnitt! Was macht ihr eigentlich gerade, die ihr unten vor dem Eingang des Hauses steht - acht Stockwerke tiefer?"

Nebenbei bemerkt: Unsere kleine Faustregel gilt auch bei großen "Schnitten" zwischen den Spielsitzungen. Jeder kennt das Problem, dass man Abenteuer oder Kampagnen nur selten an einem Abend bewältigen kann. Man muss die Handlung einfach irgendwo unterbrechen, um schließlich eine Woche später an der gleichen Stelle weiter zu machen. Viele Spielleiter wählen in solchen Fällen Szenen, in denen die Gruppe zur Ruhe kommt und die Spannung gerade auf einem Tiefpunkt ist, wie das Einkehren in eine Taverne, das Rasten an einem sicheren Zufluchtsort oder die Entspannung nach einem großen Kampf.

Für die Spannung eines Abenteuer oder einer Kampagne ist es aber viel günstiger, kurz vor einem spannenden Höhepunkt abzubrechen. In Filmen oder Serien nennt man dies auch Cliffhanger.

Der Held hängt an der Klippe, unter ihm der gähnende Abgrund - was wird geschehen? Das erfahren Sie in der nächsten Woche! Schalten Sie auch wieder ein bei ...

Versuche deine Spielrunden lieber mit einem Cliffhanger zu unterbrechen als mit einer ruhigen, entspannten Szene. Erstens hältst du so das Interesse deiner Spieler wach und zweitens wirst du merken, dass sie sich sehr gut an das Abenteuer erinnern können und schnell wieder in die Stimmung eintauchen.

Für fortgeschrittene Spielrunden empfiehlt es sich, Schnitte einzusetzen, um Dinge zu erzählen, die gerade nicht an dem Schauplatz passieren, an dem sich die Spielercharaktere befinden. Wie in einem Film blendest du als Spielleiter einfach für ein, zwei Minuten das aktuelle Geschehen aus und erzählst, was an einem anderen Punkt der Spielwelt gerade geschieht. Du musst allerdings ausdrücklich klar machen, dass es sich um eine Szene handelt, welche die Spielercharaktere nicht mitbekommen und die du nur aus dramatischen Gründen deinen Spielern erzählst, sonst kann das zur Verwirrung der Spieler führen. Außerdem solltest du so natürlich nur Dinge erzählen, die einerseits etwas mit dem unmittelbaren Geschehen zutun haben, also die Spannung steigern, andererseits aber keine wichtigen Informationen beinhalten, welche den Spielern den Spaß verderben könnten. Solche Schnitte sind nur dazu gedacht, um die Spannung zu erhöhen:

Beispiel:

Spielleiter: "Ihr betretet die Zugbrücke der riesigen, massiven Burg. Wasserspeier hängen an ihrer Fassade und grinsen euch mit ihren dämonischen Fratzen an. Im Hof ist es dunkel. Schattenhaft ist alles nur Grau in Grau zu erkennen. Viele Türen führen von hier aus in das Innere des Gebäudes hinein. Unzählige schwarze Fenster starren euch entgegen. Bei den Göttern. Hier muss es mehr als hundert Räume geben und verwinkelte Gänge geben. Ganz abgesehen von geheimen Gängen, Zimmern und dem riesigen, unterirdischen Verlies, in das nie ein Sonnenstrahl dringt ..." SCHNITT "An einem Ort, irgendwo in eurer Nähe, aber zu weit weg, als dass ihr ihn erkennen könntet, blitzen plötzlich in der Schwärze ein rotglühendes paar Augen auf. In der Dunkelheit kann man nur schemenhaft eine große, massige Gestalt erkennen, die sich langsam aber kraftvoll erhebt. Schlurfend setzt sie sich in Bewegung. Messerscharfe krallen schleifen bei jedem Schritt über den Boden. Eine Stimme, an das Knurren eines Tieres erinnert, brabbelt leise die Worte: 'Ich ... rieche .... Menschen!'" SCHNITT! "Wieder bei euch auf dem Hof - was macht ihr eigentlich?"

 

© Marcus Johanus

Offline Lord Verminaard

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Re: Mehr Spannung
« Antwort #1 am: 24.06.2004 | 10:27 »
Ein weiterer Tipp für mehr Spannung:

Gib deinen Spielern das Gefühl, dass wirklich die Gefahr des Scheiterns besteht

Wenn Spieler wissen, dass sie auch scheitern können, sind sie mehr bei der Sache und fiebern auch mehr mit. Das heißt nicht, dass man all ihre Pläne torpedieren muss. Ein solches SL-Verhalten führt nicht zu einem intensiveren Spiel, sondern nur zu einem vorsichtigeren und taktischeren Spiel. Man sollte den Spielern nicht aus jeder Fehlentscheidung einen Strick drehen, sondern ihnen schon immer noch mal wieder eine Hintertür eröffnen.

Aber: Wenn die Spieler bewusst ein Risiko eingehen, dann sollte man als SL auch mal hart sein. Wenn die Würfel in einer entscheidenden, dramatischen Situation zu Ungunsten des Spielers entscheiden, sollte man die tragische Niederlage und auch den Tod eines Charakters nicht scheuen. Oder jedenfalls sollte man den Spielern das Gefühl geben, dass solche Dinge passieren können! Ein geschickter Illusionist kann am Ende dafür sorgen, dass es doch meistens noch mal gut geht und die Spieler aufatmen können. Aber um die Illusion aufrecht zu erhalten, muss man hin und wieder auch mal hart bleiben, sonst merken die Spieler ja irgendwann, dass ihnen nichts passieren kann.
We are all just prisoners here, of our own device
Danger Zone Blog - Vermi bloggt über Rollenspiel und Blood Bowl