Autor Thema: [Offen] Emotion ohne Immersion?  (Gelesen 6446 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Monkey McPants

  • Famous Hero
  • ******
  • The Hammer is my Monkey
  • Beiträge: 3.191
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Minx
    • Story-Games Österreich
Re: [Offen] Emotion ohne Immersion?
« Antwort #25 am: 2.11.2005 | 16:35 »
Genau das ist es, was mir solche Spiele ganz abseits von Regelsystemen thematisch versalzt
Kann ich in gewisser Weise nachvollziehen, obwohl es mir im Allgemeinen nicht so geht. Interessanterweise bin ich selber ein Spieler der gerne Immersion betreibt, aber ich versetze mich auch gerne in andere Ansichten hinein und tauche gerne in Charaktere die ich eigentlich verabscheue oder für für fehlgeleitet halte.

Aber ich glaub ich bin da sowieso die Ausnahme. Ich hab zum Beispiel überhaupt kein Problem sowohl immersiv zu spielen als auch auf der Metaebene zu agieren. (Verständlicherweise nicht gleichzeitig, schließt sich irgendwie aus. Aber innerhalb des selben Spiels oder sogar der selben Szene, halt abwechselnd.) Im Gegenteil, ich benutze gerne Author Stance damit auch tatsächlich die Momente erleben kann die ich gerne hätte. :)

EDIT: Darum ist mir die Idee das es entweder das Eine oder das Andere geht und man nicht auch einfach beides genießen kann ziemlich fremd.

M
Ich praktiziere leidenschaftlich 4enfreude.

Story Games Österreich

Offline Roland

  • königlicher Hoflieferant
  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 7.447
  • Username: Roland
    • Sphärenmeisters Spiele
Re: [Offen] Emotion ohne Immersion?
« Antwort #26 am: 2.11.2005 | 16:54 »

Aber ich glaub ich bin da sowieso die Ausnahme. Ich hab zum Beispiel überhaupt kein Problem sowohl immersiv zu spielen als auch auf der Metaebene zu agieren.


Ich vermute das ist einfach eine Frage der Motivation und Übung. Mir geht beides auch recht gut von der Hand.
Who knows what evil lurks in the hearts of men? The Shadow knows!

http://www.sphaerenmeisters-spiele.de

Offline Minne

  • süßes Mädchen mit Messer
  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.886
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Minneyar
Re: [Offen] Emotion ohne Immersion?
« Antwort #27 am: 2.11.2005 | 16:55 »
Zitat
Aber ich glaub ich bin da sowieso die Ausnahme. Ich hab zum Beispiel überhaupt kein Problem sowohl immersiv zu spielen als auch auf der Metaebene zu agieren. (Verständlicherweise nicht gleichzeitig, schließt sich irgendwie aus. Aber innerhalb des selben Spiels oder sogar der selben Szene, halt abwechselnd.) Im Gegenteil, ich benutze gerne Author Stance damit auch tatsächlich die Momente erleben kann die ich gerne hätte. Smiley

dito

Offline Lord Verminaard

  • Gentleman der alten Schule
  • Titan
  • *********
  • Dreiäugiger Milfstiefel
  • Beiträge: 14.357
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Lord Verminaard
Re: [Offen] Emotion ohne Immersion?
« Antwort #28 am: 2.11.2005 | 17:00 »
Hey Robin,

ich empfinde das anders. Ich meine, mit das beste immersive Rollenspiel hatte ich mit Vampire -- ich habe eine Kreatur gespielt, die untot ist und das Blut lebender Menschen trinkt. Gut okay, das Beispiel ist nicht so stark, weil man sich diese Dinge durch einen romantisierenden Schleier vorstellt. Aber allgemein finde ich es schon interessant, solche Abgründe mal über das "sichere" Medium des Rollenspiels zu erforschen. Es kann sehr intensiv sein, wenn der eigene Charakter Dinge tut, die man selbst niemals tun würde. Ekel und Faszination liegen ja auch nah beieinander.

