Autor Thema: Impressionistisches Rollenspiel (d.i.: impression. Regel- und Weltverständnis)  (Gelesen 5018 mal)

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Offline felixs

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Insofern müsste man eigentlich Felixs beschriebenen Spielstil auch auf regelarme Systeme anwenden können. Und tatsächlich: Natürlich werden auch in solchen Spielen Regeln auch mal nur grob angewendet oder abgeändert.

Ich denke, dass IR auch auf regelarme Systeme angewendet wird. Das ist aber untypisch - was anderereseits auch damit zusammenhängen dürfte, dass es kaum populäre, regelarme Systeme gibt. Cthulhu vielleicht - aber selbst das ist nicht wirklich regelarm.

Betrachte ich aber wie Felix im Ausgangsposting die Regeln beschreibt, als "kaum spielbar", "Spieler und Spielleiter haben eher geringe Kenntniss", "kaum oder falsch angewendet" so lässt sich daraus schwer ableiten wie genau dies den Spielstil eigentlich fördern sollte.

Der Spielstil IR ist quasi die Reaktion auf nicht gut handhabbare Regeln einerseits und den Wunsch, dass darin und in der Spielweltbeschreibung beschriebene zu erleben andererseits.
« Letzte Änderung: 1.12.2022 | 12:54 von felixs »
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Offline Arldwulf

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Das läßt sich eventuell ganz wortwörtlich übertragen. Wenn ich die Wahl zwischen zwei Werkzeugkoffern habe, von denen einer mit zwanzig Einzelwerkzeugen daherkommt und einer mit sechzig -- welchen nehme ich dann im ersten Impuls wohl eher? Natürlich den mit den sechzig, denn man weiß ja nie, was man mal braucht, und viel hilft viel...die Überlegung, daß ich mit zwanzig gut zusammengestellten Werkzeugen und etwas Improvisation vielleicht mehr anfangen kann als mit sechzig einigermaßen beliebig zusammengewürfelten und der kleinere Koffer vermutlich auch transportabler ist, kommt erst später (kann sich je nach Situation um Sekunden bis Wochen handeln...) zum Zug, und da habe ich meine Kaufentscheidung womöglich schon längst getroffen und mein Geld ausgegeben.

Daß im Kopf von Rollenspielkäufern beim Betrachten des von einem Spiel im Laden eingenommenen Regalvolumens ganz ähnliche Vorgänge ablaufen mögen, ist dann von da aus wirklich kein großer Sprung mehr. ;)

Durchaus. Und umgedreht: Natürlich kann ich auch mit etwas ausprobieren und Erfahrung feststellen: Dieser hübsche Werkzeugkoffer der behauptet: "Mit diesem Hammer braucht man nix anderes mehr" ist manchmal nicht genug - ich hätt dann doch lieber ein wenig mehr Auswahl bei der Wahl meiner Werkzeuge"  -  ging mir z.B. bei manchen Sachen die z.B. Sachen wie Dungeon World & Co. machen so.

Offline Maarzan

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Ich denke, dass IR auch auf regelarme Systeme angewendet wird. Das ist aber untypisch - was anderereseits auch damit zusammenhängen dürfte, dass es kaum populäre, regelarme Systeme gibt. Cthulhu vielleicht - aber selbst das ist nicht wirklich regelarm.

Der Spielstil IR ist quasi die Reaktion auf nicht gut handhabbare Regeln einerseits und den Wunsch, dass darin und in der Spielweltbeschreibung beschriebene zu erleben andererseits.

IR kann denke ich auf regelarme Systeme nicht angewendet werden, weil : Da ist nichts, was die gemeinsame Vorstellungswelt entsprechend vermitteln kann. Ein System auf Basis einer IP ist letztlich auch bei einem 1-Seiten Regelwerk nicht regelarm, da man dann die Quellen dieser IP dazuzählen müsste.

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline felixs

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IR kann denke ich auf regelarme Systeme nicht angewendet werden, weil : Da ist nichts, was die gemeinsame Vorstellungswelt entsprechend vermitteln kann. Ein System auf Basis einer IP ist letztlich auch bei einem 1-Seiten Regelwerk nicht regelarm, da man dann die Quellen dieser IP dazuzählen müsste.

