Autor Thema: Des Charakters Charakter – Standardverhalten in verschiedenen Situationen  (Gelesen 2839 mal)

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Offline Chaos-Pirat

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Hallo zusammen,
im Grunde seit dem Beginn meiner Rollenspiellaufbahn überlege ich, wie man am besten den Charakter des Charakters  definieren kann, wie man ihn spielt und vor allem, wie man ihn überhaupt erkennt. Denn viel zu oft erlebt man, wie mitten im Spiel Unstimmigkeiten entstehen. Man merkt, dass das was man gerade getan hat, nicht dem geplanten Verhalten des Charakters entspricht. So etwas passiert besonders häufig, wenn man nur grobe Definitionen bei der Erschaffung über ihn ersinnt. Hätte man sich mehr Gedanken gemacht, wäre es vielleicht nicht passiert und man könnte sich besser an sein Konzept halten.
 
Auf diesem Hintergrund basiert meine momentane Arbeit, Standardsituationen zu klassifizieren und verschiedene Handlungsmöglichkeiten zu zeigen. Bisher sind es 18 Situationen, mit Beispiel und verschiedenem SV, dem Standardverhalten. Das ganze dient nicht als Zwangsjacke, sondern als Orientierungshilfe in besonderen Situationen, wo man am Spieltisch schnell die Art des Charakters vergisst und nur noch sich selbst spielt und als Teil der Charaktererschaffung.

Da die Situationen sehr allgemein gehalten sind, weil es ja keine Festlegung bis ins letzte Detail sein soll, die streng wie ein Gesetz kontrolliert und bestraft werden muss, ist  es auch nur eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise. Das darf man bei dem ganzen nie vergessen, trotzdem man damit einen guten Überblick über seinen Charakter bekommt, und dessen Art viel besser definieren kann, als mit dem typischen: „Er ist ein sehr zorniger Typ“.

Natürlich ist das Verhalten in diesen allgemeinen Situationen nicht immer gleich, weil noch viele andere Dinge einwirken. Deshalb gibt es nicht nur ein einziges SV, sondern man wählt die vorhandenen Möglichkeiten in der Reihe aus, wie sie der Charakter am wahrscheinlichsten wählen würde(obwohl man im entsprechenden Fall natürlich selten von einer wirklichen Wahl sprechen wird.). Im Laufe seines Lebens und zunehmender Erfahrung kann sich das natürlich zu Gunsten der einen oder anderen Option verschieben oder komplett auf den Kopf stellen.

Hier folgt nun die Orientierungshilfe als Teil der Charakterdefinierung.

1.Entspanntes Beisammensein/Feier
Beispiel: Taverne, Hochzeit, königlicher Ball
Standard-Verhalten: Viel Erzählen, passiv zuhören, interessiert fragen, anmerkende Kommentare, beschweren/lästern, Pläne schmieden, Kontakt zu einzelnen suchend, Unterhaltung ohne Personenfokus

2 Einkaufen
Beispiel: Ausrüstung und Verpflegung für eine Expedition
SV: pragmatisch rein-kaufen-raus, ausgiebig umschauen, beraten lassen, Gespräche beginnen

3 Verhandlungen
Beispiel: Die Entlohnung für einen Auftrag
SV: vorbereitete und abgesprochene Strategie fahren, aktiv tonangebend, passiv zurückhaltend, querstellen

4. Kleinere Probleme
Beispiel: Zwerg weigert sich ins Boot zu steigen, Bier schmeckt nicht
SV: gleichgültig, amüsiert, engagiert schlichtend, abwartend, Ideen/Kompromisse einbringend

5. Konfliktsituationen
Beispiel: heftiger Streit zwischen Gruppenmitgliedern
SV: Partei-ergreifend, vermittelnd, heraushalten, amüsiert, Streit fördernd

6. In zweiter Reihe
Beispiel: Truppenführer besprechen Taktik unter sich, Spieler werden nicht gefragt
SV: ruhig abwartend, genervt hinnehmen, forsch einmischend, anderweitig beschäftigend, eigene Taktik überlegen

7.Tödlicher Kampf
Beispiel: Die Gruppe sieht sich einer wilden, axtschwingenden Horde Orks gegenüber
SV: frontal attackieren, Schwächen suchen, überlegen geben, Hilfe suchen, schnell fliehend, verstecken

