Autor Thema: [mehrere Systeme] [Westeros] Das Haus Dusksea, gehörig zu Lannister  (Gelesen 1400 mal)

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Offline Dirk

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Nach langen Brettspielmonaten, war es im letzten Drittel des letzten Jahres mal wieder Zeit für Rollenspiel.

Unsere Gruppe einigte sich auf das Song of Ice and Fire RPG von Green Ronin und auf das Haus Lannister, mit einem jungen Spross in der Hausgeschichte dieser Familie -dem Haus Dusksea.

Mit der eigentlichen Geschichte will ich so niemanden langweilen. Wie so oft war in unserer Gruppe die soziale Dynamik, der wirklich sehr langjährige und breite Erfahrungsschatz der Spieler, die Ablehnung gegen das System und - neu - Ringrost eine immens starke Bremse. Die Geschichte lief nur schwer an, viele mussten sich erst wieder einfinden und der SL (ich) trug, durch mangelnde Vorbereitung und merklicher Schwäche im Spielleitern, nicht verbessernd bei.

Wir kappten schließlich das System, da es an vielen wichtigen Stellen unausgegoren ist. Bitte Green Ronin, testet eure Spiele!!! Natürlich waren wir auch verwöhnt durch andere, frühere Runden, aber auch durch bessere Systeme (z.B. TRoS für ein Kampfsystem im Vergleich zu dem nett klingenden, letztlich aber scheiternden Versuchs von Green Ronin; oder das viel zu kleinteilige und nervige Intrigensystem...)

Als Ersatz schlug ich ein Eigenbau vor, den wir in den letzten Jahren viel testeten und den wir kannten - mussten es aber recht bald wieder verwerfen, da es für den Ultrarealismus des Settings nur unter großen Veränderungen zum Funktionieren gebracht hätte werden können. (Wir hatten es auch tatsächlich in diese Richtung gebogen, nur eben nicht ganz fertig - und diese ständige Arbeit am System frustrierte und war dem Spaß abträgig.)

Übrig blieb ein immenser Würfelpool, der uns auf die Idee brachte es doch mit einem unserer All-Time-Favorits zu versuchen: Dogs in the Vineyard.

Das klappte bisher, nach dem Umstellen auf etwas narrigeres Spiel, überraschender Weise, recht gut.

Unter anderem führte uns das Spiel auch zu einer der komplexesten Situationen, die ich jemals genießen durfte, und die, ohne die tollen Ideen aller Beteiligten und das harte Auskämpfen auf der Meta-Ebene (ein bisschen zuviel dort) und der Spiel-Ebene, wohl kaum zu einem, für Alle, vollends zufriedenstellenden Ausgang geführt hätte.

Eine kurze Einführung, sonst wird man nicht sehr viel verstehen, zumal das  - jetzt hier vorgestellte - erzählende Produkt eine eher schriftstellerische Spaßaktion war, die storytechnisch immens voraussetzungsreich ist.

Im übrigen ist das hier, so glaube ich, ein Novum, denn Spielsessions habe ich so noch nie zum Besten gegeben.



Der Lord des Hauses Dusksea befindet sich auf einem Scheidepunkt seiner und des Hauses Geschichte. Das günstige Moment nutzend, ist eine Vernichtung des Nachbarhauses Estagond im Gange. Doch die schon lang bestehenden Verheiratungspläne seiner Tochter mit einer Familie der Greyjoys, ist ihm jetzt eher im Weg, da die bisherigen Entwicklungen diesen Plan und dessen mögliche Früchte sinnlos machten. Denn wenn das Haus bald als eine wichtige Größe im Westen erscheint, dann könnte die Heirat um einiges besser ausfallen. Dazu kommt, dass die Frau Lady Hespa Dusksea sich in verworrenen Zuständen befindet, da sie, aufgrund verwickelter Ereignisse, sich mitten in der Pampa der Region aufhält; somit verwundbar ist, das dem Lord sehr entgegenkommt, da er sie sowieso hasste - was auf ihre Unfähigkeit, ihm Söhne zu zeugen zurückzuführen ist - und er sich nun wohl besser neu verheiraten könne - mit der Hoffnung auf einen Sohn.

Ein Charakter, der Halbonkel des Lords, Lion Hill, ein Bastard, wird mit der Position des zukünftigen Verwalters des bald ehemaligen Haus Estagond geködert, die ehrenwerte Lady umzubringen - ein Angebot, das dieser nicht ausschlägt! Sofort bricht er mit fünf weiteren seiner Treuesten auf.

