Autor Thema: Musik  (Gelesen 2226 mal)

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Musik
« am: 23.06.2004 | 17:10 »
X Tipps: Musik

Musik und Rollenspiele besitzen ein sensibles Verhältnis zueinander. Richtig angewandte Musik kann eine Spielrunde ungemein bereichern, falsch angewandte Musik kann ihren Ablauf durcheinander bringen und die Stimmung zerstören.

Einer der großartigsten Aspekte beim Rollenspiel ist die Möglichkeit, eine ganz besondere Atmosphäre aufzubauen und diese zusammen mit seinen Mitspielern zu genießen. Jeder kennt das: Man heult im Kino, krallt seine Finger vor Spannung in die Sitzlehnen, zittert vor Angst oder will vor lauter Euphorie mit dem Popcorn um sich werfen.

Ein wichtiges Mittel diese Stimmungen zu erzeugen ist die Filmmusik - neben der erzählerischen Leistung, Beleuchtung, Soundeffekten und natürlich guten Schauspielern (nebenbei bemerkt sind das alles Aspekte, die auch in einer Rollenspielrunde am Wohnzimmertisch für Atmosphäre und Spannung sorgen können). Filme wie z. B. "Psycho", "Aliens" und "The Rock" sind Paradebeispiele dafür, was man mit Musik alles machen kann, ganz abgesehen von Klassikern wie "Blade Runner", die nicht nur sehr gute und stimmungsvolle, sondern auch noch sehr atmosphärische Musik verwenden..

Gerade Horror- und Actionfilme leben von der musikalischen Untermalung. Die ostinaten Streicher, welche zu Norman Bates Messerstechereien unablässig auf den schmerzempfindlichsten Punkt des Trommelfells hämmern, sind bereits Filmlegende. Disharmonische Klänge werden benutzt, um Stress beim Zuschauer zu erzeugen, was die Spannung steigert. Untergründige, tiefe Basstöne sorgen für eine unheilschwangere Atmosphäre.

Jeder kennt die kleinen Trommeln, die mit Wirbeln und von Pauken unterstützt eine "militärische" Stimmung erzeugen (kommen in jedem zweiten amerikanischen Action-Film früher oder später vor). Unruhige Melodieführungen, hohe Tempi, staccato Bläser und Streicher werden - ebenfalls von Schlaginstrumenten untermalt - oft für Action- und Kampfszenen verwendet.

Das amerikanische Unterhaltungskino hat also einige Konventionen in Sachen Musik und Atmosphäre geschaffen, die bei uns als Zuschauer längst in Fleisch und Blut über gegangen sind. Soundtrack-Komponisten glänzen in der Regel nicht durch Originalität, sondern durch das Ziehen bestimmter Register, das Verwenden immer wiederkehrender musikalischer Klischees. Das kann man als Spielleiter in einer Rollenspielrunde gut ausnutzen, indem man diese archetypischen Klänge auf seinen Soundtrack-CDs markiert und in entsprechenden Situationen beim Rollenspiel verwendet.

Nichts ist jedoch SCHLIMMER, als halbherzig dudelnde Musik während einer Spielrunde. Jeder, der Musik stimmungsfördernd und zur Unterstützung der Atmosphäre in seinen Abenteuern einsetzen möchte, sollte wissen, dass dies viel zusätzliche und anstrengende Arbeit bedeutet - wenn es denn zum Erfolg führen soll.
Die Qual der Wahl: Die Materialsuche

Als Spielleiter kann man auf eine Reihe exzellenter Soundtracks zurückgreifen. Für jedes Rollenspiel-Genre gibt es einen passenden Film und somit auch einen geeigneten Soundtrack. Und auch wenn ihr Erwerb auf Dauer ein wenig ins Geld gehen kann, sind sie hervorragende Werkzeuge zur Spielleitung.

Allerdings lohnt es sich auch, andere Regale der CD-Läden zu durchstöbern, als nur die mit den Soundtracks. Musik kann im Rollenspiel nicht nur dazu dienen, Szenen und Stimmungen zu untermalen. Sie kann auch dazu benutzt werden, bestimmte Orte oder NSCs zu kennzeichnen.

Was wäre ein Saloon in einer Western-Spielrunde ohne Ragtime-Klavier? Warum nicht zur Szene im Aufzug, typisches Fahrstuhlgedudel plätschern lassen? Die Jazzkneipe braucht natürlich Jazz im Hintergrund. Im Fantasy-Abenteuer gehört zum Tavernenbesuch selbstverständlich ein Barde, wie man in Szenen auf Marktplätzen auch hervorragend Musik von Spielleuten einsetzen kann. Und wer sich mit seinen Nachbarn arrangieren kann, wird schöne Erfahrungen damit machen, zum Techno-Club-Besuch der Charaktere auch lauten Techno zu spielen.

