Autor Thema: [Mann ohne Zähnes Manifest] Immersives Rollenspiel, wie wir es spielen  (Gelesen 12560 mal)

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Offline Dirk

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Warum Uni? Weil die Tenets Regeln bringen oder ändern können. Ansonsten unheimlich viel Freiheit und, wenn man denn möchte, wenig auftretende POCs. Ich stimmte Dir zu, wenn Du die Regeln von Uni nicht mit euren Tenets verändern würdest und das Spiel damit zu einem Low-Meta-Game machst, wird Uni für Dich zu einer Belastung.

Ich habe nix gegen "deinen" Mystizismus, Du hast schlüssige Argumente für seinen Gebrauch. Ich erfahre manche Dinge auch nur mit dem" Herzen". Es ist dann aber schwer dich zu verstehen - hier meine ich ausdrücklich auch mit dem "Herzen"!

Andererseits verneige ich mich vor dem schönen Satz von Eulenspiegel. Auch das kenne ich.


Was denkst Du? Wie könnte man deine Spielweise regeltechnisch unterstützen? Was macht ihr, damit Amber und co. beuí euch so funktionieren?

Oh ja, die Rolle des SL, also deine Rolle scheint mir die einer hunderköpfigen Hydra zu sein mit dem Herzen eines Giganten... . Bin gespannt auf die Ausführungen. Danke für die Fragen, Vermi.

MfG

Dirk
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Offline AlexW

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@MoZ: Ich glaube, wir muessen mal zusammen spielen. Ich seh's genauso. Bzw Runden, die so laufen, haben einen Sucht-Faktor, den die anderen Runden nicht haben. Soll heissen: Ich will mehr, und haenge mich rein und laufe nicht nur einfach mit.

Ich bin auch Schiller/Aristoteles-Fan. Und Brecht funtioniert in der Praxis einfach nicht. Ich langweile mich beim epischn Theater. :)

Mann ohne Zähne

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Warum Uni? Weil die Tenets Regeln bringen oder ändern können. Ansonsten unheimlich viel Freiheit und, wenn man denn möchte, wenig auftretende POCs. Ich stimmte Dir zu, wenn Du die Regeln von Uni nicht mit euren Tenets verändern würdest und das Spiel damit zu einem Low-Meta-Game machst, wird Uni für Dich zu einer Belastung.

Okay. Stimmt, die Freiheit in der Gestaltung, das ist auch ein wichtiger Punkt, einer, der uns am Herzen liegt...

Zitat
Ich habe nix gegen "deinen" Mystizismus, Du hast schlüssige Argumente für seinen Gebrauch. Ich erfahre manche Dinge auch nur mit dem" Herzen". Es ist dann aber schwer dich zu verstehen - hier meine ich ausdrücklich auch mit dem "Herzen"!

Das kann ich nachvollziehen. Es ist schwer, solche Vorgänge in Worte zu fassen; ich habe es versucht, kann aber verstehen, wenn ich damit bei manchen Menschen nur Stirnrunzeln hervorrufe. Ein wesentliche Punkt, glaube ich, ist der, dass durch gelungene Immersion eine Stimmung, ein "wissendes Feld", entsteht, in der ein Ding das andere gibt. Bei uns ist die Verwandtschaft zum Theater/Impro ziemlich offenkundig; wir fühlen einfach, wenn Handlungen von Charakteren authentisch sind oder um der Handlung willen aufgesetzt. Das ist jetzt aber keine Gabe, die nur wir besitzen, sondern die hat jeder. Auch als Zuschauer eines Stücks oder Films fühlt man, ob die Schauspieler in der Rolle sind oder nicht.

Das ist auch der Grund, warum ich einige male auf Johnstone, Strasberg und Stanislawski verwiesen habe; sie fassen das eigentlich Unbeschreibliche in Worte, weit besser, als ich mit meiner begrenzten Erfahrung das tun könnte.

Zitat
Was denkst Du? Wie könnte man deine Spielweise regeltechnisch unterstützen? Was macht ihr, damit Amber und co. beuí euch so funktionieren?