8.Im fremden Land
Beispiel: Städter stehen im tiefen Elfenwald den Spitzohren gegenüber
SV: zurückhaltend passiv, zögerlich aggressiv, freudig kontaktsuchend, neugierig ausfragend, aggressiv vorstoßend, gleichgültig ignorierend

9.Am längeren Hebel
Beispiel: Ein kleines Mädchen sucht seine Katze
SV: entschuldigend ablehnen, beschuldigend ablehnen, freudig zustimmend, zögerlich zustimmen, amüsiert lächeln

10.Aussichtslosigkeit vor Augen
Beispiel: Drohende Niederlage gegen einen überlegenen Gegner
SV: trotzige jetzt-erst-recht-Haltung, rasche Aufgabe, Flucht, Kampf bis zum Tod, kämpfen für bessere Ausgangslage(Schröder)

11.Siegreich
Beispiel: Die Schlacht ist gewonnen, der Feind gibt auf
SV: freudig feiern, misstrauisch bleiben, Opfer beklagen, Feind erniedrigen, Feind versöhnlich stimmen, passiv zurückziehen.
12. Nach erlittener Niederlage
Beispiel: Ein Auftrag ist total schiefgelaufen
SV: sich entschuldigen, andere beschuldigen, resignierend zurückziehen, Gegner beschimpfen, Gegner Respekt zollen, Wiedergutmachung suchen

13. Bei empfangenem Lob
Beispiel: Prinzessin bewundert tapferes Verhalten/gutes Aussehen
SV: erfreut annehmen, herunterreden, Gegenlob verteilen, gleichgültig tun, beschämt sprachlos sein, erzürnt ablehnen

14.Und bei Tadel
Beispiel: SC hat die Trauung der Schwester verpasst/Aufgabe nicht erfüllt
SV: gelassen hinnehmen, empört abweisen, betroffen einknicken, andere beschuldigen, lächelnd verspotten

15.Im Leerlauf
Beispiel: Seit Tagen nichts neues, Gefährten ideenlos
SV: klagend schuldsuchend, still aussitzen, Ideen schmieden, Zeit überbrücken

16.Erwarteter Eindruck auf andere
Beispiel: Was denken die bloß über mich?
SV: schlechtes befürchtend, gutes hoffen, gutes wissend, schlechtes wissen(und stolz drauf)

17.Erwartung an andere
Beispiel:  Der muss einfach einen Heilzauber für mich haben
SV: hoch anfordernd, schlimmes befürchten, neugierig abwartend, gleichgültig abwartend, loben und tadeln, gutes suchen

18. Unter Zeitdruck
Beispiel: Freund versinkt im Treibsand
SV: schnell eingreifen, still überlegen, sadistisch grinsen, panisch verzweifeln, Hilfe suichen

19. Meinungsdurchsetzung
Beispiel: SC X möchte den linken Weg, SC Y den rechten.
SV: schnell Position beziehen, an der Mehrheit orientieren, an eigener Meinung festhalten, Vermitteln, Zurückhalten


So, das ist meine bisherige Einteilung. Natürlich kann daran noch einiges verbessert(etwa einzelne Fälle verallgemeinern, treffendere Bezeichungen,...) und ergänzt(mehr Beispiele, fehlende Auswahlen, Weitere Situationen,...) werden. Das Ganze ist natürlich noch nicht fertig, gerade deshalb stelle ich es hier rein - um weitere Anregungen zu bekommen. :)

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madn

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im allgemeinen ganz sinnvoll.
aber eigentlich finde ich ein charakter wirkt auch plastischer dadurch, dass er sich ein wenig unlogisch verhält. ganz so wie ich das im normalen leben auch mache - manchmal ist man eben in der einen oder anderen stimmung und macht etwas, was man normalerweise nicht tun würde.

Offline Aeron

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Das sieht wie eine Tabelle aus, auf der man die Charakterreaktion auswürfelt.  ;D

Aber im Ernst. Ich würde das Charakterverhalten des Helden nicht so explizit festhalten. Zum einen weil es Arbeit ist und zum anderen, weil ich denke, dass spontane Reaktionen zu schöneren Situationen führen können, auch wenn sie manchmal nicht genau dem Charakter entsprechen.