Zur gleichen Zeit machen sich zwei weitere Gruppen unabhängig voneinander auf die Suche nach der Lady. Da sind zum einen zwei Scouts des Führers der Scouts, Faron Hill, einem weiteren Verwandten der Familie, die von jenem beauftragt wurden die Lady zu finden und sie zu observieren, und zum anderen Bernd, der Sohn des Waffenmeisters, der von seinem Vater beauftragt wurde Hespa so schnell wie möglich zu finden und sie sicher zurück zu bringen, da sie ihm lebenswichtige Fragen beantworten könne. Er macht sich mit seinen zwei besten Kameraden auf den Weg.

Bei Hespa befindet sich ein Braavosi, der seine eigene Agenda hat und lange Zeit der Geliebte der Lady war, deren Beziehung sich letztens jedoch merklich abkühlte.

Also: drei Gruppen suchen die Lady, eine will sie töten, eine sie zurück bringen, die andere soll nur beobachten.

Und hier ist der erste Teil einer Trilogie. Schauen wir zu den Scouts!




Edit: Ausdruck
« Letzte Änderung: 13.04.2010 | 18:33 von Dirk »
Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

Aber Koks ist einfach nicht meine Droge.

Offline Dirk

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Und hier geht es los:



Tyrom

„Sind sie das?“

Sieht so aus. Die Lady ist viel zu weit hinter ihm; müde, langsam – fertig.

„Sind sie das nun?“

Der Braavosi, er lässt den Kopf hängen. Bewegt sich sein Mund? Führt er Selbstgespräche?

„Tyrom! Hey, Tyrom! Das sind sie doch, oder?“

„Was?“ Wir haben sie. Endlich! Hat lang genug gedauert.

„Ich glaube, dass sind sie, oder?“

Ich drehe mich zu Karlew: „Ja. Die Lady und der Braavosi. Mhmh.“

„Mhmh!“, Karlew starrt fasziniert zu der riesigen Lichtung, ein Lächeln und wirkliche Freude. Oh Mann, dieser Kerl!

Ich lasse meine linke Hand, nach schräg hinten greifend, vor seiner Rechten schweben, sie berührt ihn nicht: „Nur beobachten, hat er gesagt.“

„Weiß ich doch! Was machen wir jetzt?“

„Nur beobachten“, ich wende mich ebenfalls der Lichtung zu: „Keine Ahnung, nur beobachten.“ Seine Hand berührt unabsichtlich meine – ich zucke zurück. „Wir warten Karlew. Wir warten.“

„Klar. Aber worauf?“ Der Braavosi ist stehengeblieben und schaut sich um, seine Stimme hörbar, aber nicht verständlich.

„Hat der gerade was gesagt, Tyrom?“, flüstert Karlew mir ins Ohr; er ist dicht bei mir. Ich wage es nicht, mich von ihm abzurücken.

„Sei still, verdammt.“ Sie schaut nicht zu ihm, sie läuft einfach weiter, sagt nichts. Bald ist sie bei ihm, überholt ihn; er bleibt kurz stehen, nur um dann hinterher zu trotten. Wieder sagt er etwas. Verdammt, wir können nicht näher ran. Der Wald ist unsere einzige Deckung. Wohin wollen die eigentlich?

„Wir können nicht näher ran, Tyrom. Hast du was verstanden, Tyrom? Ah, wir müssten näher ran“, Karlew flüstert noch immer und nestelt an seinem Bogen herum. Ich spüre das. Seine Finger fahren der Maserung nach. Wie er das manchmal tut. Eigentlich ein guter Schütze. Japp. Gut und irgendwie liebenswert. Ich rücke doch von ihm ab, tarne es aber als Weitergehen: „Nein! Konnt‘ nix verstehen. Sei jetzt leise. Und komm!“

Der scheiß Wald ist viel zu dicht bewachsen. Wenigstens haben wir sie jetzt. Na und? Und nun? Was jetzt? Hinter ihnen her, neben ihnen her, langsam, leise, vorsichtig. Na ja, wenigstens besser als Farons neue Rekruten zu bewachen - dieser Bastard hat vielleicht Ideen. Oh Mann, diese blöden Sträucher. Sie laufen jetzt auf unsere Seite zu, also müssen wir etwas tiefer in den Wald.