Auch über den Kontrast lassen sich manchmal interessante Effekte erzielen. Warum nicht einmal beim nächsten Kampf statt der hämmernden Hard-Rock-Mucke oder dem erregten Streicher-Chaos einen Walzer spielen? Gleicht denn ein Kampf nicht auch einem Ballett? Kubrick hat in "2001" mit solchen Kontrasten Effekte erzielt, die ihm einen Platz im Kino-Himmel reservierten.

Viele Rollenspiele besitzen inzwischen schon ihre eigenen Soundtracks. Dazu gehört zum Beispiel "SHADOWRUN" mit zwei CDs, die beide hervorragende Musik enthalten und für alle Formen von Cyberpunk-Rollenspielen gut geeignet sind (obwohl die neuere CD von Alex Cremers mein Favorit ist).

"Das schwarze Auge" besitzt ebenfalls eine Soundtrack-CD mit irischen Folk-Elementen, düsterer Synthie-Musik und mittelalterlichen Klängen von wechselnder Qualität.

"DEADLANDS" hat eine einzigartige CD mit gruseligen Country-Klängen, unterlegt mit passenden Geräuscheffekten - sehr zu empfehlen. Ganz im Gegensatz zur "Hell on Earth"-CD, die für meinen Geschmack eher nervig und wenig zum Rollenspiel geeignet ist.

"VAMPIRE: The Masquerade" besitzt seit Neuestem eine gute Soundtrack-CD vom bereits erwähnten Alex Cremers, wobei sich gerade für "VAMPIRE"-Runden sehr gut entsprechende Soundtracks anbieten, wie z.B. "Interview mit einem Vampir", "Bram Stoker's Dracula" oder "Blade". Alex Cremers hat auch die Rollenspiel-CD "The Hunter - the Hunted" komponiert, die zwar offiziell keinem Rollenspiel zugeordnet wird, stilistisch aber vor allem für "World-of-Darkness"-Spieler interessant sein dürfte. Aber auch jeder "CTHULHU"-Fan sollte bei beiden CDs einmal ein Ohr riskieren.

Wer sich bei den Film-Soundtrack-CDs umsehen will, kann natürlich sofort zu Klassikern greifen: Die "Star Wars"- und "Star Trek"-Soundtracks sind bei entsprechenden Spielrunden Pflicht, wie auch "Blade Runner"- und "Ghost in the Shell"-CDs bei Cyberpunk-Runden. "Conan, der Barbar" und "Conan, der Eroberer" eignen sich für jede martialische, Sword-&-Sorcery-Spielrunde.

Klassiker für Horror-Spielrunden, die in einer modernen Spielwelt angelegt stattfinden, sind "Leon - Der Profi", "Nikita" (das Original von Eric Serra), "Aliens I-IV", "Predator I+II", Teile aus "Jurassic Park", "BATMAN I+II", "End of Days", "Adiemus", "Terminator I+II", John Carpenters Soundtracks uvm.

Musik aus Filmen, wie z. B. "The Abyss", "Das fünfte Element", "The Rock", "Die Hard I-III" und "Speed I" eignen sich hervorragend für jede Form von Kampf- oder Actionszenen, unabhängig vom Genre.

Wer Musik für seine High-Fantasy-Spielrunden sucht ist mit "Willow" oder "Der letzte Mohikaner" gut bedient.

Es ist in der Regel empfehlenswerte zu etwas älteren Soundtracks zu greifen, da sie meistens bei den Spielern nicht mehr so bekannt sind, wie die der aktuellen Kinof-Filme und zweitens meisten die Archetypen ihrer Genres sind. Sie haben die Ästhetik für ihr Genre und damit auch unsere Hörgewohnheiten geprägt.

Außerdem besitzen diverse Computerspiele inzwischen eigene Soundtracks die auch einen Blick - oder sollte man eher sagen: ein Ohr - wert sind. Meine persönlichen Favoriten sind "Diablo II" für Fantasy-Spielrunden. Man wird sich schwer tun einen besseren Soundtrack für diesen Zweck zu finden. Leider muss man sich den Soundtrack von der Blizzard-Website herunterladen, was umständlich und teuer ist - aber es lohnt sich! Für Horror und düstere Science-Ficiton-Spielrunden ist der Soundtrack von "Half-Life" Pflicht. Er beginnt als "Track 2" auf der Spiele-CD und kann so von jedem normalen CD-Player abgespielt werden.