Das vermischt dann aber Regeln und Spielwelt; da würde ich nicht mitgehen. Ich meine, Regeln sind was anderes als die Spielwelt.

Der Spielstil IR lässt sich anhand regelarmer Systeme wahrscheinlich nicht entwickeln. Und vermutlich gibt es ein Mindestmaß an Regeldichte, welches gegeben sein muss. Sonst wird IR als analytischer Begriff warscheinlich zu beliebig.
Ansonsten denke ich, dass man Fälle, in denen Widersprüche oder andere Wechselwirkungen zwischen Spielwelt und Regeln in der Spielweise aufgelöst werden, auch bei relativ regelarmen Systemen zu so etwas wie IR führen können.
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Offline Arldwulf

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Der Spielstil IR ist quasi die Reaktion auf nicht gut handhabbare Regeln einerseits und den Wunsch, dass darin und in der Spielweltbeschreibung beschriebene zu erleben andererseits.

Wie würdest du dies dann zu "Spieler wollen gut geschriebene Regeln, geben sich aber auch mit halbwegs gut geschriebenen zufrieden solange sie ihnen helfen" abgrenzen?

Offline felixs

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Wie würdest du dies dann zu "Spieler wollen gut geschriebene Regeln, geben sich aber auch mit halbwegs gut geschriebenen zufrieden solange sie ihnen helfen" abgrenzen?

Die Aussage halte ich für richtig. Ich würde IR dazu gar nicht abgrenzen, weil ich dazu gar nichts sagen will.
Ich bin nicht sicher, ob die Spieler primär gut geschriebene Regeln wollen, oder nicht vielmehr Regeln (und eine Spielwelt!), die ihnen helfen, einen Eindruck zu bekommen. Jedenfalls würde ich meinen, dass die Grundlage für IR eine Spielwelt und ein Regelsystem sind, welches einen Eindruck von den Möglicheiten vermittelt. Es ist nicht so wichtig, wie diese Regeln genau geschrieben sind und was sie mechanisch machen, wenn man sie dem Wortlaut nach anwendet. Es geht aber eben auch nicht ohne Regeln, denn damit hängt man dann ohne gemeinsamen Horizont in der Luft.

Ich vermute, dass Dir das alles zu wenig greifbar ist. Das ist natürlich eine Eigenart impressionistischer Herangehensweise. Ohne ein gewisses Wohlwollen gegenüber der Sache funktioniert es nicht; wenn man es zerlegen will, dann klappt das. IR scheint mir vom Konsens zu leben, dass man trotzdem spielt und sich über Unstimmigkeiten irgendwie hinwegrettet.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mir inzwischen mehrfach selbst widersprochen habe. Wenn jemand in der Lage ist, da etwas mehr Ordnung reinzubringen, und eine Art Definition zu verfassen, wäre ich dankbar. Ich schaffe das jetztnicht.
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Offline Arldwulf

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Ich vermute, dass Dir das alles zu wenig greifbar ist.

Ja, leider.

Wenn ich jetzt zum Beispiel überlegen würde:

"Was für ein Rollenspiel ist für Spieler toll, welche impressionistisches Rollenspiel wollen? Welche Eigenschaften müsste ein Regelsystem haben, welches impressionistischen Spielstil unterstützt" fällt mir anhand der obigen Definitionen wenig ein. Oder besser gesagt: Fällt mir wenig ein, was nicht durch andere Begriffe besser beschrieben wäre.
« Letzte Änderung: 1.12.2022 | 14:19 von Arldwulf »

Offline felixs

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"Was für ein Rollenspiel ist für Spieler toll, welche impressionistisches Rollenspiel wollen? Welche Eigenschaften müsste ein Regelsystem haben, welches impressionistischen Spielstil unterstützt"

Das wiederum kann man beantworten: DSA, Midgard, Splittermond scheinen mir die typischsten Vertreter zu sein.