Bei DitV würde ich mich jedoch nicht hinter den primitiven fundamentalistischen Moralvorstellungen meines Charakters verstecken. Denn in Dogs geht es ja gerade nicht darum, einfach nur den Charakter zu spielen (obwohl selbst das funktioniert). Es geht auch um mich als Spieler und darum, was ich für gerecht und ungerecht halte.
We are all just prisoners here, of our own device
Danger Zone Blog - Vermi bloggt über Rollenspiel und Blood Bowl

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: [Offen] Emotion ohne Immersion?
« Antwort #29 am: 3.11.2005 | 15:08 »
Ich möchte nochmal einige der gesagten Aspekte betonen die mir besonders wichtig erscheinen und vielleicht einige neue bringen:
Immersion ist ein Zustand den man durch bestimmte Techniken erreicht. Immersion bedeutet sowas wie eingetaucht oder abgetaucht sein. Immersion bedeutet also "da" zu sein, so zu denken und zu handeln als wäre man selbst dort, die Informationen zu verwenden die man dort hätte. Wichtig bei diesem Zustand ist in wie weit und auf welche Art man sich trotzdem innerlich vom Geschehen distanziert, denn eine solche Distanz ist logischerweise immer vorhanden, da es sich nicht um die Realität handelt. Immersion ist also in verschiedenen Abstufungen zu sehen. Man könnte es Immersionstiefe nennen.
Der wichtige Unterschied zwischen G und S (in GNS) ist z.B. dass man in Gam zwar immersiv denkt, aber so als ob man es wirklich selbst wäre nur die Situation wäre eine andere, in Sim wird alles was man über Charakter und Situation weiß mit in die Immersion übernommen. Am besten kann man sich diesen Unterschied an den Abstufungen der Bedeutung der Redewendung "Wenn ich du wäre..." klar machen.

Eine sehr abstrakte Form der Immersion ist auch das Mitgefühl. Darauf basieren sämtliche Arten von Geschichten, Erzählungen usw. Man empfindet die Situation nach, distanziert sich aber innerlich selbst vollständig davon, die direkte Betroffenheit fehlt, man kann zwar die Bedeutung des Geschehens auch emotional beurteilen, ist aber nur Zuschauer.
Diese Form des Mitempfindens kann sogar besser oder intensiver sein als die vollständige(re) Immersion und zwar deshalb, weil man grade selbst nicht betroffen ist. Die eigene Betroffenheit löst nämlich Abwehrreaktionen aus. Ist man betroffen von Furcht oder anderen negativen Gefühlen, taucht man automatisch eher aus der Immersion auf. Der absolute Sim-Immersionist muss sich als selbst sehr genau im Griff haben um innerhalb der Immersion jederzeit Spaß zu haben, denn darum geht es ja. Er muss Spaß daran haben können wenn sein SC leidet, erschöpft ist, oder wenn er seinen SC etwas tun lässt was er selbst möglicherweise abstoßend findet. Das ist eine sehr schwierige Sache.

Die Narren haben es da viel einfacher. Sie wissen es geht nicht um sie selbst. Das geschen ist unpersönlicher, oder sagen wir es einmal etwas positiver, es ist überpersönlich. Dadurch muss man nicht mit Schutzreflexen und Immersionstiefe kämpfen. Man emfindet als Beobachter. Man empfindet dann die Verbundenheit nicht zu einer Person sondern zu einer Situation oder zu einem Prinzip. Das Leid das einem SC wiederfährt macht einem dann vielleicht Spaß weil man Leid erfahren kann grade ohne völlig betroffen zu sein.

Ich hoffe das ist nicht zu GNSig geworden, bitte keine Diskussionen darüber  ::)

Offline Bitpicker

  • /dev/gamemaster
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.506
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: bitpicker
    • Nyboria - the dark side of role-playing
Re: [Offen] Emotion ohne Immersion?
« Antwort #30 am: 3.11.2005 | 15:45 »
Also, ich verstehe Immersion eher als persönliche Identifikation des Spielers mit dem Charakter; das, was du hier als Mitgefühl bezeichnest, ist für mich nicht Immersion.

Bei der Charakter-Immersion ist es so eine Sache mit den Gefühlen, die der Charakter hat, die man selbst aber nicht haben will. Klassisches Beispiel: Angst. Man will eigentlich keine Angst haben, aber man spielt trotzdem SCs in Horror-RPGs oder schaut sich entsprechende Filme an, um sich zu gruseln.