Wir haben im Laufe der Zeit einiges an Regeln ausprobiert, wir haben mit und ohne Player Empowerment gespielt, wir haben mit und ohne Währung gespielt, wir haben mit und ohne distributed authoring gespielt. Dabei hat sich eines rauskristallisiert: Damit unsere Sitzungen so funktionieren, wie sie funktionieren, brauchen wir tatsächlich die relativ strikte Trennung zwischen Spieler und Spielleiter. Der Spieler wird zu seinem Charakter, der Spielleiter wird zur (Um)welt. Wir haben Player Empowerment in Form von Thematic Batteries und dergestalt, dass die Spieler durch ihre Aktionen fast ständig neue Schauplätze aufmachen. Wir haben jedoch eine strenge Trennung zwischen dem, was der Charakter tut und dem, was sich als Konsequenz für ihn ergibt. Der Spieler handelt, und wie im "richtigen Leben" reagiert die Welt auf diese Handlungen.

Interessant ist aber, dass sich ab dem Zeitpunkt, wo die Spieler gut immersiert sind, gewisse Dinge von selbst einstellen -- Beispiel Shadowrun: Es kommt vor, dass der Magiebegabte der Gruppe bereits nach einem Zauber völlig ausgemergelt ist, weil sich der Spieler/Charakter wirklich so fühlt. Das sind nun wieder Effekte, die man mit rationalen Argumenten nicht greifbar machen kann, die aber so vorhanden sind.

Zitat
Oh ja, die Rolle des SL, also deine Rolle scheint mir die einer hunderköpfigen Hydra zu sein mit dem Herzen eines Giganten... . Bin gespannt auf die Ausführungen. Danke für die Fragen, Vermi.

Dieser Satz gefällt nun mir sehr gut :)
Hoffentlich können die Ausführungen oben ein bisschen was zur Erklärung beitragen... wenn nicht: bitte fragen!

:)
Norbert

Mann ohne Zähne

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Kleiner Nachtrag: Für unsere Art zu spielen ist es praktikabler, flexibel auf die Aktionen der Spieler zu reagieren. Mal fühle ich als Spielleiter, dass sie nach einer klaren Richtungsvorgabe verlangen, ein anderes Mal wäre es töricht, ihnen überhaupt nur einen Vorschlag zu unterbreiten. Die Regel, die das vielleicht am besten zusammenfasst, könnte lauten: Hört euch zu. Und handelt entsprechend.

Das ist jetzt wieder was, womit Regelfreunde nichts anfangen können, ich weiß... aber das ist die Grundregel, auf der alles aufbaut.

Offline Minne

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Zitat
Kleiner Nachtrag: Für unsere Art zu spielen ist es praktikabler, flexibel auf die Aktionen der Spieler zu reagieren. Mal fühle ich als Spielleiter, dass sie nach einer klaren Richtungsvorgabe verlangen, ein anderes Mal wäre es töricht, ihnen überhaupt nur einen Vorschlag zu unterbreiten. Die Regel, die das vielleicht am besten zusammenfasst, könnte lauten: Hört euch zu. Und handelt entsprechend.

Das ist jetzt wieder was, womit Regelfreunde nichts anfangen können, ich weiß... aber das ist die Grundregel, auf der alles aufbaut.

Waaah! *nick*

Ich hatte mal einen gedanken in die richtung... Rollenspiel als dynamischer, sozialer prozess in einer gruppe oder so...

Edit : Sorry, ich sehs ein, ich sollte auch was zum Thema beitragen, wenn ich was Schreibe ;) Wird nicht mehr vorkommen!
« Letzte Änderung: 7.05.2006 | 19:15 von Minneyar »

Mann ohne Zähne

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Hehehe :)

Habe ich auch erst vor ein paar Tagen entdeckt, aber noch nicht gelesen:
Das Prozessmodell des Rollenspiels:
http://temppeli.org/rpg/process_model/KP2005-article/Process_Model_of_Roleplaying/Process_Model_of_Roleplaying-single.html

Muss ich mir beizeiten mal durchlesen, vielleicht steckt da Neues drin!