Die Frage nach dem Regelwerk ist eigentlich fast egal. Günstig wäre wohl eine starke Verwobenheit mit der Spielwelt und vielfältige Anregungen für mögliche Aktionen innerhalb der Spielwelt. Gleichzeitig sollte so ein Regelsytem beim Spiel auch in den Hintergrund rücken können und phasenweise ziemlich freies Spiel ermöglichen. Ein System mit viel Metazeugs führt vermutlich nicht zu IR.
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Offline Arldwulf

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Das wiederum kann man beantworten: DSA, Midgard, Splittermond scheinen mir die typischsten Vertreter zu sein.

Ok, bloß: Inwiefern? Nimm z.B. mal DSA. Dort finden sich etliche Diskussionen darüber welche Zauber nun mit wie vielen Punkten zu zaubern sind, welche Auswirkungen das ganze haben kann und ob Zauber X als Hauszauber in Akademie B nun zu finden sei. Blicke ich mich hier im Forum unter den DSA Threads um, so werden dort durchaus Regeln auch sehr im Detail besprochen.

Ich hab DSA nun nur sehr sporadisch gespielt und bin da gewiss kein Experte. Aber das dort eher eine lockere "ach, nicht so wichtig was im Regeltext steht" Atmosphäre herrschte könnte ich nicht bestätigen. Eher das auch sehr kleinteilige Dinge im Setting und den Regeln besprochen werden und auch im Spiel landen.

Könntest du denn sagen wie genau eines der oben genannten Regelwerke Spieler unterstützt welche auf die von dir genannte Weise an die Regeln heran gehen wollen? Ich meine: Was genau ist bei den Regeln von Splittermond, Midgard und DSA so anders, dass diese Impressionistisches Rollenspiel besser unterstützen (mal angenommen es sei so) als andere Rollenspiele?

Gibt es dort überhaupt etwas an dem man es festmachen könnte?

Offline Settembrini

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Re OP: Schön und liebevoll ausgedrückt. Das Wohlwollenste was ich je dazu gelesen habe.

Analytisch sehe ich keine Trennkraft zur "Trad Culture of Play". Negativ möchte ich dem Spielstil auf jeden Fall ankreiden, daß er ausgrenzend ist, da die Codes und Weglassungen fluide sind, man muß schon vorher wissen wie man sich zu benehmen hat. Dort, wo Versuche unternommen wurden, die real existierende Spielkultur auszudrücken sind höchst problematische Texte entstanden (vgl. Kiesows "Auf ein Wort") Faktisch führt das zu einer sozialen Homogenisierung der Gruppen (und allem, was da drannehängt), was man auch in Deutschland immer wieder finden kann.

Insofern, bei allem Respekt vor dem wohlmeinenden Namen: Der ausgrenzenden Schwundform wird nachträglich ein Begriff aus der Hochkultur zugeordnet. Im mindesten ein Euphemismus, im schlimmsten Falle Klassenkampf von oben. Pragmatisch sehe ich es in der Mitte: nachträgliche Beschönigung einer Schwundpraxis auf dem absteigendem Ast.
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Offline felixs

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@Arldwulf: Regelwerke unterstützen das nicht bewusst. Es ist eher eine Entwicklung, die trotz der Regelwerke geschieht. Detaillierte, aber für wörtliche Interpretation ungeeignete Regeln sind ein unterstütztender Faktor. ich bezweifle aber, dass das absichtlich so eingereichtet wurde.
Deine Einschätzung bezüglich der Spielweise von DSA teile ich nicht. Belege sind in beide Richtungen schwer beizubringen.
Die von Dir erwähnten Diskussionen würde ich großteil als eine Fortführung von IR durch den harten Kern betrachten. Ein (großer?) Teil der Spieler ist damit zufrieden, zu wissen, dass es eine Beschreibung und Regeln dafür gibt, kennt vielleicht den Namen einer Akademie für die eigene Figut, der Rest darf dem Eindruck nach vorbeifließen.
dre
Ich vermute, das ist nicht befriedigend. Tut mir leid; ich kann es nicht genauer verorten und glaube, dass das teilweise in der Natur der Sache liegt.

