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Welcher Kunstform kommt das Rollenspiel am nähsten?

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Autor Thema: Rollenspiel = Welche Kunstform?  (Gelesen 16592 mal)

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Hurle Vents

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #75 am: 15.10.2006 | 23:59 »
Zeige mir doch bitte eine häufige Besonderheit. Das wirkt auf mich wie eine Antinomie.

Eine Geburt.

Aber "besonders" ist ja nun noch subjektiver, als "Kunst".

Offline Ingo

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #76 am: 16.10.2006 | 00:15 »
Kunst liegt im Auge des Betrachters.

Eben das tut sie nicht. Unterhaltung liegt im Auge des Betrachters. Kunst nicht. Kunst wird nicht dadurch zur Kunst, daß die Mehrheit der Menschen sie für Kunst hält. Kunst wird zur Kunst, weil sie etwas neues war, was vorher noch niemand auf diese Art oder mit dieser Kunstfertigkeit beherrscht hat, weil sie etwas in der Gesellschaft oder zumindest in der Kunstszene bewegt hat und weil sie im Gedächtnis geblieben ist.
Wer mit Rollenspiel etwas in der Gesellschaft bewegt hat, mit einer Kunst, die vor ihm niemand beherrschte und dadurch im Gedächtnis geblieben ist, darf sich als Künstler bezeichnen. Alle anderen eben nicht.
Und ich würde mal sagen, daß das auf keinen von uns hier zutrifft.

Viele Grüße,
Ingo
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Offline Merlin Emrys

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #77 am: 16.10.2006 | 04:52 »
Diesen Einwand verstehe ich nicht. In den meisten Filmen interagieren Charaktere (Ausnahmen sind Reportagen und Dokumentationen mit rein beschreibendem Inhalt sowie bestimmte Formen des Kunstfilms).
Spielfilme sind aber, irgendwie, ja nichts als Thaeterauffuehrungen, die nicht auf der Buehne, sondern vor einer Kamera aufgefuehrt werden. Soweit sie das sind, sind sie dem Rollenspiel aehnlich, weil sie dem dem Rollenspiel aehnlichen Theater aehnlich sind.
Wo der Film vom Theater weggeht - neben den von Dir genannten Faellen auch im Tierfilm, im Zeichentrickfilm oder Anime usw. - gibt es wahlweise keine "Charaktere" mehr oder keinen "Traeger" fuer die Charaktere. Dass dieser letzte Punkt mir wichtig ist, haette ich aber noch dazuschreiben muessen, das ist wahr.

Ausserdem scheint mir im Theater mehr von den Menschen "hinter" den Charakteren ueberzubleiben, aber das ist wiederum vielleicht nur subjektiv. Vielleicht traegt auch dazu bei, dass (mM) die Einschraenkungen, aber auch bestimmte Moeglichkeiten, im Rollenspiel mehr denen des Theaters gleichen.

Was ich auch noch dazusagen sollte: Ich betrachte den Vergleich vom Handelnden her, d.h. aus der Sicht dessen, der in der Rolle des Schaupsielers ist. Im Theater bin ich als Handelnder immer ganz praesent, und es liegt bei den anderen, welchem Teil von mir und meinem Handeln sie wahrnehmen. Der Film schraenkt die Wahrnehmung teilweise bewusst ein und zeigt nur Ausschnitte.

Aber wie gesagt, es ist eine Sichtweise, und man kann sicher auch andere vertreten.

Gut fand ich uebrigends auch Georgios Beitrag:
Rollenspiel ähnelt am meisten dem Ausdruckstanz.
"Kleine" Schwierigkeiten habe ich damit, dass beim Ausdruckstanz deutlich mehr Bewegung und deutlich weniger Text im Spiel ist, aber die Begruendung fand ich jedenfalls ueberzeugend :-) .

Offline Roland

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #78 am: 16.10.2006 | 08:11 »
Wer mit Rollenspiel etwas in der Gesellschaft bewegt hat, mit einer Kunst, die vor ihm niemand beherrschte und dadurch im Gedächtnis geblieben ist, darf sich als Künstler bezeichnen. Alle anderen eben nicht.
Und ich würde mal sagen, daß das auf keinen von uns hier zutrifft.

