Ein schrieb:
Nach dem "Making of" klingt es nicht wirklich überzeugender für mich. Ein aufgebohrtes Tabletop halt.
Aber gut da scheiden sich dann halt die Geister.
mmh, ein aufgebohrtes Tabletop.
Viele Tabletops haben den Vorteil eine Unmenge an unterschiedlichen Situationen, von Explosionen bis Fahrzeugregeln ohne Verwaltungsaufwand abzuhandeln und dabei die Handlungen abstrakt aber nachvollziehbar darzustellen (die Plausibilität kommt wieder herein, wenn sich viele Einheiten im Kampf als ganzes Verhalten obwohl vielleicht jeder einzelne nur einen Treffer abhalten kann).
Viele Rollenspiele ersticken das Abenteuer meistens in frickeligen Regeln, spiegeln die Handlungen der Charaktere dabei nicht mal besonders plausibel wider (z.b. bei HP Systemen mit 200HP im Schlaf und W8 Schwertschaden), glänzen aber bei der Darstellung und Tiefe einzelner Charaktere.
Was ist offensichtlicher als die Vorteile beider Systeme zu vereinen? In Savage Worlds kannst du stufenlos zwischen diesen beiden Extremen rausverkleinern und reinvergrößern. Du kannst sehr detaillierte Einzelaktionen und im Kampf starke Duelle spielen und ein paar Sekunden später dich entfernen und sehen wie sich deine Verbündeten 20 gegen 20 schlagen. Ohne die Regeln zu verändern. Und du bist nichtmal gezwungen die Tabletoperspektive überhaupt zu berücksichtigen. Und das ist ja nicht auf den Kampf beschränkt.
Die Stärke kommt imho einfach daher, daß es nicht simpler ist, sondern nur weniger buchalterischen Aufwand hat. Man kann die meisten Regeln aber genauso detailreich interpretieren, wie man das in anderen Rollenspielen macht.
Das
Problem ist, daß viele Rollenspieler schnell und unkompliziert mit simpel und oberflächlich verwechseln. Sprich: ein RPG kann nur detailliert sein, wenn ich für die Auflösung einer Handlung 45 Minuten brauche, sonst liefe irgendetwas falsch. Man muss sich daher auch erstmal daran gewöhnen, daß, sagen wir ein Endkampf gegen Drache+Minions nach 30Minuten vorbei ist, man aber rückblickend alle Details drin hatte, die man sonst auch erspielt, WENN man in der Lage ist die benutzten Regeln auch zu deuten. Und man muss sich daran gewöhnen, daß man noch Zeit hat weiter zu spielen und der Kampf nicht im Zentrum des ganzen Spielabends steht. Und mit den Grundmechanismen kann man jetzt so hantieren, daß sich fast jede Spielfärbung darstellen lässt, von Heroisch bis düster und sehr tödlich.
Ich möchte behaupten, daß z.b. unsere stetig wachsende Savage Iron Kingdoms Konvertierung (on the fly beim Spielen) in keinem detail der D20 Variante nachsteht.
Es gibt auch ein paar Dinge, mit denen ich nicht ganz glücklich bin. Das Schadenswürfelsystem ist noch ein Tick zu aufwändig z.b. (Treffer würfeln -> Schadenwürfeln) und kann man es sicher noch auf einen Vergleichenden Wurf reduzieren. Das heisst also das Spiel ist nicht perfekt.
Aber es steckt viel praktische Erfahrung drin, daher werden Regeln angeboten für Dinge, die tatsächlich gerne und oft gemacht werden, aber so gut wie nie mit Regeln versehen werden, Verfolgungsjadgen z.b. oder natürliche Gefahren. Man kann beim festlegen der Werte als SL so gut wie nichts falsch machen. Es gibt zwar keine Konstruktionsregeln für NSCs und Monster, aber mit Gefühl für die Regeln, was sich schnell einstellt, kann man alles möglich plausibel in ein paar Minuten oder gar mitten im Abenteuer umsetzen ohne, daß sich die Spieler verarscht vorkommen.
SW ist sicher nicht so effektiv wie Risus oder Fate, dafür ist es aber klassisch, so das Rollenspieler einiges wiederfinden (eigentlich alles bis auf Trefferpunkte) und für jeden (mit ein klein wenig Hilfe) verständlich ist.
Das ist vielleicht nicht viel für einen RPG Pro, der schon alles gesehen hat. Aber es ist genug meiner Meinung nach.
Und dieser scharfe Blick für das Wesentliche, für das Abenteuer und die Charaktere und die Spannung ohne in abstruse, abstrakte Erzählmechanismen abzudriften, hat kein RPG, was ich sonst kenne.