Offline Haukrinn

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Das ist jetzt wieder was, womit Regelfreunde nichts anfangen können, ich weiß... aber das ist die Grundregel, auf der alles aufbaut.

Ruhig Brauner!  ;)
Ich glaube, auch Regelfreunde sehen "Hört einander zu" als wichtige, wenn nicht gar wichtigste Regel an. Meiner Erfahrung nach ist es aber gerade bei sehr regelintensiven Spielen so, dass
1.) Niemand etwas sagt, was nicht irgendwie wieder mit den Regeln zu tun hat (Zum Beispiel Dinge, die den Charakter betreffen, aber nicht durch Spielwerte gegeben sind)
2.) Eher Regeldiskussionen als offen geäußerte Spielerwünsche an der Tagesordnung sind. Oder, wenn mal Wünsche geäußert werden, diese wieder direkt mit den Regeln zu tun haben.

Ansonsten: Sehr schöne Selbstanalyse, MoZ. Verständlich, nicht abgehoben, nachvollziehbar.   :d
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Mann ohne Zähne

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(verbeugt sich)
 :)
Danke!

Offline Arbo

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Hoi, Mann ohne Zähne!

Schöner Text, wenngleich ich Dir nicht in allem folgen möchte. Das mit den Bedürfnissen ist m.E. ein sehr wichtiger Aspekt, der Verweis auf "Gefühlswelten" richtig. Gefühle kann man nicht immer "verstehen". Ich denke, man muss sie erleben. Und ob da die Planung eines "Konfliktes" - der für die Spieler ersichtlich ist - wirklich hilfreich ist, halte ich für etwas zweifelhaft. Solche Fälle sprechen vielleicht auch für die so oft geschasste - und vermeintlich klassische - Einteilung SL-Spieler.

ABER: Mir kommt zu kurz, dass es auch die Distanz zum Charakter ermöglicht, in bestimmte Gefühlswelten vor zu dringen. Ferner bezweifle ich, dass man wirklich in - für reale Verhältnisse - vergleichbare Gefühlswelten einzudringen vermag. Wie es ist, einer Horde Soldaten gegenüber zu stehen, die gerade das ganze Dorf zerschießen, wird man m.E. - hoffentlich (!) - nie real empfinden müssen. Es handelt sich hier eher um ein erzeugtes Pseudogefühl. Das ist nicht abwertend gemeint! Viel mehr dient es m.E. dazu, Sympathie und Verständnis zu wecken (im Sinne von Adam Smith). Auch hier kann "Distanz" zu interessanten Einsichten verhelfen. Dieser Aspekt ist m.E. schon wichtig.

Ferner: Unabhängig von der Frage, ob vollständiges "Eintauchen" überhaupt möglich ist - es kann auch hinderlich sein. Denn "Gefühlswelten" sind ja immer auch subjektiv. Und wenn ganz konkret auf das subjektive Empfinden von Situationen abgezielt wird, besteht - zumindest hypothetisch - das Problem, dass andere das falsch verstehen. Mir ist daher wichtig, auf den Punkt Kommunikation hinzuweisen. Denn oft gibt es ja Diskussionen um die Handlungen eines Charakters - während der Spieler meint, aus dem - subjektiven - Charakterempfinden zu handeln, versteht das die Spielleiterin nicht oder dieses Charakterempfinden wird verzerrt nach außen kommuniziert. Daher ist es meiner Meinung nach sogar auch notwendig, zumindest ein bestimmtes Maß an kritischer Distanz zu wahren.

Ich würde also das "Eintauchen" nicht ganz so fundamentalistisch propagieren ;)

Btw.: Deinen Hinweis darauf, dass Bedürfnisse wechseln können und unterschiedlich sind, halte ich für wichtig. Ich selbst propagiere das ja. Wenn man das zu Ende denkt, ergeben sich dann noch ganz interessante Konsequenzen für das Spieldesign.


@ DarAng:

Guter Einwand, aber einen kann ich mir nicht verkneifen ;)

Zitat
Vollständiges Erfahren, im Sinne von Verstehen/Begreifen mit dem "Herz" ist für den, der das nicht so erfährt nicht nachvollziehbar! In diesem Sinne zu argumentieren ist purer Mystizismus (ich werte M. nicht, er hat viele wichtige Funktionen...)  und damit nicht entscheidbar oder, für andere nur schwer zu verstehen, es sei denn sie möchten das so erfahren.