„Psst!“, Karlews Hand reißt an meiner rechten Schulter: „Hast du das gehört?“

Ich lausche, Wind, knarrende Bäume, Karlews Atem, mein Atem, seine kratzende Hand auf meinem Leder, mein Kopf, wie er sich bewegt und mein Tuch rascheln lässt; eine Bewegung, ein Eichhörnchen – nein, zwei. Hm, ich schmunzel - eine schöne Erinnerung, an Karlew und diese roten Eichhörnchen, wie er sie stundenlang fasziniert beobachtete und allen strahlend erzählte, was sie gerade machten, ob man es nun wissen wollte oder nicht. Karlew. Gar nicht so lange her. Im Frühjahr. Im Frühjahr erst? Ich schüttel den Kopf.

„Schon wieder! Da... .“ Karlew duckt sich, ich mich auch, seine Hand hat mich losgelassen, ist zu einem Ast gerückt, hält ihn, umklammert ihn fest, weiß adrig, sehnig, zu fest. Und dann höre ich es auch. Pferde! Scheiße! Meine Haare richten sich auf und ich merke, dass meine Blase voll ist. Typisch. Dreißig Jahre im Feld und immer noch nichts dazu gelernt. Ich friere plötzlich.

„Da!“ Er deutet mit seinem Bogen in der Linken weiter in den Wald. Scheiße! Das sind mehrere. Ein nervöser Blick, zurück auf die Lichtung - der Braavosi hat inzwischen wieder die Führung übernommen - mein Kopf wieder zu den Pferden. Drei, nein vier, fünf. Ich bin ganz still. Ein Zweig in meinem Ohr. Sechs, es sind sechs! Hintereinander trabend, aufmerksam, bewaffnet. Ein paar tragen Helme, anscheinend auch Kettenhemden. Sie reiten auf die Lichtung zu. Haben die etwa einen Pfad gefunden, auf dem die reiten können? Mist, direkt auf die Lichtung zu! Ich zittere mit einmal heftig, mein Herz schlägt heftig. Irgendetwas läuft hier schief. Hat er doch Recht gehabt, der Bastard. Gespür hat er, das muss man ihm lassen – irgendetwas stimmt da nicht, hat er gesagt, findet sie, beobachtet sie und, er hat mich angeschaut, lange und beunruhigend, du weißt schon was zu tun sein wird, meinte er dann, ich vertraue dir Tyrom, dann hat er genickt, klar sagte ich, und dann hat er sich umgedreht und ist gegangen – dieser Bastard. Sie sehen sie, sie werden sie gleich sehen.

Karlew lässt den Ast los und fährt mit der Rechten zu seinem Mund: „Hh!“, ein Geräusch der Angst, der Überraschung, wie ein Kind. Und dabei hat er schon mehr Leute auf dem Gewissen, als für sein Alter gesund wäre. Sein Gesicht ist verzerrt, die Augen weit geöffnet, er ist vollkommen gespannt, schaut auf die Reiter und auf die Lichtung, auf den Braavosi und die Lady Hespa, und wieder zu den Reitern. Diese deuten nun nach links, auf die Lichtung, auf den Braavosi und die Lady Hespa. Sie deuten und ich erkenne nun unsere Farben, sie unterhalten sich, ich höre ihre Worte, ich verstehe sie, aber ich achte nicht darauf; und ist das nicht der Minenbastard? Klar! Oder?

„Spann deinen Bogen“, sage ich während ich die Sehne meines Bogens holen will, greife tief in die kleine Tasche, umfasse die Sehnen, streife sie in meiner Hand umher, die Sehnen sind geschmeidig und trotzdem fest, ein, zwei Bahnen wickele ich mir zwischen die Finger, spiele damit, während ich die Männer beobachte. Die Sehnen fühlen sich gut an, irgendwie richtig, ich lasse eine davon, ein Stück davon, unter meinen Zeigefingernagel gleiten und presse sie fest in den Graben zwischen Nagel und Fleisch. Dann reiße ich mich los, von mir selbst los, und von den Sehnen, spanne schnell meinen Bogen, während die Reiter auf der Lichtung erscheinen, schnell, aber kein Galopp.

„Such dir eine gute Position. Aber erst eingreifen, wenn ich es sage. Los!“ Er schaut sich schnell um und verschwindet vor mir, laut. Aber die können uns jetzt eh nicht mehr hören. Ich hätte schießen und nicht eingreifen sagen sollen. Verdammt. Soll ich es rufen? Scheiße! Ich brauche auch einen bessere Position.

