Hey, ich habe den Thread jetzt erst wieder gelesen, und kann nicht auf alle Punkte eingehen. Ganz grundsätzlich verweise ich noch mal auf den Thread "Wie kann man narrative Elemente fürs Rollenspiel nutzbar machen". Ich finde, da kommt sehr schön raus, dass es vielleicht zwischen den beiden Polen, die hier diskutiert werden, etwas andres geben könnte. Viele Vorschläge, die da gemacht werden, kann man auch für ganz klassisches Rollenspiel verwenden - zum Beispiel vor Beginn einer Kampagne oder zu einem festgelegten Zeitpunkt an jedem Spielabend bewusst die Charakterperspektive verlassen, und auf der Autorenebene über Ziele, Konfilkte und den weiteren Handlungsverlauf reden. Ich glaube, das bereichert auch Spielende, die es ausdrücklich mögen, nur ihren Charakter zu kontrollieren und eine von ihnen nicht zu beeinflussende Welt zu entdecken.
Es geht hier doch nicht um entweder-oder. Meiner Meinung nach gibt es eine Skala von Spielstilen, die sich zwischen "Die Spielleitung kontrolliert alles, die Spielenden nur ihre Charaktere, deren Perspektive sie so weit wie möglich annehmen" und "Alle Beteiligten kontrollieren alle Aspekte des Spiels und betrachten alle auftauchenden Charaktere nur von aussen". Nebenbei denke ich immer mehr, dass ich mit einer Beschreibung verschiedener Spielstile, die sich mit der Kompetenzverteilung zwischen Spielenden und Spielleitung und den Auswirkungen auf das Spiel beschäftigt, mehr anfangen könnte als mit GNS. Machen wird das mal? Und nennen wir es die "Wjassula-Skala"?
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Und das heisst auch: Es gibt kein richtig und kein falsch im absoluten Sinn. In der Literatur gibt es ja auch keine richtige und keine falsche Art zu erzählen - die Kunst besteht eben darin, für einen gewünschten Effekt die richtige Umsetzung zu finden. Vielleicht müssen wir da im Rollenspiel auch hin. Alle Beteiligten überlegen sich, welche Art von Erlebnis sie wollen, und entscheiden, wie sie die Kompetenzen verteilen. Brauchen wir eine stärkere oder schwächere Spielleitung? Möchten wir in dieser Kampagne eher ein Setting entdecken, das unabhängig besteht oder eines miterschaffen (ich kann mir übrigens bei Cthulhu beides vorstellen - und beides spanned. Aber das sind eben unterschiedliche Arten von Spannung).
Was ich mal toll fände, wäre ein System, das genau dafür Module zur Verfügung stellt. Ein System, das dafür gemacht ist, unterschiedliche Spielerlebnisse zu erzeugen, und dafür verschiedene Bauteile bereithält, mit denen man schnell und flüssig eine Kompetenzverteilung bekommt, die der gewünschten "Art von Spass" am besten entspricht.
Horror heisst für euch, dass ihr in der Haut eurer Charaktere mit dem Unbekannten konfrontiert werdet? Dann muss die Spielleitung bei euch das und das machen und ihr Spielenden benutzt nur die Regelteile A und B. Ihr findet es spannender, gemeinsam immer wieder die Struktur eurer Herausforderungen zu planen? Dann muss Modul C und D nicht mehr von der Spielleitung übernommen werden. Es gibt ein Kontinuum, eine Skala von Techniken des gemeinsamen Erzählens, und die stellen wir euch hier vor.
Ja, das wär super.
Kurz noch: UA hat aber auch Ansätze in Richtung Narr. Das Schlüsslerlebnis kann leicht ein Bang sein, die Obsession muss man nur als Handlungsanleitung statt als inneren Zustand formulieren, dann hat man eine Issue und das Temperament bietet verschiedene Edges. Es hat halt Task Resolution, aber durch die Skill Penumbra und so Sachen wie Hunches und den Würfeltausch ist das auch ein bisschen getweakt. "Macht und Verantwortung" ist ja auch ein galsklare Prämisse. Aber trotzdem ist es natürlich traditioneller als so echte beinharte Narr-Spiele. Ist aber eigentlich ein ganz gutes Beispiel für eine zaghafte Mischform: Es verschafft einem den traditionellen Spass der Immersion, aber man steigt auch ein bisschen aus, und das Aussteigen kann man ziemlich weit treiben.
@Sylvia: Ich hab's verstanden und du hast recht