Ist die Vorstellung davon, etwas vollständig in Erfahrung bringen zu können, nicht auch mystisch angehaucht?

(... und werfe einfach mal die Schlagworte "Popper" und "transzendentaler Realismus" in den Raum)

:P

-gruß,
Arbo

P.S.: Und noch etwas, was ich mir nicht verkneifen kann ... Der Thread zeigt meiner Meinung nach schöne Beispiele für Begriff-Mystizismus >;D
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Offline Fredi der Elch

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Hey Mann ohne Zähne, ich hatte dir ja versprochen (Angedroht?), dass ich mich zu deinem Manifest äußern würde. Hier isses also.

Erst einmal: gefällt mir als Selbstbeschreibung deines Stils ziemlich gut. Ich denke, du bringst brauchbar rüber, wie du spielst und warum du (aus deiner Sicht) so spielst. Und das ist ja (denke ich) der Sinn eines solchen Texts.

Ein paar Wermutstropfen habe ich dennoch (auf einige bist du auch von anderen im Thread schon hingewiesen worden):
- Du verwechselst meinen Stil mit Narrativismus im Allgemeinen. Mein Stil ist sicher nur ein kleiner (und vielleicht extremer) Ausschnitt von Nar. Also bitte aus meinen Posts keine falschen Schlüsse ableiten (z.B. ist Nar nicht zwingend zum Gutteil Meta-Ebene).
- Dass Nar alter Wein in neuen Schläuchen ist, bestreitet niemand. Ron Edwards hat das von einem geklaut, der das wieder von einem geklaut hat. Der Bezug zum Rollenspiel ist das einzig neue am Konzept. Aber macht ja auch nichts, denn Immersion ist nach deinem Bild ja schon seit Jahrtausenden Essig und nicht mal dich Schläuche sind neu… ;) Allgemein finde ich den Theatervergleich etwas „hinkend“. Rollenspiel als Medium hat einfach ganz andere Voraussetzungen als Theater.
- Die Forge-Theorie sieht nicht alle Stile außer Nar negativ. „Vanilla“ zum Beispiel ist nicht negativ konnotiert (wenigstens nicht negativer als das Gegenstück „pervy“). Ich denke, du machst da aus einem: „Wir entwickeln hier wenig in diese Richtung, weil es uns nicht interessiert“ zu Unrecht ein „Ist Scheiße“.
- Der Gegensatz zwischen Flexibilität und Zuhören auf der einen Seite und „Regelfreundschaft“ auf der anderen Seite existiert so nicht. Weiß auch nicht, wo du das her hast. Dogs (mit seinen doch nicht wenigen Regeln) fordert flexibles Verhalten des SL (und bekommt es auch).
- Dass du Bedürfnisbefriedigung zum zentralen Sinn deines Spiels machst, ist sicher richtig, aber es grenzt dein Spiel von keinem anderen Spiel ab. Jedes Rollenspiel ist Bedürfnisbefriedigung. Ich verstehe echt nicht so ganz, warum du so darauf abhebst.
- Allgemein entsteht (durch die eingesetzte Sprache) bei mir ein etwas „bashiger“ Eindruck. Aber das bin ja vielleicht nur ich.

Wenn wir uns darauf einigen könnten:
Hey, hey, das ist ein Manifest und darf deshalb subjektiv sein.
[…]
Ich bin ein zutiefst gläubiger Mensch und erfahre die Welt genau so, wie ich sie hier beschreibe.
dann wäre ich mit deinem Beitrag im Großen und Ganzen zufrieden. Du hast beschrieben, warum du so spielst. Du hast deinen Weg gefunden, der dir subjektiv das Gefühl vermittelt, dich bestimmte Dinge durch deine Art von Rollenspielen erfahren zu lassen. Cool! Und solange du dir darüber im klaren bist, dass dein Weg zu spielen (und dein Weg zu deiner subjektiven Erkenntnis) für andere weder der Beste Weg noch überhaupt praktikabel sein muss, habe ich gegen deine grundsätzliche Aussage überhaupt nichts.

