Ich spiele Savage Worlds seit 4 Jahren zumindest zweiwöchentlich und habe ein einziges Problem damit:
die Inkompetenz vieler Charakter bei Sachen, die sie eigentlich doch ansatzweise beherrschen sollten.
Ich selbst umgehe dieses Problem, weil ich bei der Charaktererschaffung immer mindestens 11 Skills auswähle, also so gut wie alles auf d4 kann. Im Grunde habe ich bei der Erschaffung eines neuen Charakters jedes mal nur folgende Wahl zu treffen:
Intimidation oder Taunt.
Shooting oder Throwing.
Survival oder Streetwise.
Das ist auch gut so. (Ein Großteil der Skill bleibt immer auf d4. Nur die 2 oder 3 Kernkompetenzen meines Charakters steigere ich jemals.)
Wenn ich jedoch die Charaktere anderer Spieler in meinen Runden sehe, kommt es oft zu bescheuerten Situationen, die vielleicht sogar ein wenig realistisch sind, aber nichtmal ansatzweise cinematisch:
Der Superschütze, der nicht in der Lage ist, einen Stein zur Ablenkung an eine Fensterscheibe zu werfen.
Das Persuasion-Genie, das es nie schaffen würde, jemanden zu beleidigen.
Der Topsportler, der nicht die mickrigste Felswand hochkommt.
Von extremen Anfängerfehlern wie Notice oder evtl. Guts zu übersehen, will ich erst gar nicht reden. (Auch nicht von Sonderfällen wie dem lallenden Hillbillie-Idioten, der doch ein guter Woodsman sein sollte.)
Natürlich kann man behaupten, dass es einfach eine schlechte Skillwahl war, die nicht dem dargestelltem Charakter entspricht. Aber in den anderen Teilen des Systems schafft es Savage Worlds ja auch weniger pingelig zu sein.
Wenn die Spieler ihren Fehler bei der Charaktergenerierung später im Spiel erkennen, können sie das außerdem beim nächsten Stufenaufstieg nur noch ausbessern, indem sie doppelt so viel für das Skill zahlen. Ein ansatzweise optimierter Charakter (besonders, wenn er erst auf Seasoned einsteigt) wird demzufolge immer 15 Skills haben.
Als Lösung sind mir folgende Varianten eingefallen - sortiert von durchführbar ohne Regeländerung, bis Systemcrasher:
1. 8-10 Skills werden quasi hardwired auf d4 gesetzt. Jeder hat Notice, Climbing, Fighting usw. Das beschleunigt auch die Charaktererschaffung, weil die Helden nur noch 5-7 Punkte verteilen müssen. Ist wahrscheinlich mit Anfängern die beste Variante. Erfahrene Spieler können ja auch umverteilen. Daran dass kaum jemand Shooting und Throwing nimmt, bzw. Taunt und Intimidation, ändert das aber nichts.
2. So wie Guts für Fantasy (und Gambling fast immer) entfernt wird, haut man auch andere Skills raus. Intimidation ist z.B. auch ein Spirit-Check. Die Agility-Skills fasst man aber lieber nicht an. Kann leicht die Balance durcheinander bringen. Manche Sachen machen dann auch wenig Sinn: der starke Typ ist ein guter Kletterer, der geschickte nicht. Beinahe jeder Magie-Nerd ist super in Taunt... Man sollte in dem Fall wohl entsprechende Edges (und Hindrances) wie Alterness (oder Yellow) zu jedem der Skills anbieten.
Potentielle Kandidaten für mich: Climbing, Gambling, Guts, Intimidation, Investigation (oft Common Knowledge), Notice, Persuasion (?!?), Stealth, Swimming, Taunt.
3. Die Skillliste wird noch weiter verdichtet. Athletics statt Climbing und Swimming ist ein of genanntes Beispiel. Shooting und Throwing wird zumindest in Settings ohne Granaten wieder vereint, usw... Probleme wie der Persuasion-Taunt-Spread können damit aber auch kaum gelöst werden. Jedes Skill muss sich ja immer noch auf ein Attribut beziehen.
4. Das Erlernen neuer Talente kostet später nicht mehr als bei der Charaktererschaffung. Also neue Skills im Doppelpack. Spieler werden folglich nicht mehr für Fehler am Anfang bestraft. Mich stört daran, dass meine alten Charakter nicht mit dieser Regel kompatibel wären. (Eine Alternative wären Retraining-Regeln á la D&D4.)
5.Auf den Wild Die wird nicht -2 bei Unskilled Attempts vergeben. Aber warum lernt man dann Skills überhaupt noch? Der d4-Skillwert wird dadurch entwertet. (Vielleicht würde ich aber bei meinen Charaktern einfach anfangen, tatsächlich mehr als 2 oder 3 Skills auf d6 zu steigern.)
6. Statt dem Wild Die mit d6, wird mit dem Würfel des entsprechenden verbundenen Attributs gewürfelt. (Da stellt es mir aber alle Haare auf. Und man hat wahrscheinlich plötzlich jede Menge Charakter mit d12 Agility.)
Natürlich kann man argumentieren, dass besonders #1-#3 Setting-Regeln sein sollen, aber gleichzeitig wird z.B. Gambling in keinem mir bekannten Setting rausgenommen, obwohl es fast immer rausgehören würde. Wenn ich den Ratschlag von Pinnacle befolgen würde, nur Skills drin zu lassen, die mindestens jedes zweite Mal zum Einsatz kommen, wäre z.B. auch Lock Picking und Tracking auf der Abschußliste.
Wenn ich mir die Varianten so ansehe (besonders #5) bekomme ich den Eindruck, dass bei den Skillregeln in 80iger-Jahre-Manier, der Versuch realistisch bzw. (weniger negativ belegt) plausibel zu sein (man kann nicht einfach Reiten, wenn man es nicht vorher lernt), mit Balanceüberlegen (Shooting und Throwing als ein Skill wären zu stark) ziemlich vermischt wurden. Wahrscheinlich liegt hier die Wurzel des Problems begraben. Die potentielle Lösung unterschiedliche Kosten für unterschiedliche Skills möchte ich gar nicht erst andenken. Das ist zu eklig...
Zum gebrachten Beispie: Die Filmheldin wird nach einer Slapstick-Szene dann doch gleich reiten können. (Aber das Skill setzt man wohl ohnehin nur bei gewagten Manövern ein - nicht, dass das so in den Regeln steht.)
Für die vielstrapazierte Hirnchirurgie gibt bei SW zum Glück ohnehin keine speziellen Regeln.
Irgendwelche anderen Vorschläge? Für welche Variante würdet ihr euch entscheiden?