@Settembrini: "Traditional" trifft es in gewisser Weise vielleicht schon. Trotzdem würde ich in IR eine spezifisch deutsche Ausprägung davon sehen, mindestens eine eigenständige Unterform. (Denke zunehmend, dass es ein Fehler war, D&D und Pathfinder auch als Beispiele zu benennen - meine Referenzen sind DSA, Midgard und - weitgehend unbekannterweise - Splittermond).
Die gesellschaftspolitische Einschätzung (die ich nicht teile), würde ich gern ausgelagert sehen, wenn sie denn sein muss. Bitte eröffne dazu eine separate Diskussion, wenn es wichtig ist. Ich würde es lesen, ob ich mich beteiligen würde, weiß ich nicht. Ich habe pessimistische, aber nicht reaktionäre, Gründe, den Sinn einer solchen Diskussion zu bezweifeln.
« Letzte Änderung: 1.12.2022 | 16:45 von felixs »
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Offline First Orko

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Re OP: Schön und liebevoll ausgedrückt. Das Wohlwollenste was ich je dazu gelesen habe.

Analytisch sehe ich keine Trennkraft zur "Trad Culture of Play". Negativ möchte ich dem Spielstil auf jeden Fall ankreiden, daß er ausgrenzend ist, da die Codes und Weglassungen fluide sind, man muß schon vorher wissen wie man sich zu benehmen hat. Dort, wo Versuche unternommen wurden, die real existierende Spielkultur auszudrücken sind höchst problematische Texte entstanden (vgl. Kiesows "Auf ein Wort") Faktisch führt das zu einer sozialen Homogenisierung der Gruppen (und allem, was da drannehängt), was man auch in Deutschland immer wieder finden kann.

Insofern, bei allem Respekt vor dem wohlmeinenden Namen: Der ausgrenzenden Schwundform wird nachträglich ein Begriff aus der Hochkultur zugeordnet. Im mindesten ein Euphemismus, im schlimmsten Falle Klassenkampf von oben. Pragmatisch sehe ich es in der Mitte: nachträgliche Beschönigung einer Schwundpraxis auf dem absteigendem Ast.
Du referenzierst auf einen Text der 30(!!) Jahre alt ist und nutzt den, um den ganzen Spielstil abzuwarten, traust den Spielenden in dieser Zeit also nicht das kleinste bisschen an Reflektion und Entwicklung zu?  Ganz schön abwertend. [emoji107]️
It's repetitive.
And redundant.

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Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.

Offline Arldwulf

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Ich vermute, das ist nicht befriedigend. Tut mir leid; ich kann es nicht genauer verorten und glaube, dass das teilweise in der Natur der Sache liegt.

Nicht schlimm, ich find du gehst da eigentlich sehr gut heran und hoffe das ganze Nachfragen stört nicht zu sehr. Großes Lob auch für die Reflektion bezüglich von vielleicht vorhandenen Widersprüchen.

Nicht jede Analyse muss gleich auf Anhieb passen, manchmal sind es auch die Gedanken welche in Sackgassen münden welche auf dem Weg dorthin etwas klarer werden lassen.

Gerade als Denkanstoß. Trotzdem glaube ich, wenn ich so alles geschriebene rekapituliere: mit

"Wenn Regeln ignoriert werden..."

"...sind sie nicht gut genug"

 für mich klarer ausdrücken kann was zu diesen Effekten führt als mit

 "...dann ist dies ein Zeichen für impressionistischen Spielstil"
« Letzte Änderung: 1.12.2022 | 17:26 von Arldwulf »

Offline felixs

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@Ardwulf: Nein, die Einwände stören gar nicht, vielen Dank für die Fragen und den freundlichen Umgang. Ich bin mir ja selbst keineswegs sicher. Irgendwas ist da, aber was genau ist es und wie beschreibt man es?

