Mich wundert's etwas, dass der Film draussen ist und hier noch keiner was dazu schrieb ... also mach' ich das mal.
Ich war Samstag letzter Woche in der Spätvorstellung von „Hannibal rising“. Reingegangen bin ich eigentlich mit der Vorstellung, da eine Art „Jack the Ripper“ aus „Ripper-Perspektive“ zu erleben; und natürlich auch mächtig „Schock“.
Der Film beginnt mit der Anfangsgeschichte Hannibals, irgendwo in Weißrussland; Hannibal ist Sohn von russischen Adligen ... und deren Sitz heißt
sinnigerweiße „Lecter“.
* Es gibt einen Bombenangriff, der kleine Hannibal flüchtet mit seiner Schwester zur Burg, von wo aus die gesamte Familie mit einem Pferdewagen in eine entlegene Waldhütte flüchtet. Dort werden sie dann von einem russischen Panzer aufgespürt und noch während dieser Konfrontation in ein Stuka-Gewitter der Deutschen eingehüllt, aus dem nur Hannibal mit seiner Schwester als Überlebende hervor gehen. Nachdem in „einleitenden“ Szenen ein Trupp russischer Kolaborateure vorgestellt wurde, die auf der deutschen Seite „kämpfen“, stößt dieser Söldnertrupp auf der Flucht vor der roten Armee auf die einsame Hütte, in der Hannibal mit seiner Schwester noch ausharren.
Hier beginnt die eigentliche Geschichte; hier beginnt Lecters Trauma ... und irgendwie liegt hier auch der „Kunstgriff“ des Films. Es wird erstmal nur angedeutet, was in der Hütte passierte ... jeder kann sich das natürlich denken. Aber nach und nach wird im Film „zeitgleich“ - mittels Rückblenden - dort weiter erzählt, wo die „alten“ Szenen endeten. Im Rückblick ist das wirklich sehr gelungen, zumal zum Schluss etwas entblättert wird, was insofern schon für eine Überrschung sorgt, als dass sich die Tragik in Lecters Trauma noch einmal zuspitzt.
Ansonsten ist Lecters Leben eigentlich nicht wirklich so aufregend. Er trifft auf die „Tante“ seines Onkels - eine Japanerin, die ihn mit mythologischen Samurai-Geschichten konfrontiert. Das ist wirklich so ziemlich das Albernste an dem Film und wirkt extrem verkrampft.
Den Gipfel der Absurdität erhält das Ganze, als Lecter sich die „Talota“ bzw. den Gesichtsschutz einer japanischen Rüstung anlegt. Das damit Parallelen zu seinem „Bissschutz“ aus der Anstalt aufgezeigt werden sollen, ist klar. Aber Sinn macht das noch lange nicht.
Über die sadistische Art und Weise, wie er mit den Peinigern von damals umgeht, kann auch gestritten werden. Das wirklich brutale sind z.T. aber die Geräusche, die dabei entstehen. Detaillierte Einzelheiten bleiben da den Vorstellungen des Zuschauers überlassen. Aber der Zynismus und die Beiläufigkeit der Gewalt, welche Lecter da an den Tag legen, erwartet der Zuschauer ja eigentlich auch. Insofern ist das schon so, wie mensch sich einen Lecter vorstellt.
Auch, wenn die Geschichte Lecters für eingefleischte
Thomas-Harris-Fans interessant ist, hat der Film zum Teil wirklich ein paar Längen. Was mir jedoch positiv aufgefallen ist, waren die aufgeworfenen leisen, kritischen Untertöne, wenn Lecter z.B. immer wieder auf den Nazi-Jäger trifft, der ebenfalls seine Familie durch die Nazis verlor. Ich denke, das der Film gerade durch seine Untertöne eher eine Art Drama denn Horror ist. Davon abgesehen zeigt gerade der Anfang des Films eine ziemlich schonungslose und intensive Seite des Krieges, wie ich meine, sie noch nicht so im Kino dargestellt bekommen zu haben.
Für mich war der Film interessant, hätte mir streckenweise etwas mehr gewünscht, aber die kleinen Untertöne im Film – manche Nuancen – machen ihn durchaus sehenswert, wenngleich es sicher auch bessere Filme gibt. Die Musik ist natürlich wieder einmal klasse.
Arbo
* Wer der russischen Sprache mächtig ist, wird sich an dieser Stelle ernsthaft fragen, ob das „c“ im Lecter nicht als „s“ zu sprechen ist ... nämlich Lester.