Vielmehr finde ich deine Sicht spannend und würde auch gerne mal ausprobieren, so zu spielen. Meine bisherigen Ausflüge in die Immersion haben mir persönlich nicht so viel gegeben. Das zeigt mir nur, dass es mir bisher aus verschiedenen Gründen nicht möglich war, ähnliche Erfahrungen zu machen. Das muss nicht zwingend an mir liegen (im Sinne von: das wird mir nie Spaß machen). Es könnte auch an der Situation, der Gruppe, den Techniken u.a. gelegen haben (denn brauchbare Anleitungen, wie man so was spielt, gibt es IMO nicht). Deswegen würde ich das unglaublich gerne mal unter Anleitung von jemandem probieren, der da etwas mehr Erfahrung mit hat. Der richtige SL, das richtige System, der richtige Satz Techniken… wer weiß, vielleicht könnte mich das auch begeistern. Aber du kommst wohl nicht auf das Große Treffen, oder? Naja, dann muss ich wohl weiter suchen… :)
« Letzte Änderung: 8.05.2006 | 10:47 von Fredi McMoose »
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Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

Offline Minne

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Ich kommentiere zwar wieder nur, aber ich wollte es einfach los werden :

:d für Fredis Beitrag

Finde dass das hier einer der interessantesten Theoriethreads seit langem ist, weil tatsächlich sowas wie Dialog stattzufinden scheint :)


Offline Dirk

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@ Arbo: Sowohl als auch! Das muss als philosophischer Diskurs genügen, alles andere führt zu weit weg in den transzendentalen Raum ohne Rollenspiel!

MfG

Dirk

PS: der Begriffsmystizismus ist jetzt aber kein "Popper"

(hi hi, den konnte ich mir nicht verkneifen)
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Offline Lord Verminaard

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Hallo Mann ohne Zähne!

Ich habe einen Kommentar zu diesem Text auf deinem Blog gepostet, aber ich denke, es kann nicht schaden, ihn hierher zu kopieren, da dieses Thema noch nicht ganz erkaltet ist und ich inzwischen selbst einige neue Einsichten gewonnen habe. Ich möchte noch mal auf den Kern deiner Spielweise zurückkommen:

Rollenspiel als Katalysator echter Gefühle.

Ich bin ein Tagträumer. Ich mache es nicht mehr so häufig wie früher, als ich noch ein Teenager war. Aber manchmal passiert es mir noch heute, dass ich in heller Aufregung in meiner Wohnung auf und ab laufe, von einem Zimmer ins andere, manchmal gar einen Luftsprung mache, während ich mir in meinem Kopf Dinge erträume. Hunderte von Lebenswegen habe ich auf diese Weise eingeschlagen, habe Filme und Fernsehserien gedreht, unglaubliche Abenteuer erlebt und nicht selten auch Rollenspielcharaktere bei ihren Abenteuern verfolgt. Ganz alleine.

Rollenspiel als „aristotelisches Spiel“ ist gleichsam die Gruppenvariante dieser Tagträumerei. Sie erlaubt es, auf eine halbwegs erwachsene, nicht-peinliche Art, diese Träume miteinander zu teilen und sich von der Begeisterung der anderen Mitspieler inspirieren und tragen zu lassen.

Oft wird angenommen, „immersives Spiel“ setze voraus, dass der Spieler eins mit dem Charakter wird und vergisst, dass er zugleich Autor der Geschichte ist. Teilweise klingt das bei dir auch so, andererseits räumst du jedoch ein, dass man den Charakter durchaus noch aufgrund von Spieler-Motiven („ich will Trauer erleben“) steuert. Ich sage: Auf die Identifikation mit einem einzigen Charakter kommt es nicht an, sondern auf das Eintauchen in den Traum.