Der Vorteil von "Diablo" und "Half-Life" ist, dass die Musik dieser Spiele extra dazu komponiert wurde, dass die einzelnen Stücke per Endlos-Schleife im Hintergrund gespielt werden können. Das ist ein großer Vorteil gegenüber Film-Soundtacks, deren einzelne Stücke Dynamik- und Tempo-Schwankungen besitzen, sodass ein endloses Wiederholen meistens die Stimmung kaputt macht.

Wer sich für Soundtracks entscheidet, muss sich auf eine Schwierigkeit gefasst machen: Die Spieler können die Musik erkennen. Bekannte Filmmelodien wecken Erinnerungen an Filmszenen, die unter Umständen nichts mit dem Abenteuer zutun haben. Außerdem kann die musikalische Begeisterung der Spieler schnell vom Abenteuer ablenken. Schlimmsten Falls geben die wiedererkannten Soundtracks bei den Spielern Anlass für cineastische Diskussionen. In diesen Fällen ist die Musik störend. Deswegen sollte man darauf achten, dass man sich unbekannte Stellen der Soundtracks aussucht, also nicht gerade die Erkennungsmelodien für seine Spielrunde benutzt. Was uns auch gleich zum nächsten Thema bringt:
Spiel mir das Lied vom Tod: Der richtige Einsatz der Musik

Wenn du dir als Spielleiter einen neuen Soundtrack geleistet hast, solltest du ihn erst einmal genau hören und analysieren. Hierzu sind meistens mehrere Anläufe wichtig. Beim Analysieren kannst du bestimmte Tracks auf der CD bestimmten Stellen in deinem Abenteuer zuordnen. Am besten ist, sich eine kleine Liste zu machen - nach dem Motto: Track 1 bis 3 plätschernde Untermalung wenn gerade nichts passiert. Track 4 und 5 hervorragend für Kämpfe geeignet und Lied 6 wird bei der Verfolgungsjagd am Schluss des Abenteuers eingesetzt.

Alternativ kann man sich die Highlights der CD und ihre Verwendungszwecke einfach für den späteren Einsatz nur merken (klappt aber selten und auch erst, weil man als Spielleiter in der Hitze des Gefechts meistens andere Sorgen hat).

Du solltest dir die benötigten CDs vor der Spielrunde gut zurechtlegen (von anderen Tonträgern, wie Kassetten oder Vinyl-Platten sollte man absehen). Ideal ist natürlich ein Wechsler in der Anlage. Langes Austauschen der CDs oder das Suchen von Tracks unterbricht den Spielfluss und stört mehr als die Musik hinterher an Stimmung bringt.

Zweitens muss der Spielleiter eine funktionierende (!) Fernbedienung haben, mit der er ohne von seinem Platz aufstehen zu müssen die Musik kontrollieren kann. Vor allem sollte sich die Lautstärke per Fernbedienung einstellen lassen. Man kann nicht alles planen. Vielleicht schlägt die Stimmung gerade in eine Richtung um, die man als Spielleiter nicht voraussehen konnte. Deswegen sollte man im Zweifelsfall schnell unpassende Stellen ausblenden können.

Und drittens muss man von Abenteuer zu Abenteuer ab und zu mal die Musik wechseln. Ansonsten wissen die Spieler schon anhand der ausgewählten Tracks, wann es beispielsweise zum Kampf kommt. Allerdings kann die gleiche Musik immer wieder dazu eingesetzt werden, einen besonderen Gegner der Spieler anzukündigen. Einzelnen NSCs oder auch SCs können bestimmte musikalische Themen zugeordnet werden. John Williams setzt diese Technik bei "Star Wars" ein. Wann immer Darth Vader auftritt, hört man den "Imperial March". Und wer kennt und liebt nicht die "Indiana-Jones"-Fanfare, wenn Indy seine Peitsche schwingt oder durchs Bild reitet?

Fazit

Musik kann und soll stimmungsfördernd in Rollenspielrunden eingesetzt werden - aber gezielt und gewollt. Eine gute Methode ist zum Beispiel, die Spielrunde mit einem bestimmten (kurzen) Musikstück einzuleiten und ausklingen zu lassen. Das erzeugt einen bestimmten Rahmen und hilft der Spielgruppe, sich in die Atmosphäre des Abenteuers einzufinden. Zwischenzeitlich kann man vielleicht ein oder zwei Höhepunkte des Abenteuers markieren. Das reicht in der Regel schon.

Weniger ist meistens mehr und der sparsame Umgang mit Musik macht ihn umso effektvoller.


© Marcus Johanus