Aber zur Orientierung allerdings finde ich dies Auflistung nicht schlecht.

Offline Lord Verminaard

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Wenn du dir dein Korsett zu Anfang zu eng schnürst, kannst du dich hinterher nicht mehr bewegen. Vorher schon Verhaltensregeln festzulegen, halte ich für keine gute Idee. Ich würde eher vorschlagen, sich ein festeres Bild darüber zu machen, wo der Charakter herkommt, was seine Wurzeln sind. Wie ist er aufgewachsen? Welche Personen waren ihm wichtig? Was waren einschneidende Ereignisse? Mit was für moralischen Werten wurde er aufgezogen? Wie steht er diesen gegenüber? Was sind seine Ängste und Zweifel, seine Überzeugungen und Hoffnungen? Wenn man diese Fragen beantwortet hat, kann man den Charakter gar nicht mehr "falsch" spielen.

Und hey, ich persönlich finde es gerade interessant, wenn ein Charakter sich unerwartet verhält. Wenn er sich durch das Spiel tatsächlich ändert. Statische Charaktere finde ich langweilig.
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Offline Fredi der Elch

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Vermi, du blöder Narrativist, du!  ~;D
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Teclador

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@Fredi: Du wills mir nicht erzählen, dass Charaktere deren Persönlichkeiten sich ändern ein Merkmal von Narr wäre, oder?

Gast

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@Fredi: Du wills mir nicht erzählen, dass Charaktere deren Persönlichkeiten sich ändern ein Merkmal von Narr wäre, oder?
So wie ich das verstanden habe: Doch.

In anderen Spielrichtungen kann esauch vorkommen, kommt es auch vor.
In Narr ist es hinreichende, nicht notwendige, Bedingung.

Offline Styxx

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 :d Ganz weit vorn! Ich habe mir schon öfters eine derartige Hilfestellung für die Charaktererschaffung gewünscht, hatte aber nie den Nerv mir sowas selber zu überlegen.

@Lord Verminaard & Fredi der Elch: Ich halte mich ja selber für einen ganz schlimmen Narrativisten und würde Euch sofort unterschreiben, dass jede erzählenswerte Geschichte letztlich davon handelt, dass sich Personen verändern. Trotzdem denke ich, ich muss die Regeln erst ein Mal beherrschen um sie zu brechen. Anders gesagt: Wenn sich mein Charakter (in meiner Vorstellung) verändert und keiner merkt es, weil er sich (nach außen hin) sowieso die ganze Zeit im Kreis dreht, hat er sich dann wirklich verändert? Insofern bin ich dann auch als Narrativist bemüht, den Charakter zunächst mal konsequent zu spielen, damit er dann nachher besser inkonsequent sein kann.
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Offline Azzu

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Vorher schon Verhaltensregeln festzulegen, halte ich für keine gute Idee. Ich würde eher vorschlagen, sich ein festeres Bild darüber zu machen, wo der Charakter herkommt, was seine Wurzeln sind. Wenn man diese Fragen beantwortet hat, kann man den Charakter gar nicht mehr "falsch" spielen.

Meiner Erfahrung nach: Doch, und ob! Weil man in einer spontan entstandenen Situation eben nicht der Charakter ist, sondern immer noch man selbst, und eine glaubwürdige Reaktion des Charakters erst durch Abwägen vieler Faktoren - je detailreicher der Hintergrund und je komplexer die aktuelle Situation, desto mehr - bestimmen kann. Und dafür fehlt oft die Zeit, wenn man auf flüssiges Spiel ohne zu häufige Unterbrechungen Wert legt. Sich einige Stereotypen festzulegen, an denen man sich festhalten kann, macht das Charakterspiel schon einfacher. So fasse ich auch den Vorschlag von Thargor auf - nicht unbedingt ein Korsett, aber eine Denkhilfe, um auf einige stereotype Verhaltensweisen des Charakters zu kommen.

Besonders, wenn ich einen neuen Charakter spiele, passiert es trotz lange ausgefeiltem Charakterkonzept und -Hintergrund oft, dass ich den "Charakter des Charakters" einfach ignoriere und reagiere, wie ich in der Situation reagiert hätte, die Fähigkeiten und Handlungsoptionen meines Charakters vorausgesetzt. Je vertrauter ich mit dem Charakter werde, desto spontaner kann ich ihn spielen.