Nimm meine Tagträume. Ich bin der einzige, der sie erträumt. Ich habe keinen Spielleiter, der mir „Full Customer Service“ leistet und es mir erlaubt, eine einzige Rolle zu übernehmen und alles andere von außen serviert zu bekommen. Dennoch bin ich in der Lage, ganz in diesen Träumen zu versinken, bis zu dem Grad, dass Tränen der Freude oder der Wehmut über mein Gesicht laufen. Daher behaupte ich: Totale Identifikation mit einem bestimmten, einzelnen Charakter ist nicht Voraussetzung dafür, dass Rollenspiel echte, tiefe Gefühle in einem Spieler wachruft. Im Gegenteil hilft es dem Spieler oft, wenn er sich nicht einfach nur zum Spielball des Spielleiters und des Zufalls macht, sondern das Geschehen gezielt beeinflusst, um bestimmte Situationen herbeizuführen, die er gerne erleben möchte. Ebenso wie ja, um die Metapher aufzugreifen, der Kanufahrer sich nicht nur treiben lässt, sondern sein Paddel in die Wellen taucht.

Das Problem mit den Forge-Spielen, die du meinst, ist nicht Narrativismus. Vergiss den verdammten Narrativismus. Es hat auch nichts mit Spiel und Spielzeug zu tun. Das Spiel ist „aristotelisches Rollenspiel“, das Spielzeug heißt Everway oder WuShu oder Setting XY.

Das Problem mit PtA, Dogs und anderen Spielen ist, dass sie formell sind. Die Macht eines Spielers, Dinge in der gemeinsamen Fiktion passieren zu lassen, stützt sich stark auf abstrakte Regeln und Prozeduren, sodass der Spieler, wenn er die Fiktion verändern, den Traum weiterspinnen möchte, gezwungen ist, sich von eben dieser Fiktion, dem Traum, abzuwenden und sich zunächst mit den Regeln und Prozeduren zu beschäftigen. Im klassischen, sogenannten „immersiven“ Spiel hingegen wird sich der Spieler der Fiktion zuwenden, um auf der Grundlage der etablierten fiktiven Inhalte und der inneren Logik des Traums diesen weiterzuspinnen. Die Regeln sind dann erst der zweite Schritt, um ggf. zu bestimmen, was dabei herauskommt. Bei den Forge-Spielen jedoch sind die Regeln oft der erste Schritt, und dann erst wird der Bezug zur Fiktion hergestellt. Dadurch entsteht die von dir bemängelte Distanz, die auch mich stört.

Die gleiche Distanz entsteht aber auch dann, wenn beispielsweise ein umfangreiches und abstraktes Kampfsystem in Aktion tritt und dich zwingt, in Sonderfertigkeiten, Initiativboni und Abzügen für multiple Aktionen zu denken, statt einfach zu sagen, was dein Charakter in der Situation, die du dir lebhaft vorstellst, tun möchte. Also immer dann, wenn die Regeln nicht an die Fiktion anknüpfen, sondern umgekehrt.
« Letzte Änderung: 5.07.2006 | 17:14 von Fürst von und zu Ungezieferaard »
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Mann ohne Zähne

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Hallo Vermi,
ja Rollenspiel ist für mich, wie auch für Dich, ein gemeinsames Tagträumen mit gemeinsamen kleinen Regeln (dem Gruppenvertrag). Das ist auch der Grund, warum für mich ganz zweifelsfrei Everway das beste Rollenspiel ist, das ich jemals gespielt habe, seine freie Struktur ermöglicht ebendas.

Dass ich natürlich nicht hundertprozentige Immersion fordere, kommt in meinem Manifest leider nicht so deutlich raus; dabei meinte ich es so. Du fasst es gut zusammen, wenn Du sagst, es ginge um das Eintauchen in den Traum. Es geht mir um das gemeinsame Leben im diegetischen Raum, oder besser: um das Erleben des gemeinsamen diegetischen Raumes, und dazu brauche ich ein Minimum an Steuerfähigkeit.

Die kreative Lizenz ist wichtig im immersiven Spiel, ein vollimmersives Spiel lässt dafür keinen Platz mehr. Ich bin zum Glück nicht so dogmatisch wie manche skandinavischen Schulen, was die Immersion angeht, sehe mich aber schon in der "nordischen" Immersions-Tradition (Stichwort: Beyond Role and Play). Hier ist es eben sehr wichtig, zu immersieren, aber gleichzeitig die eigenen Interessen zu beachten, um so solche Szenen zu suchen, die es mir erlauben, in ein gewünschtes Gefühl einzutauchen.