Und ja, ich kann auch eine Perspektive einnehmen, aus der ich schlecht handhabbare Regeln vor allem als defizitär wahrnehme. Es ist ja auch ein Widerspruch, dass Regeln, die ja gerade etwas regeln sollen, nicht so regelhaftig umgesetzt werden, wie man es annehmen müsste.
Zumindest finde ich die Frage interessant, was bei der Rezeption von Regeln und Spielwelten zusätzlich noch entsteht, außer mangelhafter Regelumsetzung. Das ist ein anderer Zugang zum Problem, der mir natürlich auch insofern leichter fällt, als dass ich aus einer Ecke komme, in der maßvolles Handwedeln akzeptiert wird. Die Gründe dagegen verstehe ich allerdings auch.
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Offline Settembrini

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@Settembrini: "Traditional" trifft es in gewisser Weise vielleicht schon. Trotzdem würde ich in IR eine spezifisch deutsche Ausprägung davon sehen, mindestens eine eigenständige Unterform. (Denke zunehmend, dass es ein Fehler war, D&D und Pathfinder auch als Beispiele zu benennen - meine Referenzen sind DSA, Midgard und - weitgehend unbekannterweise - Splittermond).
Die gesellschaftspolitische Einschätzung (die ich nicht teile), würde ich gern ausgelagert sehen, wenn sie denn sein muss. Bitte eröffne dazu eine separate Diskussion, wenn es wichtig ist. Ich würde es lesen, ob ich mich beteiligen würde, weiß ich nicht. Ich habe pessimistische, aber nicht reaktionäre, Gründe, den Sinn einer solchen Diskussion zu bezweifeln.

Du weißt, wie das aussieht?

Ich bringe die Bemerkung an, "impressionistisch" könnte eine bildungsbürgerliche [!] Aufwertung einer ausgrenzenden Praxis bzw. mindestens eine Glorifizierung des nicht-Lesens [!] sein.
Du sagst: Darüber willst Du nicht reden. Und kein anderer soll hier das Argument sehen.

Ich kann nicht in Deinen Kopf gucken, unterstelle Dir nichts, aber das sieht aktuell ganz komisch aus.
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Offline felixs

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Du weißt, wie das aussieht?

Ich bringe die Bemerkung an, "impressionistisch" könnte eine bildungsbürgerliche [!] Aufwertung einer ausgrenzenden Praxis bzw. mindestens eine Glorifizierung des nicht-Lesens [!] sein.
Du sagst: Darüber willst Du nicht reden. Und kein anderer soll hier das Argument sehen.

Ich kann nicht in Deinen Kopf gucken, unterstelle Dir nichts, aber das sieht aktuell ganz komisch aus.

Ich habe (höflich, wie ich meine) darum gebeten, die Diskussion, wenn es denn sein muss, woanders zu führen. Abgesehen von ästhetischen Erwägnungen, wäre das außerdem auch übersichtlicher. Freilich kann ich Dich nicht daran hindern, hier zu schreiben, was Du halt schreiben willst.
« Letzte Änderung: 2.12.2022 | 09:47 von felixs »
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Achamanian

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Zum Eingangsbeitrag:
Danke, felixs, das bringt tatsächlich sehr gut einen Großteil meiner Rollenspielerfahrung auf den Punkt (und ich verbinde sowohl Positives als auch Negatives damit).
Wir haben über Jahre hinweg DSA4 so gespielt, wie du es beschreibst – uns einerseits auf den gesamten Welt- und Regelkanon bezogen, den andererseits aber zu 90% im Hintergrund wabern lassen und eigentlich nur punktuell aufgegriffen. (Mein Lieblingsbeispiel ist, dass ich mir für meinen Weidener Ritter einmal die Reiterkampfregeln draufgeschafft habe und wir dann konkret abgemacht werden, dass du bei einer bestimmten Schlacht jetzt auch mal Anwendung finden; und das eine Mal hat das durchaus Spaß gemacht, aber es war halt alles andere als üblich, dass solche Feinheiten bei uns an den Tisch kamen.) Und trotzdem war alles wichtig, dass diese fetten Regel- und Settingbücher im Hintergrund stehen und eine gewisse (wenn auch nicht absolute) Verbindlichkeit hatten. All das gelesen hat keiner, deshalb war unser praktisch aus den Texten abgeleitetes Regel- und Weltkonstrukt tatsächlich ein interaktives Wabern.
Im Moment spiele ich in einer anderen Gruppe – und etwas bewusster – Shadowrun 6 genau so. Wenn wir Lust haben, frickeln wir uns mal kurz in was rein und schauen, ob es Spaß macht, und dann wird auch schnell wieder gehandwedelt. Ich habe – wenn es sehr hoch kommt – vielleicht 10 Prozent des Regelwerks gelesen, und dass, obwohl ich eine Schamanin spiele.