Das ist doch dieser Minenchef, der Bastardonkel vom Lord, oder? Das muss er sein, klar, das ist er: Lion Hill. Nur beobachten, hat er gesagt, der andere Hill – Faron Hill. Pfh, diese Familie hat viel zu viele Bastarde. Hier können sie mich nicht sehen, ich stehe zwischen den Bäumen, tief genug, dass mich nicht zu viel Licht erreicht, trotzdem eine gute Schussposition. Meine linke Seite, meine Wange lehnt am feuchten Moos, der Bogen fertig gespannt, der Pfeil, meine Blase drückt, ich friere stärker. Die Reiter sind bei ihnen, mit respektvollem Abstand, der Braavosi und die Lady sind mit dem Rücken zum Wald, sie unterhalten sich, aber immer noch Abstand zwischen den zwei Gruppen. Beruhige dich! Sie unterhalten sich weiter. Kein Wort verständlich! Warum sind wir nur so weit entfernt? Noch näher ran? Ja, das ist der Bastard! Lion Hill! Komischer Kauz, still, angeblich fähig; er zeigt auf die Lady und auf den Braavosi, seine Männer fragen etwas, er sagt wieder etwas. Was reden die nur?

Einer der Reiter bewegt sein Pferd, drängt sich zwischen die Lady und den Braavosi. Doch der taucht schnell - verdammt schnelle Schlange - unter dem Pferd durch, ist wieder bei der Lady, er sagt etwas, der Reiter dreht und schiebt das Pferd wieder, diesmal mit Kraft, zwischen beide. Sie werden lauter, ich versuche zu hören, mein Kopf dreht sich, das Ohr zur Lichtung – alles Ohr. Ich höre es, aber trotzdem verstehe ich noch immer nichts. Das Pferd des drängelnden Reiters bäumt sich plötzlich auf und schreit wie wild, der Reiter fällt, gefährlich schräg, „Lauf!“, höre ich, die Lady läuft, auf den Wald zu, die Reiter ziehen ihre Waffen. „Slin, hol sie dir!“, sehr laut, der Bastard, ein Reiter lenkt sein Pferd Lady Hespa hinterher, sie erreicht den Wald, das Pferd buckelt plötzlich und bricht nach links aus, wiehert grässlich, ein Pfeil in der Flanke. Der Reiter hält sich, springt dann aber ab, schreit: „Pfeile! Wir werden beschossen!“, sucht und duckt sich hinter seinem kaum zu bändigendem Courser und schreit weiter, sein Pferd wiehert immer noch! Armes Pferd! Er blickt sich suchend um, schaut auch in meine Richtung, sieht mich nicht. Von hier kann der Pfeil nicht gekommen sein, Blödmann. Er zieht sein Pferd, immer noch als Deckung nutzend, zurück zu seinen Kameraden. Die Reiter umtanzen den Braavosi, der sich vom Wald entfernt, er hat eine lächerliche, aber sehr lange Klinge in der einen, einen Dolch in der anderen Hand. Irgendwie ist es bei denen seltsam still.

„Ach, verdammt, Karlew! Ich hatte vor noch einen weiteren Sohn zu zeugen.“, sage ich, erschrecke vor mir, Pfeil auf der Sehne, die jetzt an meiner Wange ist, zielend, dann muss der Bastard etwas gesagt haben, drei Reiter sprinten auf den Wald zu, ich lasse los, der Pfeil fliegt zu weit nach oben, in die Luft, doch eines der Pferde bäumt sich auf, fällt, ein fluchender Mann. Karlew, ja - wenigstens trifft einer. Zwei Reiter krachen in den Wald, ich sehe sie nicht mehr, der andere liegt, ich stutze und wundere mich, neben seinem liegenden Pferd. Habe ich es fallen sehen? Keine Ahnung! Wo war der erste von den Hurensöhnen? Der, der sein Pferd als Deckung benutzt hat? Ah, da hinten! Er führt es, er scheint zu humpeln, im Bogen zum Braavosi und dem Bastard, mein Kopf ruckt wieder nach links, die kämpfen, ein fieser Axthieb, wirklich eine Schlange, wie der ausweicht, und, seine Klinge stößt zu schnell ...

