... aka. Rollenspiel für angehende Germanisten
Ein Paar lose heruntergeschriebene Gedanken :
Wer sich ein bisschen mit dem Mittelalter beschäftigt hat, der weiß dass es wenig mit den Fantasyrollenspielwelten zu tun hat, welche wir so allgemein konsumieren. Das ist im Grunde auch nicht schlimm, die Fantasy ist ja auch ein modernes Genre, welches seinen Kontext in der Gegenwartskultur hat, auch wenn sie auf Mythengut zurückgreift. Die Gegenbewegung gegen diese typtische High-Fantasy versuchte sowas wie Realismus durch Regeln ausdzudrücken welche den Widrigkeiten einer mittelalterlichen Welt irgendwie abbilden sollen. Wundbrandtabellen und so. Hat sicher auch was, aber weil die spezielle mittelalterliche Denkweise und Mentalität selten Einzug ins Spiel findet verlaufen solche Spiele meiner Erfahrung nach ganz ähnlich wie ihr Gegenbild, nur dass Charaktere häufiger sterben (Yay! Blutvergiftung durch rostige Klinge!)
Was mir nun als Gedanken während meiner Vorlesung zu Literaturgeschichte kam wäre, sich doch einmal an einem Rollenspiel zu versuchen welches statt zu sich zu bemühen einen (pseudo)realismus zu zelebrieren sich in seinen Formen und Inhalten am mittelalterlichen (Ritter-)Roman orientiert.
Im Mittelpunkt des höfischen Romans steht der idealisierte Ritter mit seinen klassischen (und christlichen) Tugenden. Diese werden auf den Aventurien, auf die sich der Ritter zu ehren einer hohen Dame (da steckt dieser Minnebegriff dahinter) oder eben seines Hofes (z.b. des Hofes Artus und der Tafelrunde) auf die Probe gestellt. Dabei kommt es immer wieder dazu dass der Charakter Fehler begeht und gerade um diese Verfehlungen (und ihre Sühne) geht es in der Regel in der Handlung.
Hier sehe ich z.b. einen guten Ansatzpunkt, teilweise meine ich einen ähnlichen Ansatz hinter zum Beispiel DitV zu erkennen.
Für das mittelalterliche Denken ganz speziell : die Sünden machen den Menschen erst individuell. Ansonsten sind sie von ihrem Wesen her Vertreter ihres Standes. Bei dem Fokus auf die Sünden im Spiel haben wir gleichzeitig einen Fokus auf das treibende Element der Handlung, neben natürlich dem Stand, welcher ja feststeht. Hier haben wir also eine ziemlich radikale Reduktion aufs wesentliche.
Interessant ist auch das Verhältnis zwischen Held und Natur. Die Natur als etwas das unabhängig vom Menschen da ist gibt es im höfischen Roman nicht. Sie dient immer einem Zweck, welche unmittelbar mit dem Helden und seiner Aventure zu tun hat.
- Geographie richtet sich nach dem Helden. Wenn der Held einen Berg braucht, den er erklimmen kann dann ist da ein Berg. Dabei sind solche Hindernisse für einen *wahren Helden* grundsätzlich Überwindbar. Falls notwendig kann man auch von Südengland in die Bregagne reiten.
- Zeit richtet sich ebenfalls nach dem Helden. Chronologie ist nebensächlich.
- Wetter ist grundsätzlich von Symbolischer Bedeutung. Dinge die Nachts geschehen haben ein übles Vorzeichen, Schneit es ist Irgendetwas falsch. In Artusromanen wird es ansonsten nie Winter, denn das wäre ja keine Gute Bedingugn für die Ritter um auf Aventüre zu gehen.
- Allerdings drückt sich in der Natür auch höherer Wille aus, etwa in dem Motiv des Seesturmes welcher Helden mal hier hin und mal da hin verschlagen kann, wo sie gerade gebraucht werden aber sie eigentlich nicht hin wollen.
- Grundsätzlich hat Natur einen symbolischen Charakter, sie ist nie selbstzweck sondern weist auf etwas hin.
Auch Allegorien haben eine wichtige Stellung (Ein Graf Tod, eine Dame die für die hofische Liebe steht, etc..)
Häufig haben wir durch die Allegorien noch eine Gleichnissebene, auf der Dinge ausgedrückt werden, die über die fiktionale Handlung hinausgehen.
Zum Abschluss wäre natürlich noch die Frage zu stellen, inwiefern man so etwas überhaupt zugänglich aufbereiten kann und inwiefern das überhaupt für einen Menschen von heute interessant ist. Ob diese Formen eben auch nur im Kontext einer feudalen Gesellschaft (oder eines Spezialistenwissens) interessant sind. Ich persönlich denke schon, dass man was draus machen könnte, das Problem ist nur, dass man allgemein heute einen ganz anderen Deutungshorizont hat und diese mittelalterlichen Symbole und Allegorien nur noch bedingt verstanden werden. Man könnte sich aber überlegen ob man das Prinzip, nämlich die totale unterordnung sämtlicher Realismuskriterien unter das Thema des oder der Protagonisten in verbindung mit einer hohen Symbolhaftigkeit (mit moderner Thematik aufgefrischt) nicht doch was für sich hätte.