Re OP: Schön und liebevoll ausgedrückt. Das Wohlwollenste was ich je dazu gelesen habe.

Analytisch sehe ich keine Trennkraft zur "Trad Culture of Play". Negativ möchte ich dem Spielstil auf jeden Fall ankreiden, daß er ausgrenzend ist, da die Codes und Weglassungen fluide sind, man muß schon vorher wissen wie man sich zu benehmen hat. Dort, wo Versuche unternommen wurden, die real existierende Spielkultur auszudrücken sind höchst problematische Texte entstanden (vgl. Kiesows "Auf ein Wort") Faktisch führt das zu einer sozialen Homogenisierung der Gruppen (und allem, was da drannehängt), was man auch in Deutschland immer wieder finden kann.

Insofern, bei allem Respekt vor dem wohlmeinenden Namen: Der ausgrenzenden Schwundform wird nachträglich ein Begriff aus der Hochkultur zugeordnet. Im mindesten ein Euphemismus, im schlimmsten Falle Klassenkampf von oben. Pragmatisch sehe ich es in der Mitte: nachträgliche Beschönigung einer Schwundpraxis auf dem absteigendem Ast.

Die Klassenkampf-von-oben-These finde ich mehr als gewagt, im Endeffekt baust du die ja nur auf dem Umstand auf, dass es in dieser Art von RSP soziale Codes gibt, oder? Die gibt es aber überall und vor allem auch überall im RSP (und an einigen dieser Codes bin ich schon hart abgeprallt). Warum soll jetzt gerade das, was felixs IR nennt, „von oben“ kommen? Meine anekdotische Erfahrung sagt mir sogar das Gegenteil: In unserer oben beschriebenen DSA4-Gruppe war ein Dauerharzer ohne Abi Spielleiter und auch derjenige, der mit dem Herzen am meisten daran hing, genau die impressionistische Art des Spielens fortzuführen (während ich studiertes Akademikerkind immer das Ideal vor mir hergetragen habe, in Sachen Setting und Regeln transparente Systeme zu spielen, die dafür dann aber auch „vollständig“).
Die Probleme mit dem Kiesow-Text liegen ganz woanders: Er hat ja schon ganz richtig erkannt, dass das gemeinsame Spielen ohne gemeinsame Agenda (oder zumindest kooperative Agenden) tendenziell für alle frustrierend ist; nur wollte er dieses Problem eben mit autoritärer Pädagogik lösen. Das hat aber m.E. mit dem, was felixs beschreibt, an sich nichts zu tun, sondern einfach damit, dass er postuliert hat, es gäbe eine falsche ("He, mein lieber ich hab Abrichten 17!") und eine richtige (Sätze mit "Fürwahr!" beginnen und so) Art zu spielen, und fand, die richtige Art zu spielen muss im Zweifelsfall durch die SL durchgesetzt werden.
Ich wäre auf jeden Fall interessiert daran, Argumente dafür zu hören, warum gerade "impressionistisches Rollenspiel" im Gegensatz zu anderen Herangehensweisen Klassenkampf von oben sein soll. (Es sei denn, es geht dir tatsächlich nur darum, dass so ein bildungsbürgerlicher Begriff verwendet wird. In dem Fall: Okay, auch geschenkt, aber auch nicht besonders interessant und ggf. austauschbar.)

Online schneeland

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An dieser Stelle auch von Moderationsseite die Bitte: wenn es über eine kurze Klarstellung hinaus Diskussionsbedarf zum Thema "IR & Soziale Ausgrenzung/Klassenkampf von oben" gibt, dann bitte ein Thema in Rollenspiel & Gesellschaft eröffnen.
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HEXer

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Und ja, ich kann auch eine Perspektive einnehmen, aus der ich schlecht handhabbare Regeln vor allem als defizitär wahrnehme. Es ist ja auch ein Widerspruch, dass Regeln, die ja gerade etwas regeln sollen, nicht so regelhaftig umgesetzt werden, wie man es annehmen müsste.