Und auf fast alle anderen "Künstler" auch nicht. Rollenspiel ist also für Dich nicht Kunst, weil Kunst fast nie Kunst ist?
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Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #79 am: 16.10.2006 | 08:59 »
Kunst wird zur Kunst, weil sie etwas neues war, was vorher noch niemand auf diese Art oder mit dieser Kunstfertigkeit beherrscht hat...
Uiuiui, da höre ich viele arme gequälte Künstlerseelen aufschreien...  ;-)
Nach diesem Kriterium könnte man die gesamte zeitgenössische Kunst (von der Kunst der neuen Medien mal abgesehen) in den Gully kicken – denn es gibt nichts, das es nicht schon gab. Das ist ein echtes Problem für viele Künstler. ;-)

wjassula

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #80 am: 16.10.2006 | 09:22 »
Rollenspiel ist allerdings, im Unterschied zur Kunst, die das unter den Bedingungen der Kulturindustrie immer ist, nicht warenförmig. Die Regelwerke usw. werden natürlich produziert und verkauft; das Spiel selbst aber nicht (man denke an die Diskussion hier im Forum: die Spielleitung zu bezahlen, erscheint den meisten einfach absurd). Zudem findet es fast ausschliesslich im Privatraum oder halbprivat (auf Cons) statt. Dabei sind die Teilnehmenden so gut wie immer auch und gleichzeitig das Publikum. Es gibt auch kein professionelles Rollenspiel; die Aktivität findet in relativ fest stehenden Gruppen statt, die auch noch befreundet oder sich zumindest sympathisch sind, und meist über längere Zeit zusammen bleiben. Auch das ist in allen anderen Kunstformen anders. Trotz dieser anscheinenden Intimität ist Rollenspiel kein Ort, der gesellschaftlich und politisch unberührt ist; die Teilnehmenden bringen ihre Prägungen, Ansichten, Vorurteile, Wertvorstellungen mit an den Tisch und können gar nicht anders, als sie ins Spiel einzubringen. 
Die einzelnen Spiele sind nicht reproduzierbar, sie entstehen immer erst im Moment der Aufführung, und zwar zu einem guten Teil ungeplant (wie gross dieser Teil ist, hängt von Spiel und Gruppe ab).

In Anbetracht dessen finde ich, dass Rollenspiel am Besten mit Gestaltungsformen zu vergleichen ist, die sich in einem ähnlichen Zwischenraum von Öffentlichkeit und Privatheit, Warenwelt und Indivdualität, Intimität und Allgemeinheit bewegen. Das ist einerseits Performance - Art, viel stärker aber noch Sex, vor allem S/M - Sex, wo es ja auch darum geht, zwischen allen Beteiligten eine Ordnung auszuhandeln und einen gemeinsamen Vorstellungsraum zur allseitigen Zufriedenheit auszugestalten, wobei die Kommunikation immer von den gesellschaftlichen Umständen bedingt wird.

Nicht umsonst bekommt man erst mal Hinweise auf S/M - Seiten, wenn man "Rollenspiel" googelt. Vielleicht wäre es ganz fruchtbar, wenn man da nicht sofort erschrocken abwiegelte, sondern überprüfte, wo es da Parallelen gibt, die zum Verständnis beitragen.

Offline Ruinenbaumeister

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #81 am: 16.10.2006 | 09:28 »
Kunst wird zur Kunst, weil sie etwas neues war, was vorher noch niemand auf diese Art oder mit dieser Kunstfertigkeit beherrscht hat, weil sie etwas in der Gesellschaft oder zumindest in der Kunstszene bewegt hat und weil sie im Gedächtnis geblieben ist.

Nach dieser Definition wäre es keine Kunst, wenn jemand ein Kunstwerk nach altem Muster erschafft, also beispielsweise wenn er eine Fuge komponiert oder ein Vanitas-Stilleben malt. Andererseits wäre es Kunst, bei einem Baum jedes einzelne Blatt mit Heftpflastern zu bekleben, unter der Voraussetzung, daß es noch niemand vorher gemacht hat - oder zumindest nicht mit dieser Kunstfertigkeit. ::)

Der Ansatz nimmt das Können völlig aus und spricht allen, die einem anderen Künstler nacheifern, von vornherein den Willen, Kunst zu schaffen, ab. Deswegen halte ich ihn für unbrauchbar.
Und wenn ich mich im Zusammenhang
des Multiversums betrachte, wie oft bin ich?

Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #82 am: 16.10.2006 | 10:14 »
 :D
*Tränen wegwisch*
Ach Jasper, du bringst es mal wieder auf den Punkt... Rollenspiel ist wie S/M-Sex. Yay.  ;D

Offline Ingo

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #83 am: 16.10.2006 | 10:48 »
Und auf fast alle anderen "Künstler" auch nicht.

Heute wird fast jeder, der etwas malt, zeichnet, modelliert oder schreibt als Künstler bezeichnet. Genauso wie die Schauspieler bei Gute Zeiten Schlechte Zeiten und Sänger bei Band, die genauso wie Milli Vanilli eigentlicht gar nicht singen. Früher gab es halt nicht Millionen von Künstlern. Statt dessen wurden die Künstler genannt, die wirklich Kunst erschaffen haben.

Rollenspiel ist also für Dich nicht Kunst, weil Kunst fast nie Kunst ist?