„Ah, nein!“, ein lang gezogener Frauenschrei, von vorn, schräg links. Verdammt, was ist mit dem Reiter hier vorne? Sein Pferd sitzt! Es liegt nicht – es sitzt! Wo ist der Reiter? Eine Hand auf dem Pferd. Ah, komm nur, du scheiß Drecksack! Zeige dich!

Das Pferd zittert - eine richtige Zitterlinie von der Flanke bis zum Kopf, sein Kopf ist aber ganz starr, die Augen aufgerissen, das Weiße erkennbar, jetzt ist es ganz still, nur der Schwanz bewegt sich etwas, wiegend, im Rhythmus, sanft und kaum wahrnehmbar. Dann zucken seine Ohren, wieder ein Zittern, nicht so heftig, aber länger. Wieder Ruhe, wieder nur der Schwanz, ein Blinzeln – es bleckt die Zähne, es reißt sein Maul auf, weit und drohend, unglaublich weit, kein Ton, nur ein starres Zeigen der Zähne, wie ein Krampf. Ganz offen. Schließ dein Maul! Los doch, schließ es! Es hört dich nicht, Tyrom, es kann dich nicht hören, selbst wenn du direkt bei ihm wärest, es hört nur noch auf sein weites Starren.

Scheiße! Deine Konzentration, alter Mann! Wieder ein Schrei – die Lady! Losreißen. Hin, nur hin, zu diesem Schrei. Wo kam das her? „Nah!“, pralle gegen einen Baum, stechender Schmerz. Ah, meine Blase! Meine Füße wollen weiter, ich folge, höre nur noch mein Keuchen und mein Krachen im Holz - da, eine Bewegung, werf mich nach unten, wieder Schmerz. Zu tief, scheiße – ich sehe nichts, wage mehr, mehr. Noch ein bisschen mehr! Dann sehe ich sie, luge über eine große Wurzel, meine linke Hand im nassen Moos. Ihr Kopf, sie blutet, die zwei Kerle schauen sich um, nervös, aber keine Panik. Verdammt! Ich sehe hinter mich, lausche, überzeuge mich davon, der einzige zu sein. Wenn dieser andere mich nun gesehen hat? Pech wärs! Wieder zur Lady und den Kerlen. Diese hiefen sie nun auf eines ihrer Pferde, sind weiter vorsichtig, flüstern, schauen sich um, den einen kenne ich doch? Scheißkerl, so ein Drecksack! Wo ist nur Karlew, was macht der nur? Sie flüstern weiter, beraten sich, es wird lauter, trotzdem unverständlich. Mann, was habe ich nur für ein Pech? Können die nicht lauter sprechen? Klar, das ist Rhud – dieser Drecksack! Die ganze faulige Bande des Bastards. Sie bewegen sich, immer zwischen den Pferden, gehen. Bald höre ich sie noch nicht einmal mehr. Komm! Stehe auf! Dann schaue ich mich um und schleiche ihnen hinterher, schwitze, bin klatschnass - zittere aber wie verrückt, zittere und friere, bibbere bis die Zähne klappern.
Bäume, Sträucher, ihre Schatten, Hufe im Unterholz. Manchmal bleiben sie stehen und lauschen. Das Spiel kenne ich– nur bin ich besser darin!

Mann, wie lange wollen die noch durch diesen Wald?

Licht! Gleich werden sie im Hellen stehen, werden eine schöne Zielscheibe bilden - weit entfernt, so denken sie, von einem Bogenschützen. Leider ist er euch gefolgt, ihr Idioten. Sie machen es aber gut, geben sich Deckung. Aber irgendwann wird sich eine Gelegenheit bieten, ich bin geduldig, mein Bogen ist bereit, ich warte. Ich warte. Geduld, nur Geduld! Jetzt! Nein, verdammt! Die sind gut! Scheiße! Ich senke den Bogen, hebe ihn wieder und ziele. Mein Arm zittert. Los! So habe ich lange nicht mehr gezittert. Schließe die Augen, nur kurz, atme tief, die Augen immer noch zu, ich sehe diese Lichter, presse die Lider zusammen, die Lichter verändern ihre Farbe, rollen sich zusammen, ergeben neue Formen, werden dunkler, drohen zu verschwinden, ich presse stärker – und – nichts. Dann sind die Augen wieder offen.  Ich senke den Bogen wieder. Sie sind außer Reichweite! Sie schlagen aber den Weg zurück ein! Aber immer außerhalb der Reichweite, diese Feiglinge. Scheiß Feiglinge! Ich folge ihnen, den gleichen Weg wie vorhin, im Schatten der Bäume – sie außerhalb jeglicher Schussweite. „Mist!“, sage ich und laufe los.