Für mich persönlich ist da kein Widerspruch. Im Gegenteil finde ich, andersrum wird ein Schuh draus. Denn um etwas regeln zu müssen, muss erstmal der Bedarf da sein, etwas zu regeln. Und wenn etwas (aus welchen Gründen auch immer) in einer Situation gerade anders, z. B. im stillen Einvernehmen oder erreichten Konsens, geregelt werden kann/soll/möchte, dann braucht man auch nicht auf vorher fixierte Regeln zurückzugreifen. Und wenn innerhalb einer Gruppe in einer Situation dieser Bedarf (aus welchen Gründen auch immer) gar nicht besteht, gibt es halt auch gar nichts zu regeln. Wir nehmen im Rollenspiel so viele Dinge als gegeben, ohne dafür Regeln zu haben (und viele Rollenspiele geben da ja selbst genügend Beispiele) und wir füllen so viele Lücken in Settings mit eigenen Ideen (oft wieder im stillen Einvernehmen bzw. im gruppeninternen Konsens). Das schließt explizit nicht aus, dass auch der Wunsch in der Gruppe besteht, etwas "offiziell" klären zu lassen. Da ist doch das Rollenspiel wieder nicht anders als das reale Leben.

Vielleicht ist das nur meine Sichtweise oder auch zu viel "do as thou wilt", aber so fahre ich im Rollenspiel am besten.

Offline felixs

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@HEXer: Ja, das ist auch eine mögliche Sichtweise. In meiner Spielpraxis teile ich die auch recht weitgehend. Ich vermute, dass unter Spielgruppen, die IR betreiben, diesbezüglich eine Art Kontinuum besteht. In einem Extrem werden fast keine Regeln benötigt und verwendet, in einem anderen Extrem werden schon einige Regeln benötigt und verwendet. Irgendwann schwappt es an beiden Enden dann in einen anderen Spielstil über. Wo genau da die Grenze ist, finde ich schwer zu bestimmen.

Und trotzdem war alles wichtig, dass diese fetten Regel- und Settingbücher im Hintergrund stehen und eine gewisse (wenn auch nicht absolute) Verbindlichkeit hatten. All das gelesen hat keiner, deshalb war unser praktisch aus den Texten abgeleitetes Regel- und Weltkonstrukt tatsächlich ein interaktives Wabern.
Im Moment spiele ich in einer anderen Gruppe – und etwas bewusster – Shadowrun 6 genau so. Wenn wir Lust haben, frickeln wir uns mal kurz in was rein und schauen, ob es Spaß macht, und dann wird auch schnell wieder gehandwedelt. Ich habe – wenn es sehr hoch kommt – vielleicht 10 Prozent des Regelwerks gelesen, und dass, obwohl ich eine Schamanin spiele.

Sehr schöne Beschreibung  :d

Eure SR6-Runde ist dann ja quasi ein bewusster Versuch für IR; gewissermaßen "aufgeklärtes IR". Ich meine zu erinnern, dass eine befreundete Gruppe das auch macht, also auch SR (ich glaube die Version 3) bewusst mit reduzierten Regeln spielt und mit Handwedelei an den Stellen, wo keiner die Regeln kennt oder die Regeln nerven. Wobei eben durch die Regeln alle eine Vorstellung haben, wie das so ungefähr funktionieren sollte.
« Letzte Änderung: 2.12.2022 | 13:28 von felixs »
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Offline Lord Verminaard

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Es kann Ausgrenzung geben, im Sinne von, deine Fresse passt uns nicht, du bist hier nicht willkommen. Und es kann Aktivitäten geben, die ein eingespieltes Team erfordern und deshalb, ohne diskriminierend zu sein, je eingespielter das Team ist, desto höhere Einstiegshürden haben. Letzteres kann mit ersterem Hand in Hand gehen, muss es aber selbstverständlich nicht. Das ist einfache Dialektik. Ich könnte Beispiele bilden, aber an denen hängen sich die Leute dann nur wieder auf.

Mangelnde Kompatibilität mit anderen Spielern/Gruppen ist ein Nachteil des hier beschriebenen Spielstils, wie bereits erwähnt. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
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Offline felixs

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Ich teile diese Einschätzungen.

