Dom schreibt in seinem Theoriedingens (und die Amis ganz ähnlich):
Also: Hat die Gruppe eine
gemeinsame Pr¨aferenz ¨uber einen gewissen Zeitraum, so gibt es eine CA.
Andernfalls gibt es eben keine kreative Agenda.
F¨ur Spaß machendes Spiel geben sich die Spieler gegenseitig positives
Feedback. Meist geschieht dies nicht offen, sondern als positive nonverbale
soziale Best¨atigung, wie z.B. ein L¨acheln. Ein Spiel, bei dem die Teilnehmer
Spaß haben, hat also offenbar eine funktionierende CA. Es soll aber
auch Spiele ohne CA geben, die Spaß machen. Ob und wie das geht, ist
unter Experten noch nicht ganz gekl¨art.
Den obigen Abschnitt finde ich in hohem Maße unklar - und Dom teilt diese Ansicht ja offensichtlich zumindest ein wenig. Anders kann ich mir die defensive Beschreibung und insbesondere den letzten Satz jedenfalls nicht erklären.
Als ich den Teil über CA und GNS las, sprang mir sofort die Ausschließlichkeit der Einigung auf genau einen der drei Spielstile ins Auge. Das ist ungewöhnlich für (im weitesten Sinne) sozialwissenschaftliche Theorien und widerspricht außerdem meiner Rollenspielerfahrung. Ich zumindest möchte sowohl von G, als auch von N, als auch von S im Spiel haben und fühle mich mit diesem Wunsch nicht allein. Viel plausibler sowohl theoretisch als auch praktisch scheint mir daher, dass jeder Spieler einer Gruppe eine Idealkonstellation von G, N und S hat. Also meinetwegen 20G/50N/30S. Das ist dann nicht wie bislang behauptet zwangsläufig nur N, sondern halt 20G/50N/30S. Das meine ich mit Dreidimensionalität. Soweit zur individuellen Ebene. [Ja, ich weiß, dass GNS auf Gruppenebene definiert ist. Bitte erst einmal weiterlesen!]
Über diese individuellen GNS-Konstellationen bildet sich im Rahmen eines Einigungsprozesses mit der Zeit eine Norm für die gesamte Gruppe heraus. Meinetwegen 30/40/30. Das entspricht dann dem, was bisher unter dem Begriff CA lief. Die Zufriedenheit jedes einzelnen Spielers kann man dann als Funktion der Abweichung der Individualnorm von der Gruppennorm beschreiben, die Gruppenzufriedenheit ergibt sich über die Abweichungssummen der Spieler.
Daraus ergeben sich dann ein paar Folgerungen, die aus meiner Sicht einige offene Fragen klären. Beispiel: Wenn einer der Spieler eine besonders große Abweichung hat, der Rest aber recht kleine Abweichungen aufweist, würde sich die Gruppe vermutlich von einem Spieler trennen und weiterbestehen. Und so weiter, will und kann ich gerade nicht systematisieren, ist auch an dieser Stelle nicht weiter wichtig.
Das alles war für mich eigentlich nach dem ersten Lesen der Theorie vollkommen eindeutig und deshalb war ich auch sehr verwundert, dass dieser Gedankengang so scharf kritisiert wurde.
Der entscheidende Punkt ist für mich ein anderer: In vielen Theorien gab eine für allgemeingültig erklärte Gebrauchsanweisung, in diesem Fall die absolute GNS-Typologisierung. Diese Gebrauchsanweisung wird zunächst theoretisch um situationale Aspekte erweitert, weil diverse Fragen nur anhand der bestehenden Theorien nicht erlkärbar sind. Das war das Ziel des Threads: die Erweiterung um situationale Aspekte. Nachdem die Gebrauchsanweisung situational (oder anders) weiterentwickelt wurde, folgt als letzter Schritt die Aufweichung der Kategorien. Diesen Schritt hatte ich leichtsinnigerweise in unserem Beispiel durch die Diskussion der von mir vielleicht ein wenig irreführend "Dreidimensionalität" genannten Erweiterung vorausgesetzt. In den meisten mir bekannten Beispielen ist die Sachlage weniger eindeutig und deshalb folgt dieser Schritt später.
Hier ein Beispiel für solch einen Prozess (Betriebswirte dieser Welt erschlagt mich bitte nicht, denn es ist ein grob vereinfachtes Beispiel):
In der Organisationstheorie gab es zunächst mit Weber und Taylor zwei Vertreter der Gebrauchsanweisungen. Beide hatten Patentrezepte entwickelt, wie man Organisationen effizienter machen könne.
Dann kamen die Kontingenztheoretiker, allen voran Burns & Stalker sowie Lawrence & Lorsch. Die vertraten die Meinung, dass Gebrauchsanweisungen zwar eine gute Sache seien, situativ aber angepasst werden müssten. Burns & Stalker beispielsweise erfanden die Gebrauchsanweisung "Organische" Organisation für dynamische Umwelten und "Mechanistische" Organisation für statische Umwelten.
Dann kam der Prozess, in dem die Organisationstheorie derzeit steckt. Eisenhardt, Sheremata, Gebert, Hoojberg und diverse weitere prügeln sich derzeit darum, wessen Modell am besten geeignet ist, den nächsten Schritt zu vollführen. Dass nämlich - noch verschärft durch Globalisierung und hyperkompetitive Märkte - Gebrauchsanweisungen nicht so recht funktionieren, ist allen klar. Es gibt keine rein dynamischen und keine rein statischen Märkte. Organisationen brauchen Freiheit und Reglementierung zugleich, Flexibilität und Stabilität zugleich, Innovation und Produktivität zugleich. Die Frage ist also nicht, OB man die bisherigen Theoriegebäude verändert, sondern WIE man das tut.
Und so ähnlich hatte ich versucht, die Theorieentwicklung von GNS voranzutreiben. Aber wie gesagt: erst einmal waren wir steckengeblieben bei der Frage, ob man überhaupt von einer gemischten CA im Sinne der Dreidimentionalität sprechen kann. Und da mir das viel zu zäh war, hab ich mich verabschiedet. So, habe nun vollkommen wild drauflos getippt und entschuldige mich für etwaige Mißverständnisse und Rechtschreibfehler schon jetzt. Hoffe, dass der Erguss einigermaßen nachvollziehbar ist. Gute Nacht!
EDIT: Naiverweise hatte ich angenommen, dass meine Sicht der Dinge recht schnell geteilt wird und wir uns dann darüber unterhalten können, wie man situationale Bedingungen einerseits beispielhaft und andererseits systematisch integrieren kann. Dabei schlage ich dann gleich noch vor, den Begriff der "instance of play" direkt mit zu verändern. Eine "instance of play" scheint mir nämlich VIEL zu lang definiert. Nach meinem Eindruck wechselt das viel schneller. Aber wie gesagt: so weit sind wir nicht gekommen. Vielleicht ist das da oben ja alles vollkommener Unsinn. Kann ja sein. Die Diskussion darüber empfand ich halt als sehr zäh und wenig erfolgversprechend. Es gibt so viele spannende Threads bei Tanelorn, dass Theoriediskussionen nicht mehr so mein Faible sind. Lasse mich viel lieber freundlich necken, dass ich Aventurien gut finde. Da fliessen dann bei mir auch keine Tränen
Also: Hau rein Gaukel