Du musst vor ihnen da sein, vor ihnen. Das ist wichtig – ganz wichtig, dann stocke ich. Was ist, wenn sie es sich anders überlegt haben? Der Rand des Waldes, schaue nach den Reitern und der Lady - puh - sie sind noch zu sehen, sie reiten jetzt, immer noch in die gleiche Richtung. Und wieder laufen.

Dann das sitzende Pferd, es hat immer noch sein Maul geöffnet. Es lebt noch, sein Schwanz zuckt, die Ohren zucken. Der Kerl ist weg. Mist! Was macht der Braavosi? Dort sind zwei Pferde, der Braavosi steht, der Bastard liegt, voller Blut, einer seiner Dreckskerle versorgt ihn, oder so, die Klinge des Braavosi an seiner Kehle. Hinter dem einen Pferd ist doch einer! Verdammt, den habe ich gar nicht gesehen! Du lässt echt nach! Und wieder unterhalten sie sich. Mein Atem ist viel zu laut, höre noch nicht einmal die verdammten Bäume knarren. Der als erster vom Pferd gefallen ist, liegt immer noch.

Dann kommen die Reiter, mit der Lady. Sie werden langsamer, suchen, blicken in den Wald, suchen, traben dann vorsichtig weiter, dicht beieinander, die Lady halten sie aufrecht zwischen sich eingekeilt. Dreckskerle, clevere Dreckskerle.

Mein linkes Auge brennt, ich wische den Schweiß weg, sie unterhalten sich wieder, sind jetzt alle recht nahe beieinander. Der Braavosi blutet, sieht aber sehr zufrieden aus. Die Lady wird nach unten gelassen, sie geht hinter den Braavosi. Was geschieht da blos? Wo ist Karlew? Will da jemand seine Waffen ziehen? Kann ich es wagen nach ihm zu rufen?

„Karlew!“, verdammt, das habe ich ja kaum gehört!

„Karlew!“

„Karlew!“ Das war zu laut! Doch bei der Gruppe rührt sich nichts, sie reden weiter.

„Karl..“ Dann stößt der Braavosi die Klinge in den Kopf des, über dem Bastard hockenden Kerl, der bricht sofort zusammen; die Männer; Waffen; die Lady kauert, Schreie, Pferde in meiner Schussbahn, wildes Springen und Wenden, ein Todesschrei, kann nichts erkennen, alles zu schnell. Soll ich weiter nach vorne? Hat da jemand geschossen?

Stille. Jemand jammert. Ein Pferd gibt den Blick frei, der Braavosi liegt, in unmöglicher Position, sein Gesicht nach unten, nur einer steht noch, bewegt sich, blickt sich zu dem liegenden Bastard um, der sagt offensichtlich etwas. Ach, Dreck, Karlew wird mir schon Deckung geben. Ein Schritt nach vorn.

Schnauben. Ich drehe mich um, wieder ein Schnauben. Pferde! Ich ducke mich, mein Herz rast wieder, sehe nur Konturen, Schatten, Bewegung auf der Lichtung, mein Blick wieder zurück, der Bastard steht, gestützt von dem anderen Drecksack, die Lady vor ihnen kauernd. Bewegung links, die Umrisse der Neuankömmlinge nur ganz leicht erahnbar, auf der Lichtung wieder Bewegung. Ein langer Dolch? Der Arm hebt sich, dann runter, tief in die Schulter, die Lady bricht zusammen. Lion Hill, blutig über ihr, voller Blut, der ganze Mann, alles blutig. Ich erstarre, mein Mund offen, Keuchen, starre weiter, reglos, starr, mein Mund trocken. Der Mann voller Blut, die Lady hockt, zusammengesunken, blutig, ein tiefes, dumpfes Brummen. Brummmmm.

„Halt! Nein!“, ein sehr lauter Schrei, trotzdem dumpf, ein dumpfes Brummen, langsam heller werdend, die Pferde preschen los, es sind drei. Drei Reiter. Unsere Farben. Unser Haus! Wieder unsere Farben. Schon wieder. Wer auch sonst!