Mangelnde Kompatibilität mit anderen Spielern/Gruppen ist ein Nachteil des hier beschriebenen Spielstils, wie bereits erwähnt.

Das kann sein. Wobei ich IR für recht verbreitet halte, hauptsächlich unter "unaufgeklärten" Rollenspielern, wenn man den Begriff verwenden kann.

Ansonsten ist das mit der mangelnden Kompatibilität generell ein Problem, sobald man anfängt, sich über Spielstile Gedanken zu machen. Schon bei den Spielertypen nach Laws wird es teilweise mit der Vereinbarkeit sehr schwierig. Und Oldschool kollidiert hart mit Erzählspiel und kollidiert mehr oder weniger hart mit IR, etc.
Ich habe dazu ja schon mehrfach geschrieben, dass ich teilweise nicht ganz sicher bin, ob wir wirklich alle ein Hobby "Rollenspiel" haben, oder ob zumindest einige der Nischen nicht eigene Welten sind. Natürlich ist es aus taktischen Gründen sinnvoll, dabei zu bleiben, dass wir alle miteinander reden, weil es sich sonst grässlich zersplittert. Aber es ist schon ungefähr so, als ob Fussballer, Tischtennisler, Geocacher und Wünschelrutengänger sich in einem Verein gesellten. Was nicht schlimm sein muss. Ich genieße die verschiedenen Perspektiven sehr.
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Offline gunware

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Es ist ja auch ein Widerspruch, dass Regeln, die ja gerade etwas regeln sollen, nicht so regelhaftig umgesetzt werden, wie man es annehmen müsste.
Zumindest finde ich die Frage interessant, was bei der Rezeption von Regeln und Spielwelten zusätzlich noch entsteht, außer mangelhafter Regelumsetzung.
Ich habe das Gefühl, das bei der Betrachtung so bisschen die Wichtigkeit der Regelumsetzung in der jeweiligen Situation teilweise außer Acht gelassen wird.
Als Beispiel, was ich meine:
Wenn die Gruppe auf einem Schiff anheuert und in einem Seekampf verwickelt wird, ohne dass sie Einfluss auf die Steuerung des Schiffes hat, brauche ich keine Seekampf Regel. Eine zwei Session weiter, wenn die Gruppe eigenes Schiff hat, bin ich über Regel zum Schiffskampf und Ausbau eines Schiffes dankbar.

Und das ist (mindestens in meinen Augen) ein wichtiger Punkt, warum IR mit verregelten Komplexen gut auskommt. Weil die vorhandenen Regel sehr punktuell eingesetzt werden können und in anderen Situationen unter den Tisch fallen können.
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

Offline felixs

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Ich habe das Gefühl, das bei der Betrachtung so bisschen die Wichtigkeit der Regelumsetzung in der jeweiligen Situation teilweise außer Acht gelassen wird.
Als Beispiel, was ich meine:
Wenn die Gruppe auf einem Schiff anheuert und in einem Seekampf verwickelt wird, ohne dass sie Einfluss auf die Steuerung des Schiffes hat, brauche ich keine Seekampf Regel. Eine zwei Session weiter, wenn die Gruppe eigenes Schiff hat, bin ich über Regel zum Schiffskampf und Ausbau eines Schiffes dankbar.

Und das ist (mindestens in meinen Augen) ein wichtiger Punkt, warum IR mit verregelten Komplexen gut auskommt. Weil die vorhandenen Regel sehr punktuell eingesetzt werden können und in anderen Situationen unter den Tisch fallen können.

Gewiss ist das ein Faktor - vieles von dem, was durch Regeln beschrieben ist, kann man einfach weglassen, weil man es gar nicht braucht.

Allerdings würde ich meinen, dass typisches IR auch dann die Regeln nicht unbedingt nutzt, wenn es sich anbieten würde. Es wäre möglich, die Regeln und Beschreibungen wären da, aber am Ende macht man (meistens) doch etwas, was sich grob an den Regeln und Beschreibungen orientiert. Dass man sich gezielt den Regelteil dafür nochmal vornimmt, das kommt zwar vor, ist aber eher selten.
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