Dann hast Du meinen ersten Beitrag nicht gelesen. Ich habe gesagt Rollenspiel ist keine Kunst und auch Windowcolor-Bilder malen ist keine Kunst. Es kann aber jemanden geben, der das so beherrscht, das beides zur Kunst wird. Nicht die Tätigkeit macht Kunst zur Kunst, sondern die Person und die Kunstfertigkeit.
Nicht jedes Ölbild ist eine Kunst, nicht jedes Gedicht, aber eben eine ganze Menge.
Was ich gesagt habe ist, daß ich bezweifle, daß Rollenspiel-Künstler unter uns sind. :)
Klar, die meisten von uns sind doch normale Verbraucher und eben keine echten Künstler.

Viele Grüße,
Ingo


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wjassula

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #84 am: 16.10.2006 | 11:04 »
Zitat
Ach Jasper, du bringst es mal wieder auf den Punkt... Rollenspiel ist wie S/M-Sex. Yay

Gell, es tut weh, oder?  ;)

Preacher

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #85 am: 16.10.2006 | 11:16 »
Gell, es tut weh, oder?  ;)
Muss es das nicht für S/M-Sex? ;D

wjassula

  • Gast
Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #86 am: 16.10.2006 | 11:20 »
@Hendrik: Hm, ich hätte vielleicht genauer sagen sollen: Bondage/Domination. Bei Rollenspielen geht es ja nicht immer um körperliche Gewalt. Aber abgesehen davon, dass der Vergleich albern ist, gibt es wirklich ein paar Parallelen. Safewort, Sozialvertrag, spielerisches Austragen von Machtverhältnissen...sucht noch jemand ein Doktorarbeitsthema?

Preacher

  • Gast
Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #87 am: 16.10.2006 | 11:59 »
@Hendrik: Hm, ich hätte vielleicht genauer sagen sollen: Bondage/Domination. Bei Rollenspielen geht es ja nicht immer um körperliche Gewalt. Aber abgesehen davon, dass der Vergleich albern ist, gibt es wirklich ein paar Parallelen. Safewort, Sozialvertrag, spielerisches Austragen von Machtverhältnissen...sucht noch jemand ein Doktorarbeitsthema?
Ja, trotz der albernen Bemerkung oben hab ich mir das schon fast gedacht - ich glaube, die wenigsten sitzen mit Peitsche und Daumenschrauben am Spieltisch ;)
Aber stimmt - Parallelen sind vorhanden.

Eulenspiegel

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #88 am: 16.10.2006 | 21:22 »
Eine Geburt.
Kommt darauf an.

Die Geburt des ersten Klon-Schafes war etwas Besonderes. Allerdings ware es zu diesem Zeitüpunk auch einmalig.

Heutzutage gibt es bereits über 20 geklonte Tiere. Ein geklontes Tier ist längst nichts Besonderes mehr.

Die meisten Menschen in Deutschland erleben in ihrem ganzen Leben nur 2 Geburten persönlich. Diese beiden Geburten sind für sie dann etwas Besonderes. Aber diese sind ja auch selten.

Wenn wir jedoch nach Afrika oder ins mittelalterliche Europa blicken, sehen wir Ehepaare, die 20 Kinder haben.
Natürlich kann ich mich nicht vollständig in diese Leute hineinversetzen.
Aber ich denke, dass die ersten 2-3 Geburten tatsächlich etwas Besonderes waren. Aber spätestens nachd em 10. Kind ist die Geburt nichts Besonderes mehr, sondern nur noch Routine.

Oder nehmen wir die Hebamme: Die 1. Geburt, an der sie teilnimmt ist etwas Besonderes. Sicherlich auch noch die 2. oder 3.
Aber nach einem Monat Hebammendienst, wird sie die Geburten auch noch nur als Routine und nicht mehr als Besonderheiten wahrnehmen. Dafür sind diese einfach zu häufig.

Ich bleibe dabei: Besonders kann nur das sein, was auch selten ist.

Offline Fredi der Elch

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #89 am: 16.10.2006 | 22:53 »
Safewort, Sozialvertrag, spielerisches Austragen von Machtverhältnissen...
Was du wieder hast... Alter, das ist ganz normaler Sozialkontakt! Macht? Check. Rollen und -erwartungen? Check. Sozialer Vertrag? Check. Unterwürfigkeitsgesten, um den anderen zu beschwichtigen? Check. Da brauche ich kein SM, das habe ich jeden Morgen im Büro! Wie du immer auf Sex kommst... Schwanzhund, du! ;D
Where is the fun at? - The rules should tell me clearly - And how to get there
- Don't try to make me feel like I live there, make me care about it. -

Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.

wjassula

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Re: Rollenspiel = Welche Kunstform?
« Antwort #90 am: 17.10.2006 | 00:01 »
@Fredi: Psssssst! Wenn in der Doktorarbeit einfach stehen würde: "Alles ist irgendwie wie alles andere" dann wäre ich ja...obwohl...Moment mal...ich muss weg.