***

Tyrom nickt, steht von seiner Decke auf, streicht sich über den Bauch, von oben nach unten, zwei mal, sanft über das weiche Leder.
„Die stecken mit dem unter einer Decke. Diese Schweine, Tyrom. Die haben ihr nicht geholfen. Und Faron sagt, wir sollen nichts unternehmen. Das ...“
„Du wirst schön die Klappe halten, Karlew. Hast du mich verstanden?“
„Ja, Tyrom. Klar, aber...“
„Nichts aber! Kein Wort, klar?“
Karlew schweigt, nickt dann aber und wühlt, zwischen seinen Beinen, mit einem Finger, im Dreck - gräbt tief und störrisch, schon die ganze Zeit. Mit der anderen Hand fährt er sich über die Haare.
‚Ein großer Mann, jung geblieben für sein Alter‘, denkt Tyrom: ‚spielt mit Käfern und lauscht den Vögeln. Und ein verdammt guter Bogenschütze.‘
Tyrom streckt sich, schließt die Augen und saugt die Luft ein.
‚Warum wird mir schwindelig?‘, denkt er, dann tritt er aus dem Zelt. Es ist ruhig, trotz der vielen Menschen: ‚Die werden schlafen, oder sich auf ihrem Lager wältzen. Und Angst haben.‘
„Mach die Kerze aus und schlafe, ja?“, Tyrom späht noch einmal ins Zelt, wartet die Antwort nicht ab und fängt an zu gehen.
‚Ein letzter Spaziergang, bevor es Haus Estagund nicht mehr geben wird.‘
Er geht um die Zelte herum, auf die matschig getretenen Wege, hört die Wellen rauschen und setzt einen Fuß vor den anderen.
„Und Haus Dusksea wohl auch nicht mehr lange.“



Bis dann, wenn ich mit den anderen zwei Geschichten mal anfange.
« Letzte Änderung: 13.04.2010 | 18:27 von Dirk »
Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

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Offline Lord Verminaard

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Hallo Dirk, schön, mal wieder etwas von dir zu lesen! Bin gespannt, wie es weitergeht und wie sich das Dogs-System da wiederfindet, ich persönlich bin ja nach anfänglicher Euphorie nicht mehr nachhaltig von Dogs überzeugt.

Zitat
Wie so oft war in unserer Gruppe die soziale Dynamik, der wirklich sehr langjährige und breite Erfahrungsschatz der Spieler, die Ablehnung gegen das System und - neu - Ringrost eine immens starke Bremse. Die Geschichte lief nur schwer an, viele mussten sich erst wieder einfinden und der SL (ich) trug, durch mangelnde Vorbereitung und merklicher Schwäche im Spielleitern, nicht verbessernd bei.

Autsch. Ringrost und mangelnde Vorbereitung kenne ich als Bremsen auch sehr gut. Zunehmend ist es wirklich so, dass sich die Qualität meines Spielleitens direkt proportional zum Vorbereitungsaufwand verhält. Auch Motivation ist ein Thema, gestiegene Anspruchshaltung gepaart mit Erschöpfung dank eines generell anstrengenderen und kreativ auslaugenderen Alltags im Vergleich zu Schüler- und Studententagen tragen dazu bei, dass es mir oft schwer fällt, mich in den erforderlichen hoch konzentrierten, leicht euphorischen Zustand zu pushen, der eigentlich meine Benchmark für gute Spielleitung ist.

Eine Frage zur Spielsituation: Wer sind die Spielercharaktere? Lion Hill erwähntest du, sind die anderen Charaktere seine Getreuen, oder auf die verschiedenen Interessegruppen aufgeteilt?
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Humpty Dumpty

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Was ist denn "Ringrost"?

Ansonsten: der Zusammenhang zwischen Vorbereitungsintensität und Qualität der Spielrunde ist auch nach meiner Erfahrung gewaltig. Motivation spielt da insofern rein, als sie die Bereitschaft zum intensiven Vorbereiten entscheidend steuert.

wjassula

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Hi Dirk,

ich freue mich auch sehr, dich hier mal wieder zu lesen! Schön, schön. Mir geht´s ähnlich wie Vermi, ich bin von DitV auch nicht mehr so überzeugt. Gerade für das Westeros-Setting kann ich mir das so gar nicht vorstellen. Warum habt ihr euch für dieses System entschieden? Einfach, weil ihr es alle kennt und mögt, oder gab´s da noch andere Gründe?

Offline Dirk

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Ganz ehrlich: Das Beste an DitV ist der Würfelmechanismus! Für mich und unsere Gruppe ein herrlicher Spaß!