Der Knackpunkt ist hier, dass die Beobachtung des Leids des SC (auch bei Charakter-Immersion) kathartisch ist - man empfindet diese Angst praktisch aus der Sicherheit des eigenen Wohnzimmers heraus, und das hat 'reinigenden' Effekt. Man kann sich die Angst leisten, denn man ist nicht wirklich in Gefahr. Anscheinend haben wir Menschen was davon, wenn wir uns auf diese Weise künstlich bestimmten Emotionen aussetzen. Allerdings scheint es mir so zu sein, dass man nicht automatisch alle Emotionen so behandeln kann; denn während ich z.B. kein Problem damit habe, mich angesichts kosmischen Schreckens bei CoC völliger simulierter Verzweiflung auszusetzen, kann ich entsprechend, wie bereits gesagt, mit religiösem Fanatismus nichts anfangen - das finde ich etwa so geschmacklos wie den Päderasten-SC im Thread nebenan. Die Emotion 'Angst' kann ich kathartisch erleben, 'Hass' (worauf Fanatismus hinausläuft) nicht. Vielleicht liegt es daran, dass Angst usw. eine gewisse Überlebensfunktion zukommt: wenn ich im wahren Leben Angst empfinde, bin ich vorsichtiger, wenn ich mich künstlich der Angst aussetze, lerne ich, damit umzugehen oder der angstauslösenden Situation auszuweichen. Hass funktioniert so nicht und ist keine so grundlegende Emotion, die existenzsichernd wirkt.

Robin
Wie heißt das Zauberwort? -- sudo

(Avatar von brunocb, http://tux.crystalxp.net/)

Offline Dr.Boomslang

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 3.663
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Dr.Boomslang
Re: [Offen] Emotion ohne Immersion?
« Antwort #31 am: 3.11.2005 | 17:02 »
Also, ich verstehe Immersion eher als persönliche Identifikation des Spielers mit dem Charakter; das, was du hier als Mitgefühl bezeichnest, ist für mich nicht Immersion.
Ich habe die beiden Dinge ja auch unterschieden. Ich war nur etwas schwammig mit den Begriffen, weil die Übergänge recht fließend sind. Insbesondere auf der Skala Freud-Leid. Geht es um positive Emotionen oder Erfolge rutscht man in den Charkter, bei Misserfolgen oder negativen Empfindungen eher heraus. Die Frage ist dann eben wie: Eher auf die von dir nochmal umschriebene kathartische Art, oder eher durch Distanzierung und Abgrenzung, wobei dann letzteres eben nicht mehr wirklich Immersion zu nennen ist. Es gibt aber noch andere Formen der Abstraktion. Beispiele wären irgendwelche Formen der Sinngebung:
"Mein Charakter muss leiden dadurch wird die Geschichte spannender/intensiver." oder
"Die Situation ist schlecht, also habe ich einen Ansporn es besser zu machen."
Es ist nunmal schwer echte Immersion und Leid (im ganz allgemeinen Sinn) gut zu finden.


Klassisches Beispiel: Angst. Man will eigentlich keine Angst haben, aber man spielt trotzdem SCs in Horror-RPGs oder schaut sich entsprechende Filme an, um sich zu gruseln.
Wie schon gesagt wurde sind das unterscheidbare Sachen. Man kann Angst auf persönlicher existenzieller Ebene haben, oder Angst beobachten und dadurch mitfühlen. Letzteres ist leichter als Vergnügen zu empfinden als ersteres.

Nochmal zum Begriff der Immersion: Dieser Begriff ist so wie wir ihn verwenden noch nicht sehr exakt vorbelegt. Ich kenne ihn z.B. im Bezug zu Virtual Reality. Dort gibt es auch eine Art dreidimensionale Qualität bestehend aus den Komponenten Immersion, Interaktion und Imagination. Immersion beschreibt dabei wie unmittelbar die Wahrnehmung des Benutzers an die VR gebunden ist, also ob alle seine Sinne möglichst umfassend und adäquat angesprochen werden. Interaktion beschreibt etwas ähnliches für die Handlungsfähigkeit des Benutzers und die Reaktion der VR auf seine Handlungen. Imagination ist der Aspekt der daraufhin im Bewustsein des Benutzers entsteht, ein Maß dafür als wie real er die VR empfindet und in welchem Maße er der VR realitätscharakter beimisst. Da aber alle diese drei Punkte meist in einer "je mehr desto mehr"-Beziehung stehen kann man das ganze auch zusammenfassen.
Grade für Rollenspielzwecke wo die Ein- Ausgabemöglichkeiten quasi feststehen, kann man einen einzelnen Begriff wie Immersion verwenden, der sich auf die Vorstellung bezieht.

Hier auch noch der Wikipedia-Artikel zu Immersion. Dort wird es im Bezug auf Computerspiele beschrieben, man kann aber auch Parallelen zum Rollenspiel ziehen.