Ganz hervorragend finde ich Deine Analyse solcher Forge-SPiele wie Dogs oder PTA. Du hast Recht. Es geht nicht um Narrativismus, es geht um explizite Regeln, die oft als erste Lösungsinstanz befragt werden. Das ist eine wichtige Erkenntnis, danke dafür. Wenn ich mir so anschaue, wie wir seit langer Zeit spielen, dann ist genau diese Ausdrücklichkeit und Unausweichlichkeit der Regeln das, was uns stört.

Auch solche Regeln, die mich zwingen, ganz explizit und relativ lange aus dem gemeinsam Traumraum (hah! Das ist ein Wort! Gefällt mir! :)) herauszutreten, um auf mechanische Weise einen Konflikt zu lösen, der im Traumraum stattfindet, lösen in mir Unbehagen aus.

Grüße aus Landshut
Norbert

Offline Lord Verminaard

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Ein weiterer Punkt zum Thema Identifikation:

Identifikation schafft Intensität. Aber wodurch? Dadurch, dass alles außerhalb des Charakters ausgeblendet wird, Spielerwissen gleich Charakterwissen, die Gefühle des Charakters werden die des Spielers? Das halte ich für eine Irrlehre, jedenfalls dann, wenn behauptet wird, es sei der beste oder gar einzige Weg zu Identifikation und Intensität.

Für mich persönlich entsteht beides eher durch den Blick aufs Ganze. Ich bin immer noch ich, ich bin immer noch Zuschauer. Es sind meine eigenen Gefühle, die ich erlebe, und sie müssen nicht mit denen meines Charakters übereinstimmen. Ich kann z.B. einen bösartigen Charakter spielen und eine Mischung aus Abscheu und Faszination empfinden, während mein Charakter über seine Taten ganz anders fühlt. Oder ich kann mit dem Charakter eines Mitspielers fühlen, obwohl mein eigener Charakter den Kerl überhaupt nicht leiden kann oder schlicht nicht anwesend ist. Oder ich kann über den Tod meines Charakters trauern, obwohl mein Charakter logischer Weise nichts mehr empfindet.

Der Schlüssel zu Intensität ist nicht, die Wahrnehmung und Empfindung des Spielers denen des Charakters weitestmöglich anzunähern. Der Schlüssel zu Intensität ist einfach Hingabe: Hingabe an die gemeinsame Fiktion. Es darf nichts zwischen dem Spieler und der Fiktion stehen. Keine abstrakten Regeln. Keine Uneinigkeit mit Mitspielern. Keine Schwächen und Plausibilitätslücken in der Fiktion. Keine Hemmschwellen des Spielers, sich zu öffnen und preiszugeben.
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Offline Fredi der Elch

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Der Schlüssel zu Intensität ist einfach Hingabe: Hingabe an die gemeinsame Fiktion. Es darf nichts zwischen dem Spieler und der Fiktion stehen. Keine abstrakten Regeln. Keine Uneinigkeit mit Mitspielern.
Für dich, junger Fürst, ist das der Schlüssel, für dich. Vergiss das niemals... ;)
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Offline Vale waan Takis

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Ein weiterer Punkt zum Thema Identifikation:
...
Komisch, das unsere Einstellung so ähnlich ist und wir so unterschiedliche Spielstile mögen  ;D
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Offline Lord Verminaard

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Ich hatte immer Spaß, wenn ich mit dir zusammen gespielt habe. :) Ich glaube eher, wir  versuchen sehr ähnliche Ziele mit sehr unterschiedlichen Mitteln zu erreichen. Wobei ich ja auch flexibel bin und gerne mal was ganz anderes ausprobiere.
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Offline Vale waan Takis

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Beruht auf Gegenseitigkeit  ;)
Ich kann dir da voll und ganz Zustimmen. Eigentlich wird es mal wieder Zeit... ;D
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