Prolog:
--------
Es ist Mitte 2009 und ich schaue mich so um, was für Runden mich nach meinem längeren Ausflug in die Welt (genauer: eine Welt) von D&D interessieren können. Die D&D-Erfahrung war lehrreich und auch spannend, ich habe ein paar nette Leute kennengelernt, und natürlich konnte ich meinen Roster an …Typis auch erweitern. Einer der netten Typen spielt in einer Rolemaster-Runde mit, also schau ich mir das auch an.
1. Akt: Charaktererschaffung.
----------------------------------------
Ich hatte ganz vergessen, dass man soviel Zeit in etwas investieren kann, von dem später gefühlt 95% in "würfel mal" und einer kreativ-aus-den-Regeln-entlehnten-Interpretation des SL subsummiert wurden. Es hat 5 Stunden gedauert einen Charakter zu bauen, der am Ende nichts richtig, und davon das meiste auch noch schlecht beherrschte. Aber nun gut, die Würfel waren mir meistens hold und ansonsten konnte ich meine Fähigkeiten, die Gruppe mit der pantomimischen Darstellung der erlittenen kritischen Treffer zu unterhalten, trainieren. Ich scheine nicht schlecht gewesen zu sein, die typische Handbewegung für eine offene Halsschlagader ist eine Art Gruppen-Mem geworden.
Dabei muß man sagen: Der SL Ist echt brillant. Als Rolemaster-Adjudikator hatte er schon verschiedene Versuche unternommen das System zu verschlanken und den Spielern echte nachvollziehbare Entscheidungen bereits bei der Charaktererschaffung zu ermöglichen, aber – er kannte halt nix anderes – irgendwie ist dann immer sowas wie "cooles, überschaubares Element" PLUS Rolemaster in seiner barocken Fülle dabei herausgekommen.
2. Akt: Konfrontation mit dem Unmöglichen
----------------------------------------------------------
Einer der anderen Spieler hatte dann mal was über spielleiterlose Rollenspiele erzählt und ich löste einen kleinen Hirnkrampf aus als ich sagte "Ja, da hab ich ein paar bei mir im Schrank stehen, die bring ich dann mal mit." Beim nächsten Mal hatte ich Universalis, Western City und Polaris dabei und gab sie dem SL zum Lesen mit. Der darauffolgende Termin war durch eine Unterhaltung über die Ideen aus diesen Spielen geprägt, aber in einem guten Sinne. "Mit Rolemaster kann man das natürlich nicht machen", aber die Leute wollten dann auch mal andere Spiele ausprobieren.
3. Akt: Ein paar Funken Chaos
------------------------------------------
Um die oben genannten und andere Spiele entspannt ausprobieren zu können, riefen wir eine One-Shots Runde ins Leben. Ich hatte die Ehre, dort einmal Western City zu präsentieren, was überwiegend positiv aufgenommen wurde, auch wenn es schwierig war, das ganze an sechs Spieler zu verkaufen, die überwiegend die klassische Rollenspielschiene verfolgt und kennt. Aber wir bleiben unverzagt, denn die Leute sind auch bei den anderen Spielen (SotC, Blossoms are Falling) lernbereit und kritikwilig. Horizonte werden erweitert, ohne die Historie der Spieler mit den Füßen zu treten. In diesem Akt trete ich aufgrund anderer Verpflichtungen nur gelegentlich auf, aber das Konzept scheint aufzugehen.
4. Akt: Die Elfen verlassen Mittel-Erde … oder doch nicht?
---------------------------------------------------------------------------------
Im Anschluß an den Western City Abend sprechen wir (2 Mitspieler) und der Rolemaster-SL über SOIAF und Legends of Middle Earth (der Leser sieht, der Betreff ist wohlgewählt). Denn der Rolemaster-SL hat beschlossen, dass er nach 15 Jahren einen Schlußstrich ziehen will. Ich hatte schon etwa in der Mitte des 2. Aktes LoME erwähnt, aber nur en passant, weil ich den allgemeinen Absichtsbekundungen etwas ändern zu wollen zwar mit wohlmeinendem Interesse zugehört habe, aber wir wissen ja, dass Rollenspieler eher ein konservatives Völkchen ist. Nachdem wir eine zeitlang über das recht interessant scheinende Song of Ice and Fire Rollenspiel gesprochen haben, konnte ich das Subjectschwängernde Legends of Middle Earth noch einmal strategisch platzieren, diesmal ausgedruckt, das allein durch seine kompakte Darreichungsform zu begeistern wußte. 25 Seiten – eigentlich 20, wenn man Titelblatt, Inhaltsverzeichnis, Mittelerde-Karte, Runenalphabet und Charakterbogen nicht zählt, die mehr Mittelerde atmen als so manch anderes offiziell lizensiertes Spiel. Der Plan: LoME mit einfach erstellten Charakteren antesten und dann die bestehende Mittelerde-Rolemaster-Runde konvertieren.
5. Akt: Die Ereignisse überschlagen sich
--------------------------------------------------------
Einige von den Leuten aus der Runde brennen aufs Spiel, und so haben sie klammheimlich, obwohl erst für den Januar angesetzt, LoME einmal ausprobiert, waren begeistert, und heute (gestern) sollte ich das nochmal leiten, weil ich mich ja schon (für in 4 Wochen) angeboten hatte. Ich konnte ja glücklicherweise auf Clemens im seine Trolle auf der Wetterspitze aus der Abenteuer. #2 zurückgreifen (Werbung Ende), und so machten sich ein Trio typischer Mittelerde-Abenteurer auf, den armen Menschen in Bree zu helfen.
Und was soll ich sagen? Es hat funktioniert. Das Abenteuer ist super, die Regeln funktionieren weitestgehend reibungsfrei, und die Spieler haben es geschafft, ihre Charaktere nicht gleich krepieren zu lassen. Das wird ein Nachspiel haben … hoffe ich!
Epilog
---------
Es ist sehr spannend zu sehen, wie Leute auf alternative Spielkonzepte reagieren, die seit Jahren (oder Jahrzehnten) ihr altes System spielen – sie hatten ja sonst nix – und denen man dann mal ein paar Alternativen zeigt. Sie bleiben ganz normale, begeisterte, fähige Rollenspieler, aber man sieht, wie sie aufblühen, weil ihnen die kleinen Spiele genau den Raum geben, den sie schon so lange gesucht haben. Ich bin begeistert. Mein Ausflug in die klassischen Rollenspiele hat mich auch wieder in "indieeske" Ecken gebracht, und ich konnte gleich ein paar neue Gefährten mitbringen. Und auch ich bin durch diese Erfahrungen bereichert. Es war ein spannendes Jahr.
In diesem Sinne frohe Feiertage und guten Rutsch,
Harald