So, nachdem die Diskussion hier ja abgeschlossen zu sein scheint, hab ich auch endlich die Zeit, etwas beizutragen
Wenn auch nur ein wenig.
Letzten Endes sind es für mich glaube ich sogar zwei getrennte Themen, das eine sehr komplex, das andere uU deutlich einfacher zu lösen. Psychologische Zustände im Sinne von Emotionen, Bindungen, Motivationen und solchen Dingen finde ich tatsächlich (noch) relativ schwer in Regeln zu gießen, die dann auch tatsächlich hilfreich sind. Ich habe mir hier in der Vergangenheit schon öfters Gedanken darüber gemacht, ich glaube aber, das ist etwas Erklärungsbedürftiger und daher einen eigenen Post wert.
Der zweite Punkt ist der mit den Prinzipien.
Hierzu eine kleine Anekdote:
Ich spiele in meiner Hauptgruppe mit einem guten Freund zusammen, des Charakter sich selbst als sehr Göttertreu beschreiben würde. Eigentlich ist er überzeugt davon, stets und immer nach den Grundsätzen und Prinzipien der Götter zu handeln.
Wenn man sich aber sein tatsächliches Handeln ansieht, widerspricht dies den göttlichen Prinzipien in geradezu fundamentaler Weise. Eigentlich müsste man sagen, dass er nahezu permanent die Regeln beugt, biegt und bricht, wenn es ihm einen Vorteil verschafft oder in den Kram passt.
Das brachte mich auf die Idee für folgendes Prinzipien-System:
In der Psychologie gibt es das sehr mächtige Konzept der kognitiven Dissonanz. Vereinfacht und laienhaft ausgedrückt besagt es, dass wir Menschen oft nicht so handeln, wie wir eigentlich denken oder glauben, dass wir handeln würden. Das geht solange gut, bis es uns selbst bewusst wird, dass es diesen Widerspruch gibt und sobald er uns einmal aufgefallen ist, fühlen wir uns solange schlecht, bis wir es schaffen diesen Konflikt irgendwie aufzulösen.
Meine erste Grundannahme war nun, dass dem Charakter meines Kumpels gar nicht bewusst war, dass das, was er sagte und das, was er tat, im Widerspruch steht. Also haben wir ihn irgendwann in game darauf angesprochen. Sein Char zuckte nur mit den Schultern und konnte uns glasklar erklären, dass dies kein Problem sei, weil es eben ein anderes Prinzip gäbe, das noch wichtiger sei.
Seitdem habe ich das System der hierarchischen Prinzipien im Hinterkopf.
Vorneweg: Ich habe es noch nie am Spieltisch ausprobiert, sondern bisher nur als Gedankenexperiment. Aber eigentlich müsste es ganz gut funktionieren.
Wie sieht das System aus:
Jeder Charakter startet in das Spiel mit einem Set aus definierten Prinzipien. Das können ganz einfache, generelle Sachen sein, soetwas wie "du sollst nicht töten", "du sollst nicht Ehebrechen" und "du sollst nicht stehlen." Es kann aber auch durchaus spezifischer sein, soetwas wie "als Diener der Gottheit X bin ich dazu verpflichtet für jede Leistung, die ich erbringe, eine Gegenleistung zu verlangen."
Diese Prinzipien werden in eine Rangreihenfolge gebracht.
Für die meisten Menschen wäre zum Beispiel: "Du sollst nicht töten" wichtiger als "du sollst nicht stehlen", auch wenn dies nicht zwangsläufig der Fall sein muss.
Kommt der Charakter nun im Spiel in eine Situation, in der Stehlen könnte, kann er sich jederzeit entscheiden: Verhalte ich mich meinen Prinzipien konform, geht alles seinen normalen Weg. Er kann sich aber auch entscheiden, sein Prinzip zu brechen. Tut er dies, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Möglichkeit 1: er bricht das Prinzip, weil er damit ein anderes, höher liegendes Prinzip (z.B. nicht zu töten) aufrecht erhält. In diesem Fall ist alles gut und die Tat hat keine Konsequenzen, weil er sich letztendlich Prinzipienkonform verhält - nur das halt in dieser speziellen Situation die Prinzipien in Widerspruch stehen. Dies ist, was bei meinem Kumpel meist der Fall zu sein scheint.
Möglichkeit 2: Er bricht das Prinzip, ohne damit ein höher liegendes Prinzip auszuführen. Es kommt zu besagter kognitiver Dissonanz, die sich beispielsweise in grundsätzlichen probenerschwernissen regeltechnisch äußern kann. Diese bleiben so lange erhalten, bis
a) das Prinzip so umgeschrieben wird, dass es im vorliegenden Fall nicht gebrochen worden wäre. Beispielsweise kann aus "du sollst nicht stehlen" ein "du sollst nicht ohne dringende Not stehlen" werden
b) ein in der Prinziphierarchie niedriger platziertes Prinzip gefunden wird, dass den Bruch des wichtigeren Prinzips geschützt worden wäre. In diesem Fall steigt das niedrigere Prinzip im Rang, bis es wichtiger ist als das gebrochene.
c) er für den Prinzipienbruch in irgendeiner Art und Weise buße getan hat
Das schöne ist, mit einer so relativ einfach zu handhabenden Liste kriegt man sofort einen Charakter relativ detailiert beschrieben, weil man auf einen Blick sieht, was ihm wichtig ist, und das Rollenspiel bekommt eine neue Dimension, weil man tatsächlich Konflikte auslösen kann, die im Charakter selbst liegen.
So, soviel erstmal dazu.
Und an dieser Stelle nochmal danke für die bisherige Diskussion, fand ich sehr spannend zu lesen!
aus freien Stücken. Es kommt zu besagter Dissonanz und damit zu Abzügen auf weitere Proben führt.
Bricht er das Prinzip, gibt es