Die Verhaltensmatrix aus dem Eingangspost finde ich auch insofern nützlich (wenn auch nicht unbedingt nötig), um kurz zu überprüfen, ob man den Charakter, wie man ihn sich vorstellt, in den diversen Situationen wirklich darstellen kann und will. Ich zum Beispiel neige zwanghaft dazu, mich an sämtlichen Planungen der Gruppe aktiv zu beteiligen und meinen Kopf durchsetzen zu wollen. Schweigsame Einzelgängercharaktere sind nichts für mich, obwohl ich sie in Buch und Film sehr cool finde und die Versuchung daher groß ist, solche Charaktere zu spielen.

Offline Dash Bannon

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ich halte sowas für wenig sinnvoll..meine schönsten chars hatten keinerlei vorherigen Hintergrund, vielleicht maximal ne halbe Din A4 Seite und was ist passiert?
sie haben mir einen Höllenspaß gemacht und aus Berichten meiner Mitspieler und SLs weiss ich, dass sie ähnlich empfunden haben..
Fazit: wer brauch kanns machen, ich brauchs nicht ;)
Es gibt drei Arten etwas zu tun. Die richtige Art, die falsche Art und die Dash Bannon Art.

Offline Bad Horse

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Man kann die Grundszenen sicherlich benutzen, um ein Gefühl für den Char zu bekommen... finde ich insofern nicht schlecht. Natürlich kann er sich dann immer noch seltsam verhalten oder sich verändern, aber wenigstens weiß man schon von vorneherein, wie das Kerlchen drauf ist.

...im Prinzip nicht weniger oder mehr nützlich als die 20 Questions - die ich selbst nicht bei Char-Erschaffung verwende, weil ich meinen Char am Anfang gern etwas schwammig habe - denn dann kann er sich mit den Situationen entwickeln.  ;)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
The best lack all conviction, while the worst are full of passionate intensity.

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Offline Chaos-Pirat

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Man kann die Grundszenen sicherlich benutzen, um ein Gefühl für den Char zu bekommen... finde ich insofern nicht schlecht. Natürlich kann er sich dann immer noch seltsam verhalten oder sich verändern, aber wenigstens weiß man schon von vorneherein, wie das Kerlchen drauf ist.
Wunderbar, du hast es genau richtig verstanden. Wenn man sich nicht dran halten will, muss man es auch nicht. Es ist eine Hilfe. Hat man das ganze zehn mal auf diese Weise gemacht hat, braucht man diese vielleicht noch nicht mal mehr. Andererseits ist so ein Rahmen nie schlecht zur Orientierung, besonders wenn man mal nicht so kreativ drauf ist. Ist man gut drauf, gelingt sowieso (fast) alles. :)


Zitat
...im Prinzip nicht weniger oder mehr nützlich als die 20 Questions - die ich selbst nicht bei Char-Erschaffung verwende, weil ich meinen Char am Anfang gern etwas schwammig habe - denn dann kann er sich mit den Situationen entwickeln.  ;)

Interessant, zeig mal her. Ich finde aber es besteht ein genereller Unterschied zwischen Fragen nach speziellem Hintergrund und vorgegebenen Beispielsituationen, da man viel schreiben kann wie der Charakter ist. An seinem Handeln erkennt man es. Du bist was du tust. ^^
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Offline Thalamus Grondak

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 :d
Ich finds gut.
Als kann, nciht muss.
Sowas kann einem die Charakter-Charakter-Erschaffung vereinfachen. Und wenn man Länger nicht mit dem Char gespielt hat, oder einem anderen Die Persönlichkeit des Chars erklären will, hat man gute Ansätze.

Ist noch ausbaufähig.
Even if you win the Rat race, you´re still a Rat

Offline Bad Horse

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Die 20 Questions kommen aus den Rollenspielen Legend of the Five Rings bzw. 7th Sea. Da geht es auch nicht nur um Hintergrund, sondern auch um Schwächen, Stärken und Vorlieben des Chars. Vielleicht hat jemand einen Link oder so, den er posten könnte?  ::)
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