Die größte Schwäche von DitV ist die Kombination aus Imbalance zu Gunsten der Spieler (Fallout lässt viel zu schnell Wachstum zu) und dem moralischen Aufbau des Settings, das durch diese Schwäche - schon bereits am Anfang, wenn die SCs dementsprechend gebaut werden - die Prämisse des Settings (moralische und rechtliche Hüter und Richter in einem) aussetzen kann - eine Kampagne ist zwangsläufig sehr kurz!

Aber: Ich kann kaum zählen wie vielen Rollenspielneulingen DitV immensen Spaß machte! Für Rollenspieleinführungen ist es sehr erfolgreich - klar, denn es sind auch one-shots. Deshalb hat es einen Herzens-Platz bei mir.

Nun hatten wir sehr "realistisch" erstellte Charaktere, durch unseren Eigenbau-Umbau; alles gemäß dem schon angesprochenem Ultra-Realismus von Westeros. Ein "Nebeneffekt" davon war die unglaubliche Menge an unterschiedlichen Würfeln - von W4 bis W12. Und ich rede von einer MENGE... . Das wurde während einer Session, hinsichtlich DitVs bemerkt und - voila - umgesetzt.

Solange wie wir keine zufriedenstellende Lösung für das Fallout-Problem haben, wachsen unsere Charaktere halt nicht! Darüber beschwert sich niemand - irgendwie ist diese typische RPG-Motivation für unsere Gruppe schon lange keine mehr! Das einzige was sich bei uns verändert sind Einstellungen/Motivationen und Beziehungen  - und zwar sehr ad-hoc.

Was Ringrost ist? Kommt aus dem Boxsport und steht für eine lange Pause im Ring, d.h. lange nicht mehr unter Rampenlicht gekämpft.

Die Charaktere?

Da ist ein Ritter, der fähige Führer der Kavallerie, der dem Lord vereidigt ist und dem aber so langsam Zweifel kommen.

Sein Knappe Luvin, der eigentliche Erbe des Hauses - denn seine Mutter, also die Lady Hespa, gab ihn nach der Geburt, aus Rachegründen, einer Amme, damit ihr Ekel von einem Mann keinen Erbe bekam - hat keine Ahnung von seiner Herkunft, ist ein Hitzkopf und pubertäres Arschloch!

(Die Zwillingstochter Heraldine ist kein SC, aber wichtig!)

Der Master at Arms des Hauses ist ein treuer, blinder Untertan, hängt seinen Träumen nach alter Turnierherrlichkeit her, hat zwei etwas schwierige Söhne und, zu allem Übel, eine Frau, die die damalige Amme der Lady war, und, die vor kurzem, als sie die Zwillinge zufällig sah, ihrem Mann das große Geheimnis verriet.

Der Braavosi ist ja jetzt tot, d.h. ein neuer SC muss her!

Faron Hill, einer der Familienbastarde, ist der Führer der Scouts, war lange Söldner, und muss sich erst wieder in die Hauspolitik einfinden, zumal er das Pech hat, sich in seine Mörderin in spe zu verliebt zu haben, die Rache an der ursprünglichen Linie des Hauses üben will - und bei ihm anfängt!

Lion Hill habe ich schon beschrieben. Der Minenchef und jetzt Vertraute vom Lord.

Als SC hatten wir noch den Maester, der eine Rabenallergie hat und wahrscheinlich der Drahtzieher der großen Katstrophe des Hauses war: dem Verschwinden und Tod vieler Kinder vor ca. 10 Jahren. Der ist allerdings zu alt um bei der kampflastigen Story - schließlich gibt es gerade eine Kampagne gegen das Nachbarhaus - eine abendliche Rolle zu spielen.

Gestern Abend fiel das Rollenspiel leider aus...

Wenn es noch Fragen gibt, dann immer her mit ihnen!

MfG
Dirk
Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

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Offline Dirk

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Ach ja:

Lady Hespa war ein NSC, wie der Lord es noch ist - vielleicht übernimmt der Spieler des Braavosi ihn jetzt. (Der Spieler war auch die letzten Male nicht da...)

Tyrom, Karlew und die Kumpel von Lion sind alles NSC, die von den Spielern gespielt wurden, die mit ihren SCs nicht in der Szene vertreten waren - so machen wir das fast immer. (ich habe Vorzugsrecht als SL!)

MfG
Dirk

Erdmännchen finde